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Unterdiagnostiziert und untertherapiert

<p class="article-intro">Es ist verständlich, wenn eine Frau nicht über eine trockene Scheide berichten möchte. Eine vulvovaginale Atrophie beeinträchtigt die Lebensqualität aber oft enorm, und mit wirksamen Behandlungsmöglichkeiten kann man betroff enen Frauen gut helfen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Sie ist unterdiagnostiziert und untertherapiert: die vulvovaginale Atrophie (VVA). Als &laquo;vernachl&auml;ssigtes Problem&raquo; bezeichnete Dr. med. Nick Panay aus London die VVA k&uuml;rzlich auf dem internationalen Kongress zu gyn&auml;kologischer Endokrinologie in Florenz. Panay ist Experte f&uuml;r die Menopause in London. Es gebe viele Gr&uuml;nde, warum die VVA so vernachl&auml;ssigt werde, so der Gyn&auml;kologe: &laquo;Frauen reden nicht gerne dar&uuml;ber, weil sie sich sch&auml;men oder aus einer anderen Kultur kommen, und viele Kollegen umschiffen das Thema in der Sprechstunde, weil sie es unangenehm finden, &uuml;ber sexuelle Themen mit ihrer Patientin zu sprechen &ndash; vor allem wenn die Zeit knapp ist.&raquo; Ausserdem fehle es an Kenntnissen &uuml;ber effektive hormonelle und nicht hormonelle Behandlungsm&ouml;glichkeiten. Frauen und ihre Partner w&uuml;rden im Stillen leiden. &laquo;Dabei ist die Behandlung einfach und sicher, und sie kann die Lebensqualit&auml;t der Frau enorm verbessern.&raquo;</p> <h2>Sexualleben und Lebensqualit&auml;t k&ouml;nnen beeintr&auml;chtigt sein</h2> <p>Der Urogenitaltrakt reagiert besonders empfindlich auf den Abfall der &Ouml;strogene im Alter. Die Mukosa der Zervix und das Epithel von Vagina und Scheideneingang werden d&uuml;nn und leicht verletzlich und der Turgor der grossen Labien l&auml;sst nach. Durch den Abfall des &Ouml;strogens steigt der pH-Wert in den schwach sauren bis eher neutralen Bereich (pH 5,0&ndash;7,0), was das Wachstum pathogener Mikroorganismen unterst&uuml;tzt; infolgedessen erkranken die Frauen h&auml;ufiger an einer bakteriellen Vaginose oder Harnwegsinfekten.<br /> 39 % von 4246 Frauen zwischen 55 und 65 Jahren, so eine internationale Umfrage, litten schon einmal unter einer VVA.<sup>1</sup> 77 % der Befragten meinten, Frauen w&uuml;rden dar&uuml;ber nicht gerne reden, und 42 % wussten nicht, dass es eine Lokaltherapie gegen ihr Problem gibt. Von den Frauen mit VVA wurde 63 % noch nie eine Behandlung verschrieben. Im Gegensatz zu vasomotorischen Beschwerden in der Menopause, die mit der Zeit nachlassen, verschwinden die Beschwerden durch eine VVA in der Regel nicht.<sup>2, 3</sup> &laquo;Eine VVA kann das Sexualleben und die Lebensqualit&auml;t enorm beeintr&auml;chtigen &raquo;, sagt PD Dr. med. Cornelia Betschart, Ober&auml;rztin mit Schwerpunkt Urogyn&auml;kologie am Universit&auml;tsspital Z&uuml;rich. &laquo;Zu oft wird eine VVA als normaler Alterungsprozess betrachtet. Dabei g&auml;be es bei rechtzeitigem Beginn wirksame Behandlungen. &raquo;<br /> Das Wichtigste ist: daran denken und seine Patientinnen explizit nach Beschwerden fragen. &laquo;Manchmal wird das Problem von der Frau selbst nicht erkannt &raquo;, sagt Dr. med. Dorothy Huang, Kader&auml;rztin der Frauenklinik am Universit&auml;tsspital Basel. &laquo;Zum Beispiel, wenn die Symptome relativ mild sind oder die Frau nicht realisiert, dass ihre Beschwerden durch einen &Ouml;strogenmangel verursacht werden.