Trends und ökonomische Entwicklung der Knieendoprothetik in Österreich im internationalen Vergleich

<p class="article-intro">Mit 221 Operationen pro 100 000 Einwohner wurde im Jahr 2014 in Österreich unter allen OECD-Ländern die höchste Rate an implantierten Knietotalendoprothesen (KTEP) registriert. Die Implantations- und Revisionszahlen werden für Österreich seit 2009 in Form der zentralen Leistungsverrechnung gesammelt, wobei heuer erstmals eine Analyse dieser Daten erfolgte. Obwohl Österreich in der Zwischenzeit die Führungsposition hinsichtlich der Implantationszahlen im OECD-Vergleich abgegeben hat, ist aufgrund der demografischen Entwicklung unseres Landes mit einem weiteren Anstieg der Operationszahlen zu rechnen. </p> <hr /> <p class="article-content"><p>Umfangreiche Datenregister zu Implantationszahlen von Endoprothesen in Form sogenannter Prothesenregister gibt es seit den 1970er-Jahren in den skandinavischen L&auml;ndern; sie haben ihren Ursprung in Schweden. Dort wird die Reduktion der Revisionsrate unter anderem auf die regelm&auml;&szlig;ige Analyse ebendieser Prothesenregister zur&uuml;ckgef&uuml;hrt.<sup>1</sup> In &Ouml;sterreich erfolgt seit dem Jahr 2009 eine zentrale Erfassung der Implantationszahlen anhand der zentralen Leistungsverrechnung, wobei derzeit die Daten zu Altersgruppe, Geschlecht und Bundesland zentral gespeichert werden, was mit dem Datenumfang eines herk&ouml;mmlichen Prothesenregisters noch nicht zu vergleichen ist. <br />Unsere Arbeitsgruppe konnte in diesem Jahr erstmals eine statistische Auswertung der &ouml;sterreichischen Daten ver&ouml;ffentlichen, da &Ouml;sterreich einerseits einen repr&auml;sentativen Vertreter der sogenannten entwickelten L&auml;nder darstellt und anderseits aufgrund hoher Implantationszahlen im internationalen Vergleich eine Sonderrolle einnimmt bzw. wom&ouml;glich eine zuk&uuml;nftige Entwicklung in anderen L&auml;ndern vorwegnimmt.<sup>2</sup> Diese &Uuml;berblicksarbeit erm&ouml;glicht einen Einblick in die Entwicklung der KTEP-Implantationen in &Ouml;sterreich, basierend auf unserer bereits ver&ouml;ffentlichten Datenanalyse, sowie einen Vergleich mit Nachbarl&auml;ndern.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1805_Weblinks_s52_1.jpg" alt="" width="2150" height="1587" /></p> <h2>Zahlen: KTEP und Revision in &Ouml;sterreich</h2> <p>Die Analyse der Implantationszahlen in &Ouml;sterreich ergab im Zeitraum zwischen 2009 und 2015 einen stetigen Zuwachs beinahe s&auml;mtlicher endoprothetischer Operationen und Revisionsoperationen in &Ouml;sterreich;<sup>2</sup> es erfolgte eine Korrelation mit epidemiologischen Daten der Statistik Austria:<sup>3</sup> <br />Die Zahl der prim&auml;r implantierten KTEP ist in diesem Zeitraum in ganz &Ouml;sterreich um 13 % angestiegen (2009: 15 350; 2015: 17 324, Abb. 1A), was in etwa 202 prim&auml;ren KTEP pro 100 000 Einwohner (2015) entspricht. Die meisten Operationen in absoluten Zahlen nach Bundesl&auml;ndern wurden dabei in Wien (2009&ndash;2015: 26 864), gefolgt von Ober&ouml;sterreich (2009&ndash;2015: 22 183) und Nieder&ouml;sterreich (2009&ndash;2015: 19 700), vorgenommen. Bei den KTEP pro 100 000 Einwohner (EW) je Bundesland im Jahr 2015 findet sich ein etwas anderes Bild, mit zum Teil deutlichen Unterschieden zwischen den einzelnen Bundesl&auml;ndern: Die meisten KTEP wurden mit dieser Auswertung in Tirol (237/100 000 EW), gefolgt von Ober&ouml;s&shy;terreich (231/100 000 EW), Wien (230/100 000 EW) und Salzburg (216/100 000 EW), implantiert (Abb. 1B). 