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Schwanger werden nach Mammakarzinom

Wann, wie und mit welchen Risiken?

<p class="article-intro">Eine Brustkrebsdiagnose kann den gesamten Lebensplan durcheinanderbringen. Junge Brustkrebspatientinnen werden dabei oft mit der Krankheit konfrontiert, wenn die Familienplanung noch gar kein Thema für sie ist. Diese Frauen müssen in kurzer Zeit schwerwiegende Entscheidungen treffen und dabei sind viele wissenschaftliche Fragen noch offen: z.B. wie lange Patientinnen nach der Diagnose mit der Schwangerschaft warten sollten. Gerade Frauen, die auf eine endokrine Langzeittherapie angewiesen sind, riskieren, ihre Therapie zu beenden, wenn ihre Fruchtbarkeit bereits stark abgenommen hat. Aber auch die Chemotherapie kann ihre Fruchtbarkeit merklich schädigen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Wegen der Verschiebung des Zeitpunkts der ersten Geburt sowie wegen der verbesserten Prognose steigt die Anzahl der Frauen, die nach der Diagnose von Brustkrebs eine Schwangerschaft w&uuml;nschen.</li> <li>Eine Schwangerschaft nach Brustkrebsdiagnose und -therapie hat im Allgemeinen gem&auml;ss retrospektiven Daten f&uuml;r die Patientin und die Nachkommen keine negativen Folgen.</li> <li>Eine personalisierte Beratung &uuml;ber die M&ouml;glichkeiten der Fertilit&auml;tserhaltung vor Beginn der medikament&ouml;sen Therapie ist bei jeder Frau mit Kinderwunsch indiziert.</li> <li>Der Zeitpunkt der Schwangerschaft ist von dem Risikoprofil der Erkrankung und der geplanten Behandlung abh&auml;ngig, wobei auch die Pr&auml;ferenzen der Patientin ber&uuml;cksichtigt werden sollten.</li> </ul> </div> <h2>Hintergrund</h2> <p>Bei etwa 15 % der Patientinnen mit Brustkrebs wird die Diagnose w&auml;hrend ihrer Fortpflanzungszeit gestellt. Wie aus Abbildung 1 ersichtlich, neigen Frauen in den letzten Jahrzehnten dazu, die Geburt des ersten Kindes aus verschiedenen Gr&uuml;nden zu verz&ouml;gern (z.B. kulturell, ausbildungsbedingt, beruflich).<sup>1</sup> Bei einer zunehmenden Zahl von Patienten tritt Brustkrebs vor der Erf&uuml;llung ihres Kinderwunsches auf.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Gyn_1803_Weblinks_lo_gyn_1803_s14_abb1.jpg" alt="" width="1458" height="1330" /></p> <h2>Biologie und Prognose</h2> <p>Die wiederholt berichtete schlechtere Prognose bei jungen Frauen l&auml;sst sich zum Teil durch aggressive biologische Merkmale oder versp&auml;tete Diagnose bei fehlendem Screening erkl&auml;ren. Zum Zeitpunkt der Diagnose haben junge Frauen h&auml;ufiger lokal fortgeschrittene Stadien (z.B. befallene Lymphknoten) und aggressivere Formen, insbesondere hormonunempfindliche Tumoren (z.B. tripelnegative Tumoren). Nichtsdestoweniger sind 70 % der Patientinnen 8 Jahre nach der Diagnose krankheitsfrei.<sup>2</sup></p> <h2>Behandlung und Fertilit&auml;t</h2> <p>Die klassische Therapie von nicht hormonempfindlichem Brustkrebs beinhaltet eine Chemotherapie vor oder nach der Operation. Die Chemotherapie kann z.B. durch direkte Zerst&ouml;rung der Eizellen zu einer Verminderung der Fruchtbarkeit oder sogar zur Sterilit&auml;t f&uuml;hren. Das Risiko f&uuml;r eine Chemotherapie-bedingte Unfruchtbarkeit ist abh&auml;ngig von der gegebenen Therapie, der Gesamtdosis, der Dosisintensit&auml;t, der Behandlungsdauer, dem Alter der Patientin und der Ovarialreserve der Patientin zum Zeitpunkt des Behandlungsbeginns.<sup>3</sup> Nach Abschluss der Krebstherapie wird in der Regel geraten, mindestens 3&ndash;6 Monate bis zu einer m&ouml;glichen Schwangerschaft zu warten, um genotoxische Effekte der Krebsbehandlung zu vermeiden.<br /> F&uuml;r Patientinnen mit hormonempfindlichem Brustkrebs wird eine endokrine Therapie (ET) anstelle, vor oder nach einer Chemotherapie &uuml;ber mehrere Jahre &ndash; mindestens 5, h&auml;ufig bis zu 10 Jahre &ndash; verabreicht. Diese Behandlungen k&ouml;nnen zu verminderter Fruchtbarkeit durch hormonelle Ver&auml;nderungen f&uuml;hren. Dazu wird wegen der langen Dauer der Therapie und wegen des zunehmenden Alters der Frau die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft geringer. In der klinischen Routinepraxis wird Frauen mit endokrinempfindlicher Krankheit davon abgeraten, die endokrine Behandlung zu unterbrechen,<sup>4</sup> und es wird empfohlen, aus folgenden Gr&uuml;nden mindestens 2 Jahre nach der Diagnose mit dem Versuch einer Schwangerschaft zu warten: In den ersten 2 Jahren ist das Rezidivrisiko h&ouml;her, und die Behandlung f&uuml;r mindestens 2&ndash;3 Jahre hat einen erheblichen Einfluss auf das &Uuml;berleben. In einer Subgruppenanalyse von 5 Studien mit Frauen, die innerhalb von 6&ndash;24 Monaten bzw. nach &uuml;ber 2 Jahren schwanger wurden, hatte die Fr&uuml;hschwangerschaft jedoch keinen Einfluss auf das Gesamt&uuml;berleben.