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Ist die operative Versorgung von Metastasen beim Nierenzellkarzinom sinnvoll?

<p class="article-intro">Metastasen des Nierenzellkarzinoms sind relativ häufig; sie finden sich bei etwa 25 % der Patienten zum Zeitpunkt der Erstdiagnose synchron und etwa 40 % der Patienten entwickeln metachrone Metastasen.<sup>1, 2</sup> Das Nierenzellkarzinom gilt als relativ strahlenresistent – somit wäre also eine palliative Resektion prinzipiell sinnvoll.<sup>3</sup></p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Ist eine Metastasenchirurgie zur lokalen Palliation sinnvoll?</h2> <p>In gr&ouml;&szlig;eren onkologischen Zentren gibt es immer wieder Nierenzellkarzinom- F&auml;lle, bei denen aufgrund der Symptome eine Metastasenchirurgie notwendig ist. Pulmonal ergibt sich kaum eine Symptomverbesserung. Skelettal sind Frakturgef&auml;hrdung, Schmerzen und neurologische Ausf&auml;lle durchaus Indikationen. Eine richtige Evidenzgrundlage dazu findet sich in der Literatur aber nicht.</p> <h2>Ist eine Metastasenchirurgie zur Verbesserung der Prognose sinnvoll?</h2> <p>Die erste Publikation hierzu stammt von Tolia und Whitmore vom Memorial Sloan-Kettering Cancer Center aus dem Jahr 1975.<sup>4</sup> Bis heute liegt zu dieser Fragestellung aber keine breitere Evidenz vor.<br /> In einer Serie aus der Pr&auml;-Tyrosinkinaseinhibitor( TKI)-&Auml;ra verglichen Kwak et al.<sup>5</sup> aus Seoul Patienten, f&uuml;r die eine Metastasenresektion technisch m&ouml;glich und denen sie angeboten worden war; 21 Patienten entschieden sich f&uuml;r eine operative Metastasenresektion, 41 dagegen. Der &Uuml;berlebensunterschied war signifikant (in Monaten: 36,5 [4&ndash;182] vs. 8,4 [1&ndash;64]; p&lt;0,001); nur die Metastasenresektion war in der multivariaten Analyse unabh&auml;ngig prognostisch. In einer retrospektiven Serie aus der TKI-&Auml;ra vom MD Anderson Cancer Center aus Houston waren von 22 Patienten nach Metastasenresektion und TKI nach &uuml;ber 2 Jahren noch 21 am Leben.<sup>6</sup> Eine weitere aktuelle retrospektive Analyse aus der TKI-&Auml;ra, ebenfalls aus Seoul,<sup>7</sup> verglich 33 Patienten nach kompletter Metastasenresektion mit 20 nach inkompletter und 263 ohne Metastasenresektion. Das mediane &Uuml;berleben war am l&auml;ngsten in der Gruppe der komplett resezierten gegen&uuml;ber den inkomplett und nicht resezierten Patienten (92,5 vs. 29,6 vs. 23,5 Monate; p&lt;0,001). In der multivariaten Analyse war nur die komplette Metastasenresektion unabh&auml;ngig prognostisch (Hazard-Ratio [HR]: 0,378; p=0,001). Entscheidend ist also die komplette Resektabilit&auml;t der Metastase(n).<sup>5, 7&ndash;9</sup></p> <h2>Ist eine Metastasenchirurgie nur bei singul&auml;rer Filia sinnvoll?</h2> <p>Die Ergebnisse zur Bedeutung solit&auml;rer vs. multiple Metastasen sind heterogen &ndash; aber im Gro&szlig;en und Ganzen scheint die komplette Resektabilit&auml;t der entscheidende Faktor zu sein.<sup>3</sup> So auch in einer der gr&ouml;&szlig;ten Serie mit ann&auml;hernd 900 Patienten aus der Mayo Clinic mit multiplen Metastasen. Bei lediglich 14 % der Kohorte gelang eine komplette Resektion, die aber signifikant f&uuml;r die tumorspezifische 5-Jahres-&Uuml;berlebensrate von 33 % im Vergleich zu 12 % war (p&lt;0,001).<sup>10</sup></p> <h2>Ist eine Metastasenchirurgie bei jeder Lokalisierung sinnvoll?