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Familiäre Hypercholesterinämie

<p class="article-intro">Wenn ein Patient einen LDL-Wert über 190mg/dl aufweist, fragen Sie ihn nach der Familienanamnese: Gibt es Verwandte ersten oder zweiten Grades mit prämaturen kardiovaskulären Erkrankungen? Mit einer Wahrscheinlichkeit von 2 % könnte es sich um eine familiäre Hypercholesterinämie handeln. Sie könnten das kardiovaskuläre Risiko des Patienten und seiner Familie dramatisch senken.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die famili&auml;re Hypercholesterin&auml;mie (FH) ist eine h&auml;ufige monogenetische Ursache f&uuml;r eine fr&uuml;hzeitige koronare Herzerkrankung infolge eines erh&ouml;hten &bdquo;Low-density&ldquo;-Lipoprotein- Cholesterin(LDL-C)-Plasmaspiegels. Der Vererbungsmodus ist autosomal-dominant. Patienten mit heterozygoter FH (der Gendefekt wird nur von einem Elternteil vererbt), mit einem durchschnittlichen LDL-C-Spiegel zwischen 190 und 500mg/ dl, entwickeln unbehandelt typischerweise eine koronare Herzkrankheit (KHK) vor dem Alter von 55&ndash;60 Jahren. Bei Homozygoten (der Gendefekt wird von beiden Elternteilen vererbt) liegt der LDL-C-Spiegel durchschnittlich bei 500&ndash;1000mg/dl, die Erkrankung tritt sehr fr&uuml;h auf und hat unbehandelt eine hohe Letalit&auml;t vor dem 20. Lebensjahr. Jedoch kann man, wenn fr&uuml;hzeitig diagnostiziert und therapiert, die Progression der Erkrankung deutlich verlangsamen. Sch&auml;tzungen zufolge liegt die Pr&auml;valenz der heterozygoten FH (HeFH) bei 1:200 bis 1:300, w&auml;hrend die homozygote FH (HoFH) mit 1:160 000 bis 1:300 000 sehr selten ist. Es werden jedoch leider die wenigsten diagnostiziert.</p> <h2>Pathophysiologie</h2> <p>Zu 95 % ist die FH durch eine Genmutation des LDL-Rezeptors verursacht sowie zu 4&ndash;5 % des Apolipoproteins B 100 (ApoB, bindet LDL an den LDL-Rezeptor), wodurch die Bindungsf&auml;higkeit des LDL an den Rezeptor drastisch reduziert wird. 1 % der FH wird durch die Mutation eines Enzyms, der Proproteinkonvertase Subtilisin/ Kexin Typ 9 (PCSK9), verursacht, was in einem verst&auml;rkten Abbau des LDLRezeptors resultiert. Durch die Mutationen kommt es zu einer verminderten Aufnahme der LDL-Partikel in der Leber, folglich zu einem verminderten Abbau des LDL-Cholesterins und zu erh&ouml;hten Plasma- LDL-Konzentrationen.<br /> Abzugrenzen von diesen klassischen autosomal-dominanten Erbg&auml;ngen ist die sehr seltene autosomal-rezessive Hypercholesterin&auml;mie, bei der eine homozygote Mutation am LDL-Rezeptor-Adapter-Protein vorliegt.</p> <h2>Differenzialdiagnosen</h2> <p>Bei LDL-Werten &gt;190mg/dl sollten auch andere prim&auml;re Hyperlipid&auml;mien wie die h&auml;ufige polygenetische Hypercholesterin&auml;mie mit Gesamtcholesterinwerten zwischen 200 und 300mg/dl, die h&auml;ufige famili&auml;re kombinierte Hyperlipoprotein &auml;mie mit Cholesterinwerten bis ca. 350mg/dl und Triglyzeridwerten zwischen 200 und 400mg/dl, die Lipoprotein(a)-Hyperlipoprotein&auml;mie, die seltene Typ-III-Hyperlipoprotein&auml;mie mit Apolipoprotein-E-Mutation, die extrem seltene Sitostero l&auml;mie, der ebenfalls sehr seltene Morbus Wolman mit Manifestation bereits nach der Geburt sowie sekund&auml;re Hyperlipid&auml;mien bei Diabetes mellitus Typ 2, Hypothyreose, Cholestase, Anorexia nervosa, nephrotischem Syndrom, multiplem Myelom oder Kortisontherapie in Betracht gezogen werden.</p> <h2>Klinik und Diagnostik</h2> <p>Laut ESC/EAS Guidelines 2016 wird die Diagnose der FH unter Anwendung des Dutch Lipid Clinic Network (DLCN) Scores (Tab. 1) gestellt und ber&uuml;cksichtigt 5 Kriterien: Es werden Punkte vergeben f&uuml;r pr&auml;mature (M&auml;nner &lt;55 Jahren, Frauen &lt;60 Jahren) koronare Herzerkrankung, zerebrale oder periphere Gef&auml;&szlig;erkrankung, f&uuml;r das Vorliegen von Sehnenxanthomen (ausschlie&szlig;lich im Bereich von Strecksehnen, z.B. Patella-, Achilles- , Finger- und Unterarmstrecksehnen, Abb. 1) oder eines Arcus corneae (Abb. 2), f&uuml;r erh&ouml;hte LDL-Cholesterinwerte, f&uuml;r eine positive Familienanamnese oben genannter Parameter und f&uuml;r eine etwaige Genotypisierung. Je nach Zahl der erreichten Punkte wird zwischen definitiver, wahrscheinlicher und m&ouml;glicher famili&auml;rer Hypercholesterin&auml;mie unterschieden. Bei 65&ndash;75 % der Patienten, die nach den klinischen Kriterien als &bdquo;wahrscheinlich&ldquo; oder &bdquo;definitiv&ldquo; diagnostiziert werden, l&auml;sst sich derzeit eine Mutation nachweisen. Daraus ist zu schlie&szlig;en, dass es vermutlich weitere bisher noch nicht entdeckte Mutationen gibt.