© skynesher E+

Grundlegende Änderung im Management des Prostatakarzinoms

MRI-TRUS-Fusionsbiopsien verbessern Diagnostik und Therapie des Prostatakarzinoms

<p class="article-intro">In der Schweiz erkranken jährlich bis zu 6200 Männer an Prostatakrebs. Obgleich die meisten dieser Tumoren keinerlei Beschwerden machen, ist die Übertherapie eines der grössten Probleme in der Behandlung des Prostatakarzinoms. Dank neuer MRI-Bildgebung ist das Ende von Überdiagnostik und Übertherapie absehbar.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Viele &Auml;rzte und Patienten kennen das Problem aus ihrer t&auml;glichen Praxis: Bei einem Patienten wird bei einer Vorsorgeuntersuchung ein erh&ouml;htes Prostataspezifisches Antigen (PSA) festgestellt. Bislang wurde in diesen F&auml;llen eine ultraschallgest&uuml;tzte Standard-12-fach-Biopsie der Prostata empfohlen. Dieses seit Jahrzehnten etablierte Vorgehen hat jedoch seine diagnostischen T&uuml;cken. Obwohl man in der Regel zw&ouml;lf Stanzen durchf&uuml;hrt, ist dieses Verfahren mit einer diagnostischen Unsicherheit verbunden. Zwei Problempunkte sind hierbei f&uuml;hrend: Zum einen besteht die Gefahr, signifikante Tumoren zu &uuml;bersehen, zum anderen werden vielfach klinisch insignifikante Tumoren gefunden.<sup>1</sup> In beiden F&auml;llen hat diese diagnostische Unsicherheit f&uuml;r den Patienten relevante Konsequenzen, die sowohl zur &Uuml;bertherapie als auch zur Untertherapie f&uuml;hren k&ouml;nnen.</p> <h2>&Uuml;bertherapie des Prostatakarzinoms</h2> <p>Obwohl aus mehreren randomisierten klinischen Studien bekannt ist, dass M&auml;nner mit einem insignifikanten Prostatakarzinom nicht von einer Behandlung profitieren, werden auch heute noch viele dieser Patienten radikal therapiert und dem Risiko m&ouml;glicher Nebenwirkungen und Komplikationen der Therapie ausgesetzt (Tab. 1).<sup>2&ndash;3</sup> Die Angst des Patienten und des Behandlers, einen Tumor in seiner Relevanz zu untersch&auml;tzen, ist sicher der f&uuml;hrende Grund f&uuml;r die Einleitung einer radikalen Behandlung.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1901_Weblinks_tab1.jpg" alt="" width="500px" height="529px" /></p> <h2>Unterbehandlung des Prostatakarzinoms</h2> <p>Das Untersch&auml;tzen klinisch relevanter Tumoren kann zu einer Unterbehandlung f&uuml;hren und das &Uuml;berleben der Patienten langfristig negativ beeinflussen. Bei klinisch signifikanten Tumoren zeigte der Vergleich der radikalen Prostatektomie mit &laquo;watchful waiting&raquo; deutliche &Uuml;berlebensvorteile f&uuml;r die radikale Prostatektomie. <sup>4</sup> Nach einer Nachuntersuchungszeit von 29 Jahren waren 80 % der 695 M&auml;nner verstorben. Bei 181 M&auml;nnern (32 % ) war das Prostatakarzinom die Todesursache (71 in der Gruppe mit radikaler Prostatektomie und 110 in der &laquo;Watchful waiting&raquo;-Gruppe). Nach 23 Jahren Nachbeobachtungszeit traten deutlich weniger Metastasen in der operierten Gruppe auf (27 % in der Gruppe mit radikaler Prostatektomie vs. 43 % in der &laquo;Watchful waiting&raquo;-Gruppe) und die Gesamtsterblichkeit war in der Gruppe der operierten Patienten um 12 % niedriger im Vergleich zur &uuml;berwachten Gruppe (Tab. