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Die Zukunft der Elektrophysiologie

„Zero fluoroscopy“-Ablation

<p class="article-intro">Die elektrophysiologische Untersuchung und Ablation haben in den letzten Jahren einen immer höheren Stellenwert in der Diagnostik und Therapie von verschiedenen Herzrhythmusstörungen erlangt. Mithilfe von zunehmend besser entwickelten 3D-Mapping-Systemen konnten die Durchleuchtungszeiten mit Röntgenstrahlung bereits substanziell reduziert werden. Neuerdings kann bei Anwendung der „Zero fluoroscopy“-Strategie auch vollständig auf sie verzichtet werden.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Hintergrund</h2> <p>Weltweit leiden Millionen Menschen an unterschiedlichen Typen von supraventrikul&auml;ren Tachykardien. Nach Daten der Europ&auml;ischen Kardiologischen Gesellschaft von 2017 haben allein 35 Millionen Menschen weltweit Vorhofflimmern. Dieses stellt jedoch nur eine von vielen verschiedenen Rhythmusst&ouml;rungen dar, welche allesamt in teilweise hohem Ma&szlig;e Symptome verursachen. Dadurch wiederum wird die Lebensqualit&auml;t der Patienten relevant beeintr&auml;chtigt. Au&szlig;erdem sind manche Tachykardien mit einer deutlich erh&ouml;hten Mortalit&auml;t vergesellschaftet, vor allem wenn es sich um ventrikul&auml;re Tachykardien bei bekannten Kardiomyopathien handelt.</p> <h2>Pharmakologische Therapie von Herzrhythmusst&ouml;rungen</h2> <p>In der pharmakologischen Therapie der Herzrhythmusst&ouml;rungen haben sich in den letzten Jahren bedauerlicherweise nur wenige Neuerungen ergeben. Immer noch finden die klassischen Antiarrhythmika (AAX) breite Anwendung, welche sich in die vier Kategorien I&ndash;IV nach Vaughan- Williams unterteilen lassen. Allen gemeinsam ist eine Wirkung an den unterschiedlichen Ionenkan&auml;len der Herzmuskelzelle. So gelingt durch einen gezielten Effekt an Natrium-, Kalium- oder Kalziumkan&auml;len sowie durch eine Modulation an den Betarezeptoren des Sympathikussystems sowohl eine Rhythmus- oder Frequenzkontrolle als auch (bei den Betablockern) eine Kontrolle der Mortalit&auml;t. Allerdings wird dadurch lediglich ein m&auml;&szlig;ig zufriedenstellender Therapieerfolg erzielt, sodass man sich als behandelnder Arzt mit Erfolgsraten von etwa 50 % &ndash; abh&auml;ngig von der Art der Rhythmusst&ouml;rung &ndash; zufriedengeben muss. Bei einigen, wie zum Beispiel der AVnodalen Reentry-Tachykardie (AVNRT), ist eine suffiziente Terminierung lediglich durch Medikamente m&ouml;glich, welche intrahospital und unter rhythmologischem Monitoring verabreicht werden m&uuml;ssen. In diesen F&auml;llen ist eine medikament&ouml;se Therapie f&uuml;r zu Hause mit noch geringeren Erfolgsraten vergesellschaftet. Des Weiteren ist anzumerken, dass &ndash; wie bei allen Medikamenten &ndash; mit zum Teil schwerwiegenden Nebenwirkungen zu rechnen ist und dadurch der Einsatz limitiert wird. Schlussendlich gilt es gerade bei den AAX eine Vielzahl von Komorbidit&auml;ten zu ber&uuml;cksichtigen, welche teilweise eine Kontraindikation f&uuml;r die Gabe darstellen.</p> <h2>Entwicklung in der elektrophysiologischen Untersuchung und Ablation</h2> <p>Vermutlich hat sich, gerade aufgrund der Tatsache, dass es wenige Fortschritte und Neuerungen im Bereich der medikament&ouml;sen Therapie gab, eine sehr rasche und steile Entwicklung in der elektrophysiolgischen Untersuchung (EPU) und Ablation ergeben. Einerseits hat sich durch verbesserte diagnostische M&ouml;glichkeiten viel im Verst&auml;ndnis der zugrunde liegenden Pathologien der einzelnen Herzrhythmusst&ouml;rungen verbessert. Andererseits wurde die Methode durch technische Innovationen, den Einsatz von 3D-Mappingsystemen und stetigen Fortschritt im Bereich der Technologie der Ablationskatheter weiter perfektioniert. Aus all diesen Gr&uuml;nden hat sich die Ablation in vielen Bereichen der Rhythmologie als die Therapie der ersten Wahl etabliert. So gelingt es bei einigen Rhythmusst&ouml;rungen, wie bei der AVNRT und der AV-Reentry-Tachykardie bei akzessorischen Leitungsbahnen, Erfolgsraten von &uuml;ber 95 % mittels Ablation zu erzielen. Dies findet auch in die g&uuml;ltigen Guidelines der diversen kardiologischen Fachgesellschaften zum Teil sehr prominent Einzug. Au&szlig;erdem reduzieren sich durch die oben genannten besser werdenden Technologien die Komplikationsraten deutlich. Im Allgemeinen ist je nach Art der Herzrhythmusst&ouml;rung von Raten zwischen 0,5 und 4,0 % in einem &bdquo;High volume&ldquo;-Center auszugehen.