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Hämoptysen – nicht immer simpel

<p class="article-intro">In diesem Fall geht es um einen Routineeingriff mit Komplikationen, die einiges an unbekannten Problematiken und seltenen Entitäten beinhalten, die entdeckt werden wollen. Hat man das Rätsel gelöst, steht man vor dem Problem einer diametralen Therapieentscheidung.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>H&auml;moptysen als Symptom sind vielf&auml;ltiger, als man gemeinhin denken k&ouml;nnte.</li> <li>Komplexe Krankheitsbilder machen in Bezug auf die &shy;Therapie oftmals risikobehaftete Entscheidungen notwendig, bei denen es kein klares Vorgehen gibt.</li> <li>Auch exakte Vorarbeit sch&uuml;tzt nicht vor Komplikationen.</li> </ul> </div> <p>Ich m&ouml;chte in diesem Rahmen den Fall eines 67-j&auml;hrigen m&auml;nnlichen Patienten vorstellen. Dieser unterzog sich in einem anderen Krankenhaus einer Varizenoperation. Als Vorerkrankungen lie&szlig;en sich ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom unter n&auml;chtlicher CPAP-Therapie, eine KHK mit Zustand nach 2-fach-CABG ohne Stent, eine Hypercholesterin&auml;mie, Adi&shy;positas und Zustand nach Nikotinabusus erheben.</p> <h2>Verlauf</h2> <p>Der Eingriff per se verlief unkompliziert. Jedoch kam es postoperativ im Aufwachraum zu einer erheblichen pulmonalen H&auml;morrhagie, weshalb der Patient reintubiert und neuerlich kontrolliert beatmet werden musste. Er wurde im Rahmen eines Intensiv-/Notarzttransportes an unsere operative Intensivstation verlegt, da unser Krankenhaus im Unterschied zum &uuml;berstellenden &uuml;ber eine Pneumologieabteilung mit RCU (&bdquo;respiratory care unit&ldquo;) sowie eine Abteilung f&uuml;r Thoraxchirurgie verf&uuml;gt und wir ein ausgewiesenes Thoraxzentrum f&uuml;r den Gro&szlig;raum Ober&shy;&ouml;sterreich sind.<br />Hierorts pr&auml;sentierte sich der Patient mit stabilen Vitalparametern, allerdings immer noch intubiert und kontrolliert beatmet. Initial wurde eine bronchoskopische Absaugung durchgef&uuml;hrt. Im Rahmen des Prozederes konnten aus s&auml;mtlichen segmentalen Ostien Blutkoagel abgesaugt werden. Eine eindeutige singul&auml;re Blutungsquelle war nicht auffindbar. Allerdings konnten einige multifokale Schleimhauterosionen gesichtet werden. <br />In einer darauf folgenden Bronchoskopie wurden keine weiteren Blutkoagel gefunden, weshalb bei weiterhin stabilen Vital- und Laborparametern von einem Sistieren der Blutung ausgegangen werden musste. Aus diesem Grund startete man den Weaning-Prozess, welcher unkompliziert verlief und zur Extubation f&uuml;hrte. <br />Nach Wiedererlangung des Bewusstseins berichtete der Patient &uuml;ber akute armbetonte sensomotorische Halbseitenzeichen rechts. Sofort wurde, wegen des Verdachts auf einen weiteren, nunmehr zerebralen Blutungsfokus, ein akutes Kranio-CT durchgef&uuml;hrt. In diesem konnte keine erkl&auml;rende Pathologie festgestellt werden. Ein direkt im Anschluss durchgef&uuml;hrtes kraniales MRI erbrachte eine Diffusionsst&ouml;rung im Sinne eines embolischen Verschlusses im Bereich des Thalamus, des Hippocampus und okzipital links. <br />Da keine fassbare &Auml;tiologie f&uuml;r diese zerebrale Embolie vorlag, entschloss man sich, eine trans&ouml;sophageale Echokardiografie durchzuf&uuml;hren. Mittels dieser Untersuchung konnte ein persistierendes Foramen ovale mit einer suspekten Vegetation an der Aortenklappentasche diagnostiziert werden. Auch in der Verlaufsechokardiografie konnte die Vegetation dargestellt werden.<br />Klinisch wie auch laborchemisch gab es jedoch keinen Hinweis auf eine floride Endokarditis, weshalb in Absprache mit unserer Abteilung f&uuml;r Mikrobiologie die initial bereits beim Verdacht auf Endokarditis begonnene intraven&ouml;se Antibiose abgesetzt wurde. In den nachfolgenden echokardiografischen Kontrollen konnte die beschriebene Formation nicht mehr dargestellt werden.<br />Zu diesem Zeitpunkt waren sowohl die suspekt schnell verschwundene Klappenvegetation als auch die &Auml;tiologie der Lungenblutung noch immer unklar. Ein Thorax-CT wurde veranlasst, um Aufkl&auml;rung zu bringen.</p> <h2>Diagnose</h2> <p>Im Thorax-CT konnte eine multisegmentale bilaterale pulmonalarterielle Embolie (PAE) mit Begleitinfiltraten im rechten Oberlappen, im linken Oberlappen und im linken Unterlappen sichtbar gemacht werden. Somit ergab sich aus den PAE-assoziierten Begleitinfiltraten eine multizentrische pulmonale Blutungsquelle, passend zu dem bronchoskopisch vorgefundenen Bild. Eine Erkl&auml;rung f&uuml;r die Endokarditis konnte nicht gefunden werden. Auch die Ursache der offensichtlich fulminanten PAE konnte durch diese Untersuchung nicht mit Sicherheit gekl&auml;rt werden.