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Harnröhrenrekonstruktion unter Verwendung von freien Mundschleimhauttransplantaten

<p class="article-intro">Die Harnröhrenstriktur ist eine Erkrankung mit hohem Rezidivrisiko. Das richtige OP-Verfahren ist entscheidend für guten Erfolg und hängt von Lokalisation und Strikturlänge ab. Freie Mundschleimhauttransplantate können ubiquitär und in unterschiedlichen Techniken verwendet werden. Sie führen zu sehr guten Langzeitergebnissen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Harnr&ouml;hrenplastiken mit Mundschleimhaut sind Mittel der Wahl bei rezidivierten und langstreckigen Strikturen.</li> <li>Mundschleimhaut kann ubiquit&auml;r und in unterschiedlichen Strikturl&auml;ngen eingesetzt werden.</li> <li>Die Wahl der richtigen OPTechnik ist wichtig, um eine gute Blutversorgung der Mundschleimhaut zu gew&auml;hrleisten.</li> </ul> </div> <p>Die Harnr&ouml;hrenstriktur ist eine rezidivierende Erkrankung. Die Intensit&auml;t der Narbenbildung und die Strikturl&auml;nge nehmen nach h&auml;ufigen endoskopischen Behandlungen im Laufe der Zeit zu. Bougierungen und endoskopische Operationen haben ihre Grenzen. Bei fr&uuml;hzeitigen Rezidiven sollten operative Verfahren in Betracht gezogen werden, die eine gute Langzeiterfolgsrate aufweisen, um eine fortschreitende Narbenbildung zu vermeiden. Die offene Resektion der Narbe und End-zu-End-Anastomose sind ein operatives Verfahren mit sehr guten Langzeitergebnissen und Mittel der Wahl bei posttraumatischen Strikturen, mit einer Langzeitrestrikturrate von 18 % .<sup>1</sup> Des Weiteren eignet sich diese Methode bei kurzen Strikturen, solange eine problemlose Mobilisation und spannungsfreie Anastomose der Harnr&ouml;hrenenden gelingen, ohne eine zu starke Verk&uuml;rzung der Harnr&ouml;hre zu riskieren. Gerade in der N&auml;he des Sphinkters kann eine notwendige Mobilisation des proximalen Harnr&ouml;hrenstumpfes problematisch sein. Die Rate an erektiler Dysfunktion liegt in der vorderen Harnr&ouml;hre bei 5 % , die f&uuml;r Fistelbildung bei 3 % .<sup>2</sup><br /> Als Alternative steht seit den 1990er- Jahren die Verwendung freier Mundschleimhauttransplantate zur Verf&uuml;gung.<sup>3</sup> Da die Harnr&ouml;hre hierbei nur er&ouml;ffnet und nicht reanastomosiert wird, besteht keine Gefahr der Verk&uuml;rzung der Harnr&ouml;hre, wie sie bei der End-zu-End- Anastomose bei l&auml;ngeren Strikturen berichtet wird.<sup>4</sup> Auch k&ouml;nnen sphinkternahe Strikturen damit schonend versorgt werden. In Abh&auml;ngigkeit von der Strikturlokalisation kann Mundschleimhaut als Onlay oder Inlay Verwendung finden.<sup>5</sup> Unterschiedliche Strikturl&auml;ngen k&ouml;nnen durch individuelle Anpassung der Transplantatl&auml;nge bei der Entnahme ad&auml;quat versorgt werden. Sollte die komplette Urethralplatte vernarbt sein und eine vollst&auml;ndige Exzision des Harnr&ouml;hrenanteils erforderlich machen, kann Mundschleimhaut auch zum streckenweise kompletten Harnr&ouml;hrenersatz in einem zweizeitigen Verfahren angewendet werden. Histopathologische Untersuchungen haben gezeigt, dass Mundschleimhaut in die Umgebung einw&auml;chst, ohne sich histologisch zu ver&auml;ndern und ohne von Narbengewebe &uuml;berwuchert zu werden.<sup>6</sup> So kann Mundschleimhaut ihre positiven Eigenschaften erhalten. Hierzu z&auml;hlen die Anpassung ans feuchte Milieu, die schnelle Wundheilung und die guten immunologischen Eigenschaften, die sie auch im Mundraum auszeichnet. Im Folgenden werden die unterschiedlichen Techniken, die sich freier Mundschleimhauttransplantate bedienen, beschrieben.