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SGK-Jahrestagung 2018

Neuigkeiten in der Atherosklerosetherapie

<p class="article-intro">Während die Strategie des «the lower, the better» beim LDL-C auch unter PCSK9-Inhibition Gültigkeit besitzt, führte die Anhebung des HDL-C nicht zu der erhofften kardiovaskulären Protektion. Ein neuer, vielversprechender Ansatz in der Atherosklerosetherapie scheint die antiinflammatorische Behandlung zu sein.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die nahezu lineare Beziehung zwischen dem Serum-LDL-Cholesterin (LDL-C) und dem kardiovaskul&auml;ren Risiko hat die Strategie des &laquo;the lower, the better&raquo; in der Behandlung der Hypercholesterin&auml;mie gepr&auml;gt. Ob das kardiovaskul&auml;re (CV) Risiko weiter abnimmt, wenn das LDL-C mittels PCSK9-Inhibitoren (PCSK9-I) &uuml;ber die unter Statintherapie erzielten Werte hinaus gesenkt wird, diese Frage sollten die beiden grossen Outcome-Studien FOURIER und ODYSSEY beantworten.<sup>1, 2</sup><br />Das Proprotein PCSK9 bindet an LDL-C-Rezeptoren in der Leber und f&uuml;hrt zu deren Abbau. Dadurch stehen weniger LDL-Rezeptoren zur Verf&uuml;gung, die zirkulierendes LDL-C binden k&ouml;nnen. PCSK9-I verhindern diesen Vorgang und senken dadurch den LDL-C-Spiegel im Blut. In der Schweiz sind mit Evolocumab (Repatha&reg;) und Alirocumab (Praluent&reg;) aktuell zwei monoklonale Antik&ouml;rper gegen PCSK9 zugelassen.<br />Die FOURIER-Outcome-Studie untersuchte mehr als 27 000 Patienten mit stabiler koronarer Herzerkrankung (CAD), die unter Statintherapie ein LDL-C &gt;1,8mmol/l aufwiesen. Nach der Randomisierung erhielten die Patienten entweder alle 2 Wochen 140mg Evolocumab s.c. oder ein Placebo. Wie die Ergebnisse nach 48 Wochen zeigten, wurde das LDL-C im Vergleich zu Placebo in der Interventionsgruppe um 60 % von 2,4mmol/l auf 0,8mmol/l reduziert. Das relative Risiko f&uuml;r das Eintreten des prim&auml;ren Endpunkts, der sich aus CV Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall und Hospitalisation infolge instabiler Angina oder koronarer Revaskularisation zusammensetzte, konnte unter Evolocumab ebenfalls signifikant reduziert werden (HR: 0,85; 95 % CI: 0,79&ndash;0,92; p&lt;0,001).<sup>1</sup> &laquo;Damit wurde der Beweis erbracht, dass LDL-C-Werte &lt;1,8mmol/l mit einer Abnahme harter klinischer Endpunkte assoziiert sind&raquo;, sagte Prof. Dr. med. Christian M&uuml;ller vom Universit&auml;tsspital Basel. Allerdings haben die kardiale und die Gesamtmortalit&auml;t unter Evolocumab nicht abgenommen, was zu anhaltenden Diskussionen gef&uuml;hrt habe.<br />W&auml;hrend die FOURIER-Studie gleichzeitig mit der Pr&auml;sentation der Ergebnisse am ACC-Kongress im M&auml;rz 2017 publiziert wurde, befindet sich die ODYSSEY-Studie noch im Reviewprozess des &laquo;New England Journal of Medicine&raquo;. Einige Daten wurden jedoch bereits am ACC-Kongress 2018 vorgestellt. Die ODYSSEY-OUTCOMES- Studie schloss Patienten nach einem akuten Koronarsyndrom (ACS) ein, deren LDL-C-Werte trotz intensiver oder maximal tolerierter Statindosis &gt;1,8mmol/l lagen.<sup>2</sup> Als Therapieziel wurde ein LDL-C von 0,65&ndash;1,3mmol/l definiert. Dementsprechend wurde die Alirocumab-Dosis auftitriert oder die Patienten wurden (verblindet) auf die Behandlung mit Placebo umgestellt. &laquo;Was den prim&auml;ren Endpunkt betrifft, deuten die bisher bekannten Ergebnisse auf einen vergleichbaren Behandlungseffekt hin wie unter Evolocumab&raquo;, sagte M&uuml;ller. Im Unterschied zur FOURIER-Studie wurde in der ODYSSEY-Studie eine Abnahme der Gesamtmortalit&auml;t beobachtet. Die H&auml;ufigkeit unerw&uuml;nschter Wirkungen war in beiden Studien in den Interventionsgruppen vergleichbar mit Placebo.