</p> <h2>Diskussion</h2> <p>Unsererseits wurde, nach einiger Recherche, der Verdacht ge&auml;u&szlig;ert, es k&ouml;nnte im Rahmen der Seitenastsklerosierung mit &Auml;thoxysklerol&reg; (ein Medikament, das in kleine varik&ouml;se Seiten&auml;ste der Varizen injiziert wird, um diese zu verschlie&szlig;en) etwas von diesem in den systemischen Kreislauf gelangt sein und seine Wirkung im Herzen bzw. konsekutiv in der Lungenstrombahn entfaltet haben. In diesem Falle h&auml;tte es sich um einen aseptischen Thrombus der aortalen Taschenklappe gehandelt, der entweder bereits in Aufl&ouml;sung begriffen war oder wie seine Vorg&auml;nger ebenfalls embolisch verschleppt wurde, ohne eine neuerliche klinische Symptomatik hervorzurufen.<br />Echte harte Daten zu dieser Arbeitshypothese konnten nicht gefunden werden, jedoch wurde uns ein &auml;hnlicher Fall von einer anderen pneumologischen Abteilung gemeldet, der nach dem Versuch der Sklerosierung von Varizenseiten&auml;sten einen &auml;hnlich komplikationsreichen Verlauf genommen hatte. Im Operationsbericht unseres Patienten war jedoch keine derartige Sklerosierung dokumentiert. Die uns vorliegenden Dokumente waren allerdings, verst&auml;ndlicherweise, durch die rasche unplanm&auml;&szlig;ige Verlegung auch l&uuml;ckenhaft.<br />Abschlie&szlig;end sollte der Patient zur Behandlung der PAE sowie auch bez&uuml;glich der paradoxen Embolie mit zerebralem Insult oral antikoaguliert werden, was aufgrund der vorangegangenen vital bedrohlichen pulmonalen H&auml;morrhagie offensichtlich kontraindiziert war. Wir standen erneut vor einem in der Literatur nicht einfach zu recherchierenden Problem. N&auml;mlich:<br />&bull; Wie antikoaguliert man jemanden, bei dem eine orale Antikoagulation (OAK) oder eigentlich jede Form der Antiko&shy;agulation kontraindiziert ist? <br />&bull; W&auml;re es vertretbar, jemanden mit einer multisegmentalen PAE und einem Status post paradoxem Insult ohne OAK zu lassen? <br />&bull; Kann man jemandem nach einer vital bedrohlichen multifokalen Lungenblutung &uuml;berhaupt eine OAK zumuten? <br />Im Rahmen einer interdisziplin&auml;ren Beratung zu diesem konkreten Fall mit allen involvierten Fachbereichen (Chirurgie, An&auml;sthesie, Kardiologie, Radiologie und Pneumologie) wurde das Risiko, ohne OAK eine schwerere Komplikation mit bleibenden Beeintr&auml;chtigungen zu erleiden, h&ouml;her eingestuft als das Risiko, mit OAK eine nicht beherrschbare Blutung mit ernsthaften Folgen zu erleiden.</p> <h2>Therapie</h2> <p>In Absprache mit unserer kardiologischen Fachabteilung einigte man sich auf eine orale Antikoagulation mit Dabigatran (Pradaxa&reg;), niedrig dosiert, da &shy;dies laut aktueller Studienlage das neue orale Antikoagulans (NOAK) mit dem statistisch geringsten Blutungsrisiko ist. Zus&auml;tzlich gibt es f&uuml;r dieses Medikament als Erstes in der NOAK-Gruppe ein Antidot namens Idarucizumab (Praxbind&reg;), was im Falle einer Blutungskomplikation bei diesem Patienten ebenfalls f&uuml;r die getroffene Wahl spricht. <br />Unser Patient hat bisher weder eine thromboembolische noch eine Blutungskomplikation erlitten.</p> <h2>Res&uuml;mee</h2> <p>Eine postoperative Komplikation f&uuml;hrt zu einer intensiven Aufarbeitung einer komplexen Krankheitskaskade, die eine risikobehaftete therapeutische Konsequenz ergibt. Ob und inwieweit diese Kasuistik richtig bearbeitet bzw. therapiert wurde, bleibt diskussionsw&uuml;rdig. In einem solch komplexen Fall helfen Leit-/Richtlinien oder Literaturstudien oftmals nicht oder nur bedingt weiter. Das macht medizinisches Handeln zur eigentlichen Kunst.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>&bull; Alonso-Fern&aacute;ndez A et al.: Chest 2016; 150(6): 1291-301&bull; Castellucci LA et al.: BMJ 2013; 347: f5133 &bull; Castellucci LA et al.: J Thromb Haemost 2014; 12(3): 344-8 &bull; Forlee MV et al.: J Vasc Surg 2006; 43(1): 162-4 &bull; Guex JJ et al.: Dermatol Surg 2005; 31(2): 123-8 &bull; Jean-Baptiste E: Crit Care Med 2000; 28(5): 1642-7 &bull; Linkins LA et al.: Ann &shy;Intern Med 2003; 139(11): 893-900 &bull; Munavalli GS et al.: Semin Cutan Med Surg 2007; 26(1): 22-8 &bull; Palareti G et al.: Eur Respir J 2016; 47(6): 1767-75 &bull; Raymond-Martimbeau P: Phlebology 2009; 24(3): 114-9 &bull; Schulman S: J Thromb Haemost 2013; 11(3): 432-4</p> </div> </p>
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