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Lars Neumann
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Aktualisierte Leitlinien zur Hypertonietherapie und weitere Highlights
Leading Opinions
30
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01.11.2018
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<p class="article-intro">Mit mehr als 31 000 Teilnehmern aus 150 Ländern war der diesjährige Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC), der von 25. bis 29. August in der Messe München stattfand, erwartungsgemäss einer der weltweit grössten Medizinkongresse. Neben dem Fortbildungsprogramm wurden im «Abstract-based Programme» 4500 Studien vorgestellt, die vom Programmkomitee aus etwa 11 000 von Forschern aus der ganzen Welt für diesen Kongress eingereichten Beiträgen ausgewählt wurden.</p>
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<p class="article-content"><p>Wir haben wirksame Therapien und theoretisch sollten 90 bis 95 Prozent aller Hypertoniepatienten ihren Blutdruck unter Kontrolle haben. In der Realität erreichen jedoch nur 15 bis 20 Prozent die Zielwerte. Die neuen Leitlinien haben das Ziel, dies zu verbessern, indem sie eine Behandlungsstrategie einführen, die einfach ist und leichter befolgt werden kann», sagte Prof. Dr. med. Giuseppe Mancia von der Universität Milano-Bicocca in Mailand, ESH-Vorsitzender der Leitlinien-Task-Force.<br /> Die aktuellen Hypertonieleitlinien<sup>1</sup> empfehlen, die meisten Patienten sofort mit zwei blutdrucksenkenden Medikamenten zu behandeln. Frühere Leitlinien hatten noch dazu geraten, mit einem Medikament zu beginnen und die Therapie schrittweise zu eskalieren. Allerdings waren viele Ärzte sehr vorsichtig mit der Zugabe eines zweiten oder dritten Mittels, selbst wenn der Patient den Zielblutdruck nicht erreichte. Ein zweites Problem dabei war, dass viele Patienten ihre Medikamente nicht wie verschrieben einnahmen. Je mehr Medikamente sie einnehmen müssen, umso geringer wird die Compliance. Diesem Umstand hat die Leitlinienkommission der ESC nun Rechnung getragen und die Empfehlungen angepasst: «Die grosse Mehrheit der Hypertoniepatienten sollte die Behandlung mit zwei Medikamenten in einer Kombinationspille beginnen », erklärte dazu Prof. Dr. med. Bryan Williams vom University College London, ESC-Vorsitzender der Leitlinien-Task- Force. Diese Medikamente seien bereits verfügbar und könnten den Erfolg der Blutdrucktherapie massiv verbessern. Damit einher ginge eine Reduktion der Zahl an Schlaganfällen, Herzkrankheiten und frühen Todesfällen, ergänzte er.</p> <h2>Blutdrucksenkung schon bei hochnormalem Blutdruck</h2> <p>Neu ist auch, dass die medikamentöse Blutdrucksenkung in den aktuellen Leitlinien bereits bei Patienten mit geringem bis moderatem Risiko empfohlen wird, denen bislang lediglich zu einer Veränderung ihres Lebensstils geraten wurde. Das sind Patienten mit einer Grad-1-Hypertonie, d.h. Blutdruckwerten von 140–159/ 90–99mmHg, einschliesslich der 65- bis 80-Jährigen, sowie Patienten mit einem hochnormalen Blutdruck von 130–139/ 85–89mmHg. Das Alter per se sollte keine Limitation für eine Behandlung sein. Grundsätzlich sind die Zielwerte für den Blutdruck in den aktuellen Leitlinien im Vergleich zu den früheren niedriger. So sollte der systolische Blutdruck bei unter 65-Jährigen bei 120–129mmHg liegen, bei über 65-Jährigen bei 130–139mmHg. Werte unter 120mmHg sollten nicht angestrebt werden, da hier die Risiken den möglichen Nutzen überwiegen. Bei Patienten mit resistenter Hypertonie, die auch mit einer Dreierkombination von Blutdrucksenkern den Zielbereich nicht erreichen, sollte ein Diuretikum dazugegeben werden.