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Behandlung der traumatischen hinteren Schulterinstabilität

<p class="article-intro">Die traumatische dorsale Schulterinstabilität ist eine seltene Verletzung, die unbehandelt zu unbefriedigenden Resultaten führt. Die Kenntnis der spezifischen Verletzungsmuster und deren korrekte operative Behandlung führen in den meisten Fällen zu guten Resultaten und einem hohen «Return to Sport».</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die traumatische posteriore Schulterinstabilit&auml;t ist eine seltene Verletzung, die speziell bei Sportlern unter konservativer Behandlung zu nicht zufriedenstellenden Resultaten f&uuml;hrt.</li> <li>Bei Patienten unter 40 Jahren mit einer sportlichen Aktivit&auml;t, insbesondere bei &Uuml;berkopfsportarten, empfehlen wir daher die operative Stabilisierung.</li> <li>Die Erfolgsquote der Weichteilstabilisierung liegt bei &gt;90 % , wobei die moderne arthroskopische Ankertechnik der offenen Methode &uuml;berlegen scheint.</li> <li>Kn&ouml;cherne Verletzungen am Glenoid und am Humerus m&uuml;ssen erkannt und in den Behandlungsplan eingeschlossen werden.</li> <li>Bei korrekter Indikationsstellung und Technik kann auch bei kn&ouml;chernen Verletzungen eine hohe Patientenzufriedenheit erzielt werden.</li> </ul> </div> <p>Mit einer H&auml;ufigkeit von 5 % aller Instabilit&auml;ten ist die traumatische posteriore Schulterinstabilit&auml;t eine relativ seltene Verletzung. Sie kann entweder durch ein Makrotrauma oder mikrotraumatisch entstehen. Typische Makrotraumata sind ein Sturz nach vorne mit Abst&uuml;tzen in Innenrotation des Armes oder eine massive Kontraktion der Innenrotatoren durch eine Starkstromverletzung oder einen epileptischen Anfall. Mikrotraumatisch kann eine posteriore Schulterinstabilit&auml;t durch eine repetitive &Uuml;berbelastung entstehen, typischerweise durch eine sportliche Belastung in Flexion/ Innenrotation des Armes wie z.B. bei Wurfsportarten oder Crawl-Schwimmen.<br /> Klar davon getrennt werden m&uuml;ssen die anlagebedingten Formen mit einer posteroinferioren Glenoiddysplasie oder einer vermehrten posterioren Version des Glenoides.</p> <h2>Pathologien, Bildgebung</h2> <p>Verhakte Luxationen lassen sich im konventionellen R&ouml;ntgenbild darstellen, wobei eine zweite Ebene axial oder sagittal wichtig ist (Abb. 1). Zus&auml;tzlich stellt sich die Frage nach Weichteilverletzungen und kn&ouml;chernen L&auml;sionen. Die klassische Weichteilverletzung ist, analog zur ventralen Instabilit&auml;t, die posteriore Labruml&auml;sion in Kombination mit einer &Uuml;berdehnung oder Ruptur des posterioren Bandes des inferioren glenohumeralen Ligamentes. Diese Verletzungen lassen sich in einem MRI sehr gut darstellen. Kim hat 2004 die dorsalen Labrumverletzungen klassifiziert und dabei eine Spezialit&auml;t als Typ-II-Verletzung beschrieben.<sup>1</sup> Es handelt sich dabei um eine inkomplette, zirkul&auml;r verlaufende L&auml;sion, die h&auml;ufig im MRI kaum oder gar nicht zur Darstellung kommt. Seither wird diese spezielle L&auml;sion als &laquo;Kim&rsquo;s lesion&raquo; bezeichnet. Diese L&auml;sion l&auml;sst sich abschliessend oft nur arthroskopisch diagnostizieren (Abb. 2).<br /> Eine zweite Spezialform der posterioren Weichteilverletzung ist die inverse HAGL-L&auml;sion, wobei die posteriore Kapsel am Humerus direkt oder mit einem kleinen Knochenst&uuml;ck abgerissen ist. Diese L&auml;sion l&auml;sst sich im MRI, speziell im Arthro- MRI, sehr sch&ouml;n darstellen.<br /> Kn&ouml;cherne L&auml;sionen kommen im CT allenfalls mit Kontrastmittel am besten zur Darstellung. Kn&ouml;cherne Pfannenrandverletzungen sind im Vergleich zur vorderen Instabilit&auml;t deutlich seltener. Die Impression des ventralen Humeruskopfes, auch inverse Hill-Sachs-L&auml;sion genannt, liegt direkt medial der Subscapularis- Insertion und ist meistens klein. Bei verhakten Luxationen, insbesondere bei Starkstromverletzungen oder im Rahmen eines epileptischen Anfalles, kann sie jedoch erhebliche Ausmasse annehmen. Das Ausmass der inversen Hill- Sachs-L&auml;sion wird in Prozent der Gelenkfl&auml;che gemessen, wobei meist eine Einteilung in &lt;25 % , 25&ndash;50 % und &gt;50 % verwendet wird (Abb. 3).