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Die deutschsprachige S2k-Leitlinie zur interstitiellen Zystitis – Hilfe bei belastender Erkrankung

<p class="article-intro">Die interstitielle Zystitis/das Harnblasenschmerzsyndrom (IC/BPS) ist durch sehr häufige Miktionen (bis zu 100-mal pro Tag) und starke Schmerzen charakterisiert. Die Lebensqualität ist dabei oft der von Tumor- oder Dialysepatienten vergleichbar.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Bei Pollakisurie und Harnblasenschmerzen ohne Nachweis von Bakterien, Stein oder Tumor sollte man an die interstitielle Zystitis/ das Harnblasenschmerzsyndrom denken.</li> <li>Eine intensive Diagnostik soll insbesondere maligne Differenzialdiagnosen ausschlie&szlig;en.</li> <li>Orale, invasive, rehabilitative und operative Therapiema&szlig;nahmen sollten je nach Ausma&szlig; der Vorbehandlung und der aktuellen Beschwerden ausgew&auml;hlt werden.</li> </ul> </div> <h2>Definition</h2> <p>Die interstitielle Zystitis/das Harnblasenschmerzsyndrom (IC/BPS &ndash; &bdquo;bladder pain syndrome&ldquo;) ist eine poly&auml;tiologische, nicht infekti&ouml;se, chronische Harnblasenerkrankung unklarer Genese mit oft vermehrten Makrophagen und Nervenendungen in der Muskelschicht der Harnblase. Im Vordergrund stehen f&uuml;r die Patienten starke, h&auml;ufig brennende Schmerzen der Harnblase und ein imperativer Harndrang mit Pollakisurie und Nykturie, bis zu 100-mal pro Tag in Extremf&auml;llen. H&auml;ufig treten die Beschwerden undulierend auf. Die Lebensqualit&auml;t kann dabei wie bei Tumorpatienten, Dialyse oder massiver Herzinsuffizienz eingeschr&auml;nkt sein. Im Sp&auml;tstadium kann eine Schrumpfblase mit nur kleiner Kapazit&auml;t auftreten.</p> <h2>Leitlinie</h2> <p>Seit dem 19.10.2018 kann auf der Homepage der AWMF (www.awmf.org) die deutschsprachige S2k-Leitlinie zu IC/ BPS heruntergeladen werden. Die 23-k&ouml;pfige Expertengruppe aus &Ouml;sterreich, der Schweiz und Deutschland mit &Auml;rzten der IC/BPS behandelnden Sparten, Physiotherapeuten und Vertretern der Selbsthilfe aus 15 verschiedenen Organisationen verabschiedete zuvor am 27.07.2018 in der Kurpark-Klinik Bad Nauheim die endg&uuml;ltige Version der Leitlinie, die nach abschlie&szlig;ender redaktioneller &Uuml;berarbeitung und Zulassung durch die beteiligten Gesellschaften jetzt &ouml;ffentlich zug&auml;nglich gemacht wurde.</p> <h2>Epidemiologie</h2> <p>Die Angaben &uuml;ber die Pr&auml;valenz der IC/ BPS liegen je nach Land und zugrunde liegender Definition f&uuml;r Frauen bei 52&ndash; 500/100 000 und f&uuml;r M&auml;nner bei 8&ndash;41/100 000. Der Altersgipfel liegt im mittleren Alter. Auch Kinder und Jugendliche k&ouml;nnen betroffen sein.</p> <h2>Pathogenese</h2> <p>Eine Theorie zur Pathophysiologie geht von einer gesteigerten Permeabilit&auml;t der Harnblasenwand durch defekten Mucus aus, sodass Urininhaltsstoffe in tiefere Wandschichten der Harnblase eindringen. Dort l&ouml;sen sie Schmerzen durch Depolarisation der Nervenendigungen, &Ouml;deme, eine Verringerung der Durchblutung und eine Zunahme der Mastzellen und der sensorischen Nervenendigungen (neuronale Hyperaktivit&auml;t) aus. Begleitend k&ouml;nnen allgemein entz&uuml;ndliche Prozesse, eine beeintr&auml;chtigte Mikrozirkulation, Reaktionen auf Nahrungsbestandteile und Histamin sowie eine Dysfunktion der Beckenbodenmuskulatur (&le;87 % ) beobachtet werden. Man unterscheidet eine Form mit Hunner-Ulzerationen der Harnblase vom Nicht-Hunner-Typ.