&raquo;<br /> Zu den h&auml;ufigsten Symptomen z&auml;hlen eine trockene Scheide, Dyspareunie, vaginaler Juckreiz, Ausfluss, Schmerzen und Brennen nach dem Geschlechtsverkehr. Eine von Panays Patientinnen beschrieb es so, als w&uuml;rde sie mit Sandpapier zwischen ihren Beinen laufen m&uuml;ssen. Auch die Harnwege werden in Mitleidenschaft gezogen: Die Frauen beschreiben Dranginkontinenz und h&auml;ufiges Wasserlassen, Nykturie oder Dysurie, es kann zu Inkontinenz und zu rezidivierenden Harnwegsinfektionen kommen.<sup>1, 4</sup> Nicht vernachl&auml;ssigen d&uuml;rfe man auch die k&ouml;rperliche Untersuchung, so der Gyn&auml;kologe. Mit abfallendem &Ouml;strogenspiegel verd&uuml;nnen sich die Schleimhaut der Zervix und das Epithel von Vagina und Vulva und sind somit leicht verletzlich. Die Falten in der Vagina verstreichen, die Scheidenwand erscheint so glatter und die Durchblutung nimmt ab. Die Scheide sieht insgesamt blasser aus als bei j&uuml;ngeren Frauen und es k&ouml;nnen einzelne Petechien oder andere Zeichen einer Entz&uuml;ndung auftreten. Die Vulva verengt sich zunehmend und die grossen Labien verstreichen.</p> <h2>Neue Terminologie trifft die Symptome besser</h2> <p>2014 propagierte eine US-amerikanische Arbeitsgruppe, die Terminologie VVA zu &auml;ndern, denn der Begriff beschreibe die Beschwerden der Patientinnen nicht genau genug. &laquo;Der Hauptgrund f&uuml;r die Aktion war, die Harnsymptome in den Beschwerdekomplex zu integrieren&raquo;, so Panay. Die Arbeitsgruppe schlug die Bezeichnung &laquo;genitourinary syndrome of menopause&raquo; (GSM) vor. GSM ist definiert als eine &laquo;Sammlung von Symptomen und klinischen Zeichen, die mit einem Abfall von &Ouml;strogen und anderen Sexualhormonen assoziiert ist und mit Ver&auml;nderungen an Labien, Klitoris, Scheidenvorhof und -eingang, Vagina, Urethra und Blase einhergeht&raquo;. Zu den Symptomen geh&ouml;ren genitale Symptome wie Trockenheit, Brennen, Reizung, Schmerzen oder ein unangenehmes Gef&uuml;hl und Beschwerden der Harnwege wie Harndrang, Dysurie und rezidivierende Harnwegsinfekte. Eine Frau kann unter einigen oder allen Symptomen leiden. &laquo;Eine Behandlung ist dann notwendig, wenn die Beschwerden die Frau st&ouml;ren&raquo;, sagt Panay. Die Therapie werde je nach Art und Schwere der Symptome und nach dem individuellen Wunsch der Patientin ausgew&auml;hlt.<br /> &laquo;Vor der Therapie sollte man genau eruieren, welche Symptome der VVA vorhanden sind und wie schwer sie sind&raquo;, sagt Huang. &laquo;Auch muss man andere Probleme ausschliessen, die &auml;hnliche Symptome verursachen k&ouml;nnen, etwa vaginale Infektionen oder chronische Hautdermatosen.&raquo; Ziel der Therapie ist, die Symptome zu lindern und die Lebensqualit&auml;t zu verbessern. Bei leichten Beschwerden k&ouml;nne man mit einem lokalen, nicht hormonellen Feuchthaltemittel beginnen. &laquo;Allerdings &uuml;bernehmen die Kassen die Kosten nicht, und eine Dauerbehandlung k&ouml;nnte mit der Zeit ziemlich teuer werden&raquo;, so Huang. Die nicht hormonellen Gleitmittel und Feuchtigkeitscremes k&ouml;nnten jedoch auch eine gute Alternative sein f&uuml;r Frauen, die kein &Ouml;strogen bekommen d&uuml;rfen oder es nicht m&ouml;chten.<br /> Eine lokale &Ouml;strogentherapie ist die Behandlung der Wahl, wenn die Frau st&auml;rkere Beschwerden und keine anderen menopausalen Symptome hat.