<br /> Bei der Diagnosestellung ist aufgrund der heredit&auml;ren &Auml;tiologie der Erkrankung ein Familienscreening (LDL-Cholesterin) indiziert. Bei Kindern sollte dieses zwischen dem 2. und dem 10. Lebensjahr stattfinden: Ein LDL-Cholesterinlevel &gt;135mg/dl gilt als deutliches Anzeichen. Bei nachgewiesener Mutation wird auch eine molekulargenetische Analyse der Familienmitglieder (Kaskadenscreening) empfohlen.<br /> Zur Einsch&auml;tzung des kardiovaskul&auml;ren Risikos und damit zur Bestimmung des angestrebten LDL-Zielwertes bei asymptomatischen FH-Patienten wird die Durchf&uuml;hrung einer Carotis-Duplexsonografie, einer Ergometrie, eventuell einer Koronar- CT und auch einer Echokardiografie (Beurteilung des Verkalkungsgrades der Aortenklappen) empfohlen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_DAM_Allgemeinm_1804_Weblinks_dam_1804_s14_tab1.jpg" alt="" width="1417" height="1897" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_DAM_Allgemeinm_1804_Weblinks_dam_1804_s15_abb1+2_korr.jpg" alt="" width="350" height="612" /></p> <h2>Therapie</h2> <p>Nach FH-Diagnosestellung wird eine Lebensstilberatung bez&uuml;glich Rauchen, Ern&auml;hrung und Bewegung empfohlen. Der LDL-Cholesterin-Zielwert liegt f&uuml;r alle erwachsenen Patienten mit heterozygoter FH bei &lt;100mg/dl, jedoch bei &lt;70mg/dl, wenn bereits eine manifeste Atherosklerose vorliegt. Sofort nach der Diagnose sollte die Therapie begonnen werden: zun&auml;chst mit hochpotenten Statinen (Atorvastatin 80mg, Rosuvastatin 40mg), gegebenenfalls in Kombination mit Ezetimib 10mg bzw. mit Gallens&auml;urebindern (Colesevelam).<br /> Sollte der Zielwert mit Statinen nicht erreicht werden oder besteht Statinintoleranz, wird eine Therapie mit einem PCSK9-Inhibitor, Evolocumab oder Alirocumab, empfohlen. Aktuelle Studien mit PCSK9-Hemmern zeigen nicht nur eine deutliche Senkung des LDL-C-Spiegels von ca. 40 % bei FH-Patienten, sondern auch eine Reduktion der kardiovaskul&auml;ren Ereignisse und der Mortalit&auml;t sowie eine Verbesserung der Lebensqualit&auml;t durch Reduktion der Lipoproteinapherese.<br /> Um die Erstattung in der Prim&auml;rpr&auml;vention muss bei der jeweiligen Krankenkasse angesucht werden und sie ist eine Einzelfallentscheidung. Die Lipoproteinapherese ist bei der homozygoten FH und bei schwerer bzw. progredienter heterozygoter FH indiziert.<br /> Weitere therapeutische Optionen bei HoFH, gegebenenfalls in Kombination mit der Apherese, sind ebenfalls PCSK- 9-Inhibitoren sowie Lomitapid, ein selektiver Inhibitor des mikrosomalen Triglyzerid- Transfer-Proteins (MTP), das intrazellul&auml;r f&uuml;r den Transport und den Einbau von Lipidmolek&uuml;len in Plasmalipoproteine verantwortlich ist.</p> <h2>FH-Register</h2> <p>2015 wurde das &ouml;sterreichische FHRegister initiiert: Das Pilotprojekt &bdquo;Fass dir ein Herz&ldquo; der &Ouml;sterreichischen Atherosklerosegesellschaft (AAS) hat in enger Kooperation mit fachverwandten Gesellschaften das Ziel, Personen mit FH anonym gem&auml;&szlig; dem Datenschutzgesetz zu registrieren sowie ein Kaskaden-Screening durchzuf&uuml;hren, um Betroffene fr&uuml;hzeitig zu identifizieren, ihnen zu einer geeigneten Behandlung zu verhelfen und somit kardiovaskul&auml;re Ereignisse zu verhindern. Neben der Fr&uuml;herkennung dient das Register der Erhebung von Pr&auml;valenzdaten in &Ouml;sterreich, analog zum Modell in den Niederlanden.<br /> Kontakt: &uuml;ber AAS (www.aas.at) oder &uuml;ber die Patientenorganisation FHchol Austria (www.fhchol.at)</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Die koronare Herzkrankheit ist immer noch die f&uuml;hrende Todesursache weltweit. Es ist davon auszugehen, dass das Schicksal vieler Familien mit FH durch eine fr&uuml;he Diagnose und Therapie positiv beeinflusst werden kann.</p> </div></p>
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