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Etablierte Verfahren und neue Trends in der Kreuzbandersatzplastik

<p class="article-intro">Die Techniken der Rekonstruktion des vorderen Kreuzbands (VKB) sind einem ständigen Wandel ausgesetzt. Nicht alle Trends können sich als Meilensteine etablieren. Insgesamt zeigen rezente Metaanalysen wenige Differenzen zwischen etablierten OP-Verfahren und Techniken. Die arthroskopische Rekonstruktion mit der anteromedialen Portaltechnik mittels Autograft gilt als Goldstandard und führt in einem hohen Prozentsatz zum Erfolg. Die Langzeitergebnisse direkter Nahtversuche des VKB, in welcher Technik auch immer, bleiben abzuwarten. Evidenzbasierte Empfehlungen können in diesem Zusammenhang derzeit nicht ausgesprochen werden. Eine individualisierte Wahl des Transplantates und der Fixationstechnik sollte angestrebt werden, um einerseits die Ergebnisse und andererseits die „Return to sports“-Rate zu verbessern.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Bei sportlich aktiven Patienten, hohem Leistungsanspruch, Instabilit&auml;tsgef&uuml;hl bzw. Versagen der konservativen Therapie soll eine Kreuzbandrekonstruktion angestrebt werden.</li> <li>Die m&ouml;glichst anatomische Rekonstruktion in anteromedialer Portaltechnik kann als Goldstandard angesehen werden.</li> <li>Die Verwendung eines Autografts, vornehmlich von Hamstringsehnen, Patella- oder Quadrizepssehnen, ist als Goldstandard etabliert.</li> <li>Allografts scheinen sich als Rekonstruktionsoption bei Patienten &uuml;ber 30 Jahre und in der Revisionssituation bew&auml;hrt zu haben.</li> <li>Die verschiedenen Fixierungstechniken scheinen gleichwertig und unterliegen der Pr&auml;ferenz des Chirurgen.</li> <li>Direkte Nahttechniken sind Trendoptionen, wobei Langzeitdaten abgewartet werden m&uuml;ssen, um evidenzbasierte Empfehlungen aussprechen zu k&ouml;nnen.</li> </ul> </div> <h2>Epidemiologie und Entwicklung</h2> <p>Die VKB-Ruptur ist eine der h&auml;ufigsten schweren Knieverletzungen. Das VKB ist zumindest zehnmal h&auml;ufiger von einer Ruptur betroffen als das hintere. Die Inzidenz an akuten Rupturen wird mit ca. 1 pro 10 000 angegeben, wobei Frauen etwa viermal so h&auml;ufig Rupturen erleiden. Die konservative Therapie der VKB-Ruptur ist bei kompensierter Instabilit&auml;t, bei Teilrupturen, bei Nichtvorliegen von Begleitverletzungen an Meniskus, Knorpel oder weiteren B&auml;ndern und niedrigem Aktivit&auml;tsniveau bzw. sportlichem Anspruch m&ouml;glich. Der Gro&szlig;teil der vor allem j&uuml;ngeren sportlich aktiven Patienten ben&ouml;tigt eine Rekonstruktion des VKB, einerseits zur Wiederherstellung der Kniegelenksstabilit&auml;t und andererseits zur Vermeidung von Folgesch&auml;den.<br />J&auml;hrlich finden in &Ouml;sterreich an die 10 000 arthroskopische Eingriffe an einem oder beiden Kreuzb&auml;ndern statt. Mit stetig steigender Lebenserwartung und sportlichem Aktivit&auml;tsanspruch bis ins h&ouml;here Lebensalter ist davon auszugehen, dass zuk&uuml;nftig die Zahl an Kreuzbandrekonstruktionen ansteigen wird. Au&szlig;erdem liegen Sportarten mit einem Risiko f&uuml;r Kreuzbandrupturen im Trend. Diese Zunahme an Verletzungen und der Versorgungsnotwendigkeit spiegelt sich auch in einem kontinuierlich wachsenden wissenschaftlichen Interesse an der Thematik wider. In den letzten Jahren stieg die Anzahl der Publikationen zum Thema Kreuzbandersatz deutlich an (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1805_Weblinks_s28_1.jpg" alt="" width="1463" height="909" /><br />Ziel jeder rekonstruktiven VKB-Operation bleibt die m&ouml;glichst anatomische und funktionelle Wiederherstellung des Kreuzbandes und damit der Gelenkkinematik bei gr&ouml;&szlig;tm&ouml;glichem Patientenkomfort. Nach heutigem Literaturstand erreichen jedoch bis zu 50 % der Sportler nach operativer Rekonstruktion des VKB das urspr&uuml;ngliche sportliche Aktivit&auml;tslevel nicht wieder. Die Ursachen daf&uuml;r sind mannigfaltig und reichen von St&ouml;rgef&uuml;hlen im Kniegelenk &uuml;ber Kinesiophobie bis zu subjektiv empfundener nicht objektivierbarer Restinstabilit&auml;t. Damit sind Sportorthop&auml;den und Sporttraumatologen aufgefordert, weiter nach der idealen Operationsmethode f&uuml;r die VKB-Ruptur zu forschen.<br />Die Versorgungstechniken nach VKB-Ruptur unterliegen einer stetigen Weiterentwicklung. Verschiedene Verfahren wurden mit zum Teil vergleichbar guten bis sehr guten Ergebnissen beschrieben. Vor allem in den letzten 20 Jahren brachten technische Weiterentwicklungen, nicht zuletzt auch aufgrund von Verbesserungen der arthroskopischen Techniken einschlie&szlig;lich hochaufl&ouml;sender HD-Bildtechnik, gro&szlig;e Fortschritte. Nicht alle Trends konnten sich in der Vergangenheit durchsetzen. Meilensteine in der Geschichte des VKB und von dessen Chirurgie sind in Tabelle 1 aufgelistet.<br />Dieser &Uuml;bersichtsartikel soll einerseits etablierte Verfahren beschreiben, andererseits auch derzeitige Trends aufzeigen. Nach M&ouml;glichkeit wurden daf&uuml;r rezente systematische Reviews und Metaanalysen gesichtet (Tab. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1805_Weblinks_s28_2.jpg" alt="" width="1417" height="2553" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1805_Weblinks_s28_3.jpg" alt="" /></p> <h2>Etablierte Verfahren und Trends</h2> <p>Bei der Analyse verschiedener OP-Verfahren scheint es sinnvoll zu sein, allgemeine OP-Techniken, Transplantatwahl und Fixierungs- bzw. Verankerungstechniken isoliert zu betrachten.</p> <p><strong>OP-Technik</strong></p> <p>Zu den etablierten Verfahren geh&ouml;rt die anteromediale femorale Bohrtechnik, die aufgrund der besseren anatomischen Rekonstruktionsm&ouml;glichkeit zunehmend transtibiale Verfahren abgel&ouml;st hat. Diese Technik kann derzeit als Goldstandard bezeichnet werden. <br />In den letzten Jahren wird zudem die &bdquo;All inside&ldquo;-Technik zunehmend verwendet, mit dem gro&szlig;en Vorteil, k&uuml;rzere Transplantate verwenden zu k&ouml;nnen und somit mit einer Einzelsehnenentnahme das Auslangen zu finden (Abb. 2). Zudem hat diese Technik den Vorteil, die Wachstumsplatte bei Kindern und Jugendlichen nicht zu st&ouml;ren.</p> <p><strong>Transplantatwahl und B&uuml;ndeltechnik</strong></p> <p>Hinsichtlich der Transplantatwahl bei Autografts herrscht noch keine Einigkeit, obgleich vermehrt Hamstringsehnen statt Patellasehnen oder Quadrizepssehnen Verwendung finden. Insgesamt kann die Verwendung der genannten Autografts als Goldstandard angesehen werden. Neben den spezifischen Vor- und Nachteilen erreichen alle Transplantate vergleichbar gute stabile Ergebnisse in der Fachliteratur. Allen gemein ist jedoch eine gewisse Sehnenentnahmemorbidit&auml;t, die nur durch Verwendung von synthetischen Materialien oder Allografts vermieden werden kann. W&auml;hrend bei synthetischen Materialien bislang hohe Revisionszahlen beschrieben sind und somit die idealen Materialien noch nicht gefunden zu sein scheinen, zeigen zahlreiche Studien keine Unterschiede hinsichtlich