</p> <h2>Herzinsuffizienz</h2> <p><strong>Rückschlag für den MitraClip</strong><br /> Die Präsentation der Ergebnisse der MITRA.fr-Studie,<sup>2</sup> die die Effekte der perkutanen Interventionen an der Mitralklappe mittels MitraClips bei Patienten mit Herzinsuffizienz und mitraler Regurgitation untersucht hat, wurde mit grosser Spannung erwartet.<br /> Laut aktuellen Guidelines der ESC kann eine perkutane Klappenreparatur bei Patienten mit sekundärer mitraler Regurgitation und Herzinsuffizienz in Erwägung gezogen werden, wenn der Zustand des Patienten keine Operation am offenen Herzen zulässt.<sup>3</sup> Die häufigste Intervention an der Mitralklappe besteht im Setzen von Clips, mit denen die Klappensegel aneinander fixiert werden, um so einen effektiveren Klappenschluss zu erreichen. Bislang fehlt jedoch die Evidenz für eine Verlängerung des Überlebens durch diese Massnahme.<sup>4</sup><br /> In der MITRA.fr-Studie wurde untersucht, ob über einen Zeitraum von 12 Monaten die Gesamtmortalität oder die Zahl ungeplanter Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz reduziert werden können, wenn zusätzlich zur optimalen medikamentösen Therapie MitraClips eingesetzt werden. In die Studie eingeschlossen waren 304 Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz mit eingeschränkter LVEF (15–40 % ) und schwerer sekundärer mitraler Regurgitation. Die Zuweisung zum Setzen von Clips erfolgte randomisiert. Mehr als 90 % der Prozeduren verliefen erfolgreich und führten zu einer substanziellen Reduktion der Regurgitation. Es gab keine signifikanten Sicherheitsprobleme. Allerdings konnte keinerlei Vorteil durch den Clip nachgewiesen werden: Im Hinblick auf das Eintreten des primären Endpunkts (Tod oder ungeplante Hospitalisation wegen Herzinsuffizienz) gab es keine statistisch signifikante Differenz zwischen den beiden Studienarmen (Interventionsgruppe: 54,6 % , Kontrollgruppe 51,3 % ; p=0,53). Anlässlich der Präsentation der Daten wies Studienautor Prof. Dr. med. Jean-François Obadia, Lyon, aber auch auf ein erfreuliches Nebenergebnis seiner Arbeit hin: Durch die in beiden Armen optimierte medikamentöse Therapie verbesserte sich der Zustand vieler Patienten erheblich. Nach 12 Monaten konnten rund drei Viertel der Patienten in die NYHA-Klassen I und II klassifiziert werden. MITRA.fr habe jedoch gezeigt, dass der Clip in der untersuchten Population keine Vorteile bringt und daher keine geeignete Option für alle Patienten mit Herzinsuffizienz und mitraler Regurgitation sein könne.<br /><br /> <strong>Aussicht auf Therapie bei Transthyretin-Amyloidose</strong><br /> Die Transthyretin-Amyloidose (ATTRCM) ist eine bislang unbehandelbare Erkrankung des Herzens, die deutlich häufiger sein könnte, als man bislang annahm. Die Pathophysiologie beruht auf der Akkumulation von Transthyretin zu Amyloidfibrillen. Transthyretin ist ein auf den Transport von Schilddrüsenhormonen im Serum spezialisiertes Protein. Kommt es zur pathologischen Faltung des Moleküls, bildet sich Amyloid. Die Ablagerung der Fibrillen im Herz führt zu einer restriktiven Kardiomyopathie und progredienter Herzinsuffizienz. Bis vor Kurzem war für die Diagnose der Erkrankung eine Myokardbiopsie erforderlich. Seit die ATTR- CM mittels Knochenszintigrafie diagnostiziert werden kann, wurden die Prävalenzschätzungen deutlich nach oben korrigiert. So fand eine Screening-Studie bei 13 % aller untersuchten hospitalisierten Patienten mit HFpEF eine ATTR-CM.<sup>5</sup> Bei unbehandelten Patienten liegt das mediane Überleben bei 2,5 Jahren ab Diagnosestellung für die hereditäre und bei 3,6 Jahren für die «Wild type»-Form.