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Häufigkeit, Relevanz und Therapieoptionen

Hyperkaliämie bei Herzinsuffizienz

<p class="article-intro">Hyperkaliämie ist eine häufige Komplikation bei Patienten mit Herzinsuffizienz und wird in Abhängigkeit von Komorbiditäten wie Diabetes mellitus und Niereninsuffizienz häufig beobachtet. Wenngleich lange asymptomatisch, so ist eine Hyperkaliämie ernst zu nehmen und mit erhöhter Mortalität assoziiert. Neben etablierten Therapiestrategien steht uns Patiromer bereits jetzt und mit ZS-9 wohl in absehbarer Zeit ein weiterer neuer Kaliumbinder mit guter Verträglichkeit zur Verfügung.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Niereninsuffizienz und Herzinsuffizienz</h2> <p>Die chronische Niereninsuffizienz ist eine bei Patienten mit Herzinsuffizienz h&auml;ufig auftretende Komorbidit&auml;t. Mit zunehmender Nierenfunktionseinschr&auml;nkung nimmt bei Patienten mit Herzinsuffizienz auch die Pr&auml;valenz der Hyperkali&auml;mie deutlich zu. Dar&uuml;ber hinaus beg&uuml;nstigen die als Eckpfeiler der neurohumoralen Therapie geltenden ACE-Hemmer, Angiotensin- Rezeptor-Blocker und auch Mineralokortikoidantagonisten das Auftreten von Hyperkali&auml;mie. Diese stellt daher nicht nur aufgrund des Arrhythmierisikos bei schwerer Auspr&auml;gung einen medizinischen Notfall dar, sondern ist auch bereits bei m&auml;ssig erh&ouml;hten Werten h&auml;ufig therapielimitierend und mit einer schlechten Prognose vergesellschaftet.</p> <h2>Kaliumhom&ouml;ostase und physiologische Kaliumwerte</h2> <p>Die Grenzwerte f&uuml;r Hypo- und Hyperkali&auml;mie werden in der Literatur teils unterschiedlich angegeben. Von einer Hypokali&auml;mie kann ab einem Wert &lt;3,5mmol/l und von einer Hyperkali&auml;mie ab einem Kalium &gt;5,0mmol/l ausgegangen werden. Kalium ist zu 98 % intrazellul&auml;r gespeichert und aufgrund der essenziellen Bedeutung f&uuml;r das Membranpotenzial bei St&ouml;rungen in der Hom&ouml;ostase mit erh&ouml;htem Arrhythmierisiko verbunden. T&auml;glich werden ca. 80&ndash;120mmol Kalium mit der Nahrung zugef&uuml;hrt. Verbliebe das zugef&uuml;hrte Kalium vorwiegend extrazellul&auml;r, w&uuml;rde bereits ein Drittel der zugef&uuml;hrten Kaliummenge zu einer Hyperkali&auml;mie f&uuml;hren. F&uuml;r die Hom&ouml;ostase ist daher die Umverteilung zwischen extraund intrazellul&auml;rem Kompartiment wesentlich. Katecholamine sowie Insulin und Aldosteron f&ouml;rdern die Aufnahme in den Intrazellularraum. Aldosteron kommt in der Regelung des Kaliums besondere Bedeutung zu, da es auch die &uuml;berwiegend renale Ausscheidung (90 % renal, 10 % gastrointestinal) von Kalium steuert. Die in der neurohumoralen Therapie so wichtige Inhibition des Renin-Angiotensin-Aldosteron- Systems (RAASi) beeinflusst daher wesentlich den Kaliumhaushalt und kann gerade bei Patienten mit eingeschr&auml;nkter Nierenfunktion zu Hyperkali&auml;mie f&uuml;hren.</p> <h2>H&auml;ufigkeit der Hyperkali&auml;mie</h2> <p>Die H&auml;ufigkeit der Hyperkali&auml;mie kann in der Gesamtbev&ouml;lkerung mit 2&ndash;3 % angegeben werden. Allerdings ist diese bei hospitalisierten Patienten mit bis zu 10 % h&ouml;her und nimmt bei Patienten mit begleitender chronischer Niereninsuffizienz nochmals deutlich zu. Gerade Patienten mit Herzinsuffizienz zeichnen sich durch ein erh&ouml;htes Auftreten einer begleitenden Niereninsuffizienz und/oder eines Diabetes mellitus aus. Beide sind ihrerseits mit geh&auml;uftem Auftreten einer Hyperkali&auml;mie vergesellschaftet. So liegt die Pr&auml;valenz einer Hyperkali&auml;mie bei Patienten ab einem Stadium IIIB der Niereninsuffizienz mit begleitender Herzinsuffizienz bei rund 20 % und nimmt mit zunehmender Niereninsuffizienz weiter zu (ca. 30 % ab Stadium IV). &Auml;hnliches kann auch bei Diabetikern mit Niereninsuffizienz beobachtet werden.