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Nuklearmedizin in der Urologie

Ist Lutetium-177-PSMA eine Therapieoption beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom?

<p class="article-intro">Nuklearmedizinische Therapieverfahren sind bereits seit vielen Jahren bei Patienten mit einem metastasierenden Prostatakarzinom in Verwendung. In erster Linie handelt es sich dabei um sogenannte knochenaffine Radiopharmaka, welche zur Behandlung von Knochenmetastasen eingesetzt werden. Als palliatives Verfahren zur Behandlung von Metastasen-assoziierten Knochenschmerzen bzw. darüber hinaus hat die Behandlung mit Radium-223 auch eine lebensverlängernde Wirkung gezeigt. Neuerdings rückt eine neue nuklearmedizinische Behandlungsoption in den Fokus der systemischen Therapiemöglichkeit. Die sog. Lutetium-177-PSMA-Therapie bietet dabei erstmalig auch die Möglichkeit, mittels „interner radioaktiver Strahlentherapie“ viszerale Metastasen zu behandeln.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Das prostataspezifische Membranantigen (PSMA) ist ein Molek&uuml;l, welches auf der Zellmembran von Prostatazellen exprimiert wird. In Prostatakarzinomzellen wird es viel st&auml;rker exprimiert als in normalen, gesunden Prostatazellen und ist somit ein vergleichsweise spezifisches Target f&uuml;r radioaktiv markierte Liganden. Dieses Glykoprotein besteht aus einem extrazellul&auml;ren Segment, einem transmembranen Anteil und einer intrazellul&auml;ren Dom&auml;ne. Das Grundprinzip der Diagnostik und Therapie von Prostatakarzinomgewebe besteht im Andocken entsprechender radioaktiv markierter Liganden und erm&ouml;glicht dadurch eine systemische Anwendung im Sinne einer Ganzk&ouml;rperdiagnose bzw. im Falle einer Koppelung mit Betastrahlern, wie z.B. Lutetium-177, in der Behandlung von Weichteil- und Knochenmetastasen durch &bdquo;interne radioaktive Bestrahlung&ldquo;.<br /> Lutetium-177 hat eine physikalische HWZ von 6,65 Tagen und eine maximale bzw. mittlere Reichweite der Betastrahlung im Gewebe von 1,9 bzw. 0,3mm. Dadurch ist eine sehr effiziente und &uuml;ber eine l&auml;ngere Zeit hinweg bestehende selektive Bestrahlung von Tumorgewebe m&ouml;glich.</p> <h2>Bei wem kann diese Therapie durchgef&uuml;hrt werden?</h2> <p>F&uuml;r diese Therapie kommen ausschlie&szlig;lich Patienten in einem fortgeschrittenen Tumorstadium infrage, wobei die Hemmung bzw. Verlangsamung des Wachstums von Tumorgewebe bzw. Metastasen angestrebt wird. Zugleich ist, wie auch bei anderen nuklearmedizinischen Verfahren, eine Verbesserung der klinischen Symptome, in erster Linie der Schmerzsymptomatik, ein wesentliches Ziel dieser Therapie. Da dieses nuklearmedizinische Therapieverfahren noch nicht zugelassen ist, gibt es auch unterschiedliche Anwendungsmodalit&auml;ten, was die Anzahl der Zyklen wie auch die H&ouml;he der Einzelaktivit&auml;ten, die dem Patienten verabreicht werden, anbelangt. Vielfach werden 2&ndash;3 Therapiezyklen im Abstand von 8 Wochen mit einer Einzelaktivit&auml;t von 4&ndash;6 GBq Lutetium- 177-PSMA angewendet. Aber auch h&ouml;here Einzelaktivit&auml;ten werden im Rahmen von klinischen Studien getestet.