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Bildgebende Diagnostik der Mamma

Methoden und die Empfehlungen für die gynäkologische Praxis

<p class="article-intro">Dieser Artikel soll dem Gynäkologen eine kurze Übersicht über die möglichen Arten der Bildgebung der Mamma und deren Indikationsstellung geben. Zur besseren Orientierung und zum schnellen Nachschlagen gibt es neben dem Text vor allem die Aufarbeitung der Thematik mittels Tabellen. Auch sollen kurz die Kontroversen zum Vorsorgescreening angesprochen werden, das Wissen um diese und eine offene Kommunikation helfen bei der Vertrauensbildung bezüglich der Brustkrebsfrüherkennungsmassnahmen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Mammografie ist der Goldstandard der Brustbildgebung und f&uuml;r Frauen zwischen dem 50. Lj. und dem 69. Lj. alle 2 Jahre empfohlen.</li> <li>Die Effektivit&auml;t der Mammografie wird anhand der Mortalit&auml;tssenkung gemessen, diese betr&auml;gt je nach Modell/Intervall zwischen 20 % und 50 % .</li> <li>Die Zielgruppen &laquo;Screening&raquo; und &laquo;Assessment&raquo; sollten m&ouml;glichst klar abgegrenzt werden. Ist die Frau gesund und kommt sie im Rahmen der Fr&uuml;herkennung oder gibt es klinische Auff&auml;lligkeiten?</li> <li>Die Definition des &laquo;famili&auml;ren Risikos&raquo; soll streng sein, da sich die Empfehlungen zur Bildgebung damit wesentlich &auml;ndern.</li> <li>Der Ultraschall ist eine erg&auml;nzende Bildgebung zur Mammografie (hohe Brustdichte, Tastbefund, erh&ouml;htes Risiko) und als Einzelbildgebung (ohne vorrangige Mammografie) nur bei jungen Frauen sinnvoll.</li> <li>Das MRI ist eine erg&auml;nzende Bildgebung f&uuml;r spezielle Zielgruppen und Fragestellungen.</li> <li>Von den zahlreichen vorliegenden Guidelines empfehlen sich f&uuml;r den Gyn&auml;kologen als Richtschnur die S3-Leitlinien. Diese sind in Deutsch abgefasst und in einer Kurz- und Langversion im Internet abrufbar und sie finden als Printversion sicher Platz in jeder Praxis: www.leitlinienprogramm- onkologie.de/leitlinien/ mammakarzinom/.</li> </ul> </div> <h2>Grunds&auml;tzliches</h2> <p>Das Mammakarzinom (MCa) ist das h&auml;ufigste Karzinom der Frau. Jede achte bis zehnte Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Nach Sch&auml;tzungen der World Health Organization (WHO) gibt es pro Jahr mehr als eine Million Neuerkrankungen weltweit. In ihrem World Cancer Report aus dem Jahr 2008 ist Brustkrebs als die weltweit h&auml;ufigste krebsbedingte Todesursache bei Frauen gelistet. Die WHO schreibt: &laquo;Breast cancer is an international problem affecting countries at all economic levels, is the most common cancer among women, and worldwide is the most likely reason that a woman will die of cancer.&raquo;<sup>1</sup><br /> Die fr&uuml;hzeitige Erkennung des Mammakarzinoms ist f&uuml;r eine optimale Therapie erfahrungsgem&auml;ss von entscheidender Bedeutung. Deshalb wurden in vielen L&auml;ndern Fr&uuml;herkennungsprogramme eingef&uuml;hrt, die aber teils unterschiedlich administriert werden. Die Diagnostik des MCa erfolgt neben der regelm&auml;ssigen klinischen Untersuchung der Brust durch den Gyn&auml;kologen vor allem auch durch eine regelm&auml;ssige Bildgebung mittels Mammografie (MG), Ultraschall (US) und auch Magnetresonanztomografie (MRI) durch den Radiologen. Bildgebend gesteuerte Probeentnahmen sichern den Verdachtsbefund dann histologisch ab.