</h2> <p>Die Ergebnisse zur Bedeutung des Metastasierungsorts sind ebenfalls heterogen &ndash; aber im Gro&szlig;en und Ganzen scheint auch hier die komplette Resektabilit&auml;t der entscheidende Faktor zu sein.<sup>3</sup><br /> Einige Studien zeigten nach Resektion von Lungenmetastasen im Vergleich zu anderen Lokalisationen eine g&uuml;nstigere Prognose.<sup>10, 9</sup> So zeigt sich beispielsweise in der Serie aus der Mayo Clinic bei kompletter Resektion rein pulmonaler Filiae eine 5-Jahres-&Uuml;berlebensrate von 74 % gegen&uuml;ber 33 % bei anderen Manifestationsorten; beide Gruppen profitierten aber wie erw&auml;hnt wesentlich von einer kompletten Resektion.<sup>10</sup> Der Einfluss der Lokalisation ist aber nicht eindeutig belegt. So findet sich etwa in den Arbeiten aus Seoul aus der Pr&auml;- wie aus der TKI-&Auml;ra kein besseres onkologisches Ergebnis der Patienten mit Lungenmetastasen gegen&uuml;ber anderen Lokalisationen.<sup>5, 7</sup><br /> F&uuml;r 175 Patienten nach Resektion von pulmonalen Filiae wurden von einer M&uuml;nchner Arbeitsgruppe retrospektiv prognostische Faktoren identifiziert und daraus ein Score gebildet; neben der kompletten Resektabilit&auml;t konnte ein Befall der Pleura und hil&auml;rer und mediastinaler Lymphknoten als prognostisch ung&uuml;nstiger Faktor identifiziert werden.<sup>11</sup> Dies zeigt auch eine franz&ouml;sische Serie aus zwei Zentren f&uuml;r 122 Patienten; ein hil&auml;rer wie mediastinaler Lymphknotenbefall reduzierte das mediane &Uuml;berleben signifikant (107 vs. 37 Monate, p=0,003; HR: 0,384 [0,179&ndash;0,825]; p=0,01). In dieser Serie finden sich nach Resektion solcher Lymphknotenmetastasen Patienten mit relativ langem &Uuml;berleben, weswegen eine systematische Lymphadenektomie w&auml;hrend der Resektion von Lungenmetastasen empfohlen wird.<sup>12</sup><br /> F&uuml;r die oss&auml;ren Metastasen ist eine Resektion weniger etabliert und wird in der Regel gegen eine Radiatio diskutiert (EAU-LL, S3-LL). Es zeigt sich durchaus ein &Uuml;berlebensvorteil bei kompletter Resektion. Eine Kohorte der Harvard Medical School verglich 88 Patienten nach Resektion mit 54 nach K&uuml;rettage und 41 nach Stabilisierung oss&auml;rer Metastasen. Das onkologische Ergebnis war nach chirurgischer Resektion mit einer 3-Jahres-Gesamt&uuml;berlebensrate von etwa 40 % am besten (p=0,02); ein negativer Absetzungsrand war bei Patienten mit multiplen Metastasen mit dem &Uuml;berleben korreliert (p=0,015).<sup>13</sup><br /> F&uuml;r die hepatischen Metastasen sind die Ergebnisse analog zu den pulmonalen Filiae beschrieben. Eine retrospektive Arbeit vom Johns Hopkins Hospital findet bei 43 Patienten nach Resektion eine 3-Jahres- Gesamt&uuml;berlebensrate von 62 % .<sup>14</sup> Eine j&uuml;ngere M&uuml;nchner Serie von 68 Patienten beschreibt nach Resektion eine 5-Jahres- Gesamt&uuml;berlebensrate von 62 % (&plusmn;11 % ), gegen&uuml;ber lediglich 29 % (&plusmn;22 % ) in der Vergleichsgruppe ohne Resektion.<sup>15</sup> F&uuml;r seltenere Lokalisationen sind ebenfalls Daten publiziert, welche zum bisherigen Tenor passen, wonach eine komplette Resektabilit&auml;t einen onkologischen Vorteil bietet.<sup>3</sup></p> <h2>Ist eine Metastasenchirurgie bei jedem histologischen Subtyp sinnvoll?</h2> <p>Eine sarkomatoide Differenzierung wird in der Serie des Memorial Sloan-Kettering Cancer Center als ung&uuml;nstig f&uuml;r das tumorspezifische &Uuml;berleben beschrieben (HR: 3,70; 95 % CI: 1,09&ndash;12,62; p=0,037).