97 % der KTEP wurden dabei in der Altersgruppe vom 50. bis zum 90. Lebensjahr implantiert. Das Durchschnittsalter von 69,5 Jahren bei KTEP-Implantation blieb im Beobachtungszeitraum in etwa konstant, wobei es einen Anstieg des Durchschnittsalters der Bev&ouml;lkerung in &Ouml;sterreich &uuml;ber den Beobachtungszeitraum gibt. In diesem Zusammenhang erscheint die Gegen&uuml;berstellung der demografischen Entwicklung in &Ouml;sterreich von Interesse: Die Gesamtbev&ouml;lkerung in &Ouml;sterreich ist zwischen 2009 und 2015 nur moderat um etwa 2,9 % gewachsen, die Zahl der &uuml;ber 60-J&auml;hrigen jedoch um 9,3 % . Somit scheint ein Teil der steigenden KTEP-Implantationszahlen der demografischen Entwicklung in &Ouml;sterreich geschuldet zu sein (Abb. 1C).<br />Ein &auml;hnliches Bild findet sich bei den Revisionsoperationen nach KTEP: Im Jahr 2015 wurden 919 Reimplantationen von KTEP durchgef&uuml;hrt, was einem Anstieg von 22,5 % verglichen mit 2009 entspricht. Die Reimplantationszahlen steigen somit st&auml;rker an als die Zahl der prim&auml;ren KTEP und machten 2015, gemessen an den prim&auml;ren Implantationszahlen, 5,3 % der Knieprothesenimplantationen aus. Das Durchschnittsalter bei Implantation einer Revisionsoperation nach KTEP betrug im Jahr 2015 70,2 Lebensjahre und blieb &uuml;ber den gesamten Beobachtungszeitraum in etwa konstant. &Uuml;ber Ursachen f&uuml;r die Revisionsoperationen k&ouml;nnen anhand der derzeit gesammelten Daten noch keine Aussagen getroffen werden. Dies ist bei Auswertungen aus nationalen Prothesenregistern m&ouml;glich.<sup>4</sup><br />Andere Zahlen pr&auml;sentieren sich im Fall der Zahl an implantierten Tumor- bzw. Resektionsprothesen am Kniegelenk in &Ouml;sterreich: Diese blieben &uuml;ber den Beobachtungszeitraum etwa konstant (2015: 112), wobei die Implantationen vornehmlich an den orthop&auml;dischen Tumorzentren in Wien und Graz stattfinden. Auch die Altersverteilung der Empf&auml;nger unterscheidet sich hier: mit 2 Altersgipfeln in der Gruppe der 15- bis 20-J&auml;hrigen und der &uuml;ber 60-J&auml;hrigen. <br />Bei den Implantationszahlen eines R&uuml;ckfl&auml;chenersatzes der Patella wurde zwischen 2009 (n=1983) und 2015 (n=1356) ein starker R&uuml;ckgang um 31,6 % verzeichnet. In nationalen Symposien zu diesem Thema zeigt sich, dass es Zentren gibt, in denen diese Methode mittlerweile gar nicht mehr angewandt wird oder lediglich in wenigen ausgew&auml;hlten F&auml;llen, etwa nach Frakturen.</p> <p>&nbsp;</p> <h2>&Ouml;konomische Aspekte der Knieimplantationszahlen</h2> <p>Gem&auml;&szlig; einer Analyse der OECD kann der Anstieg der prim&auml;ren KTEP-Implantationszahlen nur zum Teil durch die demografische Entwicklung in &Ouml;sterreich erkl&auml;rt werden.