</p> <h2>&Uuml;bersicht &uuml;ber Modalit&auml;ten, Guidelines und Behandlungspfade</h2> <p>Tabelle 1 gibt eine &Uuml;bersicht &uuml;ber die aktuellen Modalit&auml;ten in der Brustkrebsfr&uuml;herkennung. Hierbei sind die Standardbildgebung und die erweiterte Standardbildgebung in der Schweiz fl&auml;chendeckend vorhanden, gerade auch deshalb, weil die Mammografie als Goldstandard definiert ist und somit integraler Bestandteil des Screenings ist. Dies f&uuml;hrt dazu, dass die Mammografie meist an oberster Stelle der bildgebenden Behandlungspfade steht und die anderen Modalit&auml;ten oder auch Biopsien erst in weiterer Abfolge und je nach Fragestellung oder Situation zur Anwendung kommen (Abb. 1). Der Ultraschall, welcher auch in der gyn&auml;kologischen Praxis Anwendung findet, kommt erst bei hoher Brustdichte, klinischem Tastbefund oder jungem Alter der Klientin/Patientin zur Anwendung.<br /> Sich neu etablierende Methoden, wie jene des automatisierten Brustultraschalls und der Kontrastmammografie, haben aufgrund der technischen Entwicklungen der letzten Jahre das Potenzial, sich weiter in der Diagnostik zu verankern. Beim Blick in das PubMed d&uuml;rfte auch die experimentelle Phasenkontrastmammografie ein Entwicklungspotenzial haben, die multimodale Ultraschalltomografie liefert bis dato zu wenig belastbare Publikationen.<br /> Wann welche Art der Bildgebung angewandt wird, wird meist auf Grundlage von Richtlinien (engl.: &laquo;Guidelines&raquo;) entschieden. Hierbei gibt es neben internationalen Richtlinien auch jene nationaler Gesellschaften (Tab. 2). Von den zahlreichen vorliegenden Guidelines empfehlen sich f&uuml;r den Gyn&auml;kologen als Richtschnur die S3-Leitlinien. Diese sind in Deutsch abgefasst und in einer Kurz- und Langversion im Internet abrufbar und sie finden als Printversion sicher Platz in jeder Praxis: https://www.leitlinienprogramm-onkologie. de/leitlinien/mammakarzinom/.<br /> Neben diesen Guidelines gibt es aber immer auch den Ermessensspielraum des Arztes (Gyn&auml;kologe, Radiologe), interdisziplin&auml;re Beschl&uuml;sse (z.B. im Tumorboard) und die Selbstbestimmtheit der Klientin (= gesunde Frau im Rahmen des Screenings) und der Patientin (= Frau im Rahmen des Assessments bzw. erkrankte Frau). Die Grenze zwischen den Zielgruppen Screening und Assessment (Tab. 3) ist teilweise unscharf, v.a. in Kantonen ohne organisiertes Screening, was die Anwendung solcher Richtlinien erschwert. Auch die oftmals weit gespannte Definition des famili&auml;ren Risikos sollte so exakt wie m&ouml;glich getroffen werden, da sich hier die Empfehlungen zur Fr&uuml;herkennung entsprechend der Familienanamnese deutlich &auml;ndern k&ouml;nnen (Tab. 4). Auch f&uuml;r die Anwendung des MRI gibt es entsprechende Empfehlungen (Tab. 5). Hier ist auch wichtig zu erw&auml;hnen, dass nach dem BAG ein MRI bei famili&auml;rem Risiko nur noch dann eine Leistung aus der OKP ist, wenn diese Untersuchung an der Radiologie eines zertifizierten Brustzentrums durchgef&uuml;hrt wird. Es ist zudem darauf hinzuweisen, dass das MRI meist erst im Zusammenspiel mit den anderen Bildgebungen Sinn macht: &laquo;Multi-modality approach makes it work.&raquo;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Gyn_1803_Weblinks_lo_gyn_1803_s38_abb1.jpg" alt="" width="1460" height="1100" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Gyn_1803_Weblinks_lo_gyn_1803_s39_tab1+2.jpg" alt="" width="1417" height="991" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Gyn_1803_Weblinks_lo_gyn_1803_s39_tab3.jpg" alt="" width="1417" height="826" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Gyn_1803_Weblinks_lo_gyn_1803_s40_tab4.jpg" alt="" width="1417" height="1403" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Gyn_1803_Weblinks_lo_gyn_1803_s41_tab5.jpg" alt="" width="1417" height="2116" /></p> <h2>Kontroversen zu Brustkrebsfr&uuml;herkennungsmassnahmen</h2> <p>Bei der Vorsorge mittels Mammografie k&ouml;nnen Probleme auftreten, welche auch als Argumente f&uuml;r die Gegner der Brustkrebsfr&uuml;herkennungsaktionen dienen. Diese Probleme zu kennen, zu akzeptieren und auch offen im Dialog mit der Frau zu besprechen ist integraler Bestandteil einer Vertrauensbildung in Bezug auf die Brustkrebsfr&uuml;herkennung. Es sind dies falsch positive Befunde, die zu weiteren Abkl&auml;rungsuntersuchungen f&uuml;hren, die Therapie von L&auml;sionen, die per se nicht letal verlaufen, und falsch negative Befunde, aus denen eine falsche Sicherheit bei den betroffenen Frauen resultieren kann.