</p> <h2>Begleiterscheinungen</h2> <p>Die Begleiterscheinungen bei IC/BPS sind in Tabelle 1 angef&uuml;hrt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1804_Weblinks_uro_1804_s25_tab1.jpg" alt="" width="650" height="527" /></p> <h2>Diagnostik</h2> <p>Die Diagnose wird oft erst nach vielen Arztkontakten gestellt, da die Beschwerden initial an bakterielle Harnwegsinfektionen oder gyn&auml;kologische Erkrankungen denken lassen (Tab. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1804_Weblinks_uro_1804_s25_tab2.jpg" alt="" width="650" height="476" /></p> <h2>Konservative, orale und intravesikale Therapie</h2> <p>Die Therapiemodalit&auml;ten bei IC/BPS sind in Tabelle 3 angef&uuml;hrt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1804_Weblinks_uro_1804_s25_tab3.jpg" alt="" width="650" height="749" /></p> <h2>Station&auml;re Rehabilitation</h2> <p>Durch die multimodale, fachspezifische, station&auml;re urologische Rehabilitation vor invasiven Verfahren bei IC/BPS nach fehlender Besserung durch ambulante Therapie berichteten 61,9 % &uuml;ber eine Besserung der Schmerzen, die bei 47,6 % auch &uuml;ber 1&ndash;17 Monate anhielt. &Auml;hnlich verhielt es sich bei Pollakisurie (66,7 % , 47,6 % ) und Nykturie (71,4 % , 71,4 % ) (Empfehlungsgrad A). Nach Zystektomie mit Harnableitung soll eine fachspezifische, station&auml;re urologische Rehabilitation durchgef&uuml;hrt werden (Empfehlungsgrad A).</p> <h2>Interventionelle und operative Therapie</h2> <p>Potenziell erfolgreich sind die Injektion von Botulinumtoxin (Empfehlungsgrad C) sowie die Injektion von Kortikosteroiden plus Lokalan&auml;sthetika (Empfehlungsgrad C), jeweils mit Hydrodistension der Harnblase (Empfehlungsgrad B), oder die Elektro- bzw. Laserfulguration von Hunner- Ulzerationen in Narkose mit Hydrodistension (Empfehlungsgrad O). Auch zur sakralen, pudendalen und perkutan tibialen Neuromodulation gibt es positive Berichte (Empfehlungsgrad O). Die Ergebnisse der hyperbaren Sauerstofftherapie bei IC/BPS sind widerspr&uuml;chlich (Empfehlungsgrad O). Bei irreversibler Schrumpfblase, bei der die Lebensqualit&auml;t durch Schmerz und Pollakisurie zerst&ouml;rt ist und weniger invasive Behandlungen unbefriedigende Ergebnisse erbracht haben, wird nach Zystektomie bevorzugt ein Ileumkonduit oder ein Ileoz&ouml;kalpouch angelegt (Empfehlungsgrad O).</p> <h2>Stufenweise Therapie</h2> <p>Abbildung 1 stellt das Stufenschema der Therapie bei IC/BPS dar.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1804_Weblinks_uro_1804_s25_abb1.jpg" alt="" width="650" height="391" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>&bull; Leitliniengruppe S2K-Leitlinie f&uuml;r Interstitielle Cystitis (IC/BPS); Langfassung, 1. Auflage, Version 1, 2018, AWMFNr. 043/050 &bull; Vahlensieck W: Die station&auml;re urologische Rehabilitation bei interstitieller Cystitis. Urologe 2005; 44: 41-45 &bull; Vahlensieck W: S2-Leitlinie zur Interstitiellen Zystitis. Urologische Nachrichten 09.(2018)/Kongressausgabe 2:17</p> </div> </p>
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