<sup>2</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1803_Weblinks_s10_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="808" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1803_Weblinks_s10_abb2.jpg" alt="" width="1417" height="645" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1803_Weblinks_s10_abb3.jpg" alt="" width="684" height="645" /></p> <h2>Konservative Therapie</h2> <p>Unter einem konservativen Therapieregime mit einem physiotherapeutisch gef&uuml;hrten Stabilisierungsprogramm beschreibt Burkhead lediglich eine Erfolgsquote von 17 % im Falle einer traumatischen Instabilit&auml;t.<sup>3</sup> Speziell beim Kontaktsportler besteht bez&uuml;glich Sportf&auml;higkeit eine schlechte Prognose.<sup>4</sup> Das Rezidivrisiko &uuml;ber alles gesehen betr&auml;gt nach 1 Jahr knapp 20 % und ist erh&ouml;ht bei Patienten unter 40 Jahren, bei einem grossen &laquo;reversed &raquo; Hill-Sachs-Defekt und bei Patienten mit einer Epilepsie.<sup>5</sup> Eine konservative Therapie empfehlen wir deshalb nur bei Patienten &gt;40 Jahre ohne ausgepr&auml;gte Pathologie in der Bildgebung und mit einer dosierten Sportaktivit&auml;t. Bei allen anderen Patienten bevorzugen wir die operative Therapie.</p> <h2>Operative Therapie</h2> <p><strong>Weichteilstabilisierung</strong><br /> Zur operativen Behandlung der dorsalen Labruml&auml;sion hat sich die arthroskopische Technik mit den bekannten Vorteilen des weichteilschonenden Vorgehens und der guten diagnostischen M&ouml;glichkeiten als Goldstandard etabliert. Speziell die Kim-L&auml;sion Typ II l&auml;sst sich oft nur arthroskopisch identifizieren und dann auch direkt arthroskopisch korrekt versorgen. Der Patient kann entweder in &laquo;Beach chair&raquo;-Position oder seitlich gelagert werden, wobei die Seitenlagerung die etwas bessere Traktion am Arm erlaubt. Das technische Vorgehen entspricht weitgehend dem einer ventralen Stabilisierung. Die Labrumfixation erfolgt mit Knochenankern. Dazu wird ein spezielles, weit lateral gelegenes posterolaterales Portal verwendet, um einen korrekten Insertionswinkel der Anker in das Glenoid zu erm&ouml;glichen. Gleichzeitig mit der Labrumfixation erfolgt eine Raffung des posterioren Bandes des IGHL, wobei das Ausmass der Raffung der individuellen Pathologie angepasst wird. Zur posterioren Stabilisierung werden meistens 3 Anker verwendet, wobei gelegentlich auch 2 Anker gen&uuml;gen, da eine direkte horizontale Instabilit&auml;t durch die Spina scapula verhindert wird (Abb. 4). Eine Ausdehnung der posterioren Labruml&auml;sion in den Bizeps-Ursprungsbereich analog einer SLAP-L&auml;sion Typ V ist dorsal eine absolute Rarit&auml;t.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1803_Weblinks_s10_abb4.jpg" alt="" width="1417" height="718" /><br /><br /><strong>Kn&ouml;cherne Stabilisierung</strong> <br />Der dorsale Knochenverlust wird relevant ab 20 % des Glenoiddurchmessers.<sup>6</sup> Frakturen werden verschraubt und ein chronischer Knochenverlust wird mit einem Beckenkammspan aufgebaut, wobei sowohl offene als auch arthroskopische Techniken beschrieben sind. Bei beiden OP-Techniken erfolgt der Zugang zum Gelenk durch einen Split der Deltamuskulatur und in der Tiefe durch einen Split zwischen Infraspinatus und Teres minor, sodass keine Sehnen abgel&ouml;st werden m&uuml;ssen.<br /> Eine Spezialit&auml;t stellt die inverse Hill- Sachs-L&auml;sion dar. Bei L&auml;sionen um 20 % mit einer chronischen Instabilit&auml;t wird die klassische Technik nach McLaughlin in einer arthroskopisch adaptierten Technik empfohlen. Dabei wird der Subscapularis arthroskopisch in den Defekt fixiert,<sup>7</sup> analog zur Technik der dorsalen Remplissage bei ventraler Instabilit&auml;t. L&auml;sionen &gt;25 % der Gelenkoberfl&auml;che m&uuml;ssen offen chirurgisch versorgt werden. Frische L&auml;sionen bis maximal 2 Wochen nach Trauma k&ouml;nnen desimpaktiert und angehoben werden. Dabei verwenden wir wenn m&ouml;glich einen Subscapularis-erhaltenden Zugang durch das Intervall und am Unterrand des Subscapularis auf H&ouml;he der A. circumflexa humeri anterior. Der Defekt wird von inferior her angehoben und entweder autolog oder homolog mit Spongiosa unterf&uuml;ttert (Abb. 5).<br /> Bei Defekten, die &auml;lter als 2 Wochen sind, ist die Desimpaktation nicht mehr m&ouml;glich. Die Auff&uuml;llung des Defektes erfolgt dann mittels autologen Beckenkamm- Spans bis maximal 50 % der Gelenkoberfl&auml;che. Alternativ, insbesondere bei grossen Defekten &gt;40 % , kann der Humeruskopf mit einem Allograft in Form eines segmentalen Humerus- oder Femurkopfgraftes rekonstruiert werden. Ideal ist dazu ein &laquo;fresh-frozen&raquo; osteochondraler Graft mit erhaltenem Knorpel&uuml;berzug.