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Weniger Morbidität durch bessere Information

<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Harnleiterschienung ist mit einer hohen Morbidit&auml;t assoziiert.</li> <li>Durch eine gute Patientenaufkl&auml;rung kann diese Morbidit&auml;t gesenkt werden.</li> <li>Hierzu wurde gem&auml;ss etablierten psychometrischen und statistischen Verfahren eine Informationsbrosch&uuml;re entwickelt, welche interessierten Kollegen zur Verf&uuml;gung steht.</li> <li>Der aufgezeigte Algorithmus zur Entwicklung und Validierung ist auf beliebige medizinische Themen &uuml;bertragbar.</li> </ul> </div> <h2>Hintergrund</h2> <p>Die Harnleiterschienung zur tempor&auml;ren Drainage des oberen Harntrakts stellt weltweit eine urologische Routineprozedur dar. Harnleiterschienen sind jedoch mit einer ausgepr&auml;gten Morbidit&auml;t verbunden. So leidet unter anderem ein Grossteil der Patienten an Schmerzen im Bereich von Blase und Nierenloge (80 % ), irritativen Miktionsbeschwerden (78 % ) sowie Makroh&auml;maturie (42 % ).<sup>1</sup> Seit der Erstbeschreibung der Methode durch Zimskind 1967 wurden grosse Anstrengungen unternommen, um die assoziierte Morbidit&auml;t zu senken. Verschiedene Stentmaterialien und -designs und auch der Einsatz diverser Medikamente konnten die genannten Probleme jedoch bestenfalls leicht reduzieren.<sup>2</sup><br /> Im Vorfeld konnten wir im Rahmen einer prospektiven Studie zeigen, dass die mit Harnleiterschienen assoziierte Morbidit&auml;t durch eine gute Patientenaufkl&auml;rung signifikant reduziert werden kann.<sup>3</sup> Hierbei mussten wir jedoch auch erfahren, dass ein relevanter Anteil unserer Patienten mit der erhaltenen Aufkl&auml;rung zur Harnleiterschienung nicht oder zumindest nicht voll zufrieden war.<br /> Aus genannter Studie ergab sich die Schlussfolgerung, dass die Patienteninformation zur Harnleiterschienung generell verbessert werden sollte und dass sie im Rahmen weiterer klinischer Studien standardisiert werden sollte, um einen potenziellen St&ouml;rfaktor bei der Interpretation von Ergebnissen ausschliessen zu k&ouml;nnen.<br /> Das Ziel der vorliegenden Arbeit war daher die systematische Entwicklung und Validierung einer Patientenbrosch&uuml;re zur Harnleiterschienung und zur assoziierten Morbidit&auml;t. Zugleich wollten wir in diesem Rahmen einen auf etablierten und validierten psychometrischen und statistischen Methoden basierenden Algorithmus zur Entwicklung von schriftlicher Patienteninformation aufzeigen, welcher auch auf beliebige andere Themen angewendet werden kann.</p> <h2>Patienten und Methoden</h2> <p>Nach ausf&uuml;hrlicher Literaturrecherche wurde ein mehrstufiger Algorithmus basierend auf etablierten Methoden erstellt. Zur Entwicklung und Validierung der Patientenbrosch&uuml;re wurden dabei vier Phasen definiert (Abb. 1). In Phase 1 wurde eine erste Arbeitsversion der Brosch&uuml;re basierend auf aktueller Literatur entwickelt und w&auml;hrend eines internen Konsensus- Meetings verbessert. Grosser Wert wurde dabei auf eine leichte Verst&auml;ndlichkeit von Text und Abbildungen und ein ansprechendes Design gelegt. Die Textverst&auml;ndlichkeit wurde mittels Flesch Reading Ease Formula (analog Amstad) analysiert.<sup>4</sup> Angestrebt wurde ein Score zwischen 60 und 69 Punkten, entsprechend einem mittleren bis eher leichten Text.