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Chronische Unterbauchschmerzen der Frau

<p class="article-intro">Chronische Unterbauchschmerzen sind ein relativ häufiges Problem von Frauen. Die Lebensqualität der betroffenen Frauen ist meist deutlich beeinträchtigt, es sind oft „schwierige“, nicht einfach zu betreuende Patientinnen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Der chronische Unterbauchschmerz der Frau ist ein komplexes, vielschichtiges Krankheitsbild, bei dem k&ouml;rperliche, psychische und soziale Faktoren beteiligt sind und das f&uuml;r Betroffene eine oft erhebliche Belastung und f&uuml;r das behandelnde Team eine Herausforderung darstellt.</li> <li>Als Therapie hat sich ein multimodales, multidisziplin&auml;res Konzept unter Ber&uuml;cksichtigung der individuellen Situation der Patientin am besten bew&auml;hrt, st&auml;ndige Wiederholungen sinnloser &bdquo;Abkl&auml;rungsuntersuchungen&ldquo; sollten zur Vermeidung einer weiteren Chronifizierung unterlassen werden.</li> </ul> </div> <p>Eine einheitliche, international g&uuml;ltige Definition liegt nicht vor, aber &uuml;blicherweise spricht man ab einer Schmerzdauer von mindestens sechs Monaten von einem chronischen Unterbauch- oder Beckenschmerz (&bdquo;chronic pelvic pain&ldquo;, CPP), der menstruationsabh&auml;ngig (zyklisch), nicht zyklisch oder auch situativ auftreten kann. Auch bez&uuml;glich der H&auml;ufigkeit chronischer Unterbauchschmerzen bei Frauen existieren keine sicheren Daten, da oft nur einzelne Symptomenkomplexe wie Dysmenorrh&ouml; oder Dyspareunie oder mit Unterbauchschmerzen einhergehende spezifische Krankheitsbilder wie Endometriose ausgewertet wurden. So schwanken die Pr&auml;valenzangaben zwischen 8 und 39 % je nach Einschlusskriterien.</p> <h2>Risikofaktoren und m&ouml;gliche Ursachen</h2> <p>Sowohl k&ouml;rperliche als auch psychische Faktoren k&ouml;nnen Risikofaktoren f&uuml;r die Pr&auml;disposition zu Unterbauchschmerzen bei Frauen, ihre Ausl&ouml;sung und ihr Andauern sein. Das sind auf somatischer Ebene eine gesicherte Endometriose, vorangegangene Entz&uuml;ndungen und Verwachsungen im Beckenbereich, Zustand nach Sectio und Fehlgeburt und Substanzabusus, auf der psychischen Ebene Angstst&ouml;rungen, Depression, sexuelle und k&ouml;rperliche Gewalt in der Kindheit und sexuelle Gewalt im Erwachsenenalter. Damit w&auml;re eine Unterteilung des chronischen Beckenschmerzes in eine Gruppe mit nachweisbaren Organpathologien und in eine Gruppe ohne solche m&ouml;glich, was sich aber f&uuml;r das Verst&auml;ndnis dieses Problems als nicht sinnvoll und hilfreich erwiesen hat. In vielen F&auml;llen liegen kombiniert Faktoren beider Gruppen vor, bei 60 % aller betroffenen Frauen findet man keine somatischen Pathologien, man spricht dann von einem &bdquo;chronic pelvic pain syndrome&ldquo; (CPPS), und selbst das Vorliegen von Organpathologien korreliert oft nicht mit der Schmerzproblematik. Ein gutes Beispiel ist die Endometriose, die bei manchen v&ouml;llig schmerzfreien Frauen als Zufallsbefund diagnostiziert wird.<br /> Eine weitere Einteilungsm&ouml;glichkeit bietet die Unterteilung in Krankheitsbilder mit gastrointestinaler Genese (z.B. entz&uuml;ndliche Darmerkrankungen, Reizdarmsyndrom), urologischer (z.B. Urolithiasis, interstitielle Zystitis), gyn&auml;kologischer (z.B. Endometriose, Z.n. Adnexitis, Uterusmyome), psychischer/psychiatrischer Genese (z.B. somatoforme St&ouml;rung) sowie in Erkrankungen des muskuloskelettalen Gewebes bzw. Bindegewebes (z.B. Fibromyalgie, Nervenkompressionssyndrome). Auch dabei gilt es, k&ouml;rperliche und psychische Aspekte schon prim&auml;r als gleichwertig zu betrachten, allerdings bietet dieser Zugang auch eine Hilfestellung im Hinblick auf das Abkl&auml;rungsmanagement in Anbetracht der vielen infrage kommenden Ursachen.