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Renaissance der extragenitalen Zytologie

Zytologie im neuen Licht der Molekularpathologie

<p class="article-intro">Die klassische Zytologie hat ihren Weg in die Zukunft gefunden. Zytomorphologie und molekularpathologische Methoden sind selbstverständliche Partner in einem diagnostischen Labor geworden. Zytologische Präparate liefern – alleine für sich oder zusätzlich zu Gewebeproben – Zellmaterial, das sowohl für die Tumortypisierung als auch für molekulare Analysen sehr gut geeignet ist. Die Zahl der prädiktiven und prognostisch relevanten Marker ist in den letzten Jahren explodiert; es ist damit zu rechnen, dass die Anzahl der therapeutisch nutzbaren genetischen Veränderungen und der genetisch determinierten Resistenzmechanismen weiter steigen wird.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Zytologie und Histologie f&uuml;r pr&auml;diktive und prognostische Biomarkeranalysen gleich gut geeignet</li> <li>Paralleltestung statt sequenzieller Testung</li> <li>Zeitgewinn durch sorgf&auml;ltiges Probenmanagement</li> <li>M&ouml;glichkeit der Reduktion von wiederholten diagnostischen Eingriffen wegen Mangel an Tumorzellen durch die Ber&uuml;cksichtigung von zytologischen Pr&auml;paraten</li> </ul> </div> <p>Pathologen sind daher mehr denn je gefordert, sich den Herausforderungen der modernen Diagnostik zu stellen. Aus gleichbleibend kleinen Probenmengen sind neben der morphologischen Tumorklassifizierung immer mehr Biomarker zu analysieren. Die Tumordiagnostik und -typisierung sind der erste entscheidende Schritt im komplexen Ablauf der histo- wie auch zytopathologischen Diagnostik. Die Tumorsubtypisierung ist pr&auml;diktiv f&uuml;r die Auswahl der Biomarkeruntersuchungen.<sup>1</sup><br /> Die Erfolgsgeschichte der personalisierten Medizin bei verschiedenen Tumorentit&auml;ten wie dem Lungenkarzinom, dem malignen Melanom und anderen haben die Arbeitsweise der Pathologen grundlegend ge&auml;ndert. Zytologische Pr&auml;parate unterschiedlichster Art haben sich als wichtige Quelle f&uuml;r einen Zugewinn an verf&uuml;gbaren Tumorzellen f&uuml;r morphologische und molekulare Diagnostik erwiesen. Zytologische Pr&auml;parate in Verbindung mit simultan gewonnenen Gewebeproben k&ouml;nnen dar&uuml;ber hinaus einen zeitlichen Vorteil in der Diagnostik bedeuten. Unter der Voraussetzung, dass zeitnah gewonnene histologische und zytologische Proben von demselben Pathologen beurteilt werden, k&ouml;nnen Biomarkeruntersuchungen priorisiert werden, indem von einer sequenziellen Diagnostik zu einer Paralleltestung gewechselt werden kann. Durch dieses ge&auml;nderte Probenmanagement k&ouml;nnen unter Umst&auml;nden zeitliche Verz&ouml;gerungen f&uuml;r den Therapiebeginn verhindert werden.</p> <h2>Zytologische Pr&auml;parate f&uuml;r Biomarkeranalysen in der Praxis</h2> <p>Als Untersuchungsmaterialien f&uuml;r molekulare Diagnostik eignen sich alle Arten von Ausstrich- und Abstrich- sowie Abklatschpr&auml;paraten, sowohl luftgetrocknet als auch alkoholfixiert. Auch bereits immunzytochemisch gef&auml;rbte Pr&auml;parate sind geeignet f&uuml;r weitere Untersuchungen wie Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) sowie DNA-Extraktion und Mutationsanalysen (Tab. 1). Ebenso geeignet sind D&uuml;nnschichtpr&auml;parate. Nicht formalinfixierte Pr&auml;parate bieten den Vorteil, dass die DNAQualit&auml;t nicht durch formalinbedingte Artefakte beeintr&auml;chtigt wird. Zytologische Ausstrichpr&auml;parate liefern intakte Zellkerne und sind nicht &ndash; wie in histologischen Pr&auml;paraten &ndash; teilweise angeschnitten, was f&uuml;r die Beurteilung von FISH-Untersuchungen von Vorteil ist. In Zusammenhang damit soll darauf hingewiesen werden, dass zeitaufwendiges Abl&ouml;sen von Deckgl&auml;sern in Xylol durch Einfrieren von Objekttr&auml;gern stark verk&uuml;rzt werden kann.