</p> <h2>Katheterlabor: Schutz des Teams vor R&ouml;ntgenstrahlung notwendig</h2> <p>Um die verschiedenen diagnostischen und therapeutischen Katheter endokardial zu positionieren, zu steuern beziehungsweise an exakter Stelle zu halten, ist allerdings deren Visualisierung unabdingbar. In den allermeisten elektrophysiologischen Laboren findet dies mithilfe von Durchleuchtungsanlagen mit R&ouml;ntgenstrahlung statt, welche seit L&auml;ngerem als durchaus problematisch angesehen wird. So ist hinl&auml;nglich bekannt, dass R&ouml;ntgenstrahlung nicht nur beim behandelnden Arzt, sondern beim gesamten Team im Katheterlabor mit einer erh&ouml;hten Inzidenz von zerebralen Tumoren, Katarakten und kognitiver Beeintr&auml;chtigung einhergehen kann. Trotz immer besser werdender R&ouml;ntgendetektoren und weiterer technologischer Entwicklungen ist ein interventioneller Kardiologe im Durchschnitt einer j&auml;hrlichen Strahlenbelastung von knapp 2,5mSv (entspricht 200 Thorax-R&ouml;ntgen) ausgesetzt. Auf das gesamte Arbeitsleben hochgerechnet entspricht dies einer Dosis von knapp 50mSv. Gerade in der Elektrophysiologie waren &auml;lteren Daten zufolge durch die langen und teilweise aufwendigen Prozeduren Strahlendosen von 3,3&ndash;12mSv pro Untersuchung keine Seltenheit. Dadurch wiederum erh&ouml;ht sich das Risiko des behandelnden Arztes, w&auml;hrend seines Lebens an einem Karzinom zu erkranken, auf 1 zu 200. Nat&uuml;rlich haben sich durch Weiterentwicklungen der R&ouml;ntgendetektoren diese Dosen reduziert. Zus&auml;tzlich kann ein Verkleinern des R&ouml;ntgenausschnittes, ein gr&ouml;&szlig;erer Abstand zur Strahlenquelle oder auch das Reduzieren der Bildrate dazu beitragen, die Dosis signifikant zu verringern. Schlussendlich leisten auch Schutzma&szlig;nahmen, wie fahrbarer Bleischutz oder Schutzausr&uuml;stung mit integrierten Einlagen aus Blei, ihren Beitrag, die Strahlenbelastung zu reduzieren. Diese bedeuten jedoch eine deutliche Gewichtsbelastung f&uuml;r den behandelnden Arzt und resultieren nachgewiesenerma&szlig;en in erh&ouml;hten Raten an muskuloskelettalen Beschwerden.<br /><br /> Allem voran steht aber die Tatsache, dass sich der Untersucher dieser Gefahren bewusst sein und aktiv eine Reduktion der Strahlendosis angestrebt werden muss (Awareness)!</p> <h2>Neue strahlungsfreie Visualisierungssysteme</h2> <p>In den letzten Jahren hat sich eine zus&auml;tzliche, sehr erfreuliche Entwicklung in der Elektrophysiologie ergeben. Verschiedene Anbieter haben dreidimensionale Mappingsysteme entwickelt, welche es mithilfe von diversen Technologien (z.B. Magnet-, Elektro- oder Impedanzfeld) erm&ouml;glichen, eine virtuelle Anatomie des Herzens des Patienten in kurzer Zeit zu erstellen. In dieser Darstellung k&ouml;nnen nun ohne Verwendung von R&ouml;ntgenstrahlung eine exakte Positionierung und Steuerung der Katheter erfolgen. Durch viele technologische Entwicklungen haben sich die Genauigkeit und Verl&auml;sslichkeit dieser Systeme enorm verbessert. Mittlerweile sind sie derart perfektioniert, dass man oftmals g&auml;nzlich auf die Verwendung von R&ouml;ntgenstrahlung verzichten kann (&bdquo;zero fluoroscopy&ldquo;) und dennoch eine exakte Diagnostik des Mechanismus der vorliegenden Rhythmusst&ouml;rung durchf&uuml;hren kann. Anschlie&szlig;end kann mithilfe des Mappingsystems eine auf den Millimeter exakte Ablation erfolgen. In einer Vielzahl der Untersuchungen ist keine Verwendung von R&ouml;ntgenstrahlung n&ouml;tig, wodurch sich das Langzeitrisiko f&uuml;r den Untersucher und das gesamte Team minimieren l&auml;sst. Gerade f&uuml;r bestimmte Patientengruppen, wie Kinder oder Schwangere, stellt dies nat&uuml;rlich auch aus Patientensicht eine sehr g&uuml;nstige Alternative dar.