<br /> Eine wesentliche Grundvoraussetzung ist der Nachweis einer erh&ouml;hten PSMAExpression im Tumorgewebe vor der Therapie. Dies geschieht in erster Linie durch die Anwendung der Gallium-68-PSMAPET/ CT (Abb. 1). Dadurch ist auch eine sehr personalisierte Therapieanwendung m&ouml;glich. Neuerdings wird daf&uuml;r auch der Begriff &bdquo;Theranostics&ldquo; verwendet. Damit ist die spezifische Anwendung eines Radiopharmakons, basierend auf der pr&auml;therapeutischen Bildgebung, gemeint. Dieses Anwendungsprinzip hat sich bereits in der Behandlung von neuroendokrinen Tumorerkrankungen gut bew&auml;hrt. Die Intensit&auml;t der pr&auml;therapeutischen Traceranreicherung hat dabei m&ouml;glicherweise auch eine prognostische Bedeutung f&uuml;r das weitere Therapieansprechen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1804_Weblinks_uro_1804_s11_abb1.jpg" alt="" width="550" /></p> <h2>Was kann von diesem Therapieverfahren erwartet werden?</h2> <p>Erste klinische Studien zeigen gro&szlig;teils eindrucksvolle Ergebnisse. So konnte in einer gro&szlig; angelegten retrospektiven Multicenterstudie in Deutschland an 145 Patienten ein biochemischer Response bei 45 % der F&auml;lle gezeigt werden.<sup>1</sup> Bei 18 Patienten (12 % ) wurde eine H&auml;matotoxizit&auml;t vom Grad 3 bis 4 unter der Therapie festgestellt sowie bei 8 % der Patienten eine Xerostomie. Die subjektive Vertr&auml;glichkeit war generell gut und es wurde keine therapieinduzierte Letalit&auml;t festgestellt.<br /> Im Unterschied zu dieser retrospektiven Studie hat eine australische Gruppe k&uuml;rzlich in einem prospektiven Setting 30 Patienten in eine Phase-II-Studie eingeschlossen.<sup>2</sup> Die Patienten hatten bereits eine Reihe unterschiedlicher Vortherapien. Dieses Patientenkollektiv erhielt eine h&ouml;here Einzelaktivit&auml;t appliziert und es wurden auch bis zu 4 Einzeltherapien verabreicht. Dennoch wurden auch unter diesem Behandlungsregime keine behandlungsassoziierten Todesf&auml;lle festgestellt. &Auml;hnlich wie in der retrospektiven Multicenterstudie der deutschen Arbeitsgruppe wurden als Nebenwirkungen Mundtrockenheit und Thrombozytopenien vom Grad 3 oder 4 beobachtet. Weiters klagte jeder zweite Patient unter dieser Therapie &uuml;ber vor&uuml;bergehende &Uuml;belkeit und M&uuml;digkeit. Neben einem objektiven Therapieansprechen bei einem Gro&szlig;teil der Patienten wurde auch eine Verbesserung der Schmerzsymptomatik sowie des Global Health Score festgestellt. Bei 12 von 30 Patienten (40 % ) wurde mittels abschlie&szlig;ender Gallium-68-PSMA-PET/CT eine komplette bzw. partielle Remission festgestellt. 17 (57 % ) der Patienten zeigten einen PSA-Abfall von 50 % oder mehr.<br /> Trotz dieser allgemein sehr vielversprechenden Studienergebnisse ist aufgrund von fehlenden randomisierten prospektiven Studien die Evidenz noch nicht hinl&auml;nglich gesichert. Aus diesem Grund hat eine k&uuml;rzlich publizierte interdisziplin&auml;re S3-Leitlinie zum Prostatakarzinom empfohlen,<sup>3</sup> diese Therapie nur bei Patienten durchzuf&uuml;hren, bei denen keine andere allgemein anerkannte oder registrierte Therapie mehr verf&uuml;gbar ist. Als wesentliche Voraussetzung f&uuml;r diese Therapie ist auch in dieser Leitlinie festgehalten, dass eine hohe PSMA-Expression in der PET/ CT vorliegen sollte.