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1901_Weblinks_tab2.jpg" alt="" width="500px" height="775px" /></p> <h2>Akkurates Staging des Prostatakarzinoms</h2> <p>Ein akkurates Staging hat demnach eine grundlegende Bedeutung f&uuml;r die Therapiesteuerung des Prostatakarzinoms, um sowohl &Uuml;ber- als auch Untertherapien zu vermeiden. Verbesserungen und Standardisierung in der Durchf&uuml;hrung und Beurteilung des multiparametrischen MRI der Prostata haben in der letzten Dekade die Diagnostik des Prostatakarzinoms wesentlich verbessert. Nun konnte erstmals in einer internationalen randomisierten Studie die &Uuml;berlegenheit der multiparametrischen MRI-Untersuchung der Prostata mit gezielter Fusionsbiopsie im Vergleich zur Standard-12-fach-Biopsie gezeigt werden.<sup>5</sup> In der PRECISION-Studie wurden 500 M&auml;nner mit erh&ouml;htem PSA-Wert entweder mit einer Standard-12-fach-Prostatastanzbiopsie oder einer multiparametrischen MRI-Untersuchung der Prostata und gezielter Biopsie untersucht. Die Studienergebnisse zeigten sehr eindr&uuml;cklich eine Verbesserung in der Diagnostik durch die MRITRUS- Fusionsbiopsie: 1. Weniger M&auml;nner m&uuml;ssen biopsiert werden: 30 % der M&auml;nner mit erh&ouml;htem PSA hatten eine unauff&auml;llige MRI-Untersuchung. Ihnen konnte die Biopsie komplett erspart werden, wohingegen in der Standardtherapiegruppe alle M&auml;nner biopsiert wurden. 2. Besserer Nachweis relevanter Tumoren: Durch die gezielte Biopsie auff&auml;lliger Areale im MRI wurde im neuen Verfahren bei 38 % der M&auml;nner eine klinisch relevante Krebserkrankung diagnostiziert. Beim zweiten Verfahren mit Standardbiopsie wurden hingegen nur bei jedem vierten Mann (26 % ) aggressive Tumoren gefunden. 3. Vermeidung der Detektion nicht signifikanter Tumoren: Durch die MRI-gesteuerte Biopsie wurden weniger insignifikante Prostatakarzinome diagnostiziert (9 % in der MRI-gesteuerten Biopsie vs. 22 % in der Standard-12-fach-Biopsie) (Tab. 3).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1901_Weblinks_tab3.jpg" alt="" width="500px" height="405px" /></p> <p>Diese Studienergebnisse zeigen beeindruckend, dass die Risikobewertung eines Prostatakrebsverdachts per MRT und eine auf deren Ergebnissen basierende Biopsie deutlich pr&auml;ziser ist als die bislang praktizierte ultraschallgesteuerte Biopsie mit zehn bis zw&ouml;lf Untersuchungspunkten. Die unauff&auml;lligen MRT-Befunde wiederum reduzieren gleichzeitig die Zahl unn&ouml;tiger Biopsien und damit die k&ouml;rperliche Belastung f&uuml;r die Untersuchten.<br />Wenn die Ergebnisse der PRECISIONStudie auf die derzeit pro Jahr in Europa eine Million durchgef&uuml;hrten Prostatabiopsien hochgerechnet werden, bedeutet dies, dass knapp 300 000 M&auml;nner weniger biopsiert werden m&uuml;ssen und gleichzeitig gut 100 000 potenziell lebensbedrohliche Prostatakarzinome mehr entdeckt werden. Dar&uuml;ber hinaus werden durch das gezielte Vorgehen um gut 50 % weniger ungef&auml;hrliche Tumoren entdeckt, die f&uuml;r betroffene M&auml;nner keine Gefahr darstellen, aber Krebsangst erzeugen.</p> <h2>Bessere Operationsplanung durch MRI-Fusionsbiopsie</h2> <p>In der Vergangenheit st&uuml;tzte sich die pr&auml;operative Planung haupts&auml;chlich auf Nomogramme, die auf den begrenzten Informationen aus der klinischen Untersuchung und der Prostatabiopsie basierten. Insbesondere die Entscheidung, die neurovaskul&auml;ren B&uuml;ndel zu erhalten oder zu entfernen, basierte auf klinischen Informationen, die nicht r&auml;umlich oder anatomisch waren. Insbesondere f&uuml;r die Patientengruppe mit sogenanntem Hochrisikoprostatakarzinom (PSA &gt;20ng/ml, Gleason Score 8&ndash;10, Tumorstadium cT3), die von einer Operation am meisten profitieren, bedeutete dies in den meisten F&auml;llen, dass kein Nervenerhalt durchgef&uuml;hrt wurde.