<br /> Neben den Komorbidit&auml;ten stellt auch die f&uuml;r die Therapie der Herzinsuffizienz unerl&auml;ssliche RAASi einen wesentlichen Trigger f&uuml;r das Auftreten einer Hyperkali&auml;mie dar. Juurlink et al. konnten in einer Analyse an &uuml;ber 1,3 Millionen Patienten nach Ver&ouml;ffentlichung der RALES-Studie (Spironolacton vs. Placebo bei Herzinsuffizienz) einen signifikanten Anstieg der durch Hyperkali&auml;mie bedingten Hospitalisierungen und auch der Mortalit&auml;t bei Hyperkali&auml;mie zeigen. Die Krankenhausaufnahmen nahmen um den Faktor 5 zu und die Krankenhaussterblichkeit bei Hyperkali&auml;mie stieg von 0,5/1000 Patienten auf rund 1,5/1000 Patienten an. Dem steht die Tatsache gegen&uuml;ber, dass eine intensivere RAASi mit einem verbesserten &Uuml;berleben vergesellschaftet ist. Der Kontrolle des Serumkaliums kommt daher besondere Bedeutung zu. Dar&uuml;ber hinaus ist gerade bei kardialen Patienten nicht nur die Hyperkali&auml;mie, sondern auch die Hypokali&auml;mie mit erh&ouml;hter Morbidit&auml;t und Mortalit&auml;t verbunden, wie 2012 an einer Kohorte von rund 40 000 hospitalisierten Patienten mit Myokardinfarkt gezeigt werden konnte (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Innere_1806_Weblinks_s64_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="924" /></p> <h2>Therapie der Hyperkali&auml;mie</h2> <p>Die Therapie der Hyperkali&auml;mie richtet sich nach deren Schweregrad und begleitender Symptomatik. Die Notfalltherapie der Hyperkali&auml;mie zielt mit Ausnahme der Dialyse und der im Akutfall nur bedingt wirksamen Diuretika auf eine Umverteilung des extrazellul&auml;ren Kaliums in den Intrazellularraum ab. Bew&auml;hrt hat sich in der Notfalltherapie die Verwendung von Insulin/Glukose sowie bei begleitender Azidose auch Natriumbikarbonat. In besonders schweren F&auml;llen kann auch die nahezu unmittelbar wirkende i.v. Applikation von Kalziumglukonat oder eine H&auml;modialyse erforderlich sein.<br /> Die Therapie der chronischen Hyperkali&auml;mie basiert hingegen vorwiegend auf einer Reduktion der Kaliumzufuhr, dem Absetzen potenziell Hyperkali&auml;mie-induzierender Medikamente sowie der F&ouml;rderung der Kaliumausfuhr. In der Praxis stellen daher neben di&auml;tetischen Massnahmen Diuretika und Kationenaustauscher &ndash; hier vor allem Natriumpolystyrolsulfonat (NaPS; z.B. Resonium A<sup>&reg;</sup>) &ndash; die S&auml;ulen der Langzeitbehandlung dar. Die jahrelange klinische Erfahrung mit diesen Substanzen steht nur begrenzter Evidenz aus prospektiven Studien mit nur relativ kurzem Follow-up gegen&uuml;ber. Nach wie vor mangelt es an Studiendaten zur dauerhaften Einnahme. Dar&uuml;ber hinaus sind gastrointestinale Nebenwirkungen, der unangenehm sandige Geschmack, die fehlende Selektivit&auml;t und damit ein geh&auml;uftes Auftreten von Hypomagnesi&auml;mie und Hypokalz&auml;mie einschr&auml;nkend f&uuml;r diese Therapie. Die sehr seltenen und zumeist mit gleichzeitiger Sorbiteinnahme assoziierten Darmnekrosen stellen zudem eine potenziell lebensbedrohliche Komplikation dar und haben 2009 zu einer Blackbox-Warnung der FDA gef&uuml;hrt. Pr&auml;disponierend hierf&uuml;r sind das postoperative Setting, eine gest&ouml;rte Darmmotilit&auml;t und die Verwendung als Einlauf.