der Verwendung von Autografts versus Allografts, vor allem bei Patienten jenseits des 30. Lebensjahres, die keine professionellen Sportler sind. In der vergangenen Dekade zeichnete sich ein Trend f&uuml;r die Verwendung von Allografts ab. Der jahrzehntelange Einsatz in den USA und Gro&szlig;britannien sowie vergleichende Studien haben gezeigt, dass es keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich Outcome zwischen Allo- und Autografts im Langzeitverlauf gibt. Die nunmehr einfache Bestellm&ouml;glichkeit und die scheinbar gute Verf&uuml;gbarkeit lassen nun auch den Allograftgebrauch in &Ouml;sterreich steigen. Art, Durchmesser und L&auml;nge der Transplantate sind bekannt und k&ouml;nnen individuell angepasst werden. Sorgen wegen Transplantatabsto&szlig;ung, &uuml;berschie&szlig;ender Immunantwort oder &Uuml;bertragung von Infektionen scheinen bei ordnungsgem&auml;&szlig;er Prozessierung der Spendersehnen angesichts der rezenten Fachliteratur und basierend auf eigenen Erfahrungswerten unbegr&uuml;ndet. Gerade im komplizierten Revisionsfall (nach vorangegangenen mehrfachen Transplantatrerupturen) &uuml;berzeugen die Argumente pro Allograft, zumal im Falle eines gro&szlig;en kn&ouml;chernen Defekts dieser auch mit Allograft und Knochenblock aufgef&uuml;llt und somit der Eingriff einzeitig durchgef&uuml;hrt werden kann. <br />Empfohlen wird, bei sehr jungen hochaktiven Sportlern zur Prim&auml;rrekonstruktion des VKB k&ouml;rpereigene Sehnen zu verwenden, da in dieser Patientengruppe h&ouml;here Rerupturraten f&uuml;r die Allografts nachgewiesen werden konnten. Diese Erkenntnis best&auml;tigte sich in einer rezenten Arbeit, in der die Revisionszahlen bei der Verwendung von Allografts bei unter 25-j&auml;hrigen Sportlern signifikant h&ouml;her waren als bei Autografts. In einer aktuellen Metaanalyse wird zus&auml;tzlich zwischen Allografts mit und ohne Bestrahlung zu Sterilisationszwecken unterschieden. Es zeigten sich signifikant schlechtere Ergebnisse f&uuml;r hoch dosiert bestrahlte Allografts, wobei nicht bestrahlte Allografts gleich gut wie Autografts abschnitten. <br />Einen weiteren Diskussionspunkt stellt die Frage der B&uuml;ndeltechnik dar. In einer Metaanalyse von 2014 konnten minimale Vorteile der &bdquo;Double bundle&ldquo;-Technik im Vergleich zur &bdquo;Single bundle&ldquo;-Technik hinsichtlich Rotationsstabilit&auml;t gefunden werden, leider ohne Verbesserung der subjektiven Ergebnisse. Diesem vermeintlichen Vorteil stehen negativ die Entnahmemorbidit&auml;t zweier Sehnen, die h&ouml;here Komplikationsrate und h&ouml;here Kosten gegen&uuml;ber, weshalb die &bdquo;Double bundle&ldquo;-Versorgung immer seltener Verwendung findet. Eine neue in diesem Jahr erschienene Metaanalyse konnte zudem keine Unterschiede zwischen den beiden Techniken bei einer Mindestverlaufsbeobachtung von 5 Jahren aufzeigen. <br />Eventuell k&ouml;nnte die Verwendung von flachen Transplantaten die anatomische Rekonstruktion des VKB verbessern, wie aktuelle Studien beschreiben. Langzeitergebnisse bleiben hier noch abzuwarten.