Standards und neue Konzepte des Alignments in der Knieendoprothetik

<p class="article-intro">Ein primäres Ziel der Knieendoprothetik ist das Erreichen eines exakten Alignments. Klassische Verfahren sind das anatomische und das kinematische Alignment. Im Vergleich hierzu versucht das kinematische Alignment das tatsächliche Alignment des Kniegelenkes vor der bestehenden Arthrose zu rekonstruieren. Eine Überlegenheit dieser Technik ist jedoch derzeit durch Studien nicht belegbar.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Prim&auml;res Ziel der Knietotalendoprothetik (KTEP) ist das Erreichen eines ad&auml;quaten Alignments der femoralen, tibialen und patellaren Komponenten inklusive Restoration der unteren Extremit&auml;t in Neutralstellung. Das exakte KnieAlignment gilt als gr&ouml;&szlig;ter Einflussfaktor des Langzeitoutcomes nach Implantation einer KTEP, wohingegen ein inad&auml;quates Alignment zur Verringerung des Implantat&uuml;berlebens, zu einem schlechten funktionellen Outcome sowie zur Implantatlockerung f&uuml;hren kann. <br />Zur Erreichung eines exakten Alignments wurden diverse Alignment-Strategien und Operationstechniken entwickelt. Eine klassische Methode bildet das mechanische Alignment (MAL), welches f&uuml;r lange Zeit als die einzige zuverl&auml;ssige Option tituliert wurde. Hierbei werden die femoralen und tibialen Prothesenkomponenten parallel zur Beinachse der langen R&ouml;hrenknochen der unteren Extremit&auml;t platziert. Das MAL unterscheidet sich jedoch h&auml;ufig signifikant vom individuellen anatomischen Alignment vieler Patienten. Zus&auml;tzlich wird h&auml;ufig ein ausgiebiges Weichteil-Release ben&ouml;tigt, um die KTEP anzupassen. Eine weitere klassische Alignmentmethode ist das anatomische Alignment (AAL), welches eine anatomische Beinachse und damit eine Gelenklinie parallel zur Horizontalen anstrebt. <br />Durch die Entwicklung neuer Technologien, inklusive der computernavigierten Implantation und patientenspezifischer Instrumentarien, konnten radiologische Achsenabweichungen vermehrt reduziert, jedoch das klinische Outcome, wie in gr&ouml;&szlig;eren Studien gezeigt, nicht signifikant verbessert werden. Des Weiteren haben Studien aus dem Vereinigten K&ouml;nigreich sowie Kanada mit &uuml;ber 10 000 Patienten gezeigt, dass in etwa 20 % der Patienten ein Jahr nach der Implantation einer KTEP mit MAL unzufrieden mit dem Ergebnis sind. Als Begr&uuml;ndung hierf&uuml;r wurden eine persistierende Schmerzsymptomatik sowie Beeintr&auml;chtigungen im Alltag angegeben. Aus diesen Gr&uuml;nden und aufgrund der Qualit&auml;ts- und &Uuml;berlebenszeitsteigerung der Polyethylen-Inlays r&uuml;cken neuere Techniken, wie das kinematische Alignment (KAL), welches versucht, den pr&auml;arthrotischen Gelenkszustand ann&auml;hernd wiederherzustellen, in den Interessenfokus.</p> <h2>Alignmentkonzepte</h2> <p>Der folgende Abschnitt er&ouml;rtert das mechanische, anatomische und kinematische Alignment.