</p> <h2>Vergleich Lu-177-PSMA mit Ra-223-Chlorid</h2> <p>In einer Gegen&uuml;berstellung zur beh&ouml;rdlich zugelassenen nuklearmedizinischen Therapie unter Verwendung von Radium- 223-Dichlorid l&auml;sst sich festhalten, dass die Lutetium-177-PSMA-Therapie nicht nur bei einer oss&auml;ren Metastasierung angewendet werden kann, sondern auch bei einer viszeralen Metastasierung im Falle einer positiven PSMA-Exprimierung m&ouml;glich ist. Das Nebenwirkungsprofil beider Therapieverfahren ist in Bezug auf Blutbildver&auml;nderungen, speziell wenn es sich um einen vorwiegend skelettalen Metastasierungstyp handelt, vergleichbar. Aufgrund des hohen Speicherverhaltens in den Speicheldr&uuml;sen wird weiters bei der Lu-177-PSMA-Therapie in vielen F&auml;llen auch eine Mundtrockenheit beobachtet. Demgegen&uuml;ber wird aufgrund des Ausscheidungsmechanismus &uuml;ber den Gastrointestinaltrakt bei der Anwendung von Ra-223-Chlorid h&auml;ufiger &uuml;ber gastrointestinale Beschwerden berichtet. Bei einem initial guten Therapieansprechen unter Radium-223-Dichlorid kann gegebenenfalls bei Auftreten einer neuerlichen Progression, insbesondere bei neu aufgetretenen viszeralen Metastasen, eine weiterf&uuml;hrende Lu-177-PSMA-Therapie in Erw&auml;gung gezogen werden.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Zusammenfassend l&auml;sst sich feststellen, dass aufgrund erster prospektiver und retrospektiver Studienergebnisse mit einer unterschiedlichen Anzahl an Patienten und unterschiedlichen Therapiemodalit&auml;ten die sogenannte Lutetium-177-PSMATherapie eine f&uuml;r die Zukunft vielversprechende Therapieoption bei Patienten mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakrebs darstellt. Um den genauen Stellenwert dieser Therapie im Kontext diverser systemischer Therapieverfahren zu definieren, bedarf es sicherlich f&uuml;r die Zukunft gr&ouml;&szlig;erer randomisierter Multicenterstudien, welche zum Teil bereits in Planung bzw. Umsetzung sind. Die derzeitige Empfehlung sieht eine Anwendung nach erfolgten Standardbehandlungen und progressiver Erkrankung vor. Entscheidend f&uuml;r die Auswahl dieser Therapie ist jedenfalls die spezifische Traceranreicherung in der 68-Ga-PSMA-PET/CT. Neben einem objektiven Therapieansprechen ist vor allem auch &ndash; &auml;hnlich wie bei diversen anderen nuklearmedizinischen Therapieverfahren &ndash; eine Verbesserung der Lebensqualit&auml;t, insbesondere was die Schmerzsymptomatik anbelangt, zu erwarten. Ob diese Therapie auch eine Auswirkung auf das Gesamt&uuml;berleben hat, m&uuml;ssen weitere prospektive Studien zeigen.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Rahbar K et al.: German multicenter study investigating <sup>177</sup>Lu-PSMA-617 radioligand therapy in advanced prostate cancer patients. J Nucl Med 2017; 58: 85-90 <strong>2</strong> Hofman MS et al.: [<sup>177</sup>Lu]-PSMA-617 radionuclide treatment in patients with metastatic castration-resistant prostate cancer (LuPSMA trial): a single-centre, single-arm, phase 2 study. Lancet Oncol 2018; 19: 825- 33 <strong>3</strong> S3-Leitlinie, letzter Zugriff 25.10.2018: https://leitlinienprogrammonkologie. de/uploads/tx_sbdownloader/ LL_Prostata_Langversion_4.0.pdf</p> </div> </p>
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