<br /> Bei schwierigen anatomischen Verh&auml;ltnissen oder liegenden Herzschrittmacherund Defibrillatorsonden oder Klappenprothesen ist nat&uuml;rlich die Fluoroskopie jederzeit einsetzbar. Aber auch in diesen F&auml;llen ist durch die Mappingsysteme eine deutliche Reduktion der Strahlung zu erm&ouml;glichen (&bdquo;near-zero fluoroscopy&ldquo;).<br /><br /> Dass eine fluoroskopiefreie elektrophysiolgische Therapie keine Vision der Zukunft, sondern durchaus gelebte Praxis sein kann, ist mehrfach publiziert. Einige Zentren weltweit haben bereits Programme zur Strahlenvermeidung bzw. zur strahlenfreien EPU etabliert und k&ouml;nnen damit das gesamte Spektrum der Diagnostik und Ablation aller Rhythmusst&ouml;rungen anbieten.</p> <h2>Zero-Fluoroskopie &ndash; im Bild</h2> <p>Abschlie&szlig;end wird ein Fall aus unserem eigenen EPU-Labor zur Veranschaulichung der Zero-Fluoroskopie gezeigt. Hierbei handelt es sich um einen 61-j&auml;hrigen Patienten mit symptomatischem Vorhofflattern, bei dem eine cavotrikuspidale Isthmusablation ohne Verwendung von R&ouml;ntgenstrahlung durchgef&uuml;hrt wurde.<br /> Nach Reinigung und steriler Abdeckung erfolgte die Anlage der Schleusen f&uuml;r die diagnostischen Katheter im Bereich der rechten Vena jugularis sowie beider Venae femorales in Seldinger-Technik. Danach wurde eine dreidimensionale Anatomie des rechten Vorhofes sowie der angrenzenden Areale des rechten Ventrikels und der Vena cava inferior mithilfe des diagnostischen HIS-Katheters erstellt. Dazu wurde das NavX-System der Firma Abbott verwendet (Abb. 1). Nach Markieren des HIS-Signals als &Uuml;bergang des Vorhofes in den Ventrikel und Position des AV-Knotens wurde ein zweiter Katheter in den Sinus coronarius gelegt. Dadurch gelingt es, Information &uuml;ber die linken Anteile des Herzens zu bekommen, welche f&uuml;r die diagnostische Beurteilung essenziell sind (Abb. 2). Nach dem Positionieren des dritten diagnostischen Katheters im hohen rechten Vorhof konnte nun eine vollst&auml;ndige elektrophysiologische Untersuchung nach g&auml;ngigem Stimulationsalgorithmus durchgef&uuml;hrt werden. Hierbei zeigte sich eine bidirektionale Leitung &uuml;ber den cavotrikuspidalen Isthmus. Deshalb bestand bei dokumentiertem typischem Vorhofflattern die Indikation zur Ablation in gleicher Sitzung. Mithilfe einer nicht steuerbaren Schleuse und eines fl&uuml;ssigkeitsgek&uuml;hlten Ablationskatheters wurde die Region des Isthmus neuerlich gemappt und die 3D-Anatomie vervollst&auml;ndigt (Abb. 3). Schlie&szlig;lich wurde eine Ablationslinie vom Trikuspidalklappenring bis zur M&uuml;ndung der Vena cava inferior erstellt. Nach Finalisieren der Linie zeigte sich in der nachfolgenden Testung durch septale und laterale Stimulation ein bidirektionaler Leitungsblock &uuml;ber den Isthmus (Abb. 4).</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1805_Weblinks_s16_abb1.jpg" alt="" width="1051" height="805" /></p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1805_Weblinks_s16_abb2.jpg" alt="" width="1051" height="805" /></p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1805_Weblinks_s16_abb3.jpg" alt="" width="1417" height="954" /></p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1805_Weblinks_s16_abb4.jpg" alt="" width="1417" height="967" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>&bull; Alvarez M et al.: Safety and feasibility of catheter ablation for atrioventricular nodal re-entrant tachycardia without fluoroscopic guidance. 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