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PneumoUpdate 2018

Impfung und Allergie

<p class="article-intro">Lokale Impfreaktionen wie Rötungen, Schwellungen und Schmerz sind jedem bekannt und gelten als Anzeichen für die Aktivierung des Immunsystems. Wenn allerdings ein anaphylaktischer Schock eintritt, dann ist die Angst groß – auch vor einer erneuten Impfung. Zu einer Risiko-Nutzen-Abschätzung gehört eine allergologische Klärung, beispielsweise hinsichtlich des Vorhandenseins einer Ovalbumin-Allergie.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Spezifische Standardimpfungen und eine bessere Durchimpfung (h&ouml;here Anzahl insgesamt erhaltener Impfdosen) f&ouml;rdern weder die allergische Sensibilisierung gegen Umweltallergene noch die Entwicklung von allergischen Erkrankungen wie atopischem Ekzem, Asthma und Heuschnupfen.</li> <li>Die Impfung von Personen mit Allergie gegen Ovalbumin erfordert ein individuelles Vorgehen in Abh&auml;ngigkeit vom Ovalbumin-Gehalt des Impfstoffes.</li> <li>Bei Anaphylaxie nach Impfung soll eine allergologische Kl&auml;rung erfolgen.</li> <li>Bei zwingend indizierter erneuter Impfung nach Anaphylaxie soll, nach sorgf&auml;ltiger Risiko-Nutzen-Absch&auml;tzung und Aufkl&auml;rung, das ausl&ouml;sende Allergen m&ouml;glichst gemieden werden.</li> </ul> </div> <p>Impfungen z&auml;hlen zu den wirksamsten pr&auml;ventivmedizinischen Ma&szlig;nahmen. Moderne Impfstoffe sind gut vertr&auml;glich. Nur in sehr seltenen F&auml;llen werden schwere, bleibende und unerw&uuml;nschte Arzneimittelwirkungen beobachtet. Dennoch bestehen in der Bev&ouml;lkerung Bedenken, dass Impfungen Allergien und allergische Erkrankungen ausl&ouml;sen k&ouml;nnen. Sie resultieren beispielsweise aus einer zeitlichen Interferenz von ersten Beschwerden durch allergische Erkrankungen und dem Zeitpunkt der Grundimmunisierung. So kommt es &uuml;blicherweise beim atopischen Ekzem zu einer Zunahme der Symptomschwere bis zum 18. Lebensmonat. In dieser Zeitspanne erfolgt aber auch die Grundimmunisierung.</p> <h2>Impfreaktionen</h2> <p>Epidemiologische Studien zeigen jedoch kein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r die Entstehung eines atopischen Ekzems nach einer Impfung mit Pertussis<sup>1, 2</sup> und MMR<sup>3</sup>. Nach Impfungen mit DPT, Masern<sup>4</sup> sowie Varizellen bestand sogar ein geringeres Risiko.<sup>5, 6</sup> Ein hoher Durchimpfungsgrad war ebenso mit einem geringeren Risiko und einem geringeren Schweregrad verbunden. Lediglich eine Studie zeigte ein leicht erh&ouml;htes Risiko nach MMR-Impfung, allerdings auch nach Masernerkrankung.<sup>3, 5, 7</sup><br /> Bei Asthma bronchiale gibt es ein heterogeneres Bild. Zwei Studien zeigen eine m&ouml;gliche Assoziation mit dem Pertussis- Impfstoff. Es handelt sich um zwei retrospektive, nicht randomisierte Studien. Allerdings wurden die Daten lediglich mittels Fragebogen erhoben, ohne die Kinder zu untersuchen.<sup>8, 9</sup> Zudem war eine der Studien ein Kurzbericht ohne &bdquo;peer-review&ldquo;. Mehrere prospektive kontrollierte, &bdquo;peerreviewed&ldquo; Studien zeigen hingegen keinen Effekt einer Pertussis-Impfung<sup>10</sup> bzw. ein geringeres Risiko bei hohem Durchimpfungsgrad.<sup>3</sup> Eine Impfung gegen Mykobakterien ist mit einem leicht geringeren Risiko f&uuml;r Asthma verbunden.