<sup>2</sup> Voraussetzung sind jedoch standardisierte Protokolle f&uuml;r Immunhistochemie, und FISH explizit f&uuml;r zytologische Pr&auml;parate.<br /> Zytologische Pr&auml;parate sind zumindest sechs Monate nach ihrer Anfertigung f&uuml;r genetische Analysen geeignet, danach muss mit einer Beeintr&auml;chtigung der Epitope und der DNA gerechnet werden.<sup>2, 3</sup> Nach unterschiedlichen Erfahrungen d&uuml;rfte die DNA von luftgetrockneten, May- Gr&uuml;nwald-Giemsa(MGG)-gef&auml;rbten Pr&auml;paraten l&auml;nger erhalten bleiben als die von alkoholfixierten, PAP-gef&auml;rbten Ausstrichpr&auml;paraten.<br /> Die Pr&auml;paration von Zellbl&ouml;cken als formalinfixiertes, paraffineingebettetes (FFPE) Material bietet hingegen eine hervorragende M&ouml;glichkeit, Protokolle, die f&uuml;r die Histologie entwickelt worden sind, an &bdquo;zytologischem&ldquo; Material anzuwenden, verkn&uuml;pft mit den Vor- und Nachteilen der Formalinfixierung. Zellbl&ouml;cke k&ouml;nnen aus unterschiedlichsten Zellsuspensionen wie K&ouml;rperfl&uuml;ssigkeiten, Punktaten, B&uuml;rstenoder Nadelauswaschungen sowie D&uuml;nnschichtpr&auml;paraten gewonnen werden.<sup>4</sup><br /> Zytologische Pr&auml;parate sind im Gegensatz zu fr&uuml;heren Einsch&auml;tzungen f&uuml;r Biomarkeruntersuchungen genauso gut geeignet wie histologische Pr&auml;parate. In internationalen Richtlinien ist dieser Umstand auch explizit angef&uuml;hrt.<sup>5</sup><br /> Aus praktischen &Uuml;berlegungen heraus bew&auml;hrt es sich, beim Vorhandensein von reichlich Tumorzellmaterial sowohl in Biopsie und Zytologie, bevorzugt die Zytologiepr&auml;parate f&uuml;r molekularpathologische (NGS-)Untersuchungen zu verwenden, um das FFPE-Biopsiematerial f&uuml;r allf&auml;llige zuk&uuml;nftige Untersuchungen zu archivieren.<sup>3</sup></p> <h2>Methoden f&uuml;r Biomarkeranalysen</h2> <p>Immunzytochemische Untersuchungen und FISH-Untersuchungen k&ouml;nnen &ndash; unter der Voraussetzung, dass standardisierte Verfahren angewandt werden &ndash; f&uuml;r Biomarkeranalysen wie z.B. ALK- oder ROS1- Rearrangements zuverl&auml;ssig eingesetzt werden. Durch Abkratzen von Tumorzellen von Objekttr&auml;gern k&ouml;nnen Tumorzellen f&uuml;r molekulare Biomarkeranalysen wie Polymerase-Kettenreaktion (PCR) bzw. Next Generation Sequencing (NGS) gewonnen werden. Mikro- (Lasermikrodissektion) und Makrodissektionsverfahren k&ouml;nnen eingesetzt werden, um einen tiefen Tumorzellanteil eines Pr&auml;parates zu verbessern und so die Materialmenge zu optimieren.<br /> Um die morphologischen Informationen eines Ausstrichpr&auml;parates zu archivieren bzw. zu dokumentieren, kann man die M&ouml;glichkeit in Betracht ziehen, Pr&auml;parate vor einer etwaigen Weiterbearbeitung zu fotografieren oder einzuscannen.<br /> Aus dem DNA-Gehalt einer Tumorzelle von 7pg ergibt sich eine Tumorzellzahl von gew&ouml;hnlich &gt;100 Tumorzellen f&uuml;r eine Analyse; die Zahl ist niedriger als bei Biopsien, was durch die fehlende formalinbedingte DNA-Fragmentierung und intakte Zellkerne im zytologischen Pr&auml;parat zu erkl&auml;ren ist.<br /> Mittels Sequenzierverfahren erreicht man im Idealfall, dass die therapierelevanten genomischen Aberrationen einschlie&szlig;lich Amplifikationen und Genfusionen in einem Ansatz an einer einzigen Probe detektiert werden k&ouml;nnen. Das bedeutet, dass zus&auml;tzliche FISH-Untersuchungen wegfallen k&ouml;nnen. Das bedeutet au&szlig;erdem, dass neu identifizierte, klinisch relevante Genver&auml;nderungen weitgehend kostenneutral in die Testung inkludiert werden k&ouml;nnen, ohne die Turnaround- Zeit zu verl&auml;ngern.