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Von oralem Allergiesyndrom bis zur Anaphylaxie

Pollenassoziierte (sekundäre) Nahrungsmittelallergien

<p class="article-intro">Der Großteil der IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien bei Erwachsenen basiert auf einer Sensibilisierung gegen diverse Pollen mit anschließender IgE-Produktion gegen strukturverwandte Eiweißmoleküle (Allergene), insbesondere in Obst, Gemüse, Gewürzen oder Hülsenfrüchten.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Eine gro&szlig;e und entwicklungsgeschichtlich sehr alte Familie von Eiwei&szlig;molek&uuml;len stellen die PR-10-Molek&uuml;le (&bdquo;pathogenesis- related molecules&ldquo;) dar. Sie sind in Birkenpollen, aber auch in verschiedenen Nahrungsmitteln wie Karotten, Kern- und Steinobst, H&uuml;lsenfr&uuml;chten etc. zu finden. Gemeinsam ist ihnen eine &auml;hnliche Molekularstruktur (Abb. 1), sie sind hitzelabil und zeigen eine hohe Sensibilisierungsrate, vor allem in Nordeuropa.<br /> Reaktionen auf kreuzreaktive Allergene sind m&ouml;glich, aber nicht obligat und treten meist innerhalb weniger Minuten bis zu zwei Stunden nach dem Verzehr des Nahrungsmittels auf. Die Symptome &auml;u&szlig;ern sich vorwiegend als harmlose lokale Sensationen im Mund- und Rachenbereich (orales Allergiesyndrom, OAS) wie Par&auml;sthesien oder Juckreiz. Bedrohliche lokale oder schwere systemische Reaktionen bis zum anaphylaktischen Schock sind jedoch in manchen F&auml;llen (z.B. bei Soja) auch m&ouml;glich.<br /> Die Vermutungsdiagnose wird h&auml;ufig klinisch, basierend auf der Anamnese, gestellt. Skin- Prick-Test oder der Nachweis spezifischer IgE bzw. rekombinanter Antik&ouml;rper dienen als Hilfsmittel zur Sicherung der Diagnose bzw. Absch&auml;tzung des Anaphylaxierisikos und Differenzialdiagnose zu den prim&auml;ren Nahrungsmittelallergien.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_DAM_Allgemeinm_1804_Weblinks_dam_1804_s38_abb1.jpg" alt="" width="1051" height="1107" /></p> <h2>Klinik</h2> <p><strong>Manifestation an der Mukosa</strong><br /> Die oropharyngeale Kontakturtikaria, auch als orales Allergiesyndrom (OAS) bezeichnet, beschreibt die Symptome, die auf die Mundh&ouml;hle und den Rachen beschr&auml;nkt sind. Typisch sind subjektive Symptome wie Juckreiz an Lippen, Zunge, Gaumen, Ohren oder Kehlkopf, Schluckbeschwerden und das Gef&uuml;hl der Schleimhautschwellung. Kleine Bl&auml;schen oder R&ouml;tungen k&ouml;nnen sich auf der Mundschleimhaut entwickeln. Die Beschwerden bilden sich in der Regel innerhalb von 10&ndash;30 Minuten zur&uuml;ck.<br /> Neben diesen Sofortreaktionen kann in seltenen F&auml;llen auch eine eosinophile &Ouml;sophagitis mit einer pollenassoziierten Nahrungsmittelallergie in Verbindung gebracht werden.</p> <p><strong>Manifestation an der Haut</strong><br /> Akute generalisierte Urtikaria, Angio&ouml;deme und Erytheme (Flush) treten seltener als das OAS auf. Bei manchen Patienten mit atopischer Dermatitis kann es nach oraler Provokation mit den kreuzreaktiven Nahrungsmitteln auch zu einer vor&uuml;bergehenden Verschlechterung des Ekzems kommen.<br /> Respiratorische Symptome, gastrointestinale und kardiovaskul&auml;re Symptome sind selten und treten nicht als alleinige Manifestation auf.</p> <h2>Pflanzliche Nahrungsmittelallergene</h2> <p>Die bedeutendsten pflanzlichen Nahrungsmittelallergene geh&ouml;ren zu wenigen Proteinfamilien. Am bekanntesten sind Bet-v-1-Homloge (= PR-10-Molek&uuml;le), Lipidtransferproteine (LTP), thaumatinartige Proteine (TLP) und Speicherproteine. Profiline und kreuzreaktive Kohlenhydrat- Determinanten (CCD) spielen eine Rolle als Panallergene, die zu positiven Allergietests mit fraglicher klinischer Relevanz f&uuml;hren, selten aber Beschwerden verursachen.