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Radiotherapie bei oligometastatischen Lungentumoren

„Nur wenn die Oligometastasierung erkannt wird, lässt sich die Chance auf Heilung nutzen“

<p class="article-intro">Prof. Dr. Matthias Guckenberger, Zürich, sprach am ELCC über die Rolle der Strahlentherapie im Management oligometastatischer Lungentumoren. Wie er in einem anschließenden Interview erläutert, gewinnt diese Therapieform gerade auch im Umfeld der neuen Immuntherapien zunehmend an Bedeutung.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Herr Professor Guckenberger, welche Evidenz liegt aktuell f&uuml;r die Strahlentherapie bei oligometastatischen Lungentumoren vor?</strong></p> <p><strong>M. Guckenberger:</strong> Bisher haben zwei kleinere prospektive, randomisierte Phase-II-Studien spezifisch den Stellenwert der Radiotherapie bei oligometastatischen Lungentumoren untersucht. In der ersten Studie erhielten &uuml;ber 90 Prozent der Patienten eine Strahlentherapie zur Behandlung des Prim&auml;rtumors oder der Metastasen. Bei der Mehrheit der Patienten stellte dies die alleinige Therapieform dar, eine Minderheit erhielt eine Kombination aus Strahlentherapie und Chirurgie. Die Studie war schlie&szlig;lich positiv, das progressionsfreie &Uuml;berleben verl&auml;ngerte sich durch die lokale Behandlung um den Faktor 3. In der zweiten Studie wurde der Effekt einer alleinigen stereotaktischen Bestrahlung untersucht, es war keine Chirurgie oder konventionelle Bestrahlung erlaubt. Auch diese war hoch positiv.</p> <p><strong>Wo liegen die Vorteile einer Strahlentherapie?</strong></p> <p><strong>M. Guckenberger:</strong> Es m&uuml;ssen meist ja mehrere Tumorherde, oft in unterschiedlichen Organen, behandelt werden. Dies l&auml;sst sich mit der Strahlentherapie in einer Behandlung, ohne Zweih&ouml;hleneingriff, durchf&uuml;hren. Es muss aber betont werden, dass die Patienten durch die Strahlentherapie allein nicht geheilt werden. Es braucht eine zus&auml;tzliche, wirksame Systemtherapie. Eine Strahlentherapie l&auml;sst sich aber gut damit kombinieren. Das ist ein weiterer Vorteil. Mit dem kombinierten Ansatz erreichen wir etwa bei 25 % der Patienten eine langfristige, &uuml;ber mehrere Jahre anhaltende Erkrankungskontrolle oder sogar Heilung.</p> <p><strong>Wie sieht es mit der Vertr&auml;glichkeit aus?</strong></p> <p><strong>M. Guckenberger:</strong> Sind die Herde nicht zu gro&szlig;, ist die Vertr&auml;glichkeit exzellent. In den beiden erw&auml;hnten Studien traten keine h&ouml;hergradigen Toxizit&auml;ten auf. Selbst bei gr&ouml;&szlig;eren Tumoren ist die Strahlentherapie aber eine sichere Wahl.</p> <p><strong>Welche Faktoren entscheiden dar&uuml;ber, ob eine Bestrahlung zum Zug kommt oder nicht?</strong></p> <p><strong>M. Guckenberger:</strong> Einer der entscheidenden Faktoren ist die Lokalisation der Metastasen. Haben wir es mit einer f&uuml;r die Strahlentherapie schlecht zug&auml;nglichen Lokalisation zu tun oder wird Tumorgewebe f&uuml;r eine Histologie ben&ouml;tigt, dann ist eine Chirurgie angezeigt. Eine entscheidende Voraussetzung ist, dass die Situation der Oligometastasierung &uuml;berhaupt erkannt wird. Gem&auml;&szlig; Literatur haben bis zur H&auml;lfte der Patienten mit einem metastasierten Lungenkarzinom zu Beginn eine oligometastatische Erkrankung. Diese Patienten muss man finden. Gem&auml;&szlig; aktuellen Daten kann man bis zu einem Viertel von ihnen mit dem kombinierten Ansatz eine Chance auf Heilung und nicht nur eine Verlangsamung des Verlaufs, wie mit einer alleinigen Chemo- oder Systemtherapie, bieten. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.</p> <p><strong>Welchen Stellenwert hat die Radiotherapie Ihrer Meinung nach im Umfeld der neuen immunonkologischen Behandlungen?</strong></p> <p><strong>M. Guckenberger:</strong> Der Stellenwert der Radiotherapie ver&auml;ndert sich rapide, und dies in eine Richtung, die dieser Therapieform sehr viele M&ouml;glichkeiten bietet. Wir wissen heute, dass die Strahlentherapie zu einer Freisetzung von Antigenen aus den Tumorzellen und zu einer Ver&auml;nderung des Mikromilieus um den Tumor herum f&uuml;hrt. Der Tumor wird immunogen, einige bezeichnen dies gar als eine In-situ-Vakzinierung. Das hei&szlig;t, ein aktiver Tumor wird in eine inaktivierte Vakzine verwandelt. Im Moment wird in vielen Studien untersucht, ob der Effekt einer Systemtherapie &ndash; im Speziellen einer Immuntherapie &ndash; durch eine stereotaktische Strahlentherapie verst&auml;rkt werden kann. Das hei&szlig;t, f&uuml;r die Strahlentherapie ist dies eine gro&szlig;e Chance, nicht nur als Lokaltherapie zu wirken, sondern durch den lokalen Effekt die Wirksamkeit einer systemischen Therapie, der Immuntherapie, zu verst&auml;rken.</p> <p><strong>Wie sieht es mit Ver&auml;nderungen oder neuen Entwicklungen im Bereich der Strahlentherapie aus?</strong></p> <p><strong>M. Guckenberger:</strong> Die Strahlentherapie ist durch eine kontinuierliche Weiterentwicklung charakterisiert. In den hundert Jahren, in denen es diese Therapieform gibt, haben wir von den technologischen Fortschritten in den Computerwissenschaften, dem Engineering und der Bildgebung enorm profitiert. Die Strahlentherapie ist pr&auml;ziser, fokussierter und zudem wesentlich besser vertr&auml;glich geworden. Allerdings wissen wir aktuell noch nicht so genau, wie wir Strahlen am besten mit einer Immuntherapie kombinieren sollten. Bei uns an der Klinik untersuchen wir daher auch, welche Strukturen wir vor einer Bestrahlung sch&uuml;tzen m&uuml;ssen, wenn wir mit unserer Therapie eine Immunantwort ausl&ouml;sen wollen. Das k&ouml;nnen ganz andere Strukturen sein als bisher, so zum Beispiel das Blut- oder Lymphsystem, das ja sonst gegen&uuml;ber einer Bestrahlung sehr wenig empfindlich ist. Vermutlich m&uuml;ssen wir die Bestrahlung also an die neuen Herausforderungen adaptieren oder umstellen.</p> <p><strong><em>Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</em></strong></p></p>
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