</p> <h2>Optionen f&uuml;r die Erhaltung der Fruchtbarkeit</h2> <p>Bei Frauen mit Brustkrebsdiagnose gibt es folgende M&ouml;glichkeiten: Embryonen- oder Eizellen-Kryokonservierung, Kryokonservierung des Eierstockgewebes und medikament&ouml;se Eierstockfunktionsunterdr&uuml;ckung. Diese Methoden sind nicht &uuml;berall zugelassen und k&ouml;nnen auch nicht bei jeder Frau angewandt werden.<br /> Bei jungen Frauen mit Kinderwunsch oder nicht abgeschlossener Familienplanung ist deswegen vor Beginn jeglicher medikament&ouml;sen Behandlung eine spezifische Beratung &uuml;ber die M&ouml;glichkeiten der Fertilit&auml;tserhaltung absolut indiziert.</p> <h2>Psychosoziale Implikationen</h2> <p>Insgesamt berichten junge Patientinnen mit Brustkrebs &ouml;fter &uuml;ber psychologische Sorgen und &Auml;ngste betreffend finanzielle Probleme und Verlust der Arbeitsstelle sowie Kinderbetreuungsprobleme und vermindertes Selbstwertgef&uuml;hl im Vergleich zu &auml;lteren Frauen. Insbesondere viele junge Frauen, die mit Chemotherapie behandelt werden, &auml;ussern erhebliche Bedenken hinsichtlich der Erhaltung der Fruchtbarkeit und der vorzeitigen Menopause.</p> <h2>Aktuelle Datenlage</h2> <p>Jahrzehntelang war die Furcht, dass hohe &Ouml;strogenspiegel w&auml;hrend der Schwangerschaft die ruhenden Brustkrebszellen stimulieren k&ouml;nnten, der wichtigste Grund, Brustkrebs&uuml;berlebenden von einer Schwangerschaft abzuraten. Gem&auml;ss retrospektiven Daten (nationale Bev&ouml;lkerungsregister oder Sammlungen aus einzelnen Institutionen)<sup>2, 5</sup> scheint eine Schwangerschaft nach Brustkrebs aber das Risiko f&uuml;r einen R&uuml;ckfall nicht zu erh&ouml;hen und kann sogar protektiv wirken, auch bei Frauen mit hormonempfindlichem Brustkrebs (Abb. 2).<sup>6</sup> Die Gesundheit der Neugeborenen von M&uuml;ttern nach Brustkrebsbehandlung unterscheidet sich offenbar nicht von der Gesundheit von Neugeborenen mit M&uuml;ttern aus der allgemeinen Bev&ouml;lkerung.<sup>6</sup> Prospektive Daten fehlen zurzeit noch,<sup>7, 8</sup> aber die erste klinische Studie, gef&uuml;hrt von der IBCSG (International Breast Cancer Study Group), die POSITIVE-Studie, l&auml;uft weltweit und wird zus&auml;tzliche wertvolle Informationen liefern (Abb. 3). Die Studie ist in 13 Zentren in der Schweiz offen. Frauen, die nach der Diagnose eines hormonempfindlichen Brustkrebses die endokrine Therapie vor&uuml;bergehend unterbrechen m&ouml;chten, um schwanger zu werden, k&ouml;nnen daran teilnehmen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Gyn_1803_Weblinks_lo_gyn_1803_s16_abb2.jpg" alt="" width="1455" height="976" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Gyn_1803_Weblinks_lo_gyn_1803_s16_abb3.jpg" alt="" width="1455" height="1083" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Mathews T, Hamilton B: Delayed childbearing: more women are having their first child later in life. NCHC Data Brief, No. 21, August 2009 <strong>2</strong> Copson E et al.: Prospective observational study of breast cancer treatment outcomes for UK women aged 18-40 years at diagnosis: the POSH study. JNCI 2013; 105(13): 978-88 <strong>3</strong> Christinat A, Pagani O: Fertility after breast cancer. Maturitas 2012; 73: 191-6 <strong>4</strong> He W et al.: Treatment restarting after discontinuation of adjuvant hormone therapy in breast cancer patients. JNCI J Natl Cancer Inst 2017; 109(10): djx041 <strong>5</strong> Lambertini M et al.: Long-term safety of pregnancy following breast cancer according to estrogen receptor status. JNCI J Natl Cancer Inst 2018, 110(4): djx206 <strong>6</strong> Azim HA Jr et al.: Safety of pregnancy following breast cancer diagnosis: a meta-analysis of 14 studies; EJC 2011; 47: 74-83 <strong>7</strong> Pagani O, Azim HA Jr: Pregnancy after breast cancer: myths and facts. Breast Care 2012; 7: 210-4 <strong>8</strong> Pagani O et al.: Pregnancy after breast cancer: if you wish, ma'am. BCRT 2011; 129(2): 309-17</p> </div> </p>
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