</p> <h2>CETP-Inhibition: nur f&uuml;r bestimmte Patienten?</h2> <p>Neben der LDL-C-Hypothese gibt es die Hypothese, dass ein hohes HDL-C mit einem niedrigeren CV Risiko assoziiert ist. Aus genetischen Studien weiss man, dass Personen mit einer niedrigen Aktivit&auml;t des Cholesterin-Ester-Transfer-Proteins CETP) von Geburt an h&ouml;here HDL-C-Werte und ein niedrigeres CV Risiko aufweisen.<sup>3</sup> Die Annahme, dass die Inhibierung von CETP zu einem Anstieg des HDL-C f&uuml;hrt und konsekutiv das LDL-C-Level senkt, konnte in Studien mit den CETP-Inhibitoren Torcetrapib, Dalcetrapib, Anacetrapib und Evacetrapib best&auml;tigt werden. Allerdings war der Einfluss der CETP-Inhibitoren auf die Lipide sehr unterschiedlich ausgepr&auml;gt. <br />Die Ergebnisse der klinischen Outcome-Studien zur CV Sekund&auml;rpr&auml;vention mit &uuml;ber 70 000 Patienten f&uuml;hrten dann aber zur Entt&auml;uschung. Die ILLUMINATE-Studie mit Torcetrapib, die dal-OUTCOMES-Studie mit Dalcetrapib sowie die randomisierte, placebokontrollierte Studie mit Evacetrapib wurden aufgrund der erh&ouml;hten CV Ereignisrate im Vergleich zu Placebo oder wegen des fehlenden Effekts vorzeitig gestoppt.<sup>4&ndash;6</sup> In allen 3 Studien war es in der Interventionsgruppe zu einem Anstieg des systolischen Blutdrucks gekommen. Eine Abnahme der CV Ereignisse (CV Tod, MI, koronare Revaskularisation) konnte lediglich in der Studie mit Anacetrapib verzeichnet werden (10,8 % vs. 11,8 % ; p=0,04, mittleres Follow-up 4,1 Jahre).<sup>7</sup> &laquo;Trotz des positiven Resultats hat sich die Firma entschieden, das Medikament nicht auf den Markt zu bringen&raquo;, sagte PD Dr. med. David Nanchen vom Universit&auml;tsspital Lausanne.<br />M&ouml;glicherweise besteht aber noch Hoffnung f&uuml;r die CETP-Inhibitoren. Aktuelle Daten einer genetischen Studie weisen darauf hin, dass die Behandlung bei Patienten wirksam sein k&ouml;nnte, die nicht mit Statinen behandelt werden, beispielsweise aufgrund einer Statinintoleranz.<sup>8</sup> Eine weitere M&ouml;glichkeit bietet die &laquo;precision medicine&raquo;. Es werden bereits erste Studien bei Personen durchgef&uuml;hrt, die aufgrund bestimmter genetischer Varianten von einer CETP-I profitieren k&ouml;nnten.</p> <h2>Biologikum zur antiinflammatorischen</h2> <h2>Behandlung der Atherosklerose</h2> <p>Die Tatsache, dass entz&uuml;ndliche Prozesse eine wichtige Rolle in der Atherogenese spielen, hat das Interesse an einer antiinflammatorischen Behandlung zur Pr&auml;vention von CV Erkrankungen geweckt. In der JUPITER-Studie konnte gezeigt werden, dass der Einsatz von Rosuvastatin in der Prim&auml;rpr&auml;vention das relative Risiko f&uuml;r CV Ereignisse im Vergleich zu Placebo signifikant um 44 % reduzierte (HR: 0,56; p&lt;0,00001).