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SGK-Jahrestagung

ESC-Guidelines: Was ist neu?

<p class="article-intro">2017 wurden verschiedene ESC-Guidelines aktualisiert. In unserer Zusammenfassung informieren wir Sie über Änderungen in den Behandlungsempfehlungen zum akuten ST-Hebungs-Infarkt (STEMI), zur dualen Plättchenhemmung und zu den peripheren arteriellen Erkrankungen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die &uuml;berarbeiteten Guidelines zum Management des akuten Myokardinfarkts mit ST-Hebung (STEMI)<sup>1</sup> enthalten neu ein Kapitel zum Myokardinfarkt ohne atherosklerotische Obstruktionen, kurz MINOCA (&laquo;myocardial infarction with non-obstructive coronary arteries&raquo;). &laquo;Dieses enth&auml;lt zwar keine spezifischen Behandlungsempfehlungen, aber Hinweise darauf, wie die Patienten evaluiert werden sollten&raquo;, sagte Prof. Dr. med. Stefan James von der Universit&auml;t Uppsala, Schweden, an der gemeinsamen ESC-SGK-Guidelines- Session am Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft f&uuml;r Kardiologie (SGK).<br /> Zu Qualit&auml;tszwecken wurden einige Begriffe, darunter der &laquo;erste medizinische Kontakt&raquo; und der Zeitpunkt, ab dem die Zeit bis zur Wiederer&ouml;ffnung der Koronararterie gemessen wird, klar definiert (Abb. 1). Der Begriff &laquo;door to balloon&raquo; wurde dagegen eliminiert.<br /> Die Guidelines empfehlen eine prim&auml;re Behandlung mittels Fibrinolyse, wenn aufgrund systembedingter Behandlungsverz&ouml;gerungen damit zu rechnen ist, dass die Zeit bis zur Reperfusion 120 Minuten &uuml;berschreitet. Eine prim&auml;re perkutane Koronarintervention (PCI) wird empfohlen, wenn dieses Zeitintervall unter 120 Minuten liegt. &laquo;Das Ziel ist jedoch, in weniger als 90 Minuten ab der Diagnose eine Reperfusion zu erzielen&raquo;, so James. F&uuml;r Patienten, die zum Zeitpunkt des Ereignisses bereits in einem Spital mit einem Herzkatheterlabor hospitalisiert sind, wurde die angestrebte Reperfusionszeit auf unter 60 Minuten reduziert.<br /> Neu ist die Empfehlung, f&uuml;r die Revaskularisationsbehandlung einen radialen Zugang zu w&auml;hlen. Zudem sollte &laquo;drug eluting&raquo; Stents (DES) der Vorrang vor &laquo;Bare metal&raquo;-Stents (BMS) gegeben werden. Die Frage, ob zus&auml;tzliche Koronarstenosen, die im Rahmen des STEMI entdeckt wurden, pr&auml;ventiv mitbehandelt werden sollten, wird kontrovers diskutiert. Aufgrund zus&auml;tzlicher Studienergebnisse empfehlen die Guidelines, eine Revaskularisierung zus&auml;tzlich betroffener Gef&auml;sse vor der Spitalentlassung zu erw&auml;gen.<br /> Verschiedene Studienergebnisse deuten darauf hin, dass sich die Sauerstoffzufuhr bei Patienten mit einem unkomplizierten Myoardinfarkt negativ auswirken k&ouml;nnte. Eine Sauerstoffbehandlung wird deshalb nur bei Patienten mit einer arteriellen Sauerstoffs&auml;ttigung (SaO<sub>2</sub>) =90 % empfohlen. Neuigkeiten gibt es auch in der Behandlung der Risikofaktoren. Basierend auf den Ergebnissen der IMPROVE-IT- und der FOURIER-Studie empfehlen die Guidelines bei Hochrisikopatienten, die unter maximal tolerierter Statindosis das LDL-C-Ziel von &lt;1,8mmol/l nicht erreichen, eine erg&auml;nzende lipidsenkende Therapie.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Innere_1805_Weblinks_s52_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="858" /></p> <h2>Duale Pl&auml;ttchenhemmung<sup>2</sup></h2> <p>22 Jahre sind vergangen, seit die erste Studie gezeigt hat, dass die duale Pl&auml;ttchenhemmung (&laquo;dual antiplatelet therapy &raquo;, DAPT) mit Acetylsalicyls&auml;ure (ASS) und einem P2Y<sub>12</sub>-Inhibitor (P2Y<sub>12</sub>-I) der konventionellen Antikoagulation nach PCI und Stentimplantation &uuml;berlegen ist. In der Zwischenzeit wird die DAPT nicht nur zur vorbeugenden Behandlung von Stentthrombosen eingesetzt, sondern auch zur Sekund&auml;rpr&auml;vention kardiovaskul&auml;rer (CV) Ereignisse. Das Blutungsrisiko unter DAPT nimmt proportional zur Behandlungsdauer