<sup>11</sup><br /> Hinsichtlich der Entwicklung einer allergischen Rhinitis zeigte sich eine fehlende oder eine negative Assoziation nach Impfung mit DTP oder Masern<sup>4, 12</sup> oder Pertussis<sup>2</sup>. Allergische Nebenwirkungen auf Impfungen werden mit einer H&auml;ufigkeit von ca. 1:50 000 (lokale kutane Reaktionen) bzw. 1:100 000 bis 1:1 000 000 (generalisierte Anaphylaxie) beobachtet. Eine Studie aus Deutschland registrierte mittels Kombination zweier verschiedener &Uuml;berwachungsprogramme eine Anaphylaxie nach Standardimpfungen in einer H&auml;ufigkeit von 1:1 000 000 oder seltener. Lediglich f&uuml;r den nicht mehr verwendeten pandemischen Influenza-Impfstoff wurde eine H&auml;ufigkeit von 1:100 000 beobachtet.<sup>13</sup> Anaphylaktische Reaktionen auf Impfungen sind somit seltene Ereignisse. Sie k&ouml;nnen aber bereits bei der ersten Impfung mit dem jeweiligen Impfstoff auftreten.</p> <h2>Allergenquellen</h2> <p>Es gibt eine Reihe von m&ouml;glichen Allergenquellen in Impfstoffen. Praktisch relevant sind Kontaminationen aus dem Herstellungsprozess wie H&uuml;hnereiwei&szlig; (Ovalbumin). In &auml;u&szlig;erst geringen, allergologisch nicht relevanten Mengen (=1ng) ist es im MMR-, einigen Tollwut- und im FSME-Impfstoff enthalten. Kinder mit manifester H&uuml;hnereiwei&szlig;allergie (nur Hautreaktion) k&ouml;nnen daher unter Standardbedingungen MMR geimpft werden. Kinder mit Atmungs-, Kreislauf- oder gastrointestinaler Reaktion sollen durch einen im Erkennen und Behandeln anaphylaktischer Reaktionen erfahrenen Arzt geimpft werden (ungeteilte Dosis, Mindest&uuml;berwachungszeit: 2 Stunden). In etwas gr&ouml;&szlig;erer Menge (=1,0&micro;g) ist Ovalbumin im Influenza-Impfstoff enthalten, mit immer niedrigerer Konzentration in modernen Impfstoffen. Studien der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Anwendung der modernen tri- oder tetravalenten inaktivierten Influenza- Vakzine (TIV) bei H&uuml;hnereiallergischen Patienten sicher ist. Als Erste haben daher die amerikanischen Beh&ouml;rden die Kontraindikation f&uuml;r die Verabreichung der TIV an Patienten mit H&uuml;hnereiwei&szlig;allergie zur&uuml;ckgezogen. In der Bundesrepublik Deutschland ist die TIV-Impfung bei Patienten mit Symptomen einer H&uuml;hnereiwei&szlig;allergie jedoch laut Fachinformation bislang noch kontraindiziert. Stattdessen kann (bei Verf&uuml;gbarkeit) f&uuml;r Erwachsene ein Impfstoff genutzt werden, der auf humanen diploiden Zelllinien (HDC) hergestellt wurde und kein H&uuml;hnereiwei&szlig; enth&auml;lt. F&uuml;r Kinder ist dieser Impfstoff in Europa nicht zugelassen. Aus allergologischer Sicht kann entsprechend der Studienlage bei H&uuml;hnereiwei&szlig;allergischen Patienten eine TIV-Impfung vorgenommen werden. Bei ausschlie&szlig;lich kutaner Reaktion auf H&uuml;hnerei kann die Impfung mit TIV in der Praxis erfolgen (ungeteilte Dosis, 2 Stunden Nachbeobachtung); bei Atem-Kreislauf-Reaktion oder gastrointestinalen Symptomen auf H&uuml;hnerei sollte die Impfung mit TIV durch einen Arzt, der in der Behandlung anaphylaktischer Reaktionen erfahren ist, erfolgen (ungeteilte Dosis, 2 Stunden Nachbeobachtung). Eine balancierte Aufkl&auml;rung bzgl. der in der Fachinformation genannten Kontraindikation bei H&uuml;hnereiwei&szlig;allergie ist erforderlich. Ebenso muss vorher die Kosten&uuml;bernahme bei der Krankenkasse gekl&auml;rt werden.