<sup>9</sup> Das Ergebnis wurde neben dem niedrigeren LDL-C auf die antientz&uuml;ndlichen Effekte der Statintherapie zur&uuml;ckgef&uuml;hrt. Wie sich n&auml;mlich zeigte, sanken unter der Statintherapie auch die hs-CRP-Werte um 37 % . &laquo;Die Ergebnisse der JUPITER-Studie waren wahrscheinlich der Ausl&ouml;ser f&uuml;r die CANTOS-Studie&raquo;, sagte Prof. Dr. med. Fran&ccedil;ois Mach vom Universit&auml;tsspital Genf. Diese hat untersucht, ob die antiinflammatorische Behandlung mit dem Anti-IL-1-beta-Antik&ouml;rper (AK) Canakinumab bei Patienten mit stabiler CAD und einem anhaltend erh&ouml;hten hs-CRP (&gt;2mg/l) das Risiko f&uuml;r CV Ereignisse reduziert. Wie die Ergebnisse nach 48 Monaten zeigten, konnte das hs-CRP durch die Behandlung mit Canakinumab (150mg alle 3 Wochen s.c.) um 37 % und das Risiko f&uuml;r das Auftreten des prim&auml;ren Endpunkts im Vergleich zu Placebo um 15 % reduziert werden (HR: 0,85; p=0,021; Abb. 1).<sup>10</sup> &laquo;Damit wurde zum ersten Mal demonstriert, dass sich mit einer antiinflammatorischen Behandlung das Risiko f&uuml;r CV Ereignisse reduzieren l&auml;sst, ohne dass die Lipide beeinflusst werden&raquo;, sagte Mach. Wie zu erwarten war, wurden unter der Behandlung mit Canakinumab weniger inflammatorische Erkrankungen wie Arthritis oder Gicht beobachtet. Dagegen kam es unter der Behandlung mit dem Anti-IL-1-beta-AK h&auml;ufiger zu Leukopenien und Infektionen mit Todesfolge. Ein &uuml;berraschendes Ergebnis war die verminderte Anzahl fataler Krebserkrankungen, vor allem von Lungenkrebs, in der Interventionsgruppe. &laquo;Bevor das Medikament zur Therapie von CV Erkrankungen zugelassen wird, werden wir es m&ouml;glicherweise in der Behandlung onkologischer Erkrankungen antreffen&raquo;, sagte der Kardiologe.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Innere_1804_Weblinks_s10.jpg" alt="" width="1463" height="1356" /></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: SGK-Jahrestagung, 6.–8. Juni 2018, Basel </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1 </strong>Sabatine MS et al.: Evolocumab and clinical outcomes in patients with cardiovascular disease. N Engl J Med 2017; 376: 1713-22 <strong>2</strong> Schwartz GG et al.: Effect of alirocumab, a monoclonal antibody to PCSK9, on long-term cardiovascular outcomes following acute coronary syndromes: ratio- nale and design of the ODYSSEY outcomes trial. Am Heart J 2014; 168: 682-9 <strong>3</strong> Thompson A et al.: Association of cholesteryl ester transfer protein genotypes with CETP mass and activity, lipid levels, and coronary risk. JAMA 2008; 299: 2777-88 <strong>4</strong> Barter PJ et al.: Effects of torcetrapib in patients at high risk for coronary events. N Engl J Med 2007; 357: 2109-22 <strong>5</strong> Schwartz GG et al.: Effects of dalcetrapib in patients with a recent acute coronary syndrome. N Engl J Med 2012; 367: 2089-99 <strong>6</strong> Lincoff AM et al.: Evacetrapib and cardiovascular outcomes in high-risk vascular disease. N Engl J Med 2017; 376: 1933-42 <strong>7</strong> Bowman L et al.; HPS3/TIMI55&ndash;REVEAL Collaborative Group: Effects of anacetrapib in patients with atherosclerotic vas- cular disease. N Engl J Med 2017; 377: 1217-27 <strong>8</strong> Ference BA et al.: Association of genetic variants related to CETP inhibitors and statins with lipoprotein levels and cardiovas- cular risk. JAMA 2017; 318: 947-56 <strong>9</strong> Ridker PM et al.: Rosuvastatin to prevent vascular events in men and women with elevated C-reactive protein. N Engl J Med 2008; 359: 2195-207 <strong>10</strong> Ridker PM et al.: Antiinflammatory therapy with canakinumab for atherosclerotic disease. N Engl J Med 2017; 377: 1119-31</p> </div> </p>
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