<sup>5</sup> Wie in den oben angef&uuml;hrten Zahlen gezeigt, sind die Implantationszahlen stark gestiegen, w&auml;hrend die Einwohnerzahl &Ouml;sterreichs nur moderat angestiegen ist. Selbst die Zahl der &uuml;ber 60-J&auml;hrigen wies im Beobachtungszeitraum kein solches Wachstum auf. Weiterentwicklungen in der medizinischen Obsorge k&ouml;nnten zu einer breiteren Anwendung des Verfahrens auch bei &auml;lteren und kr&auml;nkeren Menschen f&uuml;hren, welche davor eher keine KTEP erhalten h&auml;tten. Zum Teil k&ouml;nnten au&szlig;erdem die positive wirtschaftliche Entwicklung und ein Wachstumsdrang im Sinne einer angebotsinduzierten Nachfrage im zum Teil privatisierten Gesundheitssektor in &Ouml;sterreich zu einem Anstieg der Implantationsrate f&uuml;hren.<br />Der noch deutlichere Anstieg der Zahl der KTEP-Revisionen scheint einer Kombination aus o.g. Ursachen sowie insgesamt einer Zunahme der Personen mit liegender KTEP in der Bev&ouml;lkerung &ndash; aufgrund h&ouml;herer prim&auml;rer Implantationszahlen, der gr&ouml;&szlig;eren Anzahl j&uuml;ngerer Empf&auml;nger einer KTEP und unserer steigenden Lebenserwartung &ndash; geschuldet zu sein. Das Durchschnittsalter bei Revision ist nur unwesentlich h&ouml;her als jenes bei prim&auml;rer Implantation; wobei eine Erkl&auml;rung hierf&uuml;r w&auml;re, dass KTEP- und Revision-KTEP-Empf&auml;nger bei j&uuml;ngerem Alter bei Implantation ein h&ouml;heres Risiko f&uuml;r eine Revisionsoperation aufgrund aseptischer und septischer Lockerung im Lauf der Restlebenserwartung aufzuweisen scheinen.<sup>6, 7</sup><br />Die Versorgung mit einer Tumor-/Resektions-KTEP blieb &uuml;ber den Beobachtungszeitraum in &Ouml;sterreich konstant (Abb. 2A) und ist in den meisten F&auml;llen Tumorzentren vorbehalten, vorwiegend Wien und Graz. Die beiden Altersgipfel bei Implantation sind kongruent mit jenen von Osteosarkomen und Ewing-Sarkomen (Gipfel 1: junge Patienten) sowie Chondrosarkomen und Knochenmetastasen (Gipfel 2: &auml;ltere Patienten, Abb. 2B). Bez&uuml;glich der gemeldeten Kodierung von Tumor-/Resektions-KTEP besteht eine m&ouml;gliche Limitation der Zahlen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese Kodierung auch bei gr&ouml;&szlig;eren Revisionsoperationen bei KTEP verwendet wurde, wodurch die vorliegenden Zahlen &uuml;berrepr&auml;sentativ sein k&ouml;nnten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1805_Weblinks_s52_2.jpg" alt="" width="1417" height="753" /></p> <h2>Internationaler Vergleich der Implantationszahlen</h2> <p>Im Jahr 2014 wurde in &Ouml;sterreich gem&auml;&szlig; OECD die h&ouml;chste Zahl an KTEP pro Einwohner implantiert (Abb. 3), was auch medial einer breiteren &Ouml;ffentlichkeit kommuniziert wurde. In den anderen Jahren lag &Ouml;sterreich mit den Implantationszahlen f&uuml;r KTEP (und auch f&uuml;r H&uuml;ft-TEP) im Spitzenfeld. Die im Spitzenfeld befindlichen L&auml;nder weisen gleichzeitig auch ein BIP pro Kopf aus, welches &uuml;ber dem Median aller inkludierten L&auml;nder liegt. Insgesamt entspricht der Anstieg der Zahl der implantierten KTEP jedoch dem internationalen Trend in den entwickelten L&auml;ndern, welche an den Erhebungen der OECD beteiligt sind. <br />Die gesunkenen Implantationszahlen f&uuml;r den Retropatellarersatz entsprechen ebenfalls dem internationalen Trend in Europa, wie eine eigene Metaanalyse verschiedener Prothesenregister gezeigt hat.