<sup>6&ndash;8</sup> Die Fortschritte mit der MRI-TRUS-Fusionsbiopsie verbessern diese Situation nun grundlegend, indem ein genaues dreidimensionales Bild der Prostata mit der exakten Lage und Gr&ouml;sse des Tumorbefundes zur Verf&uuml;gung steht. Diese Informationen gestatten eine optimale Operationsplanung aufgrund des individuellen Tumorbefundes und erm&ouml;glichen in vielen F&auml;llen eine potenzerhaltende Operationstechnik bei Patienten, denen diese in der Vergangenheit verwehrt wurde. F&uuml;r den einzelnen Patienten ist dies von entscheidender Bedeutung. Obwohl nat&uuml;rlich das onkologische Ergebnis im Mittelpunkt der radikalen Prostatektomie steht, spielt die Wiedererlangung von Kontinenz und Potenz f&uuml;r den Patienten eine entscheidende Rolle.</p> <h2>Fazit</h2> <p>Das multiparametrische MRI der Prostata stellt einen neuen Standard in der Diagnostik des Prostatakarzinoms dar. Die genauere Kenntnis von Tumorgr&ouml;sse, Differenzierung und Lokalisation l&auml;sst heutzutage eine optimale Therapiesteuerung zu. Ungeachtet der Verbesserung in der Diagnostik stellt jedoch auch weiterhin die Reduktion der &Uuml;bertherapie die gr&ouml;sste Herausforderung in der Behandlung des Prostatakarzinoms dar. Das multiparametrische MRI der Prostata bietet hierbei eine grosse Unterst&uuml;tzung und erm&ouml;glicht es, heutzutage auch Patienten mit signifikantem Prostatakarzinom sicher zu &uuml;berwachen und vielen die Operation zu ersparen. F&uuml;r M&auml;nner mit einem behandlungsbed&uuml;rftigen Prostatakarzinom erm&ouml;glicht die MRI-basierte Diagnostik eine Verbesserung in der Operationsplanung und damit den besseren Erhalt von Potenz und Kontinenz. Letztendlich spielt f&uuml;r diese Patienten die Qualit&auml;t des Operateurs eine entscheidende Rolle, der &ndash; ungeachtet der verwendeten Operationstechnik &ndash; die vorhandenen Informationen am besten nutzen kann, um neben einer kompletten Tumorentfernung die Kontinenz und Potenz bestm&ouml;glich zu erhalten.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Ahmed HU et al.: Diagnostic accuracy of multi-parametric MRI and TRUS biopsy in prostate cancer (PROMIS): a paired validating confirmatory study. Lancet 2017; 389(10071): 815-22 <strong>2</strong> Hamdy FC et al.: 10-year outcomes after monitoring, surgery, or radiotherapy for localized prostate cancer. N Engl J Med 2016; 375(15): 1415-24 <strong>3</strong> Wilt TJ et al.: Prostatectomy versus observation for early prostate cancer. N Engl J Med 2017; 377(13): 1302-3 <strong>4</strong> Bill- Axelson A et al.: Radical prostatectomy or watchful waiting in prostate cancer &ndash; 29-year follow-up. N Engl J Med 2018; 379(24): 2319-29 <strong>5</strong> Kasivisvanathan V et al.: MRItargeted or standard biopsy for prostate-cancer diagnosis. N Engl J Med 2018; 378(19): 1767-7 <strong>6</strong> Tosco L et al.: The EMPaCT classifier: a validated tool to predict postoperative prostate cancer-related death using competing-risk analysis. Eur Urol Focus 2018; 4(3): 369-75 <strong>7</strong> Joniau S et al.: Pretreatment tables predicting pathologic stage of locally advanced prostate cancer. Eur Urol 2015; 67(2): 319- 25<strong> 8</strong> Joniau S et al.: Stratification of high-risk prostate cancer into prognostic categories: a European multi-institutional study. Eur Urol 2015; 67(1): 157-64</p> </div> </p>
Back to top