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Unterschätzte Wirkung der kardialen Prävention und Rehabilitation

<p class="article-intro">Die kardiale Rehabilitation hat sich in den letzten Jahren fundamental gewandelt. Obwohl die Massnahmen erwiesenermassen zu einer reduzierten Sterblichkeitinfolge von koronaren Herzkrankheiten beitragen, kämpft das Teilgebiet noch immer um Anerkennung. </p> <hr /> <p class="article-content"><p>Vor 70 Jahren wurde die Schweizerische Gesellschaft f&uuml;r Kardiologie (SGK) gegr&uuml;ndet. Seitdem wurden in den verschiedenen Teilbereichen grosse Fortschritte verzeichnet. W&auml;hrend &uuml;ber die Entwicklung der interventionellen Behandlung des akuten Myokardinfarkts (AMI) oder der Herztransplantation viel bekannt ist, weiss man &uuml;ber die Entwicklung der kardialen Rehabilitation und Pr&auml;vention weitaus weniger.<br />Tats&auml;chlich f&auml;llt der Beginn der kardialen Rehabilitation in die Zeit der SGK-Gr&uuml;ndung. Viele werden sich noch gut daran erinnern, dass Patienten nach einem AMI strikte Bettruhe einhalten mussten. An dieser Behandlung, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts eingef&uuml;hrt worden war, wurde noch lange Zeit festgehalten. Viele Patienten starben an den Komplikationen der Immobilit&auml;t, wie Thrombose oder Pneumonie. Wer &uuml;berlebte, hatte mit Folgen wie Muskelverlust zu k&auml;mpfen. In den 1950er-Jahren machte Levine mit der sogenannten &laquo;Armchair&raquo;-Methode von sich reden. Er mobilisierte die Patienten eine Woche post MI in den Lehnstuhl. Wider Erwarten verstarben sie nicht und waren in einer viel besseren Verfassung als jene, die mehrere Wochen im Bett verbringen mussten. &laquo;Das war der Beginn der kardialen Rehabilitation&raquo;, sagte Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hugo Saner, Senior Consultant an der kardiologischen Klinik des Universit&auml;tsspitals Bern, an der Jubil&auml;umsveranstaltung des SGK-Jahreskongresses in Basel. Nur einige Jahre sp&auml;ter, 1964, ver&ouml;ffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihre erste Definition zur Rehabilitation. Etwa 10 Jahre sp&auml;ter publizierte das American College of Sports Medicine die ersten Empfehlungen zur Indikation und Durchf&uuml;hrung eines Bewegungsprogramms.</p> <h2>K&ouml;rperliche Aktivit&auml;t als zentraler Faktor der kardialen Rehabilitation</h2> <p>Verschiedene Populationen profitieren von einer kardialen Rehabilitation. &laquo;Eine Rehabilitation im &lsaquo;alten Sinne&rsaquo;, bei der es darum geht, F&auml;higkeiten zur&uuml;ckzugewinnen, um ein normales Leben zu f&uuml;hren, ist beispielsweise bei Personen nach Herzklappenersatz oder solchen mit kongenitalen Herzerkrankungen nach wie vor indiziert&raquo;, sagte Saner. Die Mehrzahl der heutigen Patienten hat jedoch eine koro- nare Herzkrankheit (KHK) und ben&ouml;tigt einen multidisziplin&auml;ren Ansatz.<br />Wie anhand von Studien gezeigt wurde, f&ouml;rdern entz&uuml;ndliche Ver&auml;nderungen der Koronarien das Auftreten von Herz- Kreislauf-Erkrankungen und triggern akute Ereignisse. Interessanterweise konnte anhand von histopathologischen Studien gezeigt werden, dass die Plaques von AMI-Patienten mit signifikant mehr Entz&uuml;ndungszellen infiltriert sind als bei Personen mit stabiler Angina pectoris.<sup>1</sup> Die Entz&uuml;ndung der Koronararterien beschr&auml;nkte sich zudem nicht nur auf die infarktassoziierten Gef&auml;sse, sondern fand sich auch in den nicht infarktassoziierten Koronarien. Eine vergleichbare Beobachtung hat man auch bei Patienten mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit gemacht: &laquo;Tritt im peripher-arteriellen Gef&auml;sssystem ein akutes Ereignis auf, findet man sowohl in den Koronararterien als auch in den zerebralen Gef&auml;ssen Entz&uuml;ndungszeichen&raquo;, so Saner. Die kardiale Rehabilitation bezeichnet er als antientz&uuml;ndliche Therapie, da sie auf die Modifikation von Lifestyle-Faktoren abzielt, die zur Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen. Dabei ist die k&ouml;rperliche Aktivit&auml;t der wichtigste Einzelfaktor, mit dem sich die verschiedenen, in die Entstehung von Herz-Kreislauf-Krankheiten involvierten Systeme beeinflussen lassen.