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Traumatische Rotatorenmanschettenruptur

<p class="article-intro">Rein traumatische Rotatorenmanschettenrupturen sind im Vergleich zu chronischen, degenerativen Sehnenrupturen selten.<sup>1, 5</sup> Die korrekte Behandlung dieser Verletzung ist aufgrund der multiplen, patientenspezifischen Faktoren (Alter, Leidensdruck, Rupturausdehnung, Reparabilität, Schulterfunktion etc.) schwierig. In diesem Artikel wird der Behandlungs- und Abklärungsalgorithmus beschrieben.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Traumatische Rotatorenmanschettenrupturen sind seltener als degenerative Rotatorenmanschettenrupturen.</li> <li>Schulterschw&auml;che und Funktionsverlust der Schulter sind suggestive Symptome einer Rotatorenmanschettenruptur.</li> <li>Die Behandlung der Rotatorenmanschettenruptur h&auml;ngt von 5 patientenspezifischen Faktoren ab:<ol> <li>Leidensdruck</li> <li>Anspruchsprofil</li> <li>Alter</li> <li>Reparabilit&auml;t</li> <li>Funktionsverlust.</li> </ol></li> </ul> </div> <h2>Anamnese</h2> <p>Das Traumaanamnesegespr&auml;ch soll im Hinblick auf m&ouml;gliche Kombinationsverletzungen gef&uuml;hrt werden und auch die Kausalit&auml;t zwischen Trauma und allf&auml;lliger Schulterverletzung eruieren. Im Falle einer Schulterluxation ist das Alter des Patienten wegweisend, da Luxationen bei &auml;lteren Patienten h&auml;ufiger zu Rotatorenmanschettenrupturen f&uuml;hren als bei j&uuml;ngeren Patienten<sup>15, 21, 30</sup> (siehe Fallbeispiel, Abb. 1).<br /> Bei vorbestehender Rotatorenmanschettendegeneration gilt die traumatische Rotatorenmanschettenruptur als &laquo;acute on chronic&raquo; im Sinne einer Erweiterung einer bestehenden Ruptur mit entsprechender Einschr&auml;nkung f&uuml;r die Therapieoptionen.<sup>13</sup><br /> Eine neue oder vorbestehende Schulterschw&auml;che sollte aktiv und explizit vom Untersucher erfragt werden, da Patienten h&auml;ufiger &uuml;ber Schmerzen, jedoch weniger &uuml;ber Schw&auml;che berichten. Der Leidensdruck der Patienten, der sich aus Schulterschmerzen und Einschr&auml;nkung des Aktivit&auml;tsniveaus ergibt, ist entscheidend f&uuml;r die weitere Behandlung der Rotatorenmanschettenverletzung und sollte in der Anamnese erhoben werden.<sup>13</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1803_Weblinks_s28_abb1_2.jpg" alt="" width="2150" height="1637" /></p> <h2>Klinische Untersuchung</h2> <p>Die klinische Schulteruntersuchung ist in der Akutsituation meist schmerzbedingt unm&ouml;glich<sup>26</sup> und soll nach Abklingen der Schmerzen innerhalb von 10 bis 14 Tagen wiederholt werden. Persistierende Schmerzen k&ouml;nnen durch eine subakromiale und/oder glenohumerale Infiltration mit Lokalan&auml;sthetikum kurzfristig beseitigt werden, um eine durch Schmerzen verdeckte Schulterschw&auml;che zu finden. Die Auspr&auml;gung des klinischen Befundes h&auml;ngt h&auml;ufig vom Ausmass der Sehnenverletzung ab. Kleine Rupturen, die eine Sehne nur partiell anreissen (Paritalrupturen), sind h&auml;ufig mechanisch irrelevant und bei den spezifischen Rotatorenmanschettentests durch Schmerzen gekennzeichnet. Risse, die die komplette Sehnendicke betreffen (transmurale Rupturen) oder bei denen die Sehne komplett vom Ansatz abgel&ouml;st ist (= Totalrupturen), k&ouml;nnen durch Kraftverlust