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Analyse

Der Hausarzt im Spannungsfeld

<p class="article-intro">Kaum ein wacher Zeitgenosse, ob Bürger, Patient oder im Gesundheitswesen Tätiger, wird heutzutage bestreiten, dass der Beruf des Allgemeinmediziners in der Kassenpraxis eine vom Aussterben bedrohte Spezies darstellt.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die Gr&uuml;nde daf&uuml;r sind vielschichtig und bestehen aus extrinsischen und intrinsischen Parametern.<br /> Wenden wir uns als Erstes den extrinsischen Parametern zu. Hier muss zu Beginn die Politik genannt werden, die es sich in den letzten f&uuml;nfzehn Jahren auf ihre Fahnen geschrieben hat, mit dementsprechenden &bdquo;Gesundheitsreformen&ldquo; alles viel besser zu machen und damit die nachhaltige medizinische Versorgung der Bev&ouml;lkerung auf einem preiswerten und hohen Niveau zu sichern. Wir h&ouml;ren in unregelm&auml;&szlig;igen Abst&auml;nden Slogans wie: &bdquo;Wir m&uuml;ssen den niedergelassenen Bereich st&auml;rken!&ldquo; Ein Statement, das sich gut anh&ouml;rt. In scharfem Kontrast dazu vernehmen wir aber von Politik und Hauptverband zwischendurch auch immer wieder andere T&ouml;ne, die an Lautst&auml;rke zunehmen. T&ouml;ne, die nicht unsere t&auml;gliche intensive medizinische Arbeitst&auml;tigkeit an vorderster Front in den Mittelpunkt stellen, sondern uns in erster Linie als &bdquo;Kostenverursacher&ldquo; definieren und die danach trachten, unter dem M&auml;ntelchen eines trendigen Zeitgeistes, uns als &bdquo;Gesundheitsdienstanbieter&ldquo; auf Augenh&ouml;he mit anderen Gesundheitsberufen zu installieren. Dabei versteht es sich jedoch von selbst, dass trotz aller Nivellierungsbestrebungen die Verantwortung f&uuml;r alle behandlungsrelevanten Handlungsabl&auml;ufe zu 100 % bei uns bleibt! Wie steht es aber mit dem fachlichen Hintergrund mancher Entscheidungstr&auml;ger in unserem Gesundheitssystem? Dazu ein Zitat des nach 23 Jahren scheidenden &Ouml;VPGesundheitssprechers und Nationalrats Dr. Erwin Rasinger (&Auml;rztezeitung 23/24, 15. 12. 2017; S24): &bdquo;Im Justizministerium kann nur jemand, der die Pr&uuml;fung f&uuml;r die Funktion eines Richters, Staatsanwaltes oder die Rechtsanwaltspr&uuml;fung gemacht hat, einen Job kriegen. Diese Anforderungen gibt es f&uuml;r das Gesundheitsministerium nicht. Dort sind &Auml;rzte kaum vorhanden. Wie auch in der &uuml;brigen Politik.&ldquo;<br /> Eine weitere zunehmende H&uuml;rde, gen&uuml;gend Allgemeinmediziner einzusetzen, liegt in Ausbildung und Ausbildungsqualit&auml;t. Durch das neue Arbeitszeitgesetz sind die Kollegen viel k&uuml;rzer als fr&uuml;her im Krankenhaus, m&uuml;ssen aber zeitverdichtet dennoch unter erh&ouml;hten Anstrengungen ihre Aufgaben erf&uuml;llen. Dies f&uuml;hrt dazu, dass f&uuml;r Begleitung und Ausbildung von jungen Kollegen immer weniger Zeit &uuml;brig bleibt. Zudem kam es in den letzten Jahren zu einer ausgepr&auml;gten Reduktion von Ausbildungspl&auml;tzen f&uuml;r Allgemeinmediziner. Daf&uuml;r sind haupts&auml;chlich zwei