</p> <h2>Vom Sanatorium ins Spital</h2> <p>In der Schweiz wurden ab 1985 Sanatorien f&uuml;r die kardiale Rehabilitation eingerichtet. Der Aufenthalt betrug vier Wochen und wurde bis zu einem Alter von 65 Jahren von den Krankenkassen bezahlt, da das Hauptziel die Wiedereingliederung der Betroffenen in das Arbeitsleben war. <br />Die SGK gr&uuml;ndete 1986 die Arbeitsgruppe kardiale Rehabilitation. &laquo;Zu diesem Zeitpunkt gab es nicht viel Literatur zur Rehabilitation&raquo;, sagte Saner. Man habe nicht gewusst, was gut sei f&uuml;r die Patienten und was nicht. <br />In der Zwischenzeit konnte die Wirkung der kardialen Pr&auml;vention und Rehabilitation in vielen Studien best&auml;tigt werden. So wurde unter anderem die Abnahme der kardiovaskul&auml;ren Mortalit&auml;t in England und Wales in den Jahren zwischen 1980 und 2000 zu mehr als der H&auml;lfte auf die Reduktion von kardialen Risikofaktoren zur&uuml;ckgef&uuml;hrt.<sup>2</sup><br />In der Schweiz wurde 2009 die Schweizerische Gesellschaft f&uuml;r kardiovaskul&auml;re Pr&auml;vention und Rehabilitation gegr&uuml;ndet, 2017 kam die Sportkardiologie dazu. Damit einhergehend stieg auch die Zahl der Patienten. L&auml;ngst findet die Behandlung nicht mehr in Sanatorien statt, sondern wird in der fr&uuml;hen Phase im klinischen Setting durchgef&uuml;hrt. Zudem existieren mehr als 140 Herzgruppen f&uuml;r die ambulante Langzeitbehandlung.<br />&Uuml;berall angekommen ist die Message vom Nutzen der kardialen Pr&auml;vention und Rehabilitation deshalb l&auml;ngst noch nicht: &laquo;Die kardiale Rehabilitation ist die evidenzbasierte Intervention, die am wenigsten zur Behandlung von Herzerkrankungen eingesetzt wird&raquo;, sagte Saner.</p> <h2>Kongenitale Erkrankungen: von der Kinder- zur Erwachsenenmedizin</h2> <p>Mit den diagnostischen und therapeutischen Fortschritten hat auch der Bereich der kongenitalen Herzerkrankungen eine interessante Entwicklung vollzogen. In der Schweiz werden j&auml;hrlich zwischen 700 und 800 Kinder mit einem Herzfehler geboren. Im Vergleich zu 1940, als die &Uuml;berlebensrate bei ca. 20 % lag, &uuml;berlebten 2010 rund 90 % der Betroffenen. Dabei konnten vor allem die &Uuml;berlebensraten von Kindern mit einem moderaten bis schweren Herzfehler verbessert werden. &laquo;Die Folge davon ist eine wachsende Population von GUCH(&lsaquo;Grown-ups with congenital heart disease&rsaquo;)-Patienten&raquo;, sagte Prof. Dr. med. Jo&euml;lle G&uuml;nthard, Basel. Aktuell leben ca. 25 000 Erwachsene mit angeborenem Herzfehler in der Schweiz, davon 3000 mit komplexen Erkrankungen. Trotz aller Fortschritte in der Behandlung sind die Patienten nicht herzgesund: Sie m&uuml;ssen h&auml;ufiger hospitalisiert werden, haben ein erh&ouml;htes Mortalit&auml;tsrisiko und ben&ouml;tigen lebenslang eine spezialisierte Betreuung.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: SGK-Jahreskongress, 6.–8. Juni 2018, Basel </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1 </strong>Mauriello A et al.: Diffuse and active inflammation occurs in both vulnerable and stable plaques of the entire coronary tree: a histopathologic study of patients dying of acute myocardial infarction. J Am Coll Cardiol 2005; 45: 1585-93 <strong>2</strong> Unal B et al.: Explaining the decline in coronary heart disease mortality in England and Wales between 1981 and 2000. Circulation 2004; 109: 1101-7</p> </div> </p>
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