und positive &laquo;Lag&raquo;-Tests im Rahmen der Rotatorenmanschettentests gefunden werden. Es ist unn&ouml;tig, alle 25 bekannten Rotatorenmanschettentests<sup>17</sup> w&auml;hrend einer klinischen Untersuchung durchzuf&uuml;hren. Die Tests mit den h&ouml;chsten Spezifit&auml;ts- und Sensitivit&auml;tswerten sind der Jobe- und der Whipple-Test f&uuml;r die am h&auml;ufigsten betroffene Supraspinatussehne,<sup>17, 18</sup> der Lift-off- Test<sup>11, 12</sup> und der Belly-Press-Test<sup>2</sup> f&uuml;r die Subscapularissehne, der &laquo;External lag sign&raquo;-Test<sup>16</sup> f&uuml;r die Infraspinatussehne und das &laquo;Hornblower&raquo;-Zeichen<sup>7, 28</sup> f&uuml;r die zus&auml;tzliche Beteiligung der Teres-minor- Sehne. Falls die Funktionstests wegen der eingeschr&auml;nkten Schulterbeweglichkeit nicht durchf&uuml;hrbar sind, m&uuml;ssen aktive und passive Einschr&auml;nkungen differenziert werden. Die Pseudoparalyse als Folge von Massenrupturen der Rotatorenmanschette (Totalruptur von 2 oder mehr Rotatorenmanschettensehnen) ist definiert als Verlust der aktiven Schulterelevation &uuml;ber 90&deg; bei intakter passiver glenohumeraler Beweglichkeit und Neurologie.<sup>7, 29</sup> Die Capsulitis adhesiva (Synonym: &laquo;frozen shoulder&raquo;) hingegen ist gekennzeichnet durch initial (6&ndash;12 Monate) ausgepr&auml;gte Schmerzen mit eingeschr&auml;nkter passiver (und aktiver) Beweglichkeit, mit vor allem eingeschr&auml;nkter Aussenrotationsf&auml;higkeit bei adduziertem Arm.</p> <h2>Bildgebende Untersuchung</h2> <p>Im Rahmen der Notfalluntersuchung dient der konventionelle R&ouml;ntgenstatus der Schulter mit ap, Axial- und Y-Aufnahme zum Ausschluss einer Fraktur oder Dislokation. Eine frische Rotatorenmanschettenruptur ist dabei konventionell radiologisch in der Regel nicht zu diagnostizieren. <sup>6</sup> Erst chronische posterosuperiore Rupturen sind mit einer verringerten akromiohumeralen Distanz (ACHD) vergesellschaftet, wobei ein Abstand von &lt;7mm mit einer hohen Versagensrate der chirurgischen Sehnennaht assoziiert ist.<sup>8</sup><br /> Im Gegensatz zum konventionellen R&ouml;ntgen ist der Ultraschall gut dazu geeignet, eine Sehnenruptur zu diagnostizieren (92 % Sensitivit&auml;t und 94 % Spezifit&auml;t f&uuml;r transmurale Rupturen; 67 % Sensitivit&auml;t und 94 % Spezifit&auml;t f&uuml;r partielle Rupturen)<sup>19</sup>, aber mit dem Nachteil, dass m&ouml;gliche chronische Vorsch&auml;digungen schwieriger standardisiert erfasst werden k&ouml;nnen.<br /> Im Falle einer Vorsch&auml;digung der Rotatorenmanschette kann es zu Muskeldegeneration und fettiger Infiltration der Rotatorenmanschettenmuskulatur gekommen sein. Das Arthro-MRI ist daf&uuml;r die sensitivste Untersuchungsmethode und misst die Muskeldegeneration nach Goutallier in 5 (0 bis 4) aufsteigenden Schweregraden.<sup>14</sup><br /> Je weiter Degeneration und Verfettung fortgeschritten sind, desto h&ouml;her ist die Versagensrate der Sehnenrekonstruktion.<sup>14, 27</sup> Sind mehr als 50 % des Muskelvolumens (Grad 3) durch Fett ersetzt, sinkt die Heilungsrate der Sehnennaht auf unter 30 % . Im Gegensatz zu chronischen Rupturen ist bei traumatischen Rotatorenmanschettenrupturen in der A-MRI-Untersuchung das Ausmass der &Ouml;dembildung im Sehnenstumpf und im Muskelbauch ausgepr&auml;gter.20 Bei einer frischen traumatischen Ruptur liegt die Rupturstelle h&auml;ufig leicht medial des Sehnenansatzes (Abb. 2). Der Sehnenstumpf erscheint zudem bei der traumatischen Ruptur eher wellenf&ouml;rmig, in der chronisch gerissenen Sehne dagegen abgeflacht und ausged&uuml;nnt.