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Heilmittel gegen Ärzteranking
DAM
Autor:
Dr. Wolfgang Geppert
E-Mail: geppert@aon.at
30
Min. Lesezeit
22.03.2018
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<p class="article-intro">Ärztebewertungen sind unseriös. Durch Verweigerung von Namensnennungen kann den Rankings die Grundlage entzogen werden.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Werturteile über Niedergelassene, ob im Internet oder in Zeitschriften, sind in Mode. Um ihre fehlende Seriosität zu beweisen, fasse ich willkürlich drei Rankings aus periodischen Druckschriften heraus. Internetbewertungen kommen hier nicht zur Sprache. Die Niedergelassenen in Zahlen: 10 500 Wahlärzten (60 % ) stehen 7200 (40 % ) Vertragskollegen gegenüber. Bei der „Kopfzahl“ gibt es einen Überhang zugunsten der Wahlärzte. Bei der Anzahl der Patientenbehandlungen hingegen haben die Vertragskollegen die Nase vorne. Der weitaus größte Teil heimischer Erkrankter wird von Vertragsärzten versorgt.</p> <h2>Werbeplattform für Spezialisten mit Privatpraxis</h2> <p>Blenden wir in den Herbst 2013 zurück. Damals kürte das Wochenmagazin NEWS in vier hintereinander folgenden Ausgaben „Österreichs beste Ärzte“. Im Heft vom 7. November 2013 waren die Chirurgen, Gynäkologen und Psychiater aus dem gesamten Bundesgebiet an der Reihe. Aus der Gruppe der Fachärzte für allgemeine Chirurgie mit eigener Praxis wurden 23 Kollegen auf das NEWS-Podest gehoben. Von den „Koryphäen am OP-Tisch“ war die Rede. Nur drei der Erwähnten waren damals Vertragsärzte der Gebietskrankenkasse, also keine Spur vom erwähnten Verhältnis 60:40. Noch krasser war das Missverhältnis bei den Gynäkologen. Insgesamt wurden 31 aufgelistet, von denen lediglich 3 Verträge mit den Kassen besaßen: eine Wiener Kollegin und je ein Kollege in Krems und Linz. Diese Auflistung der ungleichen Verteilung ließe sich beliebig fortsetzen. Bei besonders Privilegierten priesen die Texte neben den Konterfeis auch gleich die persönliche Spezialisierung an. Werbung durch die Hintertür. Schon damals war ich ein scharfer Kritiker dieser Art von Selbsterhöhung. Autoren derartiger Veröffentlichungen reagierten auf meinen Vorwurf, die Auslesekriterien blieben im Dunkeln, ganz gelassen: „Die Prämierung erfolgt durch Ihre Kollegen, von ihnen erfahren wir die Namen.“</p> <h2>Warum kein Ranking der besten Notare oder Geometer?</h2> <p>Unter den Freiberuflern lassen sich nur die Ärzte derart fragwürdige Auf- und damit auch Abwertungen gefallen. Man stelle sich nur vor, ein Ranking der besten Notare Wiens käme zum Abdruck. Dazu Textzeilen wie etwa: „Koryphäe bei Testamenten“ oder „Rekordmeister in Beglaubigungen!“ Das marktschreierische Hochjubeln von 5–10 % einer Berufsgruppe, wie bei den niedergelassenen Ärzten gang und gäbe, hätte bei Notaren medienrechtliche Folgen. Da würde auch die fadenscheinige Begründung, für die Einstufung seien die besagten Freiberufler selbst verantwortlich, nichts helfen. Ein Proteststurm der Notariatskammer wäre die Folge. Auch bei einem Ranking der Geometer Österreichs bliebe die Reaktion der Standesvertretung nicht aus. Das gegenseitige Hochloben der Kammermitglieder, um schlussendlich einen „Meister in Parzellierungen“ zu veröffentlichen, würde den Anwälten der diversen Medien rege Aktivitäten bescheren. Nicht unmöglich, dass die zuständige Bundeskammer so ganz nebenbei gegen die profilierungssüchtigen und auskunftsfreudigen Geometer disziplinarrechtlich vorginge.