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Kolposkopie

Vorgehen, Möglichkeiten und Grenzen

<p class="article-intro">In Zeiten der Molekularbiologie erscheint eine Untersuchung mit einem Instrument wie dem Kolposkop längst überholt, und dennoch spielt die Kolposkopie im Praxisalltag weiterhin eine wichtige Rolle bei der Beurteilung des anogenitalen Epithels (Vulva, Perineum, Perianum, Vagina, Zervix). Dies liegt unter anderem an der guten Anwendbarkeit in der frauenärztlichen Praxis.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Kolposkopie bleibt auch in Zeiten von molekularbiologischen Tests wichtig.</li> <li>Der Anspruch an die Kolposkopie wird beim Screening mit HPV steigen.</li> <li>Deshalb muss die kolposkopische Untersuchung standardisiert und die Ausbildung verbessert werden.</li> </ul> </div> <p>Bereits 1925 entwickelte H. Hinselmann das erste Kolposkop, das er zun&auml;chst ohne weitere Zusatzmittel zur Betrachtung der Zervix benutzte. 1928 erkannte Walter Schiller den Nutzen von Jod bei der Differenzierung von dysplastischem und normalem Gewebe. Mittels 4 % iger Lugol-Jodl&ouml;sung f&auml;rbt sich gesundes Zervixgewebe aufgrund des enthaltenen Glykogens br&auml;unlich an, w&auml;hrend pathologisches Gewebe (aber auch atrophes Gewebe) wegen des fehlenden Glykogens keine Anf&auml;rbung zeigt. Die Kolposkopie mit Anwendung von Lugol-Jodl&ouml;sung nannte man &laquo;erweiterte Kolposkopie&raquo;. Seit 1938 benutzte Hinselmann zus&auml;tzlich Essigs&auml;ure, da er beobachtet hatte, dass es zu einer weisslichen Anf&auml;rbung dysplastischer Zellen aufgrund eines verst&auml;rkten Lichtreflexes wegen der dicht gepackten Zellkerne kommt. Auch die Bedeutung der Geschwindigkeit der weisslichen Anf&auml;rbung erkannte er fr&uuml;h.<br /> 1941 entwickelten Papanicolaou und Traut den zytologischen Zervixabstrich (Pap-Abstrich). Bald darauf kam es zur Auseinandersetzung zwischen Zytologen und Kolposkopikern, welches Verfahren f&uuml;r das prim&auml;re Screening auf Zervixkarzinomvorstufen besser geeignet sei. Es zeigte sich dann rasch, dass die Zervixzytologie im prim&auml;ren Screening der Kolposkopie &uuml;berlegen ist und die Kolposkopie zur Abkl&auml;rung bei Auff&auml;lligkeiten in der Zytologie einen wichtigen Beitrag leistet. Dies ist auch heute noch richtig. Die Kolposkopie ist im Expertenbrief Nummer 50 der Schweizerischen Gesellschaft f&uuml;r Gyn&auml;kologie und Geburtshilfe (SGGG) zur Geb&auml;rmutterhalskrebsvorsorge, welcher Anfang 2018 publiziert wurde, fester Teil im Abkl&auml;rungsalgorithmus auff&auml;lliger Zervixzytologien beziehungsweise positiver HPV-Test-Ergebnisse. Sie ist also eine Methode zur Differenzierung auff&auml;lliger Ergebnisse im Screening (Differenzialkolposkopie). Dabei soll die Kolposkopie helfen, das Risiko f&uuml;r die Entwicklung eines Zervixkarzinom auf &laquo;null&raquo; zu reduzieren und gleichzeitig die potenziellen Nebenwirkungen der Abkl&auml;rung so weit wie m&ouml;glich zu reduzieren, d.h. bei gr&ouml;sstm&ouml;glicher Sicherheit und kleinstm&ouml;glichem Risiko die Lebensqualit&auml;t der Patientin zumindest zu erhalten. Wie gelingt dies?</p> <h2>Ablauf einer Kolposkopie</h2> <p>Wie bei nahezu allen Untersuchungen ist eine Standardisierung n&ouml;tig. Kolposkopische Untersuchungen, die nach einer Standardisierung erfolgen, sind mit gezielter Biopsieentnahme in der Detektion einer CIN 3+ gleich gut wie die LEEPKonisation. Dazu sind allerdings zuvor eine ad&auml;quate Ausbildung und die regelm&auml;ssige theoretische Fortbildung bzw. Durchf&uuml;hrung von Kolposkopien n&ouml;tig.<br /> Wir wissen heute aus verschiedensten Untersuchungen, dass Patientinnen, die zu einer Differenzialkolposkopie aufgeboten werden, erheblichen psychischen Stress erleben. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Untersuchenden den Patientinnen zun&auml;chst genau erkl&auml;ren, was die Indikation und das Ziel der Untersuchung sind und wie sie abl&auml;uft. Bei der Untersuchung selbst muss immer die gesamte Anogenitalregion betrachtet werden. Dazu geh&ouml;ren auch Vulva und Anus. Nach Einstellung der Portio erfolgen deren Reinigung und die native Betrachtung mit dem Kolposkop. Eine Standardisierung der Untersuchung ist nur m&ouml;glich, wenn alle Durchf&uuml;hrenden die gleiche Sprache sprechen. Deshalb benutzen wir heute in der Kolposkopie die Nomenklatur der IFCPC von 2011 (sogenannte Rio-Klassifikation). Diese Nomenklatur wurde 2012 auch ins Deutsche &uuml;bersetzt (Tab. 1).