<sup>20</sup> Das Retraktionsausmass ist bei akuten Rotatorenmanschettenrupturen weniger von Bedeutung als bei chronischen Rupturen.<sup>4</sup></p> <h2>Therapie</h2> <p>Die Funktion der Schulter, der Schmerz und die Anspruchshaltung des Patienten sind entscheidend f&uuml;r die Wahl der Therapieform. Bei der &uuml;berwiegenden Mehrzahl der Patienten richtet sich die anf&auml;ngliche Therapie auf die Behandlung der Schmerzen. Dies beinhaltet physiotherapeutische Massnahmen, perorale entz&uuml;ndungshemmende Therapie und die subakromiale Infiltrationstherapie mit Depotsteroiden (z.B. 40mg Triamcinolon in 5ml 2 % Lidocain). Mit der Kontrolle der Schmerzen wird oft die Schulterfunktion gleichzeitig auf ein akzeptables Mass verbessert und es sind keine weiteren Massnahmen notwendig.<sup>31</sup> Bei aktiven Patienten mit hohen Schulteranforderungen und einer inakzeptablen Funktions- oder Schmerzeinschr&auml;nkung sollte eine reparable Ruptur zeitnahe (idealerweise innerhalb von 6 bis 12 Wochen) rekonstruiert werden, da sich bei einer Chronifizierung die chirurgischen Behandlungsoptionen und Ergebnisse zum Nachteil des Patienten entwickeln.<sup>3, 10, 13, 22, 24</sup><br /> Partialrupturen k&ouml;nnen je nach Ausmass, mechanischer Bedeutsamkeit und Anspruchshaltung des Patienten operativ oder konservativ behandelt werden, wobei zumeist der persistierende Schmerz zur operativen Indikationsstellung beitr&auml;gt.<sup>9</sup><br /> Besteht zum Zeitpunkt der Ruptur eine ausgepr&auml;gte Muskeldegeneration und/ oder Muskelverfettung, ist eine Rekonstruktion nicht mehr m&ouml;glich. In dieser Situation k&ouml;nnen Sehnentransfers (Latissimus dorsi f&uuml;r posteriore, Pectoralis major f&uuml;r anteriore Rupturen) oder die Implantation einer inversen Schulterprothese die Schmerzsituation und die Schulterfunktion verbessern. Traumatische RM-Rupturen bei betagten Patienten (&gt;80 Jahre) haben m&ouml;glicherweise aufgrund des verminderten biologischen Heilungspotenzials eine verminderte Heilungsrate.<sup>23, 25</sup> Daher kann bei diesen Patienten bei gegebenem Leidensdruck auch wegen der k&uuml;rzeren und einfacheren Nachbehandlung &ndash; trotz per se reparabler RM-Ruptur &ndash; die Indikation zur Implantation einer inversen Schulterprothese gestellt werden. Abbildung 3 zeigt den Behandlungsalgorithmus f&uuml;r traumatische Rotatorenmanschettenrupturen, wie er an unserer Klinik angewandt wird.</p> <p><a href="../files/datafiles/data/Zeitungen_2018/Leading % 20Opinions_Ortho_1803/Weblinks/s28_abb3.jpg" target="_blank"><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1803_Weblinks_s28_abb3.jpg" alt="" width="2150" height="1804" /></a></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Abechain JJK et al.: Functional outcomes of traumatic and non-traumatic rotator cuff tears after arthroscopic repair. World J Orthop 2017; 8: 631-7 <strong>2</strong> Barth JR et al.: The bear-hug test: a new and sensitive test for diagnosing a subscapularis tear. 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