</p> <h2>Mundschleimhautplastiken in der Onlay- oder Inlay-Technik</h2> <p>Unter Mundschleimhaut-Onlay versteht man die ventrale Augmentation der Harnr&ouml;hre mit Mundschleimhaut. Hierzu wird das Corpus spongiosum ventral inzidiert, bis ein ventrales Aufklappen der Harnr&ouml;hre, distal der Striktur, m&ouml;glich ist. &Uuml;ber eine Knopfsonde oder einen F&uuml;hrungsdraht kann dann die Striktur nach proximal mit dem Messer durchtrennt werden. Sobald ein weites Lumen proximal der Striktur erreicht wird, ist die gesamte Striktur ventral er&ouml;ffnet. Voraussetzung f&uuml;r das Einn&auml;hen eines Mundschleimhauttransplantates ist, dass die dorsale Urethralplatte noch erhalten ist und damit eine seitliche Adaptation in Form einer fortlaufenden Naht m&ouml;glich ist. Nun kann die L&auml;nge der zu substituierenden Strecke gemessen werden, damit sp&auml;ter im Mundraum eine m&ouml;glichst kleine, der maximal n&ouml;tigen Transplantatl&auml;nge entsprechende L&auml;sion entsteht. Nach Entnahme des Mundschleimhauttransplantates wird dieses durch bereits vorgelegte Halten&auml;hte proximal fixiert und anschliessend fortlaufend, Seit-zu- Seit an die Harnr&ouml;hrenschleimhaut gen&auml;ht (Abb. 1). Danach wird das Corpus spongiosum &uuml;ber dem Transplantat verschlossen (Abb. 2). Mit der kompletten Deckung des Transplantates durch das Corpus spongiosum ist die sofortige Blutversorgung des Transplantates gew&auml;hrleistet und gleichzeitig wird eine sp&auml;tere Divertikelbildung verhindert. Aufgrund des kr&auml;ftig ausgebildeten Corpus spongiosum im proximalen Harnr&ouml;hrenabschnitt ist das Onlay die Technik der Wahl in diesem Bereich.<br /> Um zu verstehen, warum im distalen Abschnitt der Harnr&ouml;hre eine Inlay-Technik erforderlich wird, muss man sich die Anatomie des Corpus spongiosum klarmachen. Das Corpus spongiosum ist im proximalen Harnr&ouml;hrenabschnitt, ungef&auml;hr bis zum penobulb&auml;ren &Uuml;bergang, ventral sehr kr&auml;ftig ausgebildet. In diesem Bereich ist ein separates Vern&auml;hen zur Deckung des Transplantates mit ausreihend spongi&ouml;sem Gewebe m&ouml;glich. Je weiter distal, umso d&uuml;nner wird das Corpus spongiosum. Im Bereich der penilen Harnr&ouml;hre ist das Corpus spongiosum so d&uuml;nn ausgebildet, dass ein Verschluss &uuml;ber einem Mundschleimhauttransplantat nicht in der Weise m&ouml;glich ist, dass gen&uuml;gend spongi&ouml;ses Gewebe das Transplantat anschliessend deckt. Aus diesem Grund muss in dem Bereich ein Inlayoder auch dorsales Onlay-Verfahren Anwendung finden.<br /> Hierzu stehen mehrere Techniken zur Verf&uuml;gung. Beim klassischen Asopa<sup>7</sup> wird die Harnr&ouml;hre zun&auml;chst ventral &uuml;ber der Striktur er&ouml;ffnet. Anschliessend erfolgt eine dorsale Inzision des strikturierten Abschnittes bis ca. 1cm in die gesunde Schleimhaut hinein. Nach Pr&auml;paration eines gut durchbluteten Transplantatbettes wird ebenfalls die zu ersetzende L&auml;nge gemessen und ein entsprechendes Mundschleimhauttransplantat entnommen. Nach Einn&auml;hen des Transplantates erfolgen die Einlage eines Katheters und der anschliessende ventrale Verschluss der Harnr&ouml;hre.<br /> Eine alternative Technik ist das dorsale Onlay, bei dem die Harnr&ouml;hre zun&auml;chst komplett vom Corpus Cavernosum abpr&auml;pariert wird, danach um 180&deg; rotiert wird und das Mundschleimhauttransplantat in der Onlay-Technik eingen&auml;ht wird. Anschliessend wird die Harnr&ouml;hre r&uuml;ckrotiert und seitlich am Corpus cavernosum fixiert.<br /> Bei beiden Techniken gew&auml;hrleistet das Gewebsbett auf den Corpora cavernosa die Versorgung des Transplantates.