</p> <p><strong>Mechanisches Alignment (MAL)</strong></p> <p>Bei dieser prim&auml;r von John Insall (1985) beschriebenen Technik erfolgt der initiale Femurschnitt senkrecht zur mechanischen Femurachse sowie darauf folgend die Tibiaresektion senkrecht zur mechanischen Achse der Tibia (Abb. 1). Es folgen die Balancierung des Gelenksspaltes und, wenn ben&ouml;tigt, ein Weichteil-Release. Insall sprach sich gegen die Restoration des Gelenks in den pr&auml;arthrotischen Zustand aus. Jedoch wurde bereits in diversen Studien beschrieben, dass die mechanische Beinachse nicht zwingend der physiologischen Patientenanatomie entspricht. Unterschiedliche Arbeitsgruppen stellten dar, dass in einem Normkollektiv von 250 gesunden Probanden die Beinachse nicht in der mechanischen Neutralachse liegt, sondern vielmehr einen Varus von 1,3&deg; aufweist und nur 15 % der Studienteilnehmer eine gerade Beinachse aufweisen. Dennoch wurde in mehreren Arbeiten postuliert, dass Abweichungen von der mechanischen Achse zu Implantatversagen f&uuml;hren w&uuml;rden und nur Achsabweichungen von bis zu &plusmn;3&deg; tolerabel w&auml;ren. In rezenten Arbeiten konnte nicht bewiesen werden, dass Achsabweichungen zu einer signifikant verk&uuml;rzten Prothesenstandzeit f&uuml;hren w&uuml;rden. Weiters konnte gezeigt werden, dass Patienten mit pr&auml;operativem Varus ein signifikant besseres klinisches Outcome durch Belassen des Varus im Vergleich zur Korrektur in den milden Valgus erreichen. Bellemanns und Kollegen (2013) postulierten, dass die leichte Unterkorrektur eines Varus zu einem besseren funktionellen Ergebnis f&uuml;hren w&uuml;rde.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1805_Weblinks_s49.jpg" alt="" width="1051" height="1199" /></p> <p><strong>Anatomisches Alignment (AAL)</strong></p> <p>Das AAL wurde 1985 prim&auml;r von Hungerford und Krackow beschrieben. Die Autoren postulierten, dass die optimale Implantatlage die Gelenkslinie anatomisch rekreieren sollte. Hierbei erfolgt die Tibiaresektion in 3&deg; Varus zur mechanischen Tibiaachse und der distale Femurschnitt in 9&deg; Valgus zur mechanischen Femurachse. Daraus resultiert ein 6&deg;-ValgusAlignment, welches dem physiologischen Tibiofemoralwinkel entspricht (Abb. 2).</p> <p><strong>Kinematisches Alignment (KAL) </strong></p> <p>Das KAL gr&uuml;ndet sich auf die Ergebnisse zur Kinematik des Kniegelenks von Hollister et al. (1993). Laut den Autoren basiert die Kinematik des Kniegelenks auf drei fixierten Rotationsachsen: Die prim&auml;re Extensions-Flexions-Achse (1) verl&auml;uft durch den dorsalen Abschnitt der Femurkondylen, um die die Tibia rotiert. Die patellare Extensions-Flexions-Achse (2) verl&auml;uft anterosuperior parallel zur ersten Achse und die Tibiarotationsachse (3), welche im rechten Winkel auf die erstgenannte Achse steht. Aus diesem Modell resultiert die Dreidimensionalit&auml;t der Kniekinematik. Im Vergleich zum MAL und AAL, welche zweidimensionale Ans&auml;tze darstellen, handelt es sich beim KAL um eine dreidimensionale Ausrichtung. Somit versucht das KAL als Alternative zu den beschriebenen klassischen Methoden, das urspr&uuml;ngliche Alignment vor dem Auftreten arthrotischer Ver&auml;nderungen wiederherzustellen. Hierbei kann das oftmals ben&ouml;tigte Weichteil-Release reduziert werden. Obwohl sowohl das MAL als auch das KAL zu demselben H&uuml;ft-Knie-Sprunggelenk-Alignment f&uuml;hren, best&auml;tigen die Verfechter des KAL, dass dies die pr&auml;arthrotische Gelenksachse restauriert und auch zu einem besseren klinischen Outcome, einem gr&ouml;&szlig;eren Bewegungsumfang und verst&auml;rkter Patientenzufriedenheit f&uuml;hren w&uuml;rde. Dies basiert auf der Positionierung der Implantate anhand der nat&uuml;rlichen Kniegelenksachsen im Sinne einer dreidimensionalen Ausrichtung. Die Drehachse des Femurschildes wird auf die prim&auml;re femorale Transversalachse gelegt. Es