</p> <h2>Abkl&auml;rung</h2> <p>Vor Beginn der weiteren diagnostischen Schritte ist eine ausf&uuml;hrliche Anamnese, die meist mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden ist, unumg&auml;nglich. Zun&auml;chst muss man sich ein Bild der Schmerzen betreffend Lokalisation, Dauer, Intensit&auml;t, Charakteristik und Triggerfaktoren machen, dabei sind K&ouml;rperschemaskizzen und die Bewertung mittels einer Schmerzskala (Schmerzst&auml;rke von 0 bis 10) hilfreich. Begleitsymptome wie Dysmenorrh&ouml; oder Stuhl-/Darm- und Miktionsauff&auml;lligkeiten liefern wertvolle Hinweise, ebenso sind weitere Schmerzprobleme wie Kopf- oder R&uuml;ckenschmerzen, Allgemeinsymptome wie Schlafst&ouml;rungen, die Sexualanamnese, die Erhebung psychosozialer Faktoren sowie Fragen zu einem eventuellen Substanzabusus und Gewalterfahrungen wesentlich.<br /> Durch diese genaue Befragung, die immer auch die subjektive Krankheitstheorie der Patientin beinhalten sollte, erarbeitet man sich eine umfassende Wahrnehmung der Gesamtsituation der betroffenen Frau, die sich ihrerseits dadurch ernst genommen und wertgesch&auml;tzt f&uuml;hlt.<br /> Nun folgt eine &auml;u&szlig;ere Palpation des Abdomens, laborchemisch sollten die Entz&uuml;ndungsparameter Leukozyten und CRP bestimmt sowie eine Harnanalyse zum Ausschluss (akuter) entz&uuml;ndlicher Prozesse durchgef&uuml;hrt werden. Ergibt sich diesbez&uuml;glich kein Hinweis, sollte man sich anhand der anamnestischen Daten ein m&ouml;glichst wenig belastendes, aber doch gezieltes Vorgehen &uuml;berlegen.<br /> Deuten konkrete Begleitsymptome auf eine Beteiligung von Darm oder Blase hin oder bestehen Anhaltspunkte f&uuml;r eine neurologische Genese, sollte die Patientin zu den entsprechenden Spezialisten f&uuml;r innere Medizin, Chirurgie, Urologie, Neurologie oder Orthop&auml;die &uuml;berwiesen werden, damit weiterf&uuml;hrende Untersuchungen wie Koloskopie, Zystoskopie etc. durchgef&uuml;hrt werden. Krankheitsbilder wie chronischentz&uuml;ndliche Darmerkrankungen, ein Reizdarmsyndrom, Harnr&ouml;hren- und Blasenschmerzsyndrome, Neuralgien, Nervenkompressionssyndrome und viele andere k&ouml;nnen so diagnostiziert und ad&auml;quat therapiert werden. Eine m&ouml;glichst fr&uuml;hzeitige psychologische/psychosomatische Evaluierung sollte immer angeboten werden, wobei hier behutsam vorgegangen werden sollte, um der Patientin nicht das Gef&uuml;hl zu vermitteln, auf die &bdquo;Psychoschiene&ldquo; abgeschoben zu werden. Andererseits hat sich die ausschlie&szlig;liche Fixierung auf organische Schmerzursachen f&uuml;r chronische Beckenschmerzpatientinnen als ung&uuml;nstig erwiesen, daher sollte man von Beginn an versuchen, die engen Zusammenh&auml;nge zwischen K&ouml;rper, Seele und auch dem sozialen Umfeld verst&auml;ndlich zu machen.<br /> Als integraler Bestandteil der weiteren Abkl&auml;rung sollte eine gyn&auml;kologische Untersuchung durchgef&uuml;hrt werden. Diese umfasst neben der Palpationsuntersuchung von Abdomen, Nierenlagern und dem inneren Genitale auch eine Schmerzevaluierung am &auml;u&szlig;eren Genitale mit Fingern und Wattest&auml;bchen (zur exakten Diskriminierung sehr kleiner Schmerzareale) und eine rektale Tastuntersuchung. Dabei sollte besonderes Augenmerk auf schmerzhafte Areale, Organe, aber auch auf einzelne Schmerztriggerpunkte und den Tonus, die Kontraktions- und Entspannungsf&auml;higkeit der Beckenbodenmuskulatur gelegt werden. Eine Vaginalsonografie und die Mikroskopie des Scheidensekrets vervollst&auml;ndigen die gyn&auml;kologische Basisdiagnostik.