<br /> Nach der Beurteilung, ob die Kolposkopie ad&auml;quat oder inad&auml;quat ist, erfolgt die Lokalisierung der Zylinder-Plattenepithel- Grenze, da dies meistens der Hauptort der dysplastischen Entwicklung ist. Ohne die vollst&auml;ndige Einsehbarkeit dieser Grenze ist die Kolposkopie nicht vollst&auml;ndig aussagekr&auml;ftig. Sie ist auch wichtig, um die Wahl des richtigen Abstrichinstruments f&uuml;r die Zytologie zu treffen, da die Zellen des Grenzbereichs im Abstrich enthalten sein m&uuml;ssen. Mithilfe der Zylinder-Plattenepithel- Grenze kann dann die Einteilung in eine der 3 Typen der Transformationszone erfolgen. Die genaue Beschreibung der Transformationszonentypen sind auch im neuen Expertenbrief der SGGG Nummer 50 aufgef&uuml;hrt.<br /> Nach der Festlegung dieser grunds&auml;tzlichen Punkte erfolgen die Applikation von Essigs&auml;ure (3 oder 5 % ) und die gezielte zytologische Abstrichentnahme. Es gibt einige Zytologielaboratorien, die es bevorzugen, wenn der Abstrich wegen potenzieller Interaktionen vor Essigapplikation erfolgt. Dies muss individuell mit dem eigenen Zytologielabor abgekl&auml;rt werden.<br /> Zeigen sich nach Essigapplikation weissliche Anf&auml;rbungen, wird in der Nomenklatur zwischen Grad 1/&laquo;minor changes&raquo; und Grad 2/&laquo;major changes&raquo; unterschieden. Dabei w&uuml;rden die Grad-1-Ver&auml;nderungen zytologisch und histologisch einer &laquo;lowgrade &raquo; squam&ouml;sen intraepithelialen L&auml;sion (LSIL) entsprechen, w&auml;hrend Grad- 2-Ver&auml;nderungen zytologisch und histologisch einer &laquo;high-grade&raquo; squam&ouml;sen intraepithelialen L&auml;sion (HSIL) entsprechen w&uuml;rden.<br /> Neben der reinen essigweissen Anf&auml;rbung dysplastischer Zellen gibt es inzwischen auch spezifischere kolposkopische Zeichen, die ein Vorliegen hochgradiger Dysplasien wahrscheinlich machen. Die reine essigweisse Anf&auml;rbung hat eine hohe Sensitivit&auml;t mit &gt;90 % , aber nur eine geringe Spezifit&auml;t. Neuere Zeichen wie das &laquo;ridge sign&raquo; oder &laquo;inner border sign&raquo; haben zwar eine geringere Sensitivit&auml;t, da sie nicht in allen dysplastischen L&auml;sionen vorkommen, dagegen ist die Spezifit&auml;t mit &gt;95 % sehr hoch.<br /> Die Anwendung von Lugol-Jodl&ouml;sung wird in der neuen Nomenklatur nur noch als unspezifisch angegeben und muss an der Portio nicht mehr angewendet werden. Bei der Vagina hat sie aber weiterhin einen wichtigen Stellenwert.<br /> W&auml;hrend man bis vor wenigen Jahren grunds&auml;tzlich nach jeder Kolposkopie den Befund schematisch gezeichnet hat, ist inzwischen die elektronische Bilddokumentation der Kolposkopie weit verbreitet. Relativ kosteng&uuml;nstige Systeme zur Bildspeicherung erlauben einen Vergleich mit den Untersuchungsergebnissen der letzten Untersuchung und damit einfachere Verlaufsbeobachtungen.<br /> Nach der Untersuchung muss der Patientin erkl&auml;rt werden, was die Untersuchung gezeigt hat (noch besser ist eine Erkl&auml;rung w&auml;hrend der Untersuchung an einem Bildschirm, an dem die Patientin die Untersuchung mitverfolgen kann) und wie es jetzt weitergeht bzw. in Abh&auml;ngigkeit von entnommenen Proben weitergehen k&ouml;nnte.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Gyn_1803_Weblinks_lo_gyn_1803_s33_tab1.jpg" alt="" width="1417" height="2268" /></p> <h2>Noch keine standardisierte Ausbildung in der Schweiz</h2> <p>In der Schweiz gibt es bisher keine Anforderungen im Sinne einer standardisierten Ausbildung in der Kolposkopie. Die European Federation for Colposcopy (EFC) hat sich das Ziel gesetzt, die Aus- und Fortbildung in der Kolposkopie in Europa qualitativ zu verbessern. Die Schweiz ist in dieser Vereinigung seit 2017 Vollmitglied. Die EFC-Trainingsprogramme bestehen jeweils aus einem Basis- und einem Fortgeschrittenen- Kolposkopiekurs. EFC-zertifizierte Kurse werden in der Schweiz aktuell in Basel angeboten. Neben der theoretischen Ausbildung m&uuml;ssen mindestens 100 Kolposkopien (&gt;50 neue F&auml;lle, &gt;30 F&auml;lle mit kolposkopischer und histologischer Pathologie) nachgewiesen werden.<br /> Die Bedeutung der Kolposkopie wird in der Zukunft nicht abnehmen, sondern ihre wichtige Stellung auch in Zeiten der HPV-Testung behalten bzw. sogar noch verfestigen. Mit diesen Anforderungen sollte der Anspruch an die Qualit&auml;t allerdings auch steigen. Eine Standardisierung in Ausbildung, Fortbildung und Durchf&uuml;hrung der Kolposkopie w&auml;re dabei zwingend erforderlich.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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