<br /> Mithilfe semistrukturierter Interviews (analog Someren et al.)<sup>5</sup> mit 10 Patienten wurde die so entstandene Brosch&uuml;re in Phase 2 &uuml;berpr&uuml;ft. Kritikpunkte wurden erfasst und flossen in die weitere Verbesserung ein. Zugleich bewerteten 10 externe Urologen die inhaltliche Validit&auml;t (&laquo;content validity&raquo; nach Lawshe et al.).<sup>6</sup> Dabei ist f&uuml;r Abschnitte, welche die notwendige Content Validity Ratio (CVR) nicht erreichen, eine &Uuml;berarbeitung notwendig. Die aus Patienten- und Expertenbefragung erlangten Verbesserungen wurden im Rahmen eines zweiten Konsensus- Meetings implementiert.<br /> Die so entstandene Brosch&uuml;re wurde in Phase 3 gem&auml;ss Poweranalyse anhand von insgesamt 44 Patienten validiert. Die Beurteilung erfolgte dabei gem&auml;ss Consumer Information Rating Form (CIRF),<sup>7</sup> wobei f&uuml;r 16 Fragen zu Verst&auml;ndlichkeit, N&uuml;tzlichkeit und Design der Brosch&uuml;re Bewertungen auf einer Likert-Skala abgegeben werden mussten. Bei einem Signifikanzlevel von 5 % nach Korrektur f&uuml;r multiples Testen (Bonferroni) mussten 36 von 44 Patienten eine Antwort auf der oberen H&auml;lfte der Likert-Skala geben, um von ausreichender Validit&auml;t ausgehen zu k&ouml;nnen.<br /> F&uuml;r Fragen, die dieses Kriterium nicht erreichen w&uuml;rden, wurde eine &laquo;Revisionsphase &raquo;, bestehend aus Verbesserung des entsprechenden Punktes und einer Revalidierung, definiert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Uro_1801_Weblinks_s26_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="1505" /></p> <h2>Resultate</h2> <p>Die entworfene faltbare Brosch&uuml;re umfasst drei beidseitig bedruckte A5-Seiten (Abb. 2). Neben den Indikationen zur Harnleiterschienung und wichtigen Fakten &laquo;rund um den Eingriff&raquo; werden insbesondere Beschwerden und Warnsymptome er&ouml;rtert. Verschiedene Illustrationen sollen zu einer besseren Verst&auml;ndlichkeit der Thematik beitragen.<br /> Gem&auml;ss Flesch-Score (analog Amstad)<sup>4</sup> konnte die empfohlene Textverst&auml;ndlichkeit (mittlerer bis eher leichter Schwierigkeitsgrad) klar erreicht werden.<br /> Generell zeigten sich in Phase 2 sehr positive R&uuml;ckmeldungen der befragten Patienten, sodass nur vereinzelte, eher schwer verst&auml;ndliche W&ouml;rter ge&auml;ndert werden mussten. Ebenfalls zeigte sich in der Expertenbefragung eine sehr hohe inhaltliche Validit&auml;t (CVR Median 1; Range: 0,8&ndash;1). Gem&auml;ss freien Kommentaren konnten jedoch weitere Verbesserungen implementiert werden.<br /> Die Validierung der so entstandenen Brosch&uuml;re durch 44 Patienten zeigte ebenfalls ein hervorragendes Resultat. F&uuml;r alle 16 Fragen des CIRF gaben mehr als 36 Patienten eine Bewertung in der oberen H&auml;lfte der Likert-Skala (Median 97,7 % ; Range: 88,6&ndash;100 % ; p&lt;0,0001). Somit wurden alle Aspekte der Brosch&uuml;re als valide beurteilt und eine &Auml;nderung einzelner Abschnitte mit anschliessender Revalidierung wurde nicht n&ouml;tig.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Uro_1801_Weblinks_s26_abb2.jpg" alt="" width="1417" height="1082" /></p> <h2>Fazit</h2> <p>Qualitativ gute und einfach verst&auml;ndliche Patienteninformation f&ouml;rdert das Gesundheitsbewusstsein und verbessert das medizinische Outcome.