</p> <p><strong>PR-10-Proteine (Bet-v-1-Homologe)</strong><br /> Die Hauptallergenkomponente der Birkenpollen Bet v 1 geh&ouml;rt zu dieser Gruppe. Bet-v-1-Homologe sind hitzelabile Proteine in Obst und Gem&uuml;se und verursachen am h&auml;ufigsten eine oropharyngeale Urtikaria (OAS). Die meisten Beschwerden treten nach Genuss von Haselnuss, Apfel, Karotte, Sellerie und Kirsche auf. Beim Verzehr proteinreicher Sojaprodukte (z.B. Soja- Drinks) kann es jedoch in manchen F&auml;llen auch zu einer schweren allergischen Reaktion kommen.<br /> Diese Allergene sind hitzelabil und werden durch Kochen, Backen oder andere Verarbeitungsprozesse zerst&ouml;rt, weshalb sie dann von den meisten Sensibilisierten gut vertragen werden.</p> <p><strong>Lipidtransferproteine (LTP)</strong><br /> Eine LTP-Sensibilisierung kommt am h&auml;ufigsten im Mittelmeerraum vor, z.B. nach Verzehr von Pfirsichen. Das Pfirsich- LTP (Pru p 3) hat eine &auml;hnliche Struktur wie LTP in anderen Obst- und Gem&uuml;sesorten, z.B. Cor a 8 (Haselnuss), Ara h 9 (Erdnuss), Jug r 3 (Walnuss) sowie Pflanzenpollen (Beifu&szlig;, Olive, Platane). Diese Proteine sind hitzestabil und verdauungsresistent und kommen v.a. in der Schale von Obst und Gem&uuml;se vor. Sie sind mit OAS, aber auch schweren systemischen Reaktionen assoziiert.</p> <p><strong>Profiline (Bet-v-2-Homologe)</strong><br /> Dabei handelt es sich um Panallergene mit Homologie und Kreuzreaktivit&auml;t zwischen entfernt verwandten Pflanzen, was zu unspezifischen Mitreaktionen im Pricktest oder bei der Bestimmung der spezifischen IgE f&uuml;hren kann. Beispiele sind Bet v 2 der Birke, Phl p 12 der Gr&auml;ser, Cor a 2 der Haselnuss, Pru p 4 des Pfirsichs, Mal d 4 des Apfels und Ara h 5 der Erdnuss. Profiline verursachen selten klinische Symptome, k&ouml;nnen aber bei manchen Patienten lokale oder sehr selten auch schwere Reaktionen hervorrufen (z.B. auf Melone [Cuc m 2], Wassermelone, Kiwi, Tomate, Banane, Ananas, Marille, Gurke und Orange).</p> <p><strong>Kreuzreaktive Kohlenhydrat-Determinanten (CCD)</strong><br /> CCD wurden in Birken-, Lieschgrasund Ambrosiapollen sowie in vielen Nahrungsmitteln wie Sellerie (Api g 5), Paprika, Pfeffer und Mango identifiziert. Sie verursachen sehr selten klinische Symptome. In einer kleinen Gruppe wurden aber auch schwere Reaktionen beobachtet (belegt f&uuml;r Sellerie, Tomate und Zucchini).</p> <p><strong>Thaumatinartige Proteine (TLP, PR- 5-Allergene)</strong><br /> TLP sind in Platanen-, Zypressen-, Birken-, Beifu&szlig;- und Olivenpollen zu finden. Sie wurden als wichtige Allergene bei der Pfirsichallergie identifiziert und sind sehr hitzestabil. Beispiele f&uuml;r TLP in Nahrungsmitteln sind Act d 2 der Kiwi, Mal d 2 des Apfels, Mus a 4 der Banane, Pru p 2 des Pfirsichs und Pru av 2 der Kirsche. Sie wurden auch in Kohl, Salat und in Maronen nachgewiesen.</p> <p><strong>Speicherproteine</strong><br /> Es sind dies hitzestabile und verdauungsresistente Proteine in Samen, Kernen, N&uuml;ssen, H&uuml;lsenfr&uuml;chten (Leguminosen) wie Erdnuss, Soja, Lupinen und Getreide. Sie sind Risikomarker f&uuml;r schwere systemische Reaktionen. Eine Sensibilisierung erfolgt &uuml;ber den Gastrointestinaltrakt und nicht &uuml;ber die inhalativen Allergene. Zahlreiche Kreuzreaktionen sind bekannt. Typische Vertreter sind: Ara h 1, h 2, h 3, h 6 (Erdnuss), Cor a 9, a 14 (Haselnuss), Jug r 1, r 2 (Walnuss), Gly m 5, m 6 (Soja), Ses i 1 (Sesam).</p> <h2>Diagnose</h2> <p><strong>Anamnese</strong><br /> Hier ist v.a. der zeitliche Zusammenhang zwischen Einnahme des Nahrungsmittels und Auftreten der Symptome wichtig. Eine Pollenallergie mit typisch saisonalen Symptomen einer Rhinokonjunktivitis soll beachtet werden. Der Schweregrad der Symptomatik (OAS oder Anaphylaxie) ist wesentlich.</p> <p><strong>Hauttests</strong><br /> Skin-Prick-Test zur Feststellung einer Sensibilisierung auf Pollenallergene oder mit standardisierten Extrakten f&uuml;r Nahrungsmittel. F&uuml;r manche Nahrungsmittel ist eine Prick-to-Prick-Testung mit frischem Material sensitiver, f&uuml;r viele Nahrungsmittel gibt es auch zunehmend keine Standard- Extrakte mehr. Bei schweren Anaphylaxien in der Anamnese soll vor dem Hauttest zuerst ein In-vitro-Test erfolgen, vor allem wenn keine standardisierten Extrakte f&uuml;r den Hauttest zur Verf&uuml;gung stehen.