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Diagnostik und Therapie des Pleuramesothelioms im Frühstadium

<p class="article-intro">Das Pleuramesotheliom, das erstmals 1960 bei Arbeitern einer Asbestmine in Südafrika beschrieben wurde, ist eine neoplastische Erkrankung des Pleuramesothels, die meistens nach der Exposition gegenüber Asbest auftritt. Es ist durch ein aggressives lokales Wachstum, durch ein meist geringes Ansprechen auf unimodale Therapie sowie durch eine im Durchschnitt sehr schlechte Prognose gekennzeichnet, was hauptsächlich daran liegt, dass die meisten Patienten erst in fortgeschrittenen Tumorstadien diagnostiziert werden. Im Frühstadium der Erkrankung können jedoch im multimodalen Therapiesetting signifikant verlängerte Überlebenszeiten bei gleichbleibend guter Lebensqualität erzielt werden.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Fr&uuml;herkennung ist das Um und Auf der effektiven Therapie beim Pleuramesotheliom.</li> <li>Nur mittels multimodaler Therapie kann ein kurativer Therapieansatz mit signifikant verl&auml;ngerten &Uuml;berlebenszeiten realisiert werden.</li> <li>Verschiedenartige palliative Therapieans&auml;tze erm&ouml;glichen auch Patienten in fortgeschrittenen Tumorstadien eine akzeptable Lebensqualit&auml;t.</li> <li>Ein therapeutischer Nihilismus ist beim Pleuramesotheliom heutzutage nicht mehr angebracht.</li> </ul> </div> <h2><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Onko_1803_Weblinks_50_1.jpg" alt="" width="1455" height="1102" /></h2> <h2>Epidemiologie</h2> <p>Die Inzidenz des Pleuramesothelioms variiert zwischen 1 und 30 F&auml;llen unter 1 Million Menschen/Jahr, wobei die Tendenz steigend ist. Mindestens 70 % der Patienten haben eine eindeutige Asbest&shy;anamnese (beruflich oder privat), aber eine fehlende Asbestanamnese schliesst das Vorliegen eines Pleuramesothelioms keinesfalls aus. M&auml;nner sind bis zu achtmal h&auml;ufiger vom Pleuramesotheliom betroffen als Frauen. Eine Besonderheit des Pleuramesothelioms ist die extrem lange Latenzzeit zwischen Asbestexposition und Entstehung einer klinisch manifesten Erkrankung: Sie betr&auml;gt n&auml;mlich 20&ndash;50 Jahre. Aus diesem Grund muss die Exploration der Berufsanamnese weit zur&uuml;ck in die Vergangenheit des Patienten erfolgen und nicht nur dessen pers&ouml;nliche Berufst&auml;tigkeit in asbestexponierten Risikoberufen (z.B. metallverarbeitende Betriebe, Baustellen, Schiffswerften etc.) erfassen, sondern auch dessen privates und h&auml;usliches Umfeld (z.B. Hausrenovierungen, Berufst&auml;tigkeit der im selben Haushalt wohnenden Familienmitglieder etc.). Durch eine rechtzeitige Diagnose kann n&auml;mlich das &Uuml;berleben des Patienten signifikant verl&auml;ngert werden.</p> <h2>&Auml;tiologie, Pathogenese und Pathologie</h2> <p>Das Pleuramesotheliom wird haupts&auml;chlich durch Exposition gegen&uuml;ber Asbestfasern vom sogenannten Crocidolit-Typ verursacht. Da die relativ langen &laquo;Asbestnadeln&raquo; nur unvollst&auml;ndig durch die Makrophagen in der Pleura phagozytiert werden k&ouml;nnen, entsteht nach aktuellem Stand der Forschung dabei eine chronische Pleuritis, die durch die jahrzehntelange Freisetzung von entz&uuml;ndlichen Mediatoren letztendlich zur Entstehung eines Pleuramesothelioms f&uuml;hrt. Histologisch unterscheidet man drei Subtypen: den <strong>epitheloiden</strong> Subtyp (ca. 50 % der F&auml;lle), den <strong>sarkomatoiden</strong> Subtyp (ca. 15 % der F&auml;lle) und den <strong>biphasischen</strong> Subtyp (ca. 35 % der F&auml;lle), der histomorphologische Elemente der beiden vorgenannten Subtypen enth&auml;lt.