<sup>8</sup> Obwohl sich Patienten eine gr&uuml;ndliche Aufkl&auml;rung &uuml;ber ihre medizinische Behandlung und deren Auswirkungen w&uuml;nschen,<sup>9</sup> erfolgt diese im klinischen Alltag oft unzureichend.<sup>10</sup><br /> Die mit der Harnleiterschienung assoziierte Morbidit&auml;t stellt ein hierf&uuml;r typisches Beispiel dar. Die entworfene Brosch&uuml;re ist nicht dazu gedacht, eine ausf&uuml;hrliche Kommunikation mit dem Patienten zu ersetzen. Vielmehr soll sie eine Diskussion auf Augenh&ouml;he erlauben und als Gedankenst&uuml;tze dienen. Zudem erlaubt sie eine standardisierte Aufkl&auml;rung im Rahmen klinischer Studien zur Morbidit&auml;t durch Harnleiterschienung.<br /> Die entwickelte Brosch&uuml;re steht interessierten Kollegen im deutschsprachigen Raum zur Verf&uuml;gung (siehe Danksagung und Interessenkonflikte).<br /> Der aufgezeigte Algorithmus folgt etablierten und validierten statistischen und psychometrischen Methoden und gew&auml;hrleistet sowohl die sachliche Korrektheit als auch eine ausreichende Verst&auml;ndlichkeit und Qualit&auml;t schriftlicher Patienteninformation. Unabh&auml;ngig von Sprache und Thema kann dieser zur Erstellung und Validierung von Patienteninformationsmaterial benutzt werden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Leibovici D et al.: Ureteral stents: morbidity and impact on quality of life. Isr Med Assoc J 2005; 7: 491-94 <strong>2</strong> Betschart P et al.: Prevention and treatment of symptoms associated with indwelling ureteral stents: a systematic review. Int J Urol 2017; 24(4): 250-9 <strong>3</strong> Abt D et al.: Influence of patient education on morbidity caused by ureteral stents. Int J Urol 2015; 22: 679-83 <strong>4</strong> Amstad T: Wie verst&auml;ndlich sind unsere Zeitungen? Dissertation, Universit&auml;t Z&uuml;rich, 1978 <strong>5</strong> van Someren MW et al.: The think aloud method &ndash; a practical guide to modelling cognitive processes. London: Academic Press, 1994 <strong>6</strong> Lawshe C: A quantitative approach to content validity. Personnel Psychology 1975; 28: 563-75 <strong>7</strong> Koo MM et al.: Evaluation of written medicine information: validation of the Consumer Information Rating Form. Ann Pharmacother 2007; 41: 951-6 <strong>8</strong> Coulter A, Ellins J: Effectiveness of strategies for informing, educating, and involving patients. BMJ 2007; 335: 24-7 <strong>9</strong> Ley P: Giving information to patients. In Eiser JR ed.: Psychology and Behavioural Medicine, 1982 <strong>10</strong> Johansson K et al.: Need for change in patient education: a Finnish survey from the patient&rsquo;s perspective. Patient Educ Couns 2003; 51: 239-45 <br /><br /><strong>Interessenkonflikte und Danksagung:</strong><br /> Die Autoren bedanken sich bei Olympus Schweiz AG f&uuml;r die technische Unterst&uuml;tzung und die Distribution der Brosch&uuml;re. Im deutschsprachigen Raum k&ouml;nnen interessierte &Auml;rzte diese &uuml;ber ihren zust&auml;ndigen Olympus-Vertreter beziehen. Zudem bedanken sich die Autoren herzlich bei den teilnehmenden externen urologischen Kollegen f&uuml;r die Kontrolle der inhaltlichen Validit&auml;t.<br /> Die Autoren haben keinen Interessenkonflikt. Durch die Firma Olympus erfolgten keine finanziellen Zuwendungen und keine Beeinflussung des Inhalts der Brosch&uuml;re.</p> </div> </p>
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