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Diabetes

Neue Diabetestherapien und deren Kombinationsmöglichkeiten im Praxisalltag

<p class="article-intro">In den letzten Jahren erleben wir einen Paradigmenwechsel in der Diabetologie. Es geht bei der Diabetestherapie nicht mehr „nur“ um die metabolische Kontrolle, also das Erreichen des Blutzucker- und HbA<sub>1c</sub>-Zieles bei möglichst geringen Nebenwirkungen, sondern auch um wichtige andere Ziele, vor allem in Hinsicht auf die Reduktion der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Entsprechend diesem Anspruch wird bereits in vielen internationalen Leitlinien, insbesondere auch in den neuen Empfehlungen der American Diabetes Association, die Verordnung eines blutzuckersenkenden Medikamentes mit nachgewiesener kardioprotektiver Wirkung bei der passenden Population gefordert. In prospektiven randomisierten Studien nachgewiesen signifikant kardioprotektiv wirksam zu sein, k&ouml;nnen derzeit die SGLT- 2-Hemmer Empagliflozin und Canagliflozin und die GLP-1-Analoga Liraglutid und Semaglutid f&uuml;r sich beanspruchen. Mit passender Population sind die Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 (Typ-2-DM) gemeint, die in den Studien stark profitiert haben, n&auml;mlich Patienten, die bereits ein kardiovaskul&auml;res Ereignis durchgemacht haben. Da bei Patienten mit Typ-2-DM in der Regel relativ rasch im Verlauf eine Kombinationstherapie erforderlich ist, ist das Wissen &uuml;ber die leitlinienkonforme Umsetzung der Therapieerweiterung im Praxisalltag wichtig.<br /> Weltweit besteht ein Konsens dar&uuml;ber, dass Lebensstilma&szlig;nahmen und Metformin sowohl die First-Line-Therapie darstellen als auch in der Folge den diabetischen Patienten begleiten sollen. Bei l&auml;ngerfristiger Metformintherapie darf die M&ouml;glichkeit eines Vitamin-B12-Mangels nicht au&szlig;er Acht gelassen werden. Eine Zunahme des mittleren Zellvolumens, eine Abnahme der Gesamtzahl der Erythrozyten und das Auftreten von Neuropathiesymptomen k&ouml;nnen Hinweise auf diese Nebenwirkung sein. Unter Metformindauertherapie sind intermittierende Vitamin-B12-Kontrollen sinnvoll. Metformin wurde rezent in reduzierter Dosierung auch f&uuml;r Patienten mit eingeschr&auml;nkter Nierenfunktion bis zu einer glomerul&auml;ren Filtrationsrate (GFR) von 30ml/min zugelassen.<br /> Bei Nichterreichen der individuellen Stoffwechselziele unter Monotherapie sind f&uuml;r die Therapieerweiterung folgende medikamentenspezifische Parameter in die Entscheidungsfindung einzubeziehen: Effektivit&auml;t bei der Blutzuckersenkung, Hypoglyk&auml;mierisiko, kardiovaskul&auml;re Benefits, Wirkungen auf das Gewicht, Nebenwirkungen, renale Effekte, Verabreichungsmodus (peroral oder subkutan als Injektion), Kosten und Akzeptanz bei den Patienten (Tab. 1). Bei kardiovaskul&auml;ren Ereignissen in der Vorgeschichte ist ein Antidiabetikum mit nachgewiesenem kardiovaskul&auml;rem Benefit zu priorisieren.</p> <h2>Wenn die Monotherapie nicht reicht</h2> <p>Was kombiniert man nun am besten mit Metformin, wenn die individuellen Stoffwechselziele unter Monotherapie nicht mehr erreicht werden (Abb. 1)? Die Frage ist relativ einfach zu beantworten. In dieser Phase entscheidet die kardiovaskul&auml;re Vorgeschichte des Patienten &uuml;ber das beste &bdquo;n&auml;chste&ldquo; Medikament.</p> <p><strong>Patienten mit kardiovaskul&auml;rer Vorgeschichte</strong><br /> Bei positiver kardiovaskul&auml;rer Anamnese stellt sich derzeit in &Ouml;sterreich konkret die Wahl zwischen dem SGLT-2-Hemmer Empagliflozin und dem GLP-1-Analogon Liraglutid, die beide in prospektiven randomisierten Studien einen klaren kardiovaskul&auml;ren Vorteil beweisen konnten und auch renoprotektiv wirksam waren (Daten f&uuml;r Dapagliflozin kommen noch im Herbst 2018).<br /> Die durch SGLT-2-Hemmer induzierte Glukoseausscheidung &uuml;ber den Harn f&uuml;hrt zu einer signifikanten Reduktion der Glukoselast. Die kompetitive Hemmung der SGLT-2-Rezeptoren im proximalen Tubulus der Nieren verhindert die Reabsorption von glomerul&auml;r gefilterter Glukose und Natrium mit daraus resultierender Glukosurie und Natriurese. Die Glukosurie ist signifikant, bewirkt die Verminderung der Glukoselast im K&ouml;rper und einen nicht unerheblichen Kalorienverlust. Die osmotische Diurese manifestiert sich klinisch in einer Abnahme des intravasalen Volumens und einer Senkung des Blutdruckes.<br /> Die breiten Stoffwechselwirkungen der GLP-1-Analoga mit Steigerung der Insulinsekretion, Hemmung der Glukagonsekretion, Verz&ouml;gerung der Magenentleerung und Appetithemmung machen diese Substanzen zu einem attraktiven Kombinationspartner von Metformin und auch von Insulin. Klinischer Ausdruck dieser Wirkungen sind deutliche Blutzuckersenkung und Gewichtsreduktion.