zu. Aus diesem Grund sollte die DAPT immer unter Abw&auml;gung des individuellen Risikos f&uuml;r isch&auml;mische Ereignisse und Blutungen festgelegt werden. Zwei Risiko-Scores, die den Behandler zum Zeitpunkt der Intervention und nach Ablauf von 12 Monaten dabei unterst&uuml;tzen sollen, Nutzen und Risiko der DAPT einzusch&auml;tzen, sind der PRECISE-DAPT und der DAPT-Score. &laquo;Diese sind nicht perfekt, aber ein erster Schritt in Richtung einer individualisierten Behandlung&raquo;, sagte Prof. Dr. med. Marco Valgimigli von der Klinik f&uuml;r Kardiologie am Universit&auml;tsspital Bern.</p> <h2>Stenttyp sollte Dauer der DAPT nicht beeinflussen</h2> <p>Wie der Behandlungsalgorithmus zeigt, sind f&uuml;r die Dauer und Zusammensetzung der DAPT zun&auml;chst die Indikation und das damit verbundene Isch&auml;mierisiko entscheidend (Abb. 2). Anschliessend gilt es das individuelle Blutungsrisiko einzusch&auml;tzen. Um das Risiko f&uuml;r gastrointestinale Blutungen unter der DAPT zu reduzieren, wird generell eine Behandlung mit einem Protonenpumpenhemmer empfohlen. Der verwendete Stenttyp sollte die Dauer der DAPT nicht beeinflussen.<br /> Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom (ACS) und niedrigem Blutungsrisiko sollten f&uuml;r mindestens 1 Jahr eine DAPT, bevorzugt mit ASS plus Prasugrel oder Ticagrelor, erhalten. Eine verl&auml;ngerte DAPT (&gt;12 Monate) wird empfohlen bei Patienten, die einen Myokardinfarkt erlitten haben und bei denen unter der 12-monatigen DAPT keine Komplikationen aufgetreten sind. Die verl&auml;ngerte DAPT sollte bevorzugt mit Ticagrelor (2x 60mg/d) durchgef&uuml;hrt werden. Ist das Blutungsrisiko nach ACS und PCI hoch, empfehlen die Guidelines f&uuml;r 6 Monate eine DAPT, bevorzugt mit ASS plus Clopidogrel oder Ticagrelor. Bei Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit (KHK) und niedrigem Blutungsrisiko betr&auml;gt die empfohlene DAPT-Dauer nach PCI 6 Monate und f&uuml;r Patienten mit hohem Blutungsrisiko mindestens einen Monat. In beiden F&auml;llen ist der P2Y<sub>12</sub>-I Clopidogrel das Mittel der Wahl.<br /> Patienten mit einem ACS, die mit einer Bypassoperation behandelt wurden und ein niedriges Blutungsrisiko haben, erhalten f&uuml;r die Dauer von mindestens 12 Monaten eine DAPT. Das Gleiche gilt f&uuml;r ACS-Patienten mit einem niedrigen Blutungsrisiko, die konservativ behandelt wurden. Keine Indikation f&uuml;r eine DAPT besteht f&uuml;r Patienten mit stabiler KHK nach Bypassoperation oder mit alleiniger medikament&ouml;ser Therapie. Die Guidelines heben hervor, dass die Empfehlungen zur DAPT gleichermassen f&uuml;r Frauen und M&auml;nner gelten.<br /> &Uuml;berpr&uuml;ft und angepasst wurden auch die Zeitintervalle, w&auml;hrend deren die DAPT f&uuml;r einen chirurgischen Eingriff unterbrochen werden muss. Zudem gibt es neue Empfehlungen, betreffend die Behandlungsumstellung auf einen anderen P2Y<sub>12</sub>-I.<br /> Die DAPT ist bei Patienten, bei denen zus&auml;tzlich eine Indikation f&uuml;r eine orale Antikoagulation (OAK) besteht, keine einfache Angelegenheit. Etwas einfacher wird es durch die Regelung, dass bei der Tripeltherapie von den P2Y<sub>12</sub>-I einzig Clopidogrel infrage kommt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Innere_1805_Weblinks_s52_abb2.jpg" alt="" width="1418" height="1798" /></p> <h2>Periphere arterielle Erkrankungen</h2> <p>Eine grosse Errungenschaft der aktuellen ESC-Guidelines zur Diagnose und Behandlung der peripheren arteriellen Erkrankungen (PAD) ist, dass diese zusammen mit der Europ&auml;ischen Gesellschaft f&uuml;r vaskul&auml;re Chirurgie (ESVS) erarbeitet wurden.<sup>3</sup> Die Guidelines weisen auf das erh&ouml;hte kardio- und zerebrovaskul&auml;re Risiko und den erforderlichen multidisziplin&auml;ren Ansatz bei der Behandlung der betroffenen Patienten hin und empfehlen, zu diesem Zweck in gr&ouml;sseren Behandlungszentren vaskul&auml;re Teams einzurichten. Den Schwerpunkt ihres Referats legte Prof. Dr. med. Lucia Mazzolai, Leiterin der Klinik f&uuml;r Herz- und Gef&auml;sserkrankungen und Chef&auml;rztin der Angiologie an der Universit&auml;tsklinik in Lausanne, auf das Kapitel periphere arterielle Verschlusskrankheit der unteren Extremit&auml;ten (&laquo;lower extremity artery disease&raquo;, LEAD).