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Ziele in der Krebstherapie: Patienteninvolvierung von zentraler Bedeutung

<p class="article-intro">Der diesjährige ECCO-Kongress stand ganz im Zeichen der Verbesserung der Effektivität von Krebsbehandlungen. Dass die Patienten miteingebunden werden müssen, wurde dabei immer wieder betont. Auch die Leistbarkeit und die Ermöglichung des Zugangs zu innovativen therapeutischen Substanzen für alle Krebspatienten waren ein zentrales Thema, das in einer eigenen Vortragsreihe abgehandelt wurde.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Interessenvertreter im Bereich der Medizin erkennen zunehmend den Nutzen, den die Generierung von gro&szlig;en Datenmengen f&uuml;r die Forschung und die Verbesserung von Krebstherapien mit sich bringen k&ouml;nnte. In diesem Kontext stellte der Vorsitzende Prof. Dr. Mark Lawler, Queen&rsquo;s University Belfast, United Kingdom, zu Beginn der Session &bdquo;Big data &ndash; who&rsquo;s in charge?&ldquo; die folgende Frage an das Publikum: &bdquo;Haben gro&szlig;e Datenmengen das Potenzial, die klinische Realit&auml;t in der Krebsbehandlung in Europa zu ver&auml;ndern?&ldquo; Die Mehrheit der Zuh&ouml;rer (54 % ) war davon &uuml;berzeugt, dass dies der Fall sein w&uuml;rde, 31,5 % voteten sogar &bdquo;I strongly agree&ldquo;.<br /> Jan Geissler, CML Advocates Network, Deutschland, steht der Thematik mit einer gewissen Skepsis gegen&uuml;ber: &bdquo;Wir wissen nicht, ob die Generierung einer gro&szlig;en Menge an Patientendaten tats&auml;chlich ein vielversprechender Ansatz ist, aber wir k&ouml;nnen es nur herausfinden, wenn wir es tun.&ldquo; Der gegenw&auml;rtige Ansatz zur Datengenerierung kann nicht zum Erfolg f&uuml;hren, indem jeder f&uuml;r sich &bdquo;seine eigene Suppe kocht&ldquo; &ndash; akademische Zentren, Patientenorganisationen, Pharmafirmen etc. &bdquo;Am Ende sitzt jeder auf seinen Daten wie die Henne auf dem Ei&ldquo;, so Geissler, der &uuml;ber das Abstimmungsergebnis &uuml;berrascht war, wonach 65 % der Interessenvertreter aus dem Publikum bereit w&auml;ren, die klinischen Daten seiner Institution oder Organisation in vielversprechende gro&szlig;e Datenprojekte einflie&szlig;en zu lassen (Abb. 1). &bdquo;Wenn wir Daten von anderen bekommen, sind wir nat&uuml;rlich happy, aber sind wir wirklich bereit, unsere Daten an andere Zentren weiterzugeben?&ldquo;, stellte Geissler das Votingergebnis infrage und meinte, dass es in der Realit&auml;t schwierig w&auml;re, alle relevanten Stakeholder davon zu &uuml;berzeugen, ihre Daten herauszugeben.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1806_Weblinks_jatros_onko_1806_s39_abb1.jpg" alt="" width="350" /></p> <h2>IMI2 HARMONY: Projekt zur Generierung von &bdquo;big data&ldquo;</h2> <p>IMI (Innovative Medicines Initiative) 2 HARMONY ist ein paneurop&auml;isches Projekt, das u.a. die folgenden Ziele anvisiert: Beschleunigung der Medikamentenentwicklung, Verbesserung der Patientenstratifizierung, Optimierung der Therapieauswahl, Pr&auml;diktion von Wirksamkeit und Toxizit&auml;ten bestimmter Behandlungen, Generierung robuster Daten zum therapeutischen Wert. Nachdem auch wichtig ist, dass die Patientenperspektive in die Definition von relevanten Outcomes miteinbezogen wird, sind auch Patientenorganisationen in das Projekt involviert. IMI2 HARMONY ist eine der gr&ouml;&szlig;ten Partnerschaften zur Generierung von &bdquo;big data&ldquo; in Europa, an der sich 51 private Partner aus elf europ&auml;ischen L&auml;ndern beteiligen. Konkret werden Daten zu sieben malignen h&auml;matologischen Subentit&auml;ten gesammelt und es ist gelungen, diverse relevante Player im Gesundheitswesen zur Teilnahme zu animieren. &bdquo;,Big dataʻ haben das Potenzial, rasche Lernprozesse zu erm&ouml;glichen sowie Outcomes und Therapien weitgehend zu beeinflussen &ndash; das ist das, was f&uuml;r die Patienten z&auml;hlt. Die Patienten m&uuml;ssen dabei zur G&auml;nze miteinbezogen werden &ndash; ein Aspekt, dem gegen&uuml;ber zurzeit leider noch viel Ignoranz herrscht&ldquo;, so die Schlussworte von Geissler.