<br /><br /> <strong>Patiromer</strong><br /> Wie auch NaPS ist Patiromer (Veltassa&reg;) ein Kationenaustauscher. Im Gegensatz zu NaPs tauscht Patiromer nicht prim&auml;r Natrium, sondern Kalzium gegen Kalium aus und wirkt vorwiegend im Kolon. Beide sind allerdings nicht selektiv und binden teils auch Magnesium und Patiromer auch Natrium. Da die Kaliumkonzentration im Kolon jedoch vergleichsweise h&ouml;her ist als jene der anderen Kationen, bindet Patiromer vor allem Kalium. Wenngleich m&ouml;glich, so sind klinisch relevante Hypomagnesi&auml;mien in den bis dato vorliegenden Studien nicht beobachtet worden.<br /> Bislang wurde Patiromer in drei klinischen Studien untersucht. OPAL-HK hat die Wirkung von Patiromer an 237 Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz unter RAASi und Hyperkali&auml;mie (5,1&ndash;6,4mmol/l) untersucht. Im Verum- Arm erreichten 76 % der Patienten nach 4-w&ouml;chiger Therapie normale Kaliumwerte. Dieser Effekt blieb bei zumindest 60 % der Patienten 8 Wochen nach Absetzen der Studienmedikation noch erhalten. Patienten mit diabetischer Nephropathie gelten ebenso als Risikogruppe f&uuml;r die Entwicklung einer Hyperkali&auml;mie und wurden in der AMETHYST-DN-Studie (eGFR 15 bis &lt;60ml/min/1,73m&sup2;; K+&gt;5,0mmol/l; &gt;65 % der Patienten RAASi) untersucht. Auch in dieser Studie konnte Patiromer im Beobachtungszeitraum von 52 Wochen Kalium effektiv senken. Patienten mit Herzinsuffizienz und Hyperkali&auml;mie wurden in der Studie Evaluation of Patiromer in Heart Failure Patients (PEARL-HF) untersucht. In PEARL-HF wurde bei 155 Patienten mit gleichlaufender Niereninsuffizienz Spironolacton (25mg/d) begonnen und die Patienten zu 30g/d Patiromer oder Placebo f&uuml;r 4 Wochen randomisiert. Die Patienten unter Patiromer hatten signifikant niedrigere Kaliumwerte und eine Dosissteigerung auf 50mg Spironolacton konnte in 91 % vs. 74 % durchgef&uuml;hrt werden. Erfreulich ist die geringe Nebenwirkungsrate von Patiromer in den bislang vorliegenden Untersuchungen. Es &uuml;berwiegen gastrointestinale Nebenwirkungen wie Obstipation (11 % ), Diarrh&ouml; (8 % ) oder Flatulenzen. Eine asymptomatische Hypomagnesi&auml;mie trat bei 8&ndash;24 % der untersuchten Patienten auf. Neben dem Auftreten von Hypokali&auml;mie bei 3&ndash;6 % der Patienten in beiden Studien ist die potenzielle Interaktion mit anderen Medikamenten von besonderer Bedeutung. In Interaktionsstudien an gesunden Probanden konnte f&uuml;r eine Reihe von kardiovaskul&auml;r relevanten Medikamenten und Antibiotika (z.B. Clopidogrel, Furosemid und Metoprolol, Valsartan, Ciprofloxacin, Warfarin, Levothyroxin) eine teilweise &uuml;ber 50 % ige Bindung im Gastrointestinaltrakt und damit eine relevante Reduktion der Bioverf&uuml;gbarkeit gefunden werden. Patiromer darf daher 3 Stunden vor und nach Medikamenteneinnahme nicht eingenommen werden.<br /><br /> <strong>Natriumzirkoniumzyklosilikat (ZS-9)</strong><br /> ZS-9 ist ein nicht l&ouml;sliches, geruchsund geschmackloses, kristallines Pulver, welches ebenso wie NaPS und Patiromer als Kationenaustauscher (Natrium gegen Kalzium, Magnesium oder Ammonium) wirkt. Es ist selektiver f&uuml;r Kalium und wirkt bereits im oberen GI-Trakt. Im Gegensatz zu Patiromer f&uuml;hrt es potenziell zu einer erh&ouml;hten Natriumzufuhr. Ein weiterer Unterschied ist der relativ rasche Wirkungseintritt. Die klinischen Daten zur Anwendung von ZS-9 basieren auf rund 1000 Patienten aus 4 placebokontrollierten Studien mit einer Anwendungsdauer von bis zu 29 Tagen. In der ZS-002-Studie konnte an 90 Patienten eine effektive Kaliumsenkung nach 48h dokumentiert werden. Diese wurde in der gr&ouml;sseren ZS-003-Studie an immerhin 753 Patienten mit Hyperkali&auml;mie (60 % Herzinsuffizienz, 40 % Niereninsuffizienz) best&auml;tigt. Auch w&auml;hrend