<br /> Der Standardtest f&uuml;r das Screening und die Diagnose einer LEAD ist der Kn&ouml;chel- Arm-Index (&laquo;ankle-brachial index&raquo;, ABI; Tab. 1). Daneben kann der ABI zur Stratifizierung des CV Risikos eingesetzt werden. Ein niedriger ABI (=0,9) ist mit einer 2- bis 3-fach erh&ouml;hten kardiovaskul&auml;ren und Gesamtmortalit&auml;t assoziiert. Ein hoher ABI (&gt;1,4) weist auf eine erh&ouml;hte Arteriensteifigkeit sowie ein erh&ouml;htes CV Risiko hin und findet sich oft bei Patienten mit Diabetes mellitus oder chronischen Nierenerkrankungen.<br /> Die LEAD verl&auml;uft oft asymptomatisch (Tab. 2). &laquo;Besonders im fortgeschrittenen Lebensalter oder bei Personen mit einer Herzinsuffizienz bleiben die Symptome der LEAD oft unentdeckt, weil sich die Betroffenen wenig bewegen&raquo;, sagte die Spezialistin. Um eine &laquo;maskierte LEAD&raquo; zu entdecken, empfehlen die Guidelines, einen Gehtest durchzuf&uuml;hren.<br /><br /> Das moderne Management symptomatischer Patienten mit intermittierender Claudicatio basiert auf der strengen Kontrolle der CV Risikofaktoren kombiniert mit einer Bewegungstherapie. Schwer eingeschr&auml;nkte Patienten sollten im Hinblick auf eine Revaskularisationsbehandlung abgekl&auml;rt werden. Die Indikation dazu sollte immer multidisziplin&auml;r gestellt werden.<br /> Patienten mit einer chronischen, f&uuml;r die Extremit&auml;ten bedrohlichen Isch&auml;mie (&laquo;chronic limb-threatening ischaemia&raquo;, CLTI) sind unverz&uuml;glich an ein Behandlungszentrum mit einem vaskul&auml;ren Team zu &uuml;berweisen. Die Guidelines empfehlen neuerdings die Anwendung der WIFi-Klassifikation zur Stratifizierung des Amputationsrisikos. Diese basiert auf folgenden Faktoren: Wunden (W), Isch&auml;mie (I) und Fussinfektion (Fi). Bei einem hohen Amputationsrisiko wird zum Schutz der Extremit&auml;t zu einer fr&uuml;hen Revaskularisierung geraten. Bei symptomatischen Patienten werde eine antithrombotische Behandlung mit ASS oder Clopidogrel empfohlen, so Mazzolai. Der Nutzen einer antithrombotischen Therapie bei asymptomatischen LEAD-Patienten ist nicht belegt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Innere_1805_Weblinks_s52_tab1.jpg" alt="" width="1417" height="704" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Innere_1805_Weblinks_s52_tab2.jpg" alt="" width="1417" height="801" /></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: SGK-Jahrestagung, 6.–8. Juni 2018, Basel </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Ibanez B et al.: 2017 ESC Guidelines for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation: The Task Force for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J 2018; 39: 119-7 <strong>2</strong> Valgimigli M et al.: 2017 ESC focused update on dual antiplatelet therapy in coronary artery disease developed in collaboration with EACTS: The Task Force for dual antiplatelet therapy in coronary artery disease of the European Society of Cardiology (ESC) and of the European Association for Cardio- Thoracic Surgery (EACTS). Eur Heart J 2018; 39: 213- 60 <strong>3</strong> Aboyans V et al.: 2017 ESC Guidelines on the diagnosis and treatment of peripheral arterial diseases, in collaboration with the European Society for Vascular Surgery (ESVS): Document covering atherosclerotic disease of extracranial carotid and vertebral, mesenteric, renal, upper and lower extremity arteries. Endorsed by: the European Stroke Organization (ESO)The Task Force for the Diagnosis and Treatment of Peripheral Arterial Diseases of the European Society of Cardiology (ESC) and of the European Society for Vascular Surgery (ESVS). Eur Heart J 2018; 39: 763-816</p> </div> </p>
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