<sup>2</sup> Diese Probleme treten allerdings bei vielen medizinischen Abkl&auml;rungen auf, bei Reihenuntersuchungen mit hoher Teilnehmerzahl wie dem Screening fallen diese st&auml;rker auf. Doch auch wenn es kontroversiell diskutiert wird, ist das Mammografiescreening die bis dato einzige populationsbasierte Massnahme, die eine Reduktion der Brustkrebsmortalit&auml;t zeigen konnte.<sup>3&ndash;6</sup> Das Grundprinzip der Fr&uuml;herkennung ist, dass Brustkrebs eine latente Phase hat (Abb. 2), in welcher dieser diagnostiziert wird, bevor Symptome auftreten.<sup>7</sup> An Frauen, bei denen Brustkrebs im Rahmen des Screenings diagnostiziert wird (&laquo;richtig positiv&raquo;), lassen sich die Vorteile der fr&uuml;hzeitigen Diagnose und Behandlung mit reduzierter Gefahr des Sterbens an der Krankheit nachweisen. Neben tats&auml;chlich gesunden Frauen im Screening (&laquo;richtig negativ&raquo;) gibt es aber auch bei Krebs suggestive Ver&auml;nderungen, bei welchen sich im Laufe der Abkl&auml;rung aber die Unbedenklichkeit der Ver&auml;nderung herausstellt (&laquo;falsch positiv&raquo;). Dies kann zu einer psychischen und k&ouml;rperlichen Belastung f&uuml;hren. Frauen, die Brustkrebs haben, ohne dass dieser im Screening auff&auml;llt (&laquo;falsch negativ&raquo;), kann dies ein falsches Gef&uuml;hl der Sicherheit geben, mit dem Risiko einer verz&ouml;gerten Diagnose und Behandlung. Auch ist die Brustkrebsfr&uuml;herkennung in der Lage, b&ouml;sartige Ver&auml;nderungen zu detektieren, die w&auml;hrend der gesamten Lebenszeit der Frau symptomlos geblieben w&auml;ren und somit ohne diese Fr&uuml;herkennung nicht entdeckt worden w&auml;ren (sog. &Uuml;berdiagnose). Diese &Uuml;berdiagnose ist der Kern der Kontroverse zum Screening mit auch entsprechendem medialem Echo. Trotz Ans&auml;tzen, hier entgegenzuwirken, wie beim LORIS TRIAL<sup>8</sup>, ist es nicht m&ouml;glich, zum Zeitpunkt der Diagnose eines &laquo;Low grade&raquo;-DCIS abzusch&auml;tzen, ob es ein invasives Tumorstadium entwickeln kann. Somit werden all diese Frauen weiterhin voll therapiert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Gyn_1803_Weblinks_lo_gyn_1803_s40_abb2.jpg" alt="" width="1458" height="749" /></p> <h2>Motivation zur Teilnahme an der Brustkrebsvorsorge</h2> <p>Die prim&auml;re Motivation f&uuml;r die Teilnahme einer Frau an Brustkrebsfr&uuml;herkennungsmassnahmen ist, eine Best&auml;tigung daf&uuml;r zu bekommen, keinen Brustkrebs zu haben. Die weitere Teilnahme erh&ouml;ht das Gef&uuml;hl der Routine und der emotionale Stress wird in nachfolgenden Screeningrunden im Vergleich zur ersten Teilnahme als weniger dominierend wahrgenommen. Verschiedene Studien befassen sich mit der psychischen Belastung im Screening. Interviews mit Screeningteilnehmerinnen zeigen, dass Frauen wissen, dass Tumoren in der Mammografie &uuml;bersehen werden k&ouml;nnen, sie vertrauen aber trotzdem mehr darauf im Vergleich zu einer Selbstabtastung oder einer klinischen Untersuchung. Die Sorge bez&uuml;glich eines Intervallkarzinoms wird h&ouml;her eingesch&auml;tzt als die Angst vor einer falsch positiven Diagnose. Allerdings wird die Einladung zum Screening oft mehr als eine Vorladung denn als eine Einladung empfunden. Meist konnten sich die Frauen gar nicht erinnern, dass sie Informationen &uuml;ber das Screening erhalten haben.