<br /> Kinder mit manifester H&uuml;hnereiwei&szlig;allergie sollen eine Gelbfieber-Impfung (h&ouml;chster Gehalt an H&uuml;hnereiwei&szlig;: =1,6mg) nur nach sorgf&auml;ltiger individueller Nutzen-Risiko-Abw&auml;gung erhalten. Wenn die Impfung indiziert ist, soll sie in Kooperation mit einem im Erkennen und Behandeln anaphylaktischer Reaktionen bei Kindern erfahrenen Arzt fraktioniert (Abb. 1) unter station&auml;rer &Uuml;berwachung geimpft werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1804_Weblinks_s16_abb1.jpg" alt="" width="1370" height="1248" /></p> <h2>Anaphylaxie</h2> <p>Pr&auml;diktive allergologische Diagnostik wird nicht empfohlen. Bei einer Anaphylaxie nach Impfung soll hingegen eine allergologische Aufarbeitung erfolgen, um das Risiko f&uuml;r zuk&uuml;nftige anaphylaktische Reaktionen zu minimieren. Nach sorgf&auml;ltiger Anamnese werden Hautpricktests mit dem entsprechenden Impfstoff und, wenn positiv, mit Einzelkomponenten (wenn verf&uuml;gbar) empfohlen. Beginn mit 1:10 verd&uuml;nntem Impfstoff, dann unverd&uuml;nnt. Anschlie&szlig;end Intrakutantest mit 1:100 und wenn weiter negativ evtl. noch mit 1:10 verd&uuml;nntem Impfstoff (CAVE: unspezifische Reaktionen m&ouml;glich). Tests auf spezifisches IgE k&ouml;nnen gegen einige Antigene aus Impfstoffen durchgef&uuml;hrt werden.<br /> Die Entscheidung &uuml;ber nachfolgende Impfungen sollte erst nach sorgf&auml;ltiger Risiko-Nutzen-Absch&auml;tzung im Gespr&auml;ch mit Patient und Eltern durchgef&uuml;hrt werden. Soweit angemessen, sollten bereits erreichte Impftiter in der Entscheidungsfindung ber&uuml;cksichtigt werden. Eine sorgf&auml;ltige Aufkl&auml;rung im pers&ouml;nlichen Gespr&auml;ch mit Eltern und Patient und eine Dokumentation des Aufkl&auml;rungsgespr&auml;ches vor erneuter Impfung nach Impfreaktionen obligat. Immer sollte versucht werden, die Impfung mit einem alternativen Impfstoff durchzuf&uuml;hren, der das identifizierte oder vermutete Allergen nicht enth&auml;lt. Ist eine erneute Impfung indiziert, kann wie in Abbildung 2 beschrieben vorgegangen werden. Nach systemischer allergischer Sofortreaktion auf eine fr&uuml;here Impfung wird eine auf die Intensiv&uuml;berwachungszeit (Abb. 2) folgende station&auml;re &Uuml;berwachung des Patienten f&uuml;r mindestens 12 Stunden empfohlen, um etwaige anaphylaktische und allergische Sp&auml;treaktionen durch daf&uuml;r trainiertes Personal umgehend erkennen und behandeln zu k&ouml;nnen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1804_Weblinks_s16_abb2.jpg" alt="" width="2150" height="1038" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> M&ouml;hrenschlager M et al.: Pediatr Allergy Immunol 2007; 18: 5-9 <strong>2</strong> Nilsson L et al.: Arch Pediatr Adolesc Med 2003; 157: 1184-9<strong> 3</strong> Gr&uuml;ber C et al.: Pediatrics 2003; 111: e282-8 <strong>4</strong> Anderson HR et al.: Am J Public Health 2001; 91: 1126-9 <strong>5</strong> Gr&uuml;ber C et al.: Allergy 2008; 63: 1464-72 <strong>6</strong> Kreth HW et al.: Eur J Pediatr 2006; 165: 677-83 <strong>7</strong> Olesen AB et al.: Acta Derm Venereol 2003; 83: 445-50 <strong>8</strong> Odent MR et al.: JAMA 1994; 272: 592-3 <strong>9</strong> Kemp T et al.: Epidemiology 1997; 8: 678-80 <strong>10</strong> Nilsson L et al.: Arch Pediatr Adolesc Med 2003; 157: 1184-9 <strong>11</strong> Linehan MF et al.: J Allergy Clin Immunol 2014; 133: 688-95 <strong>12</strong> Bremner SA et al.: Arch Dis Child 2005; 90: 567-73 <strong>13</strong> Oberle D et al.: Anaphylaxie nach Impfung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit 2016: 30-42 <strong>14</strong> Pickering LK (eds) et al.: Red Book: 2009 Report of the Committee on Infectious Diseases. American Academy of Pediatrics, Elk Grove Village 2009. 48-9</p> </div> </p>
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