</p> <h2>Klinik</h2> <p>Die initialen Symptome des Pleuramesothelioms sind in der Regel unspezifisch. Die Patienten pr&auml;sentieren sich mit Dyspnoe, Reizhusten, einem Zwerchfellhochstand im Thoraxr&ouml;ntgen, unklaren Pleuraerg&uuml;ssen, chronischen Thoraxschmerzen oder allgemeiner Ersch&ouml;pfung. Der klinische Verlauf ist in der Tat extrem variabel. Die Ver&auml;nderungen, die sich in einer daraufhin durchgef&uuml;hrten Thorax-CT zeigen k&ouml;nnen, sind zwar typisch, aber auch nicht pathognomonisch: diffuse oder nodul&auml;re Verdickungen der Pleura (parietal und/oder interlob&auml;r); abgekapselte Pleuraerg&uuml;sse ohne Vorliegen von relevant erh&ouml;hten Entz&uuml;ndungsparametern; disseminierte pulmonale Rundherde. Die Liste der m&ouml;glichen Fehldiagnosen ist lang (z.B. Pneumonie, Pleuraempyem, H&auml;matothorax, Pneumothorax), und bis der Patient nach seinem &auml;rztlichen Erstkontakt endlich in ein spezialisiertes Referenzzentrum &uuml;berwiesen wird, vergehen oft 6&ndash;9 Monate. Deshalb ist es sehr wichtig, dass bei Patienten mit l&auml;nger dauernden thorakalen Beschwerden stets auch an das Vorliegen eines Pleuramesothelioms gedacht und eine entsprechende Abkl&auml;rung veranlasst wird.</p> <h2>ASCO-Guidelines 2018</h2> <p>Als Folge einer dankenswerten Initiative der American Society of Clinical Oncology (ASCO) wurden Guidelines betreffend die Therapie des Pleuramesothelioms formuliert und Anfang 2018 ver&ouml;ffentlicht.<sup>1</sup> Bei diesen Guidelines handelt es sich um die Handlungsempfehlungen, die von einem Experten-Panel aus Onkologen, Thoraxchirurgen, Strahlentherapeuten, Pulmologen, Radiologen und Pathologen auf der Grundlage einer systematischen Durchsicht der entsprechenden Literatur von 1990 bis 2017 erstellt wurden. Ber&uuml;cksichtigt wurden dabei systematische Reviews, Metaanalysen und randomisierte kontrollierte, retrospektive sowie prospektive Vergleichsstudien. Die Endpoints der Literaturdurchsicht waren: Gesamt&uuml;berleben, rezidivfreies &Uuml;berleben und Lebensqualit&auml;t. Angesichts der extremen Heterogenit&auml;t der global verwendeten diagnostischen und therapeutischen Ans&auml;tze beim Pleuramesotheliom ist das nunmehrige Vorliegen von klinischen Guidelines als signifikante Standardisierung und damit Verbesserung der Diagnose- und Therapiequalit&auml;t zu sehen.</p> <p><strong class="Zwischentitel-2"><strong>Diagnostik</strong></strong></p> <p>F&uuml;r die Diagnostik fordern die ASCO-Guidelines nach einer etwaigen initialen Zytologie aus dem Pleuraerguss eine definitive histologische Diagnosesicherung, idealerweise durch eine diagnostische Videothorakoskopie (VATS), im Bedarfsfall aber auch durch eine diagnostische Thorakotomie oder durch eine CT-gezielte Punktion, falls der Patient einen operativen Eingriff nicht tolerieren sollte. In der Immunhistochemie sind folgende Marker diagnostisch: Calretinin, Keratin 5/6, WT1 (falls positiv) sowie CEA, EPCAM, Claudin 4, TTF-1 (falls negativ). Die Erhebung von Biomarkern (z.B. Mesothelin, Osteopontin, Fibulin 1 etc.) sowie die Durchf&uuml;hrung von Genomanalysen (&laquo;next generation sequencing&raquo;) werden derzeit aufgrund zu geringer Sensitivit&auml;t und Spezifit&auml;t bzw. aufgrund teilweise mangelnder Standardisierung nicht empfohlen.