<sup>16</sup> &Auml;hnliche Ergebnisse liefert eine aktuelle Analyse vom MD Anderson Cancer Center, in der die sarkomatoide Differenzierung als ung&uuml;nstiger Faktor beschrieben wird; in einer Matched-pair-Analyse war das &Uuml;berleben von 40 Patienten mit und 40 ohne Metastasenresektion bei sarkomatoid differenziertem Prim&auml;rtumor unabh&auml;ngig von der Metastasenresektion.<sup>17</sup><br /> Insgesamt scheint also v.a. die sarkomatoide Differenzierung des Prim&auml;rtumors ung&uuml;nstig zu sein.<sup>3</sup></p> <h2>Ist eine Metastasenchirurgie nur bei syn- oder metachroner Filia sinnvoll?</h2> <p>Grunds&auml;tzlich ist v.a. die sp&auml;te metachrone Metastasierung im Vergleich zur fr&uuml;hen bzw. synchronen Metastasierung allgemein als prognostisch g&uuml;nstig anzusehen (S3-LL). Analog dazu zeigt eine &auml;ltere Serie aus Halle f&uuml;r 64 Patienten nach Resektion pulmonaler Filiae einen prognostisch signifikanten Einfluss der syn- gegen&uuml;ber der metachronen Metastasierung mit einem 5-Jahres-&Uuml;berleben von 0 % gegen&uuml;ber 45 % (HR: 7,8; 95 % CI: 1,5&ndash;11,5; p=0,005).<sup>18</sup><br /> In dem Vergleich von f&uuml;nf Metastasierungsorten aus dem Memorial Sloan-Kettering Cancer Center zeigt sich ebenfalls kein prinzipieller tumorspezifischer &Uuml;berlebensnachteil f&uuml;r die synchrone Metastasierung (HR: 1,34; 95 % CI: 0,47&ndash;3,81; p=0,6). Die Seouler Arbeit aus der TKI-&Auml;ra zeigt ebenfalls keinen unabh&auml;ngigen Einfluss des zeitlichen Metastasierungsmusters (HR: 0,76; 95 % CI: 0,54&ndash;1,08; p=0,12).<sup>7</sup> Auch die Serie der Mayo Clinic beschreibt einen signifikanten &Uuml;berlebensvorteil einer kompletten Metastasenresektion in beiden Gruppen (je &lt;0,001).<sup>10</sup> So scheint also die Resektion bei syn- und metachroner Metastasierung sinnvoll &ndash; wenn sie komplett gelingt.<sup>3</sup></p> <h2>Ist eine Metastasenchirurgie nur mit neo-/adjuvanter Therapie sinnvoll?</h2> <p>Bislang gibt es keine ausreichende Datenlage zu dieser Frage.<sup>3</sup> In einer niederl&auml;ndischen Serie von etwa 150 Patienten wurde bei je 24 Patienten eine begleitende Immunoder Strahlentherapie durchgef&uuml;hr, ohne &Uuml;berlegenheit einer der beiden Gruppen.<sup>9</sup></p> <h2>Was ist die Zusammenfassung?</h2> <p>Die Datenlage ist d&uuml;nn und in den wichtigen bisherigen retrospektiven Studien bleiben wesentliche Fragen unbeantwortet. So kann eine Metastasierung gar nicht so einfach kategorisiert werden. Auch die Rolle der perioperativen medikament&ouml;sen Therapie wird neu verhandelt, wo wir ja nach der TKI- in der Checkpoint- Blockade-&Auml;ra sind, die f&uuml;r multimodale Konzepte der Metastasenbehandlung vielleicht Chancen bietet.<br /> Jetzt kommt also der unvermeidliche Satz &bdquo;Further studies are warranted&ldquo;. So leicht dahingesagt, so schwer in der Umsetzung. Wir betreiben in Regensburg wie anderswo auch Metastasenchirurgie beim Nierenzellkarzinom im Rahmen einer zertifizierten Struktur. Aber haben wir insgesamt genug Patienten f&uuml;r eine randomisierte Studie? Sogar im Rahmen eines Konsortiums? Nicht unbedingt. Den Versuch muss man zwar &ndash; unvermeidbar quasi &ndash; anmahnen. Aber vor allem kann und sollte Metastasenchirurgie betrieben werden, um k&uuml;nftig Daten zu liefern &ndash; solange die perfekte Studie ausbleibt.