Gr&uuml;nde zu nennen: Erstens wurde ein erheblicher Teil von Ausbildungspl&auml;tzen f&uuml;r Allgemeinmediziner durch Stellen f&uuml;r Pflegepersonal ersetzt, damit dieses, den neuen Anforderungen gerecht, vermehrt Arbeits&uuml;bertragungen von vormalig den &auml;rztlichen Bereichen zugeordneten T&auml;tigkeiten durchf&uuml;hren kann. Ein weiterer signifikanter Teil der Ausbildungspl&auml;tze f&uuml;r Allgemeinmediziner wurde an den Abteilungen in Facharztausbildungsstellen umgewandelt. Dies erm&ouml;glichte, das Arbeitszeitgesetz und die damit einhergehende Intensivierung der zu verrichtenden Arbeit einzuhalten. Zudem w&auml;re es an den meisten Abteilungen ohne zus&auml;tzliche Fach&auml;rzte unm&ouml;glich, das erforderliche Dienstrad und die &auml;rztlichen Bereitschaften zu bestreiten. Ein Turnusarzt in Ausbildung zum Allgemeinmediziner ist aus besagten Gr&uuml;nden und der geringeren fachlichen Kompetenz f&uuml;r eine Fachabteilung daher bei Weitem nicht so wertvoll wie ein Assistenzarzt in Ausbildung zum Facharzt. Ein Assistenzarzt wird nach Beendigung seiner Ausbildung eventuell auch in weiterer Folge im Krankenhaus bleiben und damit auch langfristig mehr f&uuml;r seine Abteilung einbringen.<br /> Dahingehend geh&ouml;ren Stellenplan und Ausbildungspl&auml;ne &uuml;berarbeitet, um einen ausreichenden Nachschub an zuk&uuml;nftigen Allgemeinmedizinern zu garantieren. Um auch die dringend n&ouml;tige formale Aufwertung und Wertsch&auml;tzung zu erm&ouml;glichen, soll die Ausbildung zum Arzt f&uuml;r Allgemeinmedizin der Facharztausbildung ad&auml;quat sein.<br /> Um junge Kollegen f&uuml;r eine m&ouml;gliche zuk&uuml;nftige T&auml;tigkeit als Hausarzt begeistern zu k&ouml;nnen, ist es unbedingt erforderlich, die Lehrpraxis zu st&auml;rken und zu erm&ouml;glichen. Hier k&ouml;nnen in Zusammenarbeit mit erfahrenen Kollegen wertvolle Einblicke in die Arbeitswelt des Allgemeinmediziners gewonnen werden. Nur so kann Begeisterung f&uuml;r die abwechslungsreiche T&auml;tigkeit als &bdquo;family doctor&ldquo; gesch&uuml;rt werden. Dies erfordert innovative Finanzierungsmodelle, die den Praxisinhaber weitgehend entlasten und ihn nicht zus&auml;tzlich neben dem vermehrten Arbeitsaufwand durch Erkl&auml;rungen, Nachbesprechungen, &Uuml;berwachung und Aufteilung von Arbeitsabl&auml;ufen belasten. Dieser Weg wurde von einzelnen Bundesl&auml;ndern schon erkannt und erfolgreich beschritten.<br /> Auch einige intrinsische Parameter sind einer erfolgreichen und zufriedenstellenden T&auml;tigkeit als Allgemeinmediziner in der Rolle des Hausarztes mehr als abtr&auml;glich.<br /> Wir verf&uuml;gen &uuml;ber ein antiquiertes Honorierungssystem mit v&ouml;llig &uuml;berholten Leistungslimitierungen. Diese Tatsache wird auch als wesentlicher Punkt von Medizinstudenten genannt, den Beruf eines Hausarztes nicht zu ergreifen. Deshalb sollte die Honorierung der Allgemeinmediziner auch der der Facharztkollegen angeglichen werden, um dem Inhalt der medizinischen T&auml;tigkeit und der damit notwendigen Wertsch&auml;tzung gerecht zu werden.