<br /> Ob die Entscheidung in dieser Phase f&uuml;r einen SGLT-2-Hemmer oder f&uuml;r ein GLP- 1-Analogon ausf&auml;llt, h&auml;ngt von dem jeweiligen Patienten und dessen Charakteristik ab. Wichtige Auswahlkriterien sind die Nierenfunktion, das Ausma&szlig; des &Uuml;bergewichtes und nat&uuml;rlich die Akzeptanz durch den Patienten. Empagliflozin kann zwar bei eingeschr&auml;nkter Nierenfunktion verabreicht werden, der Einsatz ist jedoch derzeit mit einer GFR von 45ml/min begrenzt. Ein weiteres Auswahlkriterium stellt das Gewicht dar &ndash; sehr adip&ouml;se Patienten profitieren wahrscheinlich von einem GLP-1-Analogon hinsichtlich Gewichtsreduktion mehr. Wenn der Patient eine Injektionstherapie ablehnt, ergibt sich daraus nat&uuml;rlich die Entscheidung f&uuml;r den SGLT-2-Hemmer. Patienten mit Herzinsuffizienz sollten aufgrund der nachgewiesenen Reduktion von Hospitalisierungen Empagliflozin erhalten. In den neuen Leitlinien der Europ&auml;ischen Gesellschaft f&uuml;r Kardiologie wird der Einsatz von Empagliflozin bei Patienten mit Typ-2-DM zur Verhinderung des Neuauftretens und des Fortschreitens einer Herzinsuffizienz empfohlen.</p> <p><strong>Patienten ohne kardiovaskul&auml;re Vorgeschichte</strong><br /> Auch in dieser Patientengruppe hat sich im Praxisalltag die Kombination von SGLT-2-Hemmern oder GLP-1-Analoga mit Metformin klinisch bew&auml;hrt, allerdings sind kardiovaskul&auml;re Benefits in der Prim&auml;rpr&auml;vention nicht prospektiv randomisiert untersucht. In der multinationalen retrospektiven Beobachtungsstudie CVD-REAL zeigte sich, dass m&ouml;glicherweise auch in der Prim&auml;rpr&auml;vention kardiovaskul&auml;re Benefits durch SGLT- 2-Hemmer (in der Studie vor allem Dapagliflozin verwendet) zu erwarten sind.<br /> DPP-4-Hemmer wurden in Kombinationstherapien &uuml;ber die Jahre sehr stark eingesetzt, wenn auch der Effekt auf die Blutzuckerspiegel relativ bescheiden ist (Senkung des HbA1c 0,15 % bis max.0,8 % ). DPP-4-Hemmer konnten in den Studien keinen kardiovaskul&auml;ren Benefit zeigen. Ihre sehr gute Vertr&auml;glichkeit macht sie zu einem verl&auml;sslichen Kombinationspartner.<br /> Bei ausgepr&auml;gter Insulinresistenz kann auch Pioglitazon als exzellenter Insulinsensitizer in der Kombinationstherapie eingesetzt werden. Bei postmenopausalen Frauen ist zu beachten, dass Spontanfrakturen unter Therapie mit Glitazonen geh&auml;uft vorkommen, daher sollte eine Knochendichtemessung mehr Sicherheit bei der Entscheidungsfindung geben.<br /> Bei Sulfonylharnstoffen und Gliniden stellt sich in den letzten Jahren die Frage nach ihrem zielf&uuml;hrenden Einsatz. Neue, sehr wirksame Medikamente ohne Hypoglyk&auml;miepotenzial und ohne Gewichtszunahme laufen ihnen den Rang ab. Allerdings gibt es immer wieder Situationen, in denen die Kombination mit vor allem modernen Sulfonylharnstoffen wie Gliclazid gerechtfertigt zum Einsatz kommt. Voraussetzungen sind funktionierende Sekretionsleistung der Betazelle, gleichzeitige Behandlung der Insulinresistenz und Hypoglyk&auml;mieschulung.<br /> Die Kombination mit Basalinsulin kann in jedem Stadium des Diabetes eine wirksame Option darstellen. Neue Basalinsuline zeichnen sich durch l&auml;ngere Wirkdauer, gleichm&auml;&szlig;igere Wirkprofile, weniger Variation durch Konzentrierung mit niedrigerem Injektionsvolumen aus und zeigten in Studien eine Reduktion von vor allem n&auml;chtlichen Hypoglyk&auml;mien.<br /> Die Kombination von Basalinsulin mit einem GLP-1-Analogon ist eine weitere moderne Therapieoption, die gleichzeitig mehrere metabolische Defekte des Typ-2- DM korrigiert, wie ungebremste hepatische Glukoseproduktion, schw&auml;chelnde prandiale Insulinsekretion und andere.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_DAM_Allgemeinm_1806_Weblinks_dam_1805+6_s20_tab1+abb1.jpg" alt="" width="1422" height="1572" /></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Dreierkombinationen sind bei l&auml;nger bestehendem Diabetes h&auml;ufig notwendig und haben sich auch im Praxisalltag bew&auml;hrt. Die Auswahl richtet sich nach individueller Zielsetzung, Risikoprofil und Erstattungsmodus. Auch Viererkombinationen mit Basalinsulin k&ouml;nnen Sinn machen. Aufgrund der Erweiterung der Diabetestherapie um einige Substanzgruppen und der positiven und negativen Outcome- Studien ist die Entscheidungsfindung, welches die richtige Therapie ist, komplizierter geworden. Die Leitlinien der &Ouml;sterreichischen Diabetesgesellschaft (&Ouml;DG) werden derzeit aktualisiert und sollen die &Auml;rzte bei der Therapieentscheidung unterst&uuml;tzen.</p></p>
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