</p> <h2>Mutationsrate von zytologischen Pr&auml;paraten</h2> <p>Wir konnten am Institut f&uuml;r Klinische Pathologie, so wie in verschiedenen Studien, beispielsweise bei <em>EGFR</em>-Mutationsanalysen eine nahezu idente Mutationsrate an zytologischen Untersuchungsmaterialien wie an Biopsiematerial zeigen.<sup>3</sup></p> <h2>Zytologie und die Grunds&auml;tze der molekularpathologischen Diagnostik</h2> <p>Die Beurteilung von zytologischen Pr&auml;paraten sowie der Einsatz f&uuml;r Biomarkeranalysen verlangen analog zur histopathologischen Untersuchung die Expertise eines erfahrenen Pathologen, der neben der Beurteilung der Morphologie die Zahl der zur Verf&uuml;gung stehenden Tumorzellen bestimmt und den Tumorzellanteil in Relation zu normalen Zellen einsch&auml;tzt (Abb. 2). Grunds&auml;tzlich ist ein hoher Tumorzellanteil anzustreben, Methoden mit hoher Sensitivit&auml;t sind verf&uuml;gbar. Die Anwendung von Untersuchungsmethoden, die niedrigsensitiv sind und eventuell invasive und wiederholte diagnostische Eingriffe erfordern, ist nicht vertretbar.<sup>5</sup></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Bei sequenziellem Vorgehen hinsichtlich Tumordiagnostik und -klassifikation sowie molekularpathologischer Tumorcharakterisierung reicht in vielen F&auml;llen das Material von Gewebeproben nicht aus, um eine umfassende Diagnostik zu gew&auml;hrleisten, unter Umst&auml;nden ergibt sich daraus ein Anlass f&uuml;r wiederholte diagnostische Eingriffe. Zeitnah oder simultan gewonnene zytologische Pr&auml;parate k&ouml;nnen diesen Mangel oft ausgleichen. Die Ber&uuml;cksichtigung von verf&uuml;gbaren zytologischen Pr&auml;paraten kann auch den Zeitaufwand einer sequenziellen Analytik deutlich reduzieren.<br /> &Uuml;berlegtes Proben- und Methodenmanagement durch uns Pathologinnen und Pathologen bildet die Voraussetzung daf&uuml;r, dass f&uuml;r Tumorpatientinnen und -patienten ohne Zeitverz&ouml;gerung eine vollumf&auml;ngliche Analytik umgesetzt werden kann.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1804_Weblinks_jatros_onko_1804_s50_tab1.jpg" alt="" width="2151" height="911" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1804_Weblinks_jatros_onko_1804_s51_abb1.jpg" alt="" width="1422" height="919" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1804_Weblinks_jatros_onko_1804_s52_abb2.jpg" alt="" width="1417" height="820" /></p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Fischer AH et al.: Five top stories in cytopathology. Arch Pathol Lab Med 2013; 137(7): 894-906 <strong>2</strong> Heukamp LC, Bubendorf L: Zytologie als Material f&uuml;r die Molekularpathologie. Pathologe 2015; 36(6): 566-71 <strong>3</strong> Savic S et al.: Nichtkleinzellige Lungenkarzinome. Subklassifikation und pr&auml;diktive molekulare Markeruntersuchungen in der Zytologie. Pathologe 2012; 33(4): 301-7 <strong>4</strong> Jain D et al.: C ell blocks in cytopathology: a review of preparative methods, utility in diagnosis and role in ancillary studies. Cytopathology 2014; 25(6): 356-71 <strong>5</strong> Lindeman NI et al.: Updated molecular testing guideline for the selection of lung cancer patients for treatment with targeted tyrosine kinase inhibitors: guideline from the College of American Pathologists, the International Association for the Study of Lung Cancer, and the Association for Molecular Pathology. Arch Pathol Lab Med 2018; 142(3): 321</p> </div> </p>
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