<br /> Mit Tafamidis wird nun erstmals ein krankheitsmodifizierender Ansatz bei der ATTR-CM untersucht. Die Substanz bindet mit hoher Affinität und Selektivität an die Thyroxin-Bindungsstellen des Transportproteins und verhindert so dessen Faltung. In die randomisierte, doppelblind placebokontrollierte Studie ATTR-ACT («Efficacy and Safety of Tafamidis in Transthyretin Amyloid Cardiomyopathy»),<sup>6</sup> welche Wirksamkeit und Sicherheit von Tafamidis untersuchte, wurden 441 Patienten mit hereditärer oder erworbener ATTR-CM eingeschlossen und während 30 Monaten entweder mit Tafamidis oder Placebo behandelt. In der primären Analyse waren Gesamtmortalität und die Rate an Hospitalisationen aus kardiovaskulären Gründen bei den mit Tafamidis behandelten Patienten signifikant geringer als in der Kontrollgruppe (p>0,001). Studienautor Prof. Dr. med. Claudio Rapezzi von der Universität Bologna unterstrich anlässlich der Präsentation der Daten, dass die Kurven der Verum- und Placebogruppen ab einer Behandlungsdauer von 15 Monaten zunehmend auseinandergehen und es keine Hinweise auf einen mit der Zeit abnehmenden Therapieeffekt gibt. Tafamidis verlangsamte auch die Abnahme der Leistungsfähigkeit (6-Minuten-Gehstrecke) und verbesserte die Lebensqualität. Die Verträglichkeit von Tafamidis war gut.</p> <h2>Diagnostik</h2> <p><strong>0/1-Stunden-Algorithmus bei Verdacht auf NSTEMI bewährt sich im klinischen Alltag</strong><br /> Für Patienten mit Verdacht auf einen Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) empfiehlt die ESC für die schnelle Triage den 0/1-Stunden-Algorithmus mit einem hochsensitiven kardialen Troponintest. Im Rahmen des ESC-Kongresses wurden nun erstmals Daten zum Nutzen des 0/1-Stunden- Algorithmus in der realen klinischen Routine einer Notaufnahme bei unselektierten Patienten mit Verdacht auf einen NSTEMI vorgestellt.<sup>7</sup> Dabei zeigte sich, dass das Messen des 2. Troponinwerts bereits nach einer Stunde auch im klinischen Alltag eine sehr hohe Effizienz aufweist. 75 % der Patienten konnten anhand des 0/1-Stunden-Algorithmus zu Rule-out (62 % ) oder Rule-in (13 % ) triagiert werden. Die mittlere Verweildauer auf der Notaufnahme betrug dabei nur 150 Minuten. Bei 71 % der Patienten erfolgte die weitere Betreuung ambulant. Die Daten belegen auch die hohe Sicherheit des 0/1-Stunden-Algorithmus: Die 30-Tages- Inzidenz eines schweren kardialen Ereignisses (nicht tödlicher Myokardinfarkt oder kardiovaskulärer Tod) lag in der Rule-out-Gruppe bei 0,2 % und bei den ambulant betreuten Patienten bei 0,1 % .</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: ESC Congress 2018, 25. bis 29. August 2018, München
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<p><strong>1</strong> Williams B et al.; ESC Scientific Document Group: 2018 ESC/ESH Guidelines for the management of arterial hypertension. Eur Heart J 2018; 39: 3021-104 <strong>2</strong> Obadia JF et al.; MITRA-FR Investigators: Percutaneous repair or medical treatment for secondary mitral regurgitation. N Engl J Med 2018 [epub ahead of print] <strong>3</strong> Baumgartner H et al.: 2017 ESC/EACTS Guidelines for the management of valvular heart disease. Eur Heart J 2017; 38: 2739-91 <strong>4</strong> Ponikowski P et al.: 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J 2016; 37: 2129-200 <strong>5</strong> González-López E et al.: Wild-type transthyretin amyloidosis as a cause of heart failure with preserved ejection fraction. Eur Heart J 2015; 36: 2585- 94 <strong>6</strong> Maurer MS et al.; ATTR-ACT Study Investigators: Tafamidis treatment for patients with transthyretin amyloid cardiomyopathy. N Engl J Med 2018; 379: 1007-16 <strong>7</strong> Twerenbold R et al.: Realworld outcome data of the European Society of Cardiology 0/1hour algorithm for rapid triage of suspected myocardial infarction. ESC Congress 2018, Abstract P829</p>
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