</p> <p><strong class="Zwischentitel-2"><strong>Staging</strong></strong></p> <p>F&uuml;r das Staging wird eine Thorax-CT mit Kontrastmittel gefordert, die nach RECIST-Kriterien ausgewertet werden sollte. Die theoretisch vielversprechende Tumorvolumen-Messung per CT wird jedoch nicht empfohlen, da sie noch nicht ausgereift ist. Bei Kandidaten f&uuml;r ein operatives Vorgehen ist die Durchf&uuml;hrung einer FDG-PET/CT obligatorisch, um eine Metastasierung oder einen bilateralen Befall durch die Erkrankung auszuschliessen. Bei Verdacht auf breitfl&auml;chige Infiltration der Thoraxwand oder der Wirbels&auml;ule kann eine MR-Tomografie indiziert sein. Ebenso kann eine Mediastinoskopie oder ein endobronchialer Ultraschall (EBUS) bei vergr&ouml;sserten oder PET-positiven Mediastinallymphknoten erforderlich sein oder in Einzelf&auml;llen sogar eine diagnostische Laparoskopie zum Ausschluss von Peritonealmetastasen oder zur generellen Beurteilung des Zwerchfells. Am Ende des Stagingprozesses wird der Patient anhand der nunmehr g&uuml;ltigen 8. Edition des TNM-Systems einem klinischen Stadium zugeordnet.</p> <p><strong class="Zwischentitel-2"><strong>Therapieoptionen</strong></strong></p> <p>An grunds&auml;tzlichen Therapieoptionen stehen Chemotherapie, Chirurgie und Strahlentherapie zur Verf&uuml;gung. Dabei muss unbedingt betont werden, dass die optimale Therapie des Pleuramesothelioms stets eine <strong>multimodale</strong> ist: Die Kombination von zumindest zwei Therapiemodalit&auml;ten (z.B. Chemotherapie und Chirurgie, Chirurgie und Strahlentherapie, Chemotherapie und Chirurgie und Strahlentherapie etc.) bringt stets bessere Ergebnisse als die exklusive Anwendung von einzelnen Therapiemodalit&auml;ten.<br />Chemotherapie <br />Die Chemotherapie verl&auml;ngert beim Pleuramesotheliom nachweislich das &Uuml;berleben und verbessert die Lebensqualit&auml;t. Als First-Line-Therapie kommt die Kombination von Cisplatin und Pemetrexed zum Einsatz (4&ndash;6 Zyklen). Bei ausgew&auml;hlten Patienten kann zus&auml;tzlich Bevacizumab verabreicht werden. Bei schlechtem Performance-Status kann auch eine Therapie mit einer Einzelsubstanz durchgef&uuml;hrt werden. Eine Second-Line-Therapie wird nur im Rahmen von klinischen Trials empfohlen. Eine Wiederbehandlung mit Cisplatin/Pemetrexed ist grunds&auml;tzlich m&ouml;glich, wenn die Erkrankung nach der First-Line-Therapie f&uuml;r mehr als 6 Monate stabil geblieben ist, aber eine Erhaltungstherapie mit Pemetrexed wird nicht empfohlen.<br />Therapie nicht um jeden Preis<br />Eine interessante M&ouml;glichkeit, die von den ASCO-Guidelines 2018 nunmehr empfohlen wird, ist, dass bei asymptomatischen Patienten mit epitheloidem Subtyp, die nur einen minimalen Befall haben und die f&uuml;r eine Operation nicht infrage kommen, ein abwartendes &laquo;wait and see&raquo; in Betracht zu ziehen. Diese Empfehlung bedeutet f&uuml;r mich eine Abkehr vom bisherigen Dogma der Therapie um jeden Preis und ist daher ganz klar als Trendwende zu sehen.<br />Chirurgische Zytoreduktion<br />Laut den Guidelines der International Mesothelioma Interest Group (IMIG) aus dem Jahr 2013 ist eine chirurgische Zytoreduktion nur dann indiziert, wenn eine makroskopisch komplette Resektion m&ouml;glich ist. In den ASCO-Guidelines von 2018 wird die chirurgische Indikationsstellung nun deutlich pr&auml;zisiert: Eine maximale chirurgische Zytoreduktion ist nur bei ausgew&auml;hlten Patienten im Fr&uuml;hstadium, nur im Rahmen multimodaler Therapie und nur bei entsprechender kardiopulmonaler Fitness indiziert. Bei Zwerchfellbefall und multifokalem Befall der Thoraxwand ist ein operatives Vorgehen nur nach neoadjuvanter Chemotherapie indiziert. Klare Kontraindikationen zur maximalen chirurgischen Zytoreduktion sind: ein Befall der kontralateralen oder supraklavikul&auml;ren Lymphknoten (=N2 in der 8. Edition des TNM-Systems), ein M1-Stadium mit kontralateralen thorakalen oder extrathorakalen Metastasen sowie ein sarkomatoider Subtyp.