<br /> Eind&auml;mmung einer v&ouml;llig &uuml;berbordenden B&uuml;rokratie mit unz&auml;hligen divergierenden Details in Abrechnungsmodalit&auml;ten und diversen Verschreibungsmodalit&auml;ten in Zusammenarbeit mit den diversen Krankenkassen. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht allgemein ein B&uuml;rokratieabbau gefordert wird, und kaum ein Tag vergeht, an dem wir im Alltag nicht mit neuen, zum Teil kleinlichen Details und &Auml;nderungen in unserer administrativen T&auml;tigkeit konfrontiert werden. Damit wird unsere &auml;rztliche T&auml;tigkeit unn&ouml;tig immer wieder massiv erschwert und belastet.<br /> Viele junge Kollegen wollen zusammenarbeiten und keine Einzelk&auml;mpfer sein. Ein hoher finanzieller Aufwand bei Beginn der T&auml;tigkeit und die vorhersehbar hohe Arbeitsbelastung schrecken viele junge Kollegen ab. Zudem wird die Medizin immer weiblicher. Frauen haben in der Regel meist mehr als ihre m&auml;nnlichen Berufskollegen auch noch die zus&auml;tzlichen Belastungen und Herausforderungen von Nachwuchs und Haushaltsorganisation zu meistern und zu tragen. Deshalb m&uuml;ssen neue M&ouml;glichkeiten der Zusammenarbeit geschaffen werden.<br /> Verbesserte Gruppenpraxismodelle mit attraktiveren Rahmenbedingungen (derzeit gesteigerte Verpflichtungen, Vorschriften und Limitierungen in vielen Bundesl&auml;ndern) sollten geschaffen werden.<br /> Au&szlig;erdem muss nach eindeutiger Regelung der &auml;rztlichen Vertretung die M&ouml;glichkeit der &bdquo;Anstellung von &Auml;rzten bei &Auml;rzten&ldquo;, die in so gut wie allen anderen Berufsgruppen eine v&ouml;llige Selbstverst&auml;ndlichkeit ist, auch bei medizinischen Praxen er&ouml;ffnet werden.<br /> Wen wundert es, dass diese F&uuml;lle an extrinsischen und intrinsischen Parametern, die das Dasein unserer Haus&auml;rzte massiv erschweren, letztendlich dazu f&uuml;hrt, dass eine Vielzahl von Jung&auml;rzten lieber ins Ausland abwandert, wo bessere Ausbildung und attraktivere finanzielle Rahmenbedingungen winken, oder ihr Gl&uuml;ck in anderen medizinischen oder verwandten Bereichen suchen.<br /> Wir h&ouml;ren auch gelegentlich Kommentare von Systemfunktion&auml;ren, die auf die hohe &Auml;rztedichte in &Ouml;sterreich hinweisen und argumentieren, dass es bei uns ja gar keinen &Auml;rztemangel g&auml;be! Dies n&uuml;tzt uns gar nichts, wenn die &Auml;rzte nicht dorthin gehen, wo wir sie am meisten brauchen, n&auml;mlich in den Kassenpraxen. Wir haben l&auml;ngst den Anschluss an die internationale Spitze verloren und rutschen in den entsprechenden Rankings von Jahr zu Jahr weiter ab.<br /> Es ist zwar bereits f&uuml;nf Minuten nach zw&ouml;lf, aber trotzdem noch nicht zu sp&auml;t, um mit den richtigen Ma&szlig;nahmen und erforderlichen Kurskorrekturen wiederum eine massive Aufwertung und Steigerung der Attraktivit&auml;t des Hausarztberufes und damit einhergehend eine langfristig garantierte hochwertige medizinische Versorgung der Bev&ouml;lkerung zu erwirken!</p></p>
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