<sup>8</sup> Bei &auml;lteren Patienten mit schlechter Knochenqualit&auml;t oder im Fall von rezidivierenden epileptischen Anf&auml;llen muss der prothetische Ersatz des Humeruskopfes diskutiert werden.<br /> Die Nachbehandlung der dorsalen Stabilisierungsverfahren erfolgt auf einer Schiene in 0&deg;-Rotation f&uuml;r 6 Wochen mit aktiv-assistiver Be&uuml;bung, wobei Bewegungen in Flexion/Innenrotation vermieden werden. Ab der 7. Woche erfolgt der aktive Bewegungsaufbau und die Belastung wird nach 12 Wochen sequenziell aufgebaut. Kontaktsportarten sind fr&uuml;hestens nach 6 Monaten wieder erlaubt, wobei die kn&ouml;chernen Verfahren bildgebend kontrolliert werden m&uuml;ssen. Wir f&uuml;hren dazu vor Sportfreigabe nach 6 Monaten ein CT durch.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1803_Weblinks_s10_abb5.jpg" alt="" width="1417" height="624" /></p> <h2>Resultate</h2> <p>Es gibt relativ wenig Literatur &uuml;ber die Resultate nach Behandlung der dorsalen Instabilit&auml;t. DeLong hat die publizierten Resultate 2015 in einem Review zusammengefasst.<sup>9</sup> Die dorsale Weichteilstabilisierung zeigt eine Rezidivquote von 8,1 % und scheint damit besser zu sein als die offene Methode, bei der eine Quote von 19,4 % berichtet wird. &Uuml;berkopfsportler zeigen ein schlechteres Ergebnis bez&uuml;glich Rezidivquote, &laquo;Return to Sport&raquo; und Zufriedenheit als Patienten, die eine Kontaktsportart betreiben. Die posteriore Knochenblock-Stabilisierung f&uuml;hrt meist zu stabilen Schultern mit einer Zufriedenheit um 80 % und einer radiologischen Arthroserate von ca. 10 % . Allerdings ist der &laquo;Return to Sport&raquo; mit 50 % relativ niedrig.<sup>10</sup> &Uuml;ber die Desimpaktation gibt es keine verl&auml;sslichen Zahlen. &Uuml;ber die segmentale Rekonstruktion mit einem osteochondralen Graft berichtet Gerber 2014: 13 % der Patienten mussten im Follow-up mit einer Prothese versorgt werden und 24 % der &uuml;brigen Patienten zeigten eine deutliche Arthrose nach etwas mehr als 10 Jahren.<sup>8</sup> Trotzdem konnte ein Constant- Score von 77 und ein &laquo;subjective shoulder value&raquo; von 88 % erreicht werden und 95 % der Patienten bewerteten das Operationsresultat als exzellent.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Kim SH et al.: Kim&rsquo;s lesion: an incomplete and concealed avulsion of the posteroinferior labrum in posterior or multidirectional posteroinferior instability of the shoulder. Arthroscopy 2004; 20(7): 712-20 <strong>2</strong> Van Tongel A et al.: Posterior shoulder instability: current concepts review. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2011; 19(9): 1547-53 <strong>3</strong> Burkhead WZ, Jr., Rockwood CA, Jr.: Treatment of instability of the shoulder with an exercise program. J Bone Joint Surg Am 1992; 74(6): 890-6 <strong>4</strong> Bradley JP et al.: Arthroscopic capsulolabral reconstruction for posterior instability of the shoulder: a prospective study of 100 shoulders. Am J Sports Med 2006; 34(7): 1061-71 <strong>5</strong> Robinson CM et al.: The epidemiology, risk of recurrence, and functional outcome after an acute traumatic posterior dislocation of the shoulder. J Bone Joint Surg Am 2011; 93(17): 1605-13 <strong>6</strong> Nacca C et al.: Critical glenoid bone loss in posterior shoulder instability. Am J Sports Med 2018; 46(5): 1058-63 <strong>7</strong> Martetschlager F et al.: Modified arthroscopic McLaughlin procedure for treatment of posterior instability of the shoulder with an associated reverse Hill-Sachs lesion. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2013; 21(7): 1642-6 <strong>8</strong> Gerber C et al.: Long-term outcome of segmental reconstruction of the humeral head for the treatment of locked posterior dislocation of the shoulder. J Shoulder Elbow Surg 2014; 23(11): 1682-90 <strong>9</strong> DeLong JM et al.: Posterior instability of the shoulder: a systematic review and meta-analysis of clinical outcomes. Am J Sports Med 2015; 43(7): 1805-17 <strong>10</strong> Barbier O et al.: Iliac bone-block autograft for posterior shoulder instability. Orthop Traumatol Surg Res 2009; 95(2): 100-7</p> </div> </p>
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