<br />Es wird betont, dass aufgrund des diffusen Wachstums der Erkrankung selbst im Idealfall nur eine makroskopisch und niemals eine mikroskopisch komplette Resektion erzielt werden kann. Aus diesem Grund wird in allen aktuellen Guidelines immer nur von &laquo;Zytoreduktion&raquo; und nicht von &laquo;Resektion&raquo; gesprochen, und daher gibt es hier auch keine R0-Resektion. Als infrage kommende operative Verfahren zur maximalen chirurgischen Zytoreduktion werden in den ASCO-Guidelines 2018 jedenfalls grunds&auml;tzlich lungenerhaltende Verfahren oder die extrapleurale Pneumonektomie aufgelistet, wobei die lungenerhaltenden Verfahren &ndash; wie die erweiterte Pleurektomie/Dekortikation (EPD) oder die Pleurektomie/Dekortikation (P/D) &ndash; ausdr&uuml;cklich als die chirurgischen Therapien der ersten Wahl empfohlen werden, w&auml;hrend die extrapleurale Pneumonektomie nur in ausgew&auml;hlten Einzelf&auml;llen indiziert ist. Eine in der Literatur diskutierte sogenannte intrakavit&auml;re Therapie &ndash; d.h. die intraoperative Verabreichung von intrapleuraler Chemotherapie oder von lokaler photodynamischer Therapie nach Komplettierung der maximalen chirurgischen Zytoreduktion &ndash; wird derzeit nur im Rahmen von kontrollierten klinischen Trials empfohlen, da eine Verl&auml;ngerung des Gesamt&uuml;berlebens nach solchen Massnahmen bis jetzt noch nicht nachgewiesen werden konnte. <br />Palliative chirurgische Verfahren<br />Neben den erw&auml;hnten Verfahren der maximalen chirurgischen Zytoreduktion, die prinzipiell einen kurativen Ansatz verfolgen, gibt es auch eine Reihe von palliativen chirurgischen Verfahren, die bei symptomatischem Pleura- oder Perikard&shy;erguss bei ECOG PS &ge;2 oder bei Undurchf&uuml;hrbarkeit einer maximalen chirurgischen Zytoreduktion (wegen ausgedehnten Befalls oder signifikanter Komorbidit&auml;t) zur Anwendung kommen k&ouml;nnen. Dazu geh&ouml;ren die Anlage eines tunnelierten permanenten Pleura- oder Perikardkatheters, die Durchf&uuml;hrung einer endoskopischen oder offenen Tumormassenreduktion (Debulking) und/oder Pleurodese sowie die Anlage eines Perikardfensters. Es muss betont werden, dass diese palliativen Massnahmen allesamt zwar keinerlei Einfluss auf das Gesamt&uuml;berleben haben, aber f&uuml;r den Patienten eine signifikante Verbesserung der Lebensqualit&auml;t zur Folge haben. Aus diesem Grund sollte in symptomatischen Stadien die Indikationsstellung grossz&uuml;gig erfolgen.<br />Strahlentherapie<br />Die Strahlentherapie kann im multimodalen Setting der Pleuramesotheliomtherapie die Lokalrezidivrate vermindern und daher nach maximaler chirurgischer Zytoreduktion mit gutem Ergebnis angeboten werden. Nach lungenerhaltender Chirurgie sollte bei ausgew&auml;hlten Patienten eine adjuvante intensit&auml;tsmodulierte Radiotherapie (IMRT) durchgef&uuml;hrt werden, w&auml;hrend nach extrapleuraler Pneumonektomie eine Hochdosis-Strahlentherapie indiziert ist. Eine neoadjuvante Strahlentherapie ist noch als experimentelles Verfahren anzusehen und wird generell nicht bei geplanter lungenerhaltender Chirurgie empfohlen. Eine fr&uuml;her h&auml;ufig empfohlene prophylaktische Bestrahlung der operativen Zugangsstellen ist nach derzeitiger Datenlage obsolet, aber bei histologisch gesichertem Befall dieser Zugangsstellen ist eine adjuvante Strahlentherapie durchaus sinnvoll. Im palliativen Setting kann bei symptomatischen Patienten durch Strahlentherapie lange Symptomfreiheit erzielt werden, w&auml;hrend bei r&auml;umlich umschriebenem Lokalrezidiv selbst asymptomatischen Patienten eine Strahlentherapie angeboten werden sollte.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Kindler HL et al.: Treatment of malignant pleural mesothelioma: American Society of Clinical Oncology clinical practice guideline. J Clin Oncol 2018; 36(13): 1343-73<br />Die weitere Literatur ist beim Verfasser.</p> </div> </p>
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