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ERS 2018

Influenza 2018 – die übersehene Pandemie

<p class="article-intro">In den ersten Monaten des Jahres 2018 wütete in Europa eine schwere Influenzaepidemie, die wohl Todesopfer in fünfstelligen Zahlen forderte. Die Situation wurde dadurch verschärft, dass im Vorfeld kaum gegen den verantwortlichen Influenza-B-Stamm geimpft wurde.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Mit mehr als 300 000 Erkrankungen und &uuml;ber 1600 direkten Todesf&auml;llen durch das Virus alleine in Deutschland erlebte Europa im Jahr 2018 eine der schlimmsten Influenzaepidemien seit Beginn der Aufzeichnungen. &bdquo;Befremdlich war, dass dies von den Medien weitgehend unbeachtet blieb&ldquo;, res&uuml;miert der aktuelle ERS-Pr&auml;sident Univ.-Prof. Dr. Tobias Welte von der Klinik f&uuml;r Pneumologie der Medizinischen Hochschule Hannover. Denn die publizierten Zahlen d&uuml;rften lediglich die Spitze des Eisberges darstellen. Da auch schwere und t&ouml;dliche Influenzaverl&auml;ufe oft undiagnostiziert bleiben, m&uuml;sse man, so Welte, allein f&uuml;r Deutschland mit rund 5000 Grippetoten rechnen. Hinzu d&uuml;rfte noch eine sehr viel h&ouml;here Zahl an indirekten Influenzaopfern kommen. Welte berichtet von einer Verdoppelung perkutaner Interventionen im Herzkatheterlabor seiner Klinik in den Wochen der Influenzaepidemie. Diese Beobachtung entspricht in den vergangenen Jahren publizierten Daten, die auf ein massiv erh&ouml;htes Myokardinfarktrisiko w&auml;hrend einer Influenzaerkrankung hinweisen. Mechanistisch wird die ausgepr&auml;gte proinflammatorische Natur der Influenzaerkrankung f&uuml;r das vermehrte Auftreten kardiovaskul&auml;rer Ereignisse verantwortlich gemacht.<br /><br /> Im aktuellen Fall kam es allerdings auch h&auml;ufig zu einem direkten Befall des Herzmuskels durch das Virus. Bei der Epidemie des Jahres 2018 handelte es sich n&auml;mlich um eine ungew&ouml;hnliche Influenzasaison mit einer ausgepr&auml;gten Dominanz des Influenza-B-Virus. &bdquo;Rund alle zehn Jahre haben wir ein Influenza-B-Jahr&ldquo;, sagt Welte. Mit rund 75 % der Erkrankungen stand Influenza B in diesem Jahr jedoch noch st&auml;rker im Vordergrund als in fr&uuml;heren B-dominierten Jahren. Der bisher h&ouml;chste Anteil an Influenza-B-Erkrankungen wurde in der Saison 2005/2006 mit etwas weniger als 60 % verzeichnet. Und das war nicht die einzige Besonderheit. Denn 100 % der registrierten Influenza-B-F&auml;lle entfielen in diesem Jahr auf den Yamagata-Stamm, w&auml;hrend der Victoria-Stamm nicht nachgewiesen wurde. Im Gegensatz zur Influenza A sind die Erregerst&auml;mme der Influenza B stabil. In Abh&auml;ngigkeit von den Prognosen der WHO enthalten g&auml;ngige trivalente Influenzaimpfstoffe zwei Influenza-A-St&auml;mme und einen Influenza-B-Stamm &ndash; in diesem Jahr leider den falschen. Mit dem Ergebnis, dass in Europa 95 % der Grippegeimpften gegen den Victoria-Stamm immunisiert und damit nicht vor Yamagata gesch&uuml;tzt waren. Quadrivalente Impfstoffe, die auch gegen Yamagata Schutz boten, waren verf&uuml;gbar, wurden jedoch aus Kostengr&uuml;nden kaum eingesetzt. Welte: &bdquo;Das war ein Desaster. Man wollte Geld sparen und bekam eine Grippewelle, die allein in Deutschland letztlich so viel Geld kostete, dass man damit ganz Europa f&uuml;r zwanzig Jahre mit quadrivalentem Impfstoff impfen k&ouml;nnte.