</p> <p><strong>Transplantatfixierung, Nahttechniken und biologische Augmentation</strong></p> <p>Hinsichtlich Transplantatfixierung erleben etablierte Systeme, wie beispielsweise Schrauben, Buttons und Pins, eine stetige Weiterentwicklung, bislang jedoch ohne signifikante Vorteile f&uuml;r ein spezielles Verankerungssystem. Eine Cochrane-Analyse von 2016 zeigt zum Beispiel, dass es keine signifikanten Unterschiede zwischen bioresorbierbaren Schrauben und Metallschrauben hinsichtlich Outcome nach VKB-Rekonstruktion gibt. Ein weiteres Beispiel, die femorale Fixierung betreffend, zeigt ebenso keine Unterschiede zwischen der Verwendung des Rigidfix&reg;-Cross-Pin-Systems und der Verwendung von Endobuttons. <br />Hinsichtlich der Rupturform scheint es gesichert, dass sowohl bei kompletten als auch inkompletten Rupturen der Stumpfrest sowie stehen gebliebene Bandz&uuml;gel nach M&ouml;glichkeit erhalten bleiben sollen (sog. &bdquo;Remnant preservation&ldquo;-Technik). Dies kann zwar Erschwernisse w&auml;hrend der Rekonstruktion mit sich bringen, soll aber Vorteile in der Einheilung, Revaskularisation und Propriozeption bringen. <br />In diesem Zusammenhang erfahren auch Verfahren zum Banderhalt mit verschiedenen Nahttechniken eine gewisse Renaissance. In den 1980er-Jahren wurden Nahtversuche wegen sehr hoher Rerupturraten verlassen. Neue Techniken, wie beispielsweise die intraligament&auml;re dynamische Stabilisierung, scheinen kurz- und mittelfristig bessere Ergebnisse zu liefern. Bei dieser Technik wird das VKB mit einer Faden-Feder-Technik intern geschient. Dadurch sollen sich die Kreuzbandst&uuml;mpfe in jeder Bewegung aneinanderschmiegen und somit eine Heilung erzielen. Ob sich dieser Trend durchsetzen wird k&ouml;nnen, bleibt abzuwarten. Die ersten kurzfristigen Ergebnisse zeigten vergleichbare Ergebnisse gegen&uuml;ber anderen Techniken. Allerdings fand sich im 5-Jahres-Verlauf eine 20 % ige Rerupturrate. Prinzipiell kann das System belassen werden, bei Wunsch des Patienten nach Entfernung oder Revisionsnotwendigkeit wird jedoch ein Zweiteingriff notwendig. Eigene Erfahrungen zeigen komplizierte Revisionssituationen im Falle des Versagens der Prim&auml;rrekonstruktion bei relativ gro&szlig;en tibialen Knochenverlusten nach Implantatentfernung. <br />Eine andere neue Technik ist die Methode des sog. &bdquo;bridge-enhanced anterior cruciate ligament repair&ldquo; (BEAR), die im Vergleich zu Patienten mit Hamstring-Autograft keine signifikanten Unterschiede im Outcome, jedoch verbesserte Ergebnisse 3 Monate postoperativ hinsichtlich Hamstring-Kraft im Vergleich zur gesunden Seite ergaben. Hier wird die sog. BEAR-Matrix (extrazellul&auml;re Matrixproteine, vor allem Kollagen aus dem Rind) mit k&ouml;rpereigenem Blut aufgeweicht und mit Ethibond- und Vicryl-N&auml;hten zwischen die Kreuzbandst&uuml;mpfe eingen&auml;ht. Eine andere M&ouml;glichkeit stellt das &bdquo;internal bracing&ldquo; mit zugfesten nicht resorbierbaren Tapes dar, welche isoliert als Nahtverst&auml;rkung oder aber auch im Zuge einer Allograft- oder Autograftrekonstruktion zus&auml;tzlich in das neue Band miteingeflochten werden k&ouml;nnen. <br />Nachteile aller prim&auml;r kreuzbanderhaltenden Techniken sind das vorgegebene kurze Zeitfenster zwischen Trauma und Operation und die beschr&auml;nkte Anwendbarkeit auf ganz proximale Rupturformen. <br />Diverse biologische Augmentationstechniken zur Verbesserung der k&ouml;rpereigenen limitierten Heilungskapazit&auml;t, insbesondere die Anwendung autologer pl&auml;ttchenreicher Konzentrate (&bdquo;platelet rich plasma&ldquo;, PRP), erlebten in der vergangenen Dekade einen Boom. Eine Cochrane-Analyse, die sich mit dem Thema PRP und muskuloskelettalen Verletzungen besch&auml;ftigte, ergab jedoch keine Empfehlung f&uuml;r die Verwendung bei VKB-Ruptur.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei den Verfassern</p> </div> </p>
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