<sup>3</sup></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Bianchi M et al.: Distribution of metastatic sites in renal cell carcinoma: a population-based analysis. Ann Oncol 2012; 23(4): 973-80 <strong>2</strong> Brookman-May S et al.: Features associated with recurrence beyond 5 years after nephrectomy and nephron-sparing surgery for renal cell carcinoma: development and internal validation of a risk model (PRELANE score) to predict late recurrence based on a large multicenter database (CORONA/SATURN Project). Eur Urol 2013; 64(3): 472-7 <strong>3</strong> Burger M: Wann ist die operative Versorgung von Metastasen beim Nierenzellkarzinom angezeigt und gibt es eine wissenschaftliche Grundlage hierf&uuml;r? Urologe 2017; 56: 617-23 <strong>4</strong> Tolia BM, Whitmore WF Jr: Solitary metastasis from renal cell carcinoma. J Urol 1975; 114(6): 836-8 <strong>5</strong> Kwak C et al.: Metastasectomy without systemic therapy in metastatic renal cell carcinoma: comparison with conservative treatment. Urol Int 2007; 79(2): 145- 51 <strong>6</strong> Karam JA et al.: Metastasectomy after targeted therapy in patients with advanced renal cell carcinoma. J Urol 2011; 185(2): 439-44 <strong>7</strong> You D et al.: Impact of metastasectomy on prognosis in patients treated with targeted therapy for metastatic renal cell carcinoma. J Cancer Res Clin Oncol 2016; 142(11): 2331-8 <strong>8</strong> Kavolius JP et al.: Resection of metastatic renal cell carcinoma. J Clin Oncol 1998 16(6): 2261-6 <strong>9</strong> van der Poel HG et al.: Metastasectomy in renal cell carcinoma: a multicenter retrospective analysis. Eur Urol 1999; 35(3): 197-203 <strong>10</strong> Alt AL et al.: Survival after complete surgical resection of multiple metastases from renal cell carcinoma. Cancer 2011; 117(13): 2873-82 <strong>11</strong> Meimarakis G et al.: Evaluation of a new prognostic score (Munich score) to predict long term survival after resection of pulmonary renal cell carcinoma metastases. Am J Surg 2011; 202(2): 158-67 <strong>12</strong> Renaud S et al.: Systematic lymph node dissection in lung metastasectomy of renal cell carcinoma: an 18 years of experience. J Surg Oncol 2014; 109(8): 823-29 <strong>13</strong> Langerhuizen DW et al.: Metastasectomy, intralesional resection, or stabilization only in the treatment of bone metastases from renal cell carcinoma. J Surg Oncol 2016; 114(2): 237-45 <strong>14</strong> Hatzaras I et al.: A multi-institution analysis of outcomes of liver-directed surgery for metastatic renal cell cancer. HPB (Oxford) 2012; 14(8): 532-8 <strong>15</strong> Staehler MD et al.: Liver resection for metastatic disease prolongs survival in renal cell carcinoma: 12-year results from a retrospective comparative analysis. World J Urol 2010; 28(4): 543-7 <strong>16</strong> Jakubowski CD et al.: Complete metastasectomy for renal cell carcinoma: comparison of five solid organ sites. J Surg Oncol 2016; 114(3): 375-9 <strong>17</strong> Thomas AZ et al.: The role of metastasectomy in patients with renal cell carcinoma with sarcomatoid dedifferentiation: a matched controlled analysis. J Urol 2016; 196(3): 678-84 <strong>18</strong> Hofmann HS et al.: Prognostic factors and survival after pulmonary resection of metastatic renal cell carcinoma. Eur Urol 2005; 48(1): 77-81</p> </div> </p>
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