&ldquo;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1805_Weblinks_s19_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="951" /></p> <h2>Influenza B bef&auml;llt direkt das Myokard</h2> <p>Zwar steht die Influenza B im Ruf, die &bdquo;harmlosere&ldquo; Grippe zu sein, doch kann diese Einsch&auml;tzung heute nicht mehr aufrechterhalten werden. Sie f&uuml;hrt, so Welte, weit seltener zu respiratorischem Versagen als die Influenza A, doch kann sie t&ouml;dliche Kardiomyopathien verursachen, von denen vor allem j&uuml;ngere Patienten betroffen sind. Die F&auml;higkeit der Influenza B, Kardiomyozyten direkt zu befallen, konnte mittlerweile dokumentiert werden.<sup>1</sup> Welte berichtet von mehr als 20 verstorbenen Patienten im Alter unter 40 Jahren alleine in seiner Abteilung. Kardiale Komplikationen waren die h&auml;ufigste Todesursache. Ein weiteres Problem stellt die Gefahr bakterieller Superinfektionen dar.<sup>2</sup> Diese seien zwar klinisch relativ leicht zu erkennen, da sich ein einmal stabilisierter Influenzapatient im Laufe von Tagen verbessern m&uuml;sste. Komme es nach einigen Tagen zu einer abermaligen Verschlechterung, so sei das Influenzavirus als Ursache praktisch ausgeschlossen und es m&uuml;sse an eine bakterielle Infektion gedacht werden, die mit Antibiotika behandelt werden k&ouml;nne. Was allerdings aufgrund der zunehmenden Pr&auml;valenz resistenter bakterieller Erreger immer schwieriger werde. Mit hoher Mortalit&auml;t assoziiert sind invasive Aspergillosen, die in Verbindung mit Influenza auch bei immunkompetenten Patienten auftreten k&ouml;nnen.<br /><br /> Die Therapie der Influenza selbst st&uuml;tzt sich auf Neuraminidaseinhibitoren (NAI). Allerdings m&uuml;ssen diese m&ouml;glichst bald nach Auftreten der ersten Symptome eingenommen werden. Studiendaten zeigen eine ausgepr&auml;gte Abh&auml;ngigkeit der Wirksamkeit vom Zeitpunkt der Einnahme (Abb. 2). Mit jedem Tag, den das Medikament sp&auml;ter eingenommen wird, sinken die &Uuml;berlebenschancen.<sup>3</sup> Da viele schwer erkrankte Influenzapatienten erst nach Tagen in ein Krankenhaus eingeliefert werden, ist es f&uuml;r eine kausale medikament&ouml;se Therapie oft zu sp&auml;t.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1805_Weblinks_s19_abb2.jpg" alt="" width="1417" height="951" /></p> <h2>Rasche Diagnose viraler Infektionen</h2> <p>Im Rahmen des ERS-Kongresses pr&auml;sentierte eine britische Gruppe einen Point-of-Care-Test, der virale Infektionen von bakteriellen unterscheiden kann und dar&uuml;ber hinaus die Identifikation des viralen Pathogens erlaubt &ndash; und das innerhalb von 50 Minuten.<sup>4</sup> Der Test erlebte am West Hertfordshire Hospital in Watford, UK, w&auml;hrend der Influenzasaison 2018 seine Premiere unter versch&auml;rften klinischen Bedingungen. &bdquo;Point of care respiratory viral testing&ldquo; (POCT) wird seit Anfang des Jahres im Watford General Hospital (UK) routinem&auml;&szlig;ig auf Basis eines Nasenabstrichs durchgef&uuml;hrt. Die Analyse erfolgt mittels FilmArray<sup>&reg;</sup>, nach exakt 43 Minuten liegt ein Ergebnis vor.