<br /> Zus&auml;tzliche bildgebende Verfahren wie CT, MRT und PET-CT helfen nur in Ausnahmef&auml;llen weiter und sollten daher nur sehr gezielt eingesetzt werden. Speziell bei (anamnestischen) Hinweisen auf Endometriose oder Adh&auml;sionen kann eine Laparoskopie hilfreich sein, da diese Krankheitsbilder nur dadurch sicher diagnostiziert und gegebenenfalls gleichzeitig operativ therapiert werden k&ouml;nnen.<br /> Wie bereits erw&auml;hnt, muss man aber bei mehr als der H&auml;lfte aller F&auml;lle damit rechnen, kein fassbares somatisches Korrelat als Schmerzursache zu finden bzw. dass ein solches die Schmerzproblematik nicht vollst&auml;ndig erkl&auml;rt. Das kann f&uuml;r die Patientin und die betreuenden &Auml;rzte gleicherma&szlig;en frustrierend sein und sollte in keinem Fall dazu f&uuml;hren, dass die Betroffene immer wieder teilweise belastenden Untersuchungen unterzogen wird, insbesondere, wenn solche bereits vorher ein unauff&auml;lliges Ergebnis erbracht haben. Speziell Operationen (Laparoskopie, Hysterektomie) sollten nur bei entsprechendem dringendem Verdacht auf ein pathologisches Korrelat als Schmerzursache, wie Endometriose oder Myome, durchgef&uuml;hrt werden.</p> <h2>Therapiem&ouml;glichkeiten</h2> <p>Therapeutisch sollte in solchen F&auml;llen, aber durchaus auch in solchen mit Organpathologie, in denen das Gesamtbild der Schmerzproblematik durch diese Pathologie nicht allein erkl&auml;rbar ist, gemeinsam mit der Patientin ein multimodales, multidisziplin&auml;res Therapieregime erarbeitet werden. Als Grundpfeiler beinhaltet dies konkret m&ouml;glichst von Beginn an eine psychologische/ psychotherapeutische Betreuung, wobei meist auch im Speziellen Aspekte der Sexualit&auml;t miterfasst werden m&uuml;ssen, Physiotherapie mit Schwerpunkt Beckenboden (Erlernen von aktiver Entspannung auch in Stresssituationen) und medikament&ouml;se Analgetika. Die Datenlage zu klassischen NSAR, Metamizol, Paracetamol und COX-II-Hemmern ist allerdings eher d&uuml;rftig, sie sollten in erster Linie zur Kupierung akuter Schmerzexazerbationen und nicht als Langzeittherapie eingesetzt werden. Als solche sind bei nachgewiesenem Ansprechen eher Koanalgetika wie Antidepressiva (Amitriptylin) und Antikonvulsiva (Gabapentin, Pregabalin), auch in Kombination, zu erw&auml;gen. Opiate sollten nach neueren Erkenntnissen nicht eingesetzt werden. Je nach individueller Situation k&ouml;nnen weitere Module wie Akupunktur, transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS), Triggerpunktbehandlungen mit Massage oder auch Lokalan&auml;sthetikainfiltrationen, Ergotherapie, meditative Verfahren, Musik-/Kunsttherapie etc. kombiniert werden. In schwierigen F&auml;llen kann das Hinzuziehen eines Schmerzmediziners sinnvoll sein.<br /> Das setzt nat&uuml;rlich eine sehr eingehende, zeitintensive, empathische Auseinandersetzung mit der Patientin und auch eine gute Koordination und Kooperation der einzelnen betreuenden &Auml;rzte und Fachkr&auml;fte untereinander voraus, wobei hier dem Allgemeinmediziner eine ganz wesentliche Rolle zukommt. In diesem multimodalen Zugangsweg liegt jedoch der Schl&uuml;ssel, der es erm&ouml;glicht, Patientinnen mit langj&auml;hrigem Beckenschmerz auch ohne fassbares somatisches Korrelat, bei denen bisher alle Therapieversuche frustran waren, schrittweise gemeinsam aus ihrem Schmerz herauszuf&uuml;hren.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>Deutsche Gesellschaft f&uuml;r Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe (DGPFG): Chronischer Unterbauchschmerz der Frau. AWMF-Leitlinie 2015; www. awmf.org, letzter Zugriff 27. M&auml;rz 2018 &bull; Engeler DS et al.: Eur Urol 2013; 64(3): 431-9</p> </div> </p>
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