<sup>8</sup> <br />Anders als vor allem in einigen skandinavischen L&auml;ndern gibt es in &Ouml;sterreich derzeit noch keinen ver&ouml;ffentlichten nationalen Prothesenregisterbericht. Voraussichtlich wird der erste allerdings noch in diesem Jahr erscheinen. Er hat im Vergleich zu den anderen europ&auml;ischen Prothesenregisterberichten den Vorteil, dass alle F&auml;lle aus &Ouml;sterreich erfasst wurden, weil die Verschl&uuml;sselung und Erfassung bei der &ouml;sterreichischen Systematik &uuml;ber die MEL-Kodierung erfolgt. Ein j&auml;hrlicher Prothesenregisterbericht erlaubt in Zukunft eine wesentlich genauere Analyse der Implantate und Entwicklungen f&uuml;r &Ouml;sterreich, wobei in Schweden gezeigt werden konnte, dass sich die Kosten durch Einsparungen aufgrund von Verbesserungen durch Erkenntnisse aus dem Register zum Gro&szlig;teil wieder amortisieren.<sup>9</sup> Andererseits w&auml;re dieser Effekt wohl mittlerweile schw&auml;cher, da die Erkenntnisse und Einsparungen durch ein Register zum Teil bereits von L&auml;ndern implementiert wurden, die selbst kein Register haben.</p> <h2>Conclusio</h2> <p>Die Zahl der implantierten KTEP steigt im internationalen Trend, so auch in &Ouml;sterreich. &Ouml;sterreichs Spitzenposition unter den OECD-L&auml;ndern betreffend Implantationszahlen scheint zum Teil der demografischen Entwicklung und der guten wirtschaftlichen Entwicklung geschuldet zu sein. Die zentrale Registrierung der Implantationszahlen ist eine wichtige Ma&szlig;nahme zur Qualit&auml;tssicherung im &ouml;ffentlichen Gesundheitssystem und eine genauere Aufschl&uuml;sselung (etwa nach verwendeten und revidierten Komponenten) scheint dabei erstrebenswert.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Kolling C et al.: Key factors for a successful National Arthroplasty Register. J Bone Joint Surg Br 2007; 89: 1567-73 <strong>2</strong> Leitner L et al.: Trends and economic impact of hip and knee arthroplasty in central Europe: findings from the Austrian National Database. Sci Rep 2018; 8(1): 4707 <strong>3</strong> Statistik Austria. Population in Austria. Bundesanstalt Statistik &Ouml;sterreich. https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bevoelkerung (letzter Zugriff am 10. Juli 2018) <strong>4</strong> Sadoghi P et al.: Revision surgery after total joint arthroplasty: a complication-based analysis using worldwide arthroplasty registers. J Arthroplasty 2013; 28(8): 1329-32 <strong>5</strong> OECD/European Union. Health at a Glance: Europe 2016. OECD Publishing. http://www.oecd.org/health/health-at-a-glance-europe-23056088.htm <strong>6</strong> Aggarwal VK et al.: Revision total knee arthroplasty in the young patient: Is there trouble on the horizon? J Bone Joint Surg Am 2014; 96: 536-42 <strong>7</strong> Meehan JP et al.: Younger age is associated with a higher risk of early periprosthetic joint infection and aseptic mechanical failure after total knee arthroplasty. J Bone Joint Surg Am 2014; 96: 529-35 <strong>8</strong> Vielgut I et al.: Application and surgical technique of total knee arthroplasties: a systematic comparative analysis using worldwide registers. Int Orthop 2013; 37: 1465-9 <strong>9</strong> Herberts P, Malchau H: Long-term registration has improved the quality of hip replacement: a review of the Swedish THR Register comparing 160,000 cases. Acta Orthop Scand 2000; 71: 111-21v</p> </div> </p>
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