<sup>9&ndash;11</sup></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Trotz kontroversieller Diskussionen ist die Mammografie weiterhin der Goldstandard der Brustbildgebung und f&uuml;r Frauen zwischen dem 50. Lj. und dem 69. Lj. alle 2 Jahre empfohlen. Die Zielgruppen &laquo;Screening&raquo; und &laquo;Assessment&raquo; sollten m&ouml;glichst klar abgegrenzt werden, v.a. in Kantonen mit &laquo;grauem Screening&raquo;, aber das ist leider nicht immer der Fall. Das &laquo;famili&auml;re Risiko&raquo; soll streng definiert werden, da sich die Empfehlungen zur Bildgebung damit wesentlich &auml;ndern. Nicht jeder Brustkrebsfall in der Familie bedeutet automatisch ein hohes Risiko. Der Ultraschall ist eine erg&auml;nzende Bildgebung zur Mammografie (hohe Brustdichte, Tastbefund, erh&ouml;htes Risiko) und als Einzelbildgebung (ohne vorrangige Mammografie) nur bei jungen Frauen sinnvoll. Das MRI ist eine erg&auml;nzende Bildgebung f&uuml;r spezielle Zielgruppen und Fragestellungen. Es ist normalerweise keine Einzelbildgebung, erst das Zusammenspiel mit den anderen Modalit&auml;ten ergibt meist ein gutes Gesamtbild. Ein MRI als Screening bei famili&auml;rem Risiko ist nur noch dann eine Leistung aus der OKP, wenn dieses an einer Radiologie eines zertifizierten Brustzentrums durchgef&uuml;hrt wird. Bei Unklarheiten bei der Vorgehensweise bez&uuml;glich der richtigen Bildgebung empfiehlt sich vorrangig die R&uuml;cksprache mit dem Radiologen. Er kann je nach Fragestellung, Alter und Risiko der Klientin/ Patientin zusammen mit dem Gyn&auml;kologen die optimale Abkl&auml;rung festlegen. Weltweit zeigen zahlreiche Studien eine Senkung der Brustkrebsmortalit&auml;t von 20 % unter Screeningbedingungen ab dem 50. Lj.; wird das Screening noch fr&uuml;her, ab dem 40. Lj., durchgef&uuml;hrt, und das j&auml;hrlich, sind Mortalit&auml;tssenkungen von 30&ndash; 50 % m&ouml;glich.<sup>3, 5</sup></p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> WHO: World Cancer Report. Boyle P, Levin E (ed.). World Health Organization: Lyon, 2008 <strong>2</strong> Bertz J: Nationaler Krebsplan, Handlungsfeld I, Weiterentwicklung der Fr&uuml;herkennung. Z. f. Krebsregisterdaten (ed.). Robert Koch-Institut: Berlin, 2011 <strong>3</strong> Feig SA: Screening mammography benefit controversies: sorting the evidence. Radiol Clin North Am 2014; 52(3): 455-80 <strong>4</strong> Glasziou P, Houssami N: The evidence base for breast cancer screening. Prev Med 2011; 53(3): 100-2 <strong>5</strong> Mandelblatt JS et al.: Effects of mammography screening under different screening schedules: model estimates of potential benefits and harms. Ann Intern Med 2009; 151(10): 738-47 <strong>6</strong> Marmot MG et al.: The benefits and harms of breast cancer screening: an independent review. Br J Cancer 2013; 108(11): 2205-40 <strong>7</strong> The Research Council of Norway: Research-based evaluation of the Norwegian Breast Cancer Screening Program, Final Report. Oslo, 2015; 200 <strong>8</strong> Francis AL et al.: The LORIS Trial: addressing overtreatment of ductal carcinoma in situ. Clin Oncol (R Coll Radiol) 2015; 27(1): 6-8 <strong>9</strong> Osterlie W et al.: Challenges of informed choice in organised screening. J Med Ethics 2008; 34(9): e5 <strong>10</strong> Schou Bredal I et al.: Recall mammography and psychological distress. Eur J Cancer 2013; 49(4): 805-11 <strong>11</strong> Solbjor M et al.: Experiences of recall after mammography screening--a qualitative study. Health Care Women Int 2011; 32(11): 1009-27</p> </div> </p>
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