</p> <h2>Nachhaltige Verbesserung von Krebsbehandlungen</h2> <p>Dass die Patienten und ihre Anliegen im Zentrum der Krebsbehandlung stehen sollen, zog sich wie ein roter Faden durch den Kongress. Auch im Vortrag von Dr. Kathy Oliver, Vorsitzender und Kodirektorin der IBTA (International Brain Tumour Alliance), in dem es um die Verbesserung der Effektivit&auml;t von Krebstherapien ging, nahmen die Patientenbed&uuml;rfnisse einen gro&szlig;en Stellenwert ein. M&ouml;glichkeiten zur Effektivit&auml;tsverbesserung bestehen &uuml;ber den gesamten Krebsverlauf hinweg &ndash; angefangen bei der Pr&auml;vention bis zur Palliativbehandlung. Die Frage ist nur: Sind wir auf das fokussiert, was f&uuml;r die Patienten am meisten von Bedeutung ist, und nutzen wir unsere Ressourcen so effizient wie m&ouml;glich? &bdquo;Wir m&uuml;ssen wirklich alles daran setzen, das Ziel der Gew&auml;hrleistung einer hohen Qualit&auml;t f&uuml;r alle Krebspatienten zu erreichen. Effizienz bildet die Basis f&uuml;r die Outcomes&ldquo;, unterstrich Oliver. Welche Rolle dabei die Multidisziplinarit&auml;t spielt, erl&auml;uterte sie anhand einer Studie aus Gro&szlig;britannien, wonach durch ein ad&auml;quates Follow- up nach der aktiven Krebstherapie 420 Millionen Pfund pro Jahr eingespart werden k&ouml;nnten. Das Gesamt&uuml;berleben und die Lebensqualit&auml;t (Qol) sind f&uuml;r die Patienten entscheidende Parameter im Rahmen der Krebstherapie. &bdquo;Die Patienten w&uuml;nschen sich die effektivste Therapie, um hoffentlich eine Heilung zu erlangen. Wenn Heilung nicht realisierbar ist, dann m&ouml;chten sie zumindest eine Verl&auml;ngerung des &Uuml;berlebens bei m&ouml;glichst guter Lebensqualit&auml;t&ldquo;, so Oliver. Die Ergebnisse einer schwedischen Untersuchung zeigen, wie man mit einfachen Mitteln sowohl Effizienz als auch QoL bei p&auml;diatrischen Radiotherapiepatienten steigern kann: U.a. hat man herausgefunden, dass ein simpler Wollkn&auml;uel, der zwischen der Radiotherapiekabine und den Eltern ausgerollt wird, zu einer Angstreduktion bei den kleinen Patienten f&uuml;hrt, weil sie so eine Verbindung zu den Eltern f&uuml;hlen und vice versa.<sup>1</sup></p> <h2>&bdquo;All.Can&ldquo; &ndash; Patienten sollen &uuml;ber Effektivit&auml;t berichten</h2> <p>Um bessere L&ouml;sungen f&uuml;r eine nachhaltige Krebsbetreuung zu definieren und eine weitere Verbesserung der Outcomes zu erzielen, wurde im Jahr 2017 die Initiative &bdquo;All.Can&ldquo; gegr&uuml;ndet, deren Slogan &bdquo;Together we all can&ldquo; lautet. Dabei ist es gelungen, Interessenvertreter aus verschiedenen Bereichen &ndash; der Pharmaindustrie, aus dem klinischen und akademischen Bereich &ndash;, aber auch politische Entscheidungstr&auml;ger und allen voran Patientenorganisationen an Bord zu holen. Um Einblicke in die Patientenperspektive zu gewinnen, wurde ein eigener Fragebogen f&uuml;r die Patienten entwickelt. Der Fragebogen kann auf der Website http://www.all-can.org/patientsurvey/ downgeloadet werden. Die Patienten werden zu verschiedensten Bereichen rund um die Krebsbehandlung befragt und sollen angeben, inwieweit sie in den einzelnen Bereichen Ineffektivit&auml;t empfinden. Ziel ist es, 4000 ausgef&uuml;llte Frageb&ouml;gen aus 11 L&auml;ndern einzuholen. Zum Zeitpunkt der Pr&auml;sentation waren 2376 Frageb&ouml;gen eingegangen. Aus den Interimsergebnissen der L&auml;nder Kanada, Polen und Vereinigtes K&ouml;nigreich, die im Rahmen des ECCO-Kongresses pr&auml;sentiert worden sind, geht hervor, dass Ineffektivit&auml;t vor allem in drei Bereichen &ndash; und das in allen drei L&auml;ndern &ndash; empfunden wird: bei der Mitteilung der Krebsdiagnose, im Umgang mit den Nebenwirkungen der Therapie und hinsichtlich des psychologischen Supports. Mindestens zwei Drittel der Patienten gaben an, dass sie eine gewisse psychologische Unterst&uuml;tzung ben&ouml;tigen w&uuml;rden, und davon berichtete ein Drittel wiederum, dass es keinen Zugang zu einer entsprechenden Betreuung erhalten w&uuml;rde.