</p> <p><strong>In-vitro-Tests</strong><br /> Eine Bestimmung der spezifischen IgE gegen kreuzreaktive Nahrungsmittel unter Einbeziehung der Komponentendiagnostik soll basierend auf der Anamnese durchgef&uuml;hrt werden. Das ist insbesondere wichtig, wenn die Anamnese unklar ist, die Hauttests negativ sind, die infrage kommenden Nahrungsmittel f&uuml;r den Hauttest nicht geeignet sind (lokale Reizung), nach schwersten anaphylaktischen Reaktionen oder bei Unm&ouml;glichkeit der Hauttestung (z.B. bei Hauterkrankungen, Einnahme von Antihistaminika etc.).<br /> Wenn bei In-vitro-Tests sehr breit gef&auml;cherte IgE-Sensibilisierungen auf Nahrungsmittel gefunden werden, kann dies auf einer Sensibilisierung gegen Panallergene wie Profiline oder CCD beruhen.<br /> Die Messung nahrungsmittelspezifischer IgG- oder IgG4-Werte wird zur Diagnose von Nahrungsmittelallergien und -unvertr&auml;glichkeiten in den nationalen und internationalen Leitlinien nicht empfohlen und sollte daher nicht durchgef&uuml;hrt werden.</p> <p><strong>Orale Provokation</strong><br /> Positive Testbefunde aus den Hauttests und der In-vitro-Diagnostik haben nicht immer eine klinische Relevanz. Wenn die Anamnese, insbesondere in F&auml;llen einer systemischen Reaktion, unklar ist, stellt die orale Provokationstestung die einzige Methode dar, um eine Nahrungsmittelallergie zu best&auml;tigen und eine Eliminationsdi&auml;t zu verordnen. Sie sollte immer in einem Krankenhaus-Setting durchgef&uuml;hrt werden.</p> <h2>Therapie</h2> <p><strong>Di&auml;t</strong><br /> Eine Eliminationsdi&auml;t sollte nur bei klarer klinischer Relevanz einer Sensibilisierung erfolgen und es sollten auch nur die klinisch relevanten Nahrungsmittel eliminiert werden. In Einzelf&auml;llen kann der Verzehr allergenarmer Produkte empfohlen werden. Manche (&auml;ltere) Apfelsorten sind z.B. besser vertr&auml;glich als andere. Durch Erhitzung (Kompott) oder Prozessieren kann die Allergenit&auml;t bei Bet-v-1-Homologen und bei Profilinen reduziert werden.</p> <p><strong>Notfallmedikamente</strong><br /> Die Notwendigkeit einer Verordnung von Notfallmedikamenten (meist Antihistaminika und Cortison p.o.) sollte individuell abgesch&auml;tzt werden. Meist ist ein Adrenalin- Pen bei einer rein Bet-v-1-assoziierten Allergie mit OAS nicht n&ouml;tig. Als Ausnahme kann hier die Sojaallergie gesehen werden, bei der es immer wieder zu schweren Reaktionen kommen kann. Ausschlaggebend bei der Wahl des Notfallsets sind die Schwere der Reaktion (lokal oder systemisch), das Expositionsrisiko sowie Komorbidit&auml;ten und Kofaktoren (Stress, Anstrengung etc.). Bei milden, ausschlie&szlig;lich lokalen Reaktionen (oropharyngeale Urtikaria, OAS) und gut vermeidbaren Nahrungsmitteln ist eine Bedarfsmedikation mit oralen Antihistaminika oft ausreichend.</p> <p><strong>Spezifische Immuntherapie</strong><br /> Eine spezifische Immuntherapie gegen kreuzreagierende Pollen erzielt bei einem Teil der Patienten eine Linderung der nahrungsmittelassoziierten Beschwerden. Die Nahrungsmittelallergie alleine stellt jedoch keine Indikation zur Immuntherapie dar. Laut Leitlinien sollte eine spezifische Immuntherapie gegen Pollen nur dann erfolgen, wenn zus&auml;tzlich Atemwegssymptome bestehen. Bei einer prim&auml;ren Allergie, z.B. gegen Erdn&uuml;sse, gibt es bereits teilweise Protokolle f&uuml;r eine orale Immuntherapie (OIT).</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>&bull; Treudler R et al.: Allergo J Int 2017; 26: 273-82 &bull; Webinar Pollen-assoziierte Nahrungsmittelallergien &ndash; neue diagnostische M&ouml;glichkeiten (PD Dr. med. Johannes Huss- Marp; ThermoFisher Scientific; 15. Mai 2013)</p> </div> </p>
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