</p> <h2>In Wien häufen sich „Österreichs beste Hausärzte“</h2> <p>In einem Ranking des Wirtschaftsmagazins „Trend“ (Ausgabe 40/2017) wiederum geht es um die angeblich „besten Hausärzte Österreichs“. Von diesen gebe es in der Bundeshauptstadt gleich 94 Stück, 65 davon haben Verträge mit der Gebietskrankenkasse. Der Rest der Prämierten betreibt entweder eine Wahlarztpraxis oder hat Verträge mit den sogenannten kleinen Kassen. Da in Wien insgesamt 735 Allgemeinmediziner mit Gebietskrankenkassenvertrag tätig sind, kommen somit knapp 9 % der Kassenpraktiker in den fragwürdigen Genuss einer medialen Aufwertung. Außerhalb der Stadtgrenze, in Niederösterreich, so die Schlussfolgerung aus besagter Veröffentlichung, muss eine hausärztliche Wüste herrschen. Dieses Ranking aus dem Oktober 2017 erhebt nämlich nur 13 niederösterreichische Allgemeinmediziner in die Klasse der Besten, acht davon sind Kassenvertragsärzte, die restlichen fünf betreiben eine Wahlarztpraxis. Im Industrieviertel südlich von Wien scheint das Niveau der Kassenpraktiker ganz am Boden zu liegen. Für die großen Bezirke in diesem Gebiet, wie Mödling, Baden, Wiener Neustadt, Wiener Neustadt Land und Neunkirchen, fällt kein einziger Name eines Kassen- Allgemeinmediziners, der es wert wäre, als „bester Hausarzt“ eingestuft zu werden. Damit sind 476 000 Einwohner der Region von einem besonderen Mangel an „Super-Hausärzten“ betroffen. Mit 766 Kassenpraktikern ist Niederösterreich derzeit das hausarztreichste Bundesland. Trotzdem wird nur 1 % davon in die Premiumklasse hochgestuft. Noch schlechter ergeht es den Kärntnern. Ginge es nach dem besagten Ranking, müssten sich die Patienten im südlichsten Bundesland um die Qualität ihrer Hausärzte ernsthafte Sorgen machen. Kärnten weist nur einen einzigen „ausgezeichneten“ Kassenpraktiker auf: Dr. Christian Ziebart-Schroth in Mallnitz. Die restlichen 253 Kärntner Kassenhausärzte gehen leer aus. Diese Information kann auch Fehlreaktionen auslösen. Ein Bewohner aus Wolfsberg zum Beispiel könnte sich veranlasst fühlen, nach Mallnitz aufzubrechen, um dort Rat und Hilfe vom dem laut „Trend“ besten Kärntner Kassenpraktiker in Anspruch zu nehmen. 173 Kilometer liegen zwischen den beiden Kärntner Gemeinden. Selbst eine Fahrzeit von zwei Stunden reicht nicht aus, um mit dem Auto diese Entfernung zu überwinden.</p> <h2>Nur 16 von 333 nö. Internisten in der „Premiumklasse“</h2> <p>Die Mediengruppe „Österreich“ veröffentlicht wöchentlich das Gesundheitsmagazin „gesund & fit“. Im November des vergangenen Jahres waren in mehreren Ausgaben Ärztebewertungen am Programm. Im Heft vom 13. November 2017 folgte Teil 2 des Rankings „Österreichs beste Ärzte“. Wollen Leser des besagten Magazins mittels e-card einen der veröffentlichten Wiener Internisten aufsuchen, gibt es die Wahl zwischen je einem Spezialisten in der Inneren Stadt und in Döbling. Sind sie aber bereit, Privatärzte aufzusuchen, dann stehen Kollegen des Faches innere Medizin in 10 Bezirken zur Auswahl. Von den 18 angeführten „Premium- Internisten“ haben 16 keine Kassenverträge. Bei den Wiener „Gesund & fit“-Orthopäden ist das Missverhältnis privat zu Kasse noch ausgeprägter. Von 22 Hochgelobten verfügen nur zwei über Verträge mit der Gebietskrankenkasse. Blicken wir zur offiziellen Ärzteliste nach Niederösterreich. Hier stehen den 69 Internisten mit Gebietskrankenkasse 264 Wahlärzte gegenüber. Damit ordinieren in diesem Bundesland 79 % der Fachärzte für innere Medizin ohne Kassenbindung. Von den insgesamt 333 Ärzten dieses Faches fischen die „Gesund & fit“- Redakteure 16 Kollegen heraus, um sie den Lesern namentlich ans Herz zu legen. Damit verdienen laut dem besagten Magazin nur knapp 5 % das Prädikat wertvoll. Eine derartige Verzerrung hätte den lauten Aufschrei der Fachgruppe zur Folge haben müssen, denn im Umkehrschluss bedeutet dies, dass 95 % der niederösterreichischen Internisten als zweitrangig zu bezeichnen sind. Den 198 niederösterreichischen Orthopäden (davon 50 Kassenärzte) ergeht es bei dieser Bewertung um eine Spur besser. Fast 9 % von ihnen bekommen den ominösen Qualitätsstempel verpasst: 17 Kollegen (12 Wahl- und 5 Kassenärzte) werden den Lesern empfohlen. So bleibt zum Abschluss nur der Aufruf, diesem Nonsens aktiv entgegenzutreten. Verweigern Sie Journalisten gegenüber jede Aussage über Kollegen Ihres Vertrauens.</p></p>
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