<sup>6</sup> Kommen andere Beschwerden wie Hitzewallungen hinzu, k&auml;me m&ouml;glicherweise eine systemische Hormontherapie infrage. F&uuml;r die lokale &Ouml;strogenbehandlung stehen Cremes, Tabletten oder Vaginalringe zur Verf&uuml;gung. Da nicht auszuschliessen ist, dass geringe Mengen &Ouml;strogen in die Zirkulation gelangen, sollte bei Frauen nach einer Brustkrebserkrankung die Entscheidung gemeinsam mit dem Onkologen getroffen werden, vor allem wenn die Frau Aromatasehemmer nimmt.<sup>6</sup> Allerdings zeigte eine Beobachtungsstudie mit einem mittleren Follow-up von 3,5 Jahren bei Frauen mit Tamoxifen- oder unter Aromatasehemmer- Therapie kein erh&ouml;htes Rezidivrisiko.<sup>7</sup> Ein zus&auml;tzliches Progesteron als Endometriumschutz ist nicht erforderlich, wenn das vaginale &Ouml;strogen in der empfohlenen niedrigen Dosis verabreicht wird. &laquo;Beim Rezeptieren sollte man die Frau informieren, dass die Applikation der lokalen &Ouml;strogenprodukte initial brennen oder schmerzen kann&raquo;, sagt Huang, &laquo;vor allem wenn die Scheide gereizt oder sehr trocken ist.&raquo; Bei regelm&auml;ssiger Anwendung verschwinden die Symptome jedoch nach einiger Zeit.<br /> In den USA gibt es schon seit einigen Jahren Ospemifen als weitere Behandlungsoption. Das Pr&auml;parat ist ein selektiver &Ouml;strogen-Rezeptor-Modulator und hat sowohl &ouml;strogenagonistische als auch -antagonistische Eigenschaften. Ospemifen wurde urspr&uuml;nglich zur Behandlung der postmenopausalen Osteoporose entwickelt. In klinischen Studien wurden dann aber g&uuml;nstige Effekte auf das vaginale Epithel beobachtet. Das Medikament wurde in den USA im Jahre 2013 zugelassen, in der Europ&auml;ischen Union 2015. In klinischen Studien zeigte sich Ospemifen als wirksam und gut vertr&auml;glich.<sup>8, 9</sup> Ospemifen linderte postmenopausale vaginale Beschwerden wie Scheidentrockenheit und Dyspareunie. Bei drei von vier Frauen, die zu Beginn der Studien entweder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder Scheidentrockenheit als ihr am meisten belastendes Symptom angegeben hatten, besserten sich die Symptome einer GSM w&auml;hrend der zw&ouml;lfw&ouml;chigen Behandlung, und auch objektiv zeigten sich Verbesserungen in der Scheide. &laquo;Der Ansatzpunkt mit &ouml;strogenagonistischen und -antagonistischen Eigenschaften ist interessant&raquo;, sagt Betschart. &laquo;Die beschriebenen Nebenwirkungen wie Wallungen, vaginaler Ausfluss, Muskelkr&auml;mpfe und vermehrtes Schwitzen k&ouml;nnen aber f&uuml;r die Frauen ziemlich ung&uuml;nstig sein.&raquo; Vom deutschen Markt zog der Hersteller Ospemifen jedoch Ende 2016 zur&uuml;ck,<sup>10</sup> weil der deutsche Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) dem Pr&auml;parat keinen Zusatznutzen bescheinigt hatte. Der Hersteller sah es daher nicht f&uuml;r m&ouml;glich an, Ospemifen f&uuml;r Patientinnen in Deutschland kostendeckend herzustellen und anzubieten. Frauen in Deutschland k&ouml;nnen es nur nach &auml;rztlicher Verschreibung mittels Einzelimport &uuml;ber eine Apotheke erhalten. In der Schweiz ist Ospemifen noch nicht zugelassen.