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Chlorid – das vergessene Anion

<p class="article-content"><h2>Liebe Leserin, lieber Leser</h2> <p>Seit vielen Jahren herrscht vor allem in der Intensiv- und Notfallmedizin eine Debatte um die Frage, welche Infusionsl&ouml;sungen f&uuml;r den Volumenersatz bei kritisch kranken Patienten verwendet werden soll. Dabei dreht sich die Kontroverse vorwiegend um das Auftreten von renalen Endpunkten (Tod, Dialysepflichtigkeit, Auftreten von akutem Nierenversagen AKIN 2 oder 3 sowie persistierende chronische Niereninsuffizienz). <br />Im ersten Teil der Debatte ging es um die Verwendung von kolloiden versus kristalloiden L&ouml;sungen &ndash; speziell um den in der Intensivmedizin oft verwendeten Volumenexpander Hydroxyethylst&auml;rke (HAES). Diese Substanz ist urs&auml;chlich verantwortlich f&uuml;r eine Form des akuten Nierenversagens, welche mit der histologischen L&auml;sion der &laquo;osmotischen Nephrose&raquo; einhergeht. Da bei Patienten mit Sepsis und/oder Schock und akutem Nierenversagen eher selten eine Nierenbiopsie vorgenommen wird, hat es Jahre gedauert, bis diese spezielle Entit&auml;t erkannt und mit der Verwendung von HAES definitiv assoziiert werden konnte. Die Verwendung von HAES als Standard im Volumenersatz ist seither aus den Guidelines verschwunden und inzwischen sogar kontraindiziert. <br />Aktuell dreht sich die Diskussion um die Verwendung von kristalloiden L&ouml;sungen mit unterschiedlicher Elektrolytzusammensetzung, welche sich speziell im Chloridgehalt stark unterscheiden. Die sogenannte &laquo;physiologische&raquo; Kochsalzl&ouml;sung (NaCl 0,9 % ) ist so gesehen alles andere als physiologisch, da die Osmolarit&auml;t ca. 308mosm/l betr&auml;gt und sowohl die Natrium- als auch vor allem die Chloridkonzentration (je 154mmol/l) weit &uuml;ber den physiologischen Werten liegen. Im Gegensatz dazu enthalten die sogenannten &laquo;balancierten&raquo; L&ouml;sungen (wie z.B. Ringerlactat) viel physiologischere Kochsalzkonzentrationen. Die Infusion von hohen Mengen an Chlorid f&uuml;hrt zu einem Anstieg der Serum-Chloridkonzentration und gleichzeitig zu einem Abfall von Bicarbonat, dem zweitwichtigsten Anion im Extrazellul&auml;rraum. Es entsteht also eine hyperchlor&auml;mische metabolische Azidose. Inwiefern diese iatrogen induzierte Elektrolytverschiebung von klinischer Bedeutung ist, wurde nun k&uuml;rzlich in zwei vielbeachteten Studien bei kritisch kranken Patienten auf der Intensivpflegestation und bei nicht kritisch kranken Patienten auf der Notfallstation, welche einen Volumenersatz ben&ouml;tigt haben, untersucht. Lesen Sie in dieser Ausgabe von LEADING OPINIONS Innere Medizin mehr dar&uuml;ber! Als kurzes Fazit: In beiden Studien war die Gabe von balancierten L&ouml;sungen der Verwendung von NaCl 0,9 % bez&uuml;glich harter renaler Endpunkte signifikant &uuml;berlegen. Ob dabei die hohen Chloridkonzentrationen pathophysiologisch entscheidend sind oder die metabolische Azidose, l&auml;sst sich mit diesen Studien nicht beantworten. F&uuml;r den klinischen Alltag ist jedoch klar: Je &laquo;physiologischer&raquo; die Intervention beim Volumenersatz erfolgt, desto besser f&uuml;r den Patienten bzw. seine Nieren! <br /><br />Ich w&uuml;nsche Ihnen viel Vergn&uuml;gen bei der Lekt&uuml;re. <br /><br />Herzlich, Ihr <br /><strong>Prof. Dr. med. Thomas Fehr</strong></p></p>
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