der Erhaltungsphase von bis zu 14 Tagen konnte unter ZS-9 eine effektive Kaliumsenkung bei nur milden Nebenwirkungen auf Placeboniveau erreicht werden. Wie bei Patiromer waren dies &uuml;berwiegend gastrointestinale Nebenwirkungen. Auch die HARMONIZE-Studie mit 258 Patienten verzeichnete bei gleicher Effektivit&auml;t &uuml;ber 1 Monat keine h&ouml;heren Nebenwirkungsraten und in der Subgruppe von Patienten mit Herzinsuffizienz (n=94) waren rund zwei Drittel der Patienten unter einer RAASi. Allerdings traten in dieser Studie unter der h&ouml;chsten untersuchten ZS-9-Dosis (15g) geh&auml;uft &Ouml;deme auf.</p> <h2>Praktische Herangehensweise bei Patienten mit Hyperkali&auml;mie</h2> <p>Um kritische Hyperkali&auml;mien zu vermeiden, empfiehlt die europ&auml;ische Gesellschaft f&uuml;r Kardiologie bei Patienten mit Herzinsuffizienz keine RAASi ab einer eGFR &lt;25ml/min/1,73m&sup2; oder einem Kalium von &gt;5,0mmol/l. Bei Kaliumwerten von 5,0&ndash;5,5mmol/l oder einer eGFR von 25&ndash;30ml/min/1,73m&sup2; soll diese nur unter engmaschigen Laborkontrollen (1&ndash;2 Wochen nach Therapiestart sowie regelm&auml;ssig im Verlauf) begonnen werden. Aufgrund der Mortalit&auml;tsreduktion unter RAASi ist ein Anstieg der eGFR von 25&ndash; 30 % verglichen mit Baseline akzeptabel. Bei Kaliumspiegeln &gt;6mmol/l oder symptomatischer Hyperkali&auml;mie, akutem Nierenversagen oder eGFR &lt;20ml/ min/1,73m&sup2; sollte die RAASi abgesetzt und eine entsprechende Therapie je nach Symptomatik und Schwere der Befundkonstellation eingeleitet werden. Bei Kaliumwerten zwischen 5,5 und 6,0mmol/l wird wie eingangs erw&auml;hnt zun&auml;chst eine Dosisreduktion empfohlen.<br /> Mit Patiromer (Veltassa<sup>&reg;</sup>) steht uns bislang nur ein neuer Kaliumbinder zur Verf&uuml;gung. Prinzipiell sollte dieser nach dem Serumkalium titriert werden, wobei mit der niedrigsten Dosis (8,4g) begonnen werden sollte. Aufgrund m&ouml;glicher Arzneimittelinteraktionen d&uuml;rfen 3h vor und nach Patiromer-Einnahme keine Medikamente eingenommen werden. Dar&uuml;ber hinaus empfiehlt es sich aufgrund der besseren Vertr&auml;glichkeit, das Granulat mit dem Essen einzunehmen. Allerdings ist im Gegensatz zu NaPS &uuml;blicherweise nur eine geringe Menge an Fl&uuml;ssigkeit zur Einnahme erforderlich. Neben den engmaschigen Kaliumkontrollen (erstmals am Tag 3 nach Therapiestart) sollten die Serumspiegel von Magnesium und auch Kalzium regelm&auml;ssig kontrolliert werden.<br /> ZS-9 soll bis zum Erreichen der Normokali&auml;mie mit einer Dosis von maximal 3x10g t&auml;glich eingenommen werden. Aufgrund des schnelleren Wirkungseintrittes von ZS-9 ist eine Kaliumkontrolle bereits nach 1&ndash;2 Tagen erforderlich. Zur Erhaltung der Normokali&auml;mie werden dann initial 5g t&auml;glich empfohlen. Eine Dosis von 10g pro Tag sollte nicht &uuml;berschritten, und die niedrigste effektive Dosis angestrebt werden. Regelm&auml;ssige Elektrolytkontrollen sind daher auch bei ZS-9 erforderlich.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> Durch den Einsatz neuer Kaliumbinder k&ouml;nnte bei Patienten mit Herzinsuffizienz eine h&ouml;here Rate an RAASi erreicht werden. Auch wenn angenommen werden darf, dass die Anwendung bei Risikopatienten den Langzeitverlauf positiv beeinflusst, so sind entsprechende Daten aus randomisierten Studien diesbez&uuml;glich noch ausstehend.</div> <div>&nbsp;</div> <div><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Innere_1806_Weblinks_s63_tab1.jpg" alt="" width="2151" height="1011" /></div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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