</p> <h2>Laser: m&ouml;gliche Alternative nach Mammakarzinom</h2> <p>Eine weitere Alternative zu einer lokalen &Ouml;strogentherapie k&ouml;nnte intravaginales Dehydroepiandrosteron (DHEA) sein. DHEA, auch Prasteron genannt, ist eine Vorstufe f&uuml;r die Synthese von Sexualhormonen. DHEA kann im K&ouml;rper sowohl zu &Ouml;strogenen als auch zu Androgenen umgewandelt werden. Im Alter sinken die DHEA-Spiegel, das hat DHEA in den 1990er-Jahren als Anti-Aging-Mittel popul&auml;r gemacht. Es wurde (und wird) als Nahrungserg&auml;nzungsmittel f&uuml;r die unterschiedlichsten Altersleiden angepriesen, ohne dass die Hersteller dies durch die Ergebnisse randomisierter klinischer Studien belegen mussten. Bei dem Medikament eines kanadischen Herstellers war das aber anders. In zwei placebokontrollierten Studien wurde gezeigt, dass Vaginal- Inserts eine Dyspareunie lindern k&ouml;nnen.<sup>11</sup> Die nordamerikanische Menopausen- Gesellschaft erw&auml;hnt in ihrer Leitlinie von 2017 Ospemifen und intravaginales DHEA als nicht&ouml;strogenhaltige Therapien, die eine Dyspareunie lindern k&ouml;nnen.<sup>6</sup> In der Schweiz ist DHEA nur in Kombination mit Estradiolvalerat als intramuskul&auml;re Fertigspritze zur hormonellen Substitutionstherapie zugelassen.<br /> Eine weitere M&ouml;glichkeit ist die Lasertherapie. &laquo;Eine einfache und schnelle Behandlung, es sind nur wenige Sitzungen erforderlich&raquo;, sagt Panay. Gem&auml;ss einer Metaanalyse<sup>12</sup> von 14 Studien mit 542 Frauen besserten sich die Symptome in allen Studien deutlich. Die Frauen waren zufriedener mit ihrem Sexualleben und auch objektiv besserte sich die Situation in der Vagina. &laquo;Die Lasertherapie hat klar den Vorteil der fehlenden systemischen Nebenwirkungen&raquo;, kommentiert dies Betschart. &laquo;Allerdings kostet die Therapie viel mehr.&raquo; F&uuml;r Frauen nach Mammakarzinom sei sie jedoch eine gute Alternative, denn sie k&ouml;nne bei diesen bedenkenlos angewendet werden. Allerdings fehlen noch gut gemachte Studien mit standardisierten Behandlungsprotokollen, einem l&auml;ngeren Follow-up, Vergleichen mit Placebo oder anderen Therapien und klaren Outcomes. &laquo;Die Lasertherapie ist noch mit Zur&uuml;ckhaltung zu empfehlen&raquo;, sagt Huang. &laquo;Die Kosten f&uuml;r die Patientin k&ouml;nnen erheblich sein, und wir brauchen weitere Studien zur Wirksamkeit.&raquo;</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 18<sup>th</sup> World Congress of the International Society of Gynecological Endocrinology, 7.–10. März 2018, Florenz </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Nappi RE, Kokot-Kierepa M: Maturitas 2010; 67(3): 233- 238 <strong>2</strong> North American Menopause Society: Menopause 2007; 14, 355-369 <strong>3</strong> C alleja-Agius J , B rincat M P: C limacteric 2009; 12: 279-285 <strong>4</strong> Sturdee DW et al.: Climacteric 2010; 13: 509-522 <strong>5</strong> Portman DJ, Gass ML: J Sex Med 2014: 11: 2865-2872 <strong>6</strong> North American Menopause Society: Menopause 2017; 24: 728-753 <strong>7</strong> Le Ray I et al.: Breast Cancer Res Treat 2012; 135: 603-609 <strong>8</strong> Portman D et al.: Menopause 2013; 20: 623-630 <strong>9</strong> Bachmann GA et al.: Menopause 2010; 17: 480-486 <strong>10</strong> http://www.shionogi. eu/media/402714/shionogi-zieht-senshio-vom-deutschen- markt-zurueck.pdf (letzter Aufruf 04.05.2018) <strong>11</strong> https://www.fda.gov/NewsEvents/Newsroom/PressAnnouncements/ ucm529641.htm 12 Pitsouni E et al.: Maturitas 2017; 103: 78-88</p> </div> </p>
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