wird genauso viel Knochen reseziert, wie durch die Prothese ersetzt wird, ohne den Versuch der Anpassung an die mechanische Achse (,,true-measured resection-technique&ldquo;). Die Tibiakomponente steht im rechten Winkel zur Tibia&shy;rotationsachse und wird femoral referenziert ausgerichtet. <br />F&uuml;r die pr&auml;operative Planung gibt es bis dato zwei Alternativen. Mit der ersten Technik kann mittels Magnetresonanztomografie ein hochwertiges 3D-Modell erstellt werden, in welchem mittels Computersoftware die Auff&uuml;llung von arthrotischen Defekten erfolgt, die kinematischen Achsen bestimmt werden und auch die Prothesenplatzierung erfolgen kann. Aus dieser Planung werden dann die Schnittblockschablonen gewonnen. Als zweite Variante wurde von Stephen Howell eine manuelle Methodik publiziert. Hierbei erfolgt die Orientierung an der Anatomie der Femurkondylen unter Ber&uuml;cksichtigung von deren Chondropathie. Diese wird pr&auml;operativ mittels Magnetresonanztomografie wie auch intraoperativ evaluiert. Mit entsprechenden Spacerbl&ouml;cken erfolgt dann die Rekonstruktion der pr&auml;arthrotischen Gelenksverh&auml;ltnisse, wobei die Tibiaresektion an den femoralen Schnitt angepasst wird. Als Limitation muss erw&auml;hnt werden, dass in der computerunterst&uuml;tzten Planung der Kapsel-Band-Apparat des Gelenkes ein theoretisches isometrisches Konstrukt ist. In F&auml;llen eines hochgradigen Valgus m&uuml;ssen also beispielsweise bei Elongationen des medialen Bandapparates Angleichungen durch ein Release erfolgen.</p> <h2>Outcome</h2> <p>Dossett und Kollegen (2012) evaluierten 81 Patienten nach der Implantation einer KTEP mit einem Vergleich zwischen MAL und KAL. Hier zeigte die kinematische Gruppe signifikant h&ouml;here Western Ontario, McMaster University, Oxford und Combined Knee Society Scores. Yanhong et al. (2017) f&uuml;hrten eine Metaanalyse durch, um das Kurzzeit-Outcome des KAL mit dem des MAL zu vergleichen. Hier erreichte die KAL-Gruppe bessere Ergebnisse bezogen auf den WOMAC Score, den Knee Function Score, den Oxford Knee Score und den erreichten Flexionsgrad. Im Vergleich zeigten der Extensionsgrad, das Schmerzempfinden gemessen an der VAS und die Komplikationsrate keine statistisch signifikanten Unterschiede. Weiters wies die KAL-Gruppe eine k&uuml;rzere Operationszeit auf. <br />Takahashi et al. (2018) postulierten nach dem Review und der Metaanalyse von f&uuml;nf randomisierten kontrollierten Studien ein signifikant besseres klinisches Outcome nach der Implantation von KTEP mit KAL im Vergleich zu jenen mit MAL.</p> <h2>Schlussfolgerung</h2> <p>Prim&auml;res Ziel der Knieendoprothetik ist seit jeher, ein zufriedenstellendes Alignment zu erreichen, wobei hier sowohl das mechanische als auch das anatomische Verfahren angewendet werden. Dabei besteht Einigkeit, dass ein ungen&uuml;gendes Alignment zu einem verringerten Prothesen&uuml;berleben und schlechten klinischen Ergebnissen f&uuml;hrt. Beim kinematischen Alignment wird versucht, das tats&auml;chliche Alignment des Kniegelenkes vor der bestehenden Arthrose zu rekonstruieren. Eine endg&uuml;ltige Aussage &uuml;ber den Benefit dieser Technik kann noch nicht getroffen werden, da noch weitere Studien notwendig sind, um die Ergebnisse in einer Metaanalyse zu interpretieren.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei den Verfassern</p> </div> </p>
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