<br /><br /> Mittels POCT wurde unter 130 Patienten, die w&auml;hrend der Grippewelle mit akuten infekti&ouml;sen respiratorischen Symptomen in das Krankenhaus eingeliefert wurden, in 84 F&auml;llen virale Erreger diagnostiziert, davon entfielen 57 auf Influenza. Dar&uuml;ber hinaus wurden Rhinovirus (12), Coronavirus (7), Metapneumovirus (5), Respiratory-Syncytial-Virus (2) und Adenovirus (1) gefunden. Der POCT wurde unmittelbar f&uuml;r therapeutische Entscheidungen herangezogen bzw. in einen diagnostischen Algorithmus integriert. So konnte Antibiotikabedarf ausgeschlossen werden, wenn eine virale Infektion vorlag, das Thoraxr&ouml;ntgen unauff&auml;llig war und das CRP auf eine h&ouml;chstens moderate Inflammation hinwies. Dies war bei 47 Patienten (mittleres CRP 28,6mg/l) der Fall. Bei 22 Patienten wurden entgegen den Ergebnissen des POCT dennoch Antibiotika verschrieben, die &uuml;brigen 25 wurden ohne Antibiotika aus dem Krankenhaus entlassen. Diese Entscheidung erwies sich als richtig, denn bei keinem dieser Patienten wurde eine erneute Hospitalisierung erforderlich. In elf F&auml;llen wurden die Patienten sogar direkt aus der Notfallabteilung entlassen. Diese raschen und sicheren Entlassungen haben sich gerade w&auml;hrend der Influenzaepidemie, als jedes Bett dringend gebraucht wurde, als sehr hilfreich erwiesen, wie Dr. Kay Roy vom West Hertfordshire Hospitals NHS Trust in Watford ausf&uuml;hrte. Der POCT erm&ouml;glichte, so Roy, auch die raschere und korrekte Behandlung der Influenzaf&auml;lle. Man habe nun in weniger als einer Stunde ein Testergebnis, w&auml;hrend man fr&uuml;her rund 12 Stunden auf eine vom Labor best&auml;tigte Influenzadiagnose warten musste.<br /> Roy wies auch auf eine weitere wichtige Funktion des Tests hin: den Ausschluss bakterieller Infektionen und damit die Vermeidung empirischer Therapie samt dem daraus resultierenden &Uuml;bergebrauch von Antibiotika. Mittlerweile wurde im Rahmen der Krankenhausroutine der Test an mehr als 1000 Patienten durchgef&uuml;hrt. Nach Sch&auml;tzungen wurde in rund 500 F&auml;llen eine empirische Antibiotikagabe vermieden.<sup>5</sup></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: ERS 2018, Symposium „The 10 ERS Principles for Lung Health“, 18. September, und Pressekonferenz, 16. September, Paris </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Kwong JC et al.: Acute myocardial infarction after laboratory- confirmed influenza infection. N Engl J Med 2018; 378(4): 345-53 <strong>2</strong> Paddock CD et al.: Myocardial injury and bacterial pneumonia contribute to the pathogenesis of fatal influenza B virus infection. J Infect Dis 2012; 205(6): 895-905 <strong>3</strong> Muthuri SG et al.: Effectiveness of neuraminidase inhibitors in reducing mortality in patients admitted to hospital with influenza A H1N1pdm09 virus infection: a meta-analysis of individual participant data. Lancet Respir Med 2014; 2(5): 395-404 <strong>4</strong> Roy K et al.: Respiratory viral point of care testing (POCT) allows improved infection control and bed management during an influenza outbreak. ERS 2018; Abstract 558 <strong>5</strong> Roy K et al.: Point of care respiratory viral testing: a novel service to target appropriate antimicrobial prescription and improve antibiotic stewardship. ERS 2018; Abstract 2818</p> </div> </p>
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