<br /> Anfang 2019 sollen die Ergebnisse im Europaparlament pr&auml;sentiert werden, mit dem ultimativen Ziel, die Wahrnehmung der Krebsbehandlung seitens der Patienten zu nutzen, um einen bedeutsamen Richtungswechsel hinsichtlich einer Steigerung der Effektivit&auml;t einzul&auml;uten.</p> <h2>Zugang zu innovativen Krebstherapien f&uuml;r alle Patienten</h2> <p>Eveline Scheres, Vorsitzende der Vereinigung der ECL (European Cancer League) und Mitglied der DCS (Dutch Cancer Society), widmete sich in ihrem Vortrag den Kosten von Krebstherapien, ihrer Transparenz und der Zug&auml;nglichkeit zu innovativen Medikamenten. Die Arbeitsgruppe &bdquo;Access to Medicines&ldquo; der ECL<sup>2</sup> wurde im Jahr 2016 gegr&uuml;ndet und hat sich als ultimatives Ziel gesetzt, Krebstherapien f&uuml;r alle Krebspatienten in Europa verf&uuml;gbar zu machen. Die ECL hat ein sogenanntes &bdquo;White Paper&ldquo; erarbeitet, in dem alle daf&uuml;r zu bew&auml;ltigenden Herausforderungen aufgelistet sind. Der Inhalt dieses &bdquo;White Paper&ldquo; wurde am 10. Oktober im Europ&auml;ischen Parlament pr&auml;sentiert.<br /> De facto best&auml;tigt auch eine von der ESMO (European Society for Medical Oncology) durchgef&uuml;hrte Studie,<sup>3</sup> dass nicht nur in Bezug auf die Kosten einzelner Krebsmedikamente, sondern auch hinsichtlich der Zug&auml;nglichkeit intereurop&auml;isch substanzielle Differenzen vorliegen. Die gr&ouml;&szlig;ten M&auml;ngel sind in L&auml;ndern mit niedrigerem Level an &ouml;konomischer Entwicklung und dabei speziell in Osteuropa vorzufinden, was zum Gro&szlig;teil mit den Kosten von zielgerichteten Substanzen in Zusammenhang steht, die innerhalb der vergangenen 13 Jahre zugelassen worden sind. Scheres hat dies am Beispiel der Tyrosinkinaseinhibitoren Gefitinib, Erlotinib, Afatinib und Crizotinib gezeigt, die f&uuml;r das metastasierte NSCLC (nicht kleinzelliges Bronchuskarzinom) bei Nachweis von EGFR-Mutationen bzw. Alterationen in ROS1 oder ALK (Crizotinib) zugelassen sind (Tab. 1).<br /> Zu den weiteren gro&szlig;en Herausforderungen z&auml;hlt die Zunahme der Kosten f&uuml;r innovative Krebstherapien: So sind in D&auml;nemark die j&auml;hrlichen Ausgaben f&uuml;r Krebsmedikamente zwischen 1998 und 2016 von 26 auf 309 Millionen Euro angestiegen. Die kumulativen Preisanstiege sind nicht einfach auf rationale Weise &ndash; wie mit der Neuartigkeit und Spezifit&auml;t der Substanzen oder der Investition in Forschung und Entwicklung &ndash; zu erkl&auml;ren.<sup>4</sup> Scheres beklagte in diesem Zusammenhang die mangelnde Transparenz seitens der Pharmaindustrie und zitierte den niederl&auml;ndischen Gesundheitsminister Bruno Bruins. Dieser kritisierte, dass die Welt immer &bdquo;gl&auml;serner&ldquo; wird, die Pharmaindustrie dieser Entwicklung jedoch noch immer hinterherhinkt.<br /> &bdquo;Die Definition eines fairen Preises ist unabdingbar. Dabei sollten die Bed&uuml;rfnisse aller involvierten Kostentr&auml;ger ber&uuml;cksichtigt werden. Die Kosten m&uuml;ssen nachvollziehbar sein und auf den folgenden Faktoren basieren: Transparenz, Kosteneffektivit&auml;t und Leistbarkeit f&uuml;r jedes Land&ldquo;, forderte Scheres.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1806_Weblinks_jatros_onko_1806_s40_tab1.jpg" alt="" width="2152" height="1808" /></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: European Cancer Summit der ECCO (European Cancer Organisation), „From science to real-life oncology“, 7.–8. September 2018, Wien </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> &Aring;ngstr&ouml;m-Br&auml;nnstr&ouml;m C et al.: PLoS One 2015; doi: 10.1371/journal.pone.0141086 <strong>2</strong> https://www.europeancancerleagues. org/ecl-task-force-objectives-access-tomedicines- task-force/, Zugriff: 30. September 2018 <strong>3</strong> Cherny N et al.: Ann Oncol 2016; 27: 1423-43 <strong>4</strong> Prasad V et al.: Nat Rev Clin Oncol 2017; 14: 381-90</p> </div> </p>
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