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Uro_1801_Weblinks_s6_abb1.jpg" alt="" width="685" height="1126" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Uro_1801_Weblinks_s6_abb2.jpg" alt="" width="685" height="1126" /></p> <h2>Zweizeitiges Verfahren</h2> <p>Die oben genannten Augmentationstechniken setzen eine gut erhaltene Urethralplatte voraus, die es erm&ouml;glicht, ein Transplantat dorsal oder ventral einzun&auml;hen. Ist sie komplett vernarbt, ist eine Augmentation nicht mehr m&ouml;glich. In diesem Fall muss das strikturierte Areal komplett exzidiert werden. Das entnommene Mundschleimhauttransplantat muss in diesem Fall die komplette Harnr&ouml;hre in diesem Bereich ersetzen, im Sinne eines &laquo;complete tube&raquo;. Nach Resektion der Narbe muss ein gut durchblutetes Transplantatbett geschaffen werden. Dies kann durch Mobilisation von paraurethralem Gewebe und Deckung des Defektes erreicht werden. Die Mundschleimhaut wird anschliessend in das Gewebsbett gen&auml;ht und die Haut lateral fixiert. Die Mundschleimhaut liegt somit offen und muss zun&auml;chst &uuml;ber einen Zeitraum von ca. 3 Monaten einheilen. Entscheidend ist ein ausreichender Kontakt des Transplantates in den ersten postoperativen Tagen. Hierzu dient die Anlage eines Kompressionsverbandes, der f&uuml;r ca. 1 Woche belassen werden sollte. Der Harn wird in dieser Zeit durch einen suprapubischen Katheter aus der Harnblase abgeleitet. Bis zum endg&uuml;ltigen Harnr&ouml;hrenverschluss nach drei Monaten kann der Patient &uuml;ber den proximal des Transplantates m&uuml;ndenden Neomeatus miktionieren.<br /> Im Rahmen der zweiten Sitzung wird das unter dem Transplantat angewachsene Gewebe seitlich vorsichtig mobilisiert und die Mundschleimhaut anschliessend tubul&auml;r verschlossen. Die ventrale Naht wird mit m&ouml;glichst vielen subkutanen Schichten gedeckt, um eine Wundheilungsst&ouml;rung und Fistelbildung zu vermeiden. Mit dieser Technik k&ouml;nnen auch l&auml;ngerstreckige, schwerwiegende Strikturen erfolgreich rekonstruiert werden.<sup>8</sup></p> <h2>Weitere Anwendungen von Mundschleimhaut und Limitationen</h2> <p>Mundschleimhaut kann ubiquit&auml;r und unter verschiedensten Voraussetzungen verwendet werden. Wichtig ist allein die Gew&auml;hrleistung einer unmittelbaren Blutversorgung, die, wie beschrieben, in der proximalen Urethra durch das Corpus spongiosum &uuml;bernommen wird und in der distalen Harnr&ouml;hre von einem vaskularisierten Wundbett auf den Corpora cavernosa garantiert wird. So l&auml;sst sich Mundschleimhaut auch im Bereich des Meatus f&uuml;r Meatusplastiken verwenden. Insbesondere wenn Patienten einen hypospaden Meatus aus kosmetischen Gr&uuml;nden ablehnen, oder bei l&auml;ngerstreckigen Meatusengen, die sich bis in die distale penile Harnr&ouml;hre erstrecken. Auch zur Rekonstruktion der weiblichen Urethra findet Mundschleimhaut mehr und mehr Verwendung. In diesem Fall wird ebenfalls das Inlay-Verfahren angewendet und die Mundschleimhaut dorsal unter der Symphyse platziert. Gerade bei distalen Strikturen nach rezidivierenden Meatusengen ist die Patientenzufriedenheit sehr hoch. Bei proximalen Engen besteht die Gefahr der Inkontinenz, sollte sich die Striktur bis in den Sphinkter hinein erstrecken.<br /> Da Mundschleimhaut nicht die Tendenz wie epidermale Haut hat, Defekte zu decken, wird sie auch zur Korrektur von rezidivierenden kutanen Engen verwendet. Hier findet sie bei Rezidivstenosen von Perineostomien Anwendung, auch Ureterkutaneostomien, die zu narbigen Engen im Hautniveau neigen, k&ouml;nnten durch eine laterale Deckung mit Mundschleimhaut erweitert werden.<br /> Grenzen der Verwendung von Mundschleimhaut bestehen lediglich am Ort der Entnahme. Narbige Einziehungen und Taubheitsgef&uuml;hl sind die am h&auml;ufigsten beschriebenen Komplikationen, insbesondere nach Entnahme langer Transplantate. Unterschiedliche Entnahmeorte wie Wangeninnenseite, Unterlippe und die Unterseite der Zunge stehen theoretisch zur Verf&uuml;gung. Bei k&uuml;rzeren Transplantaten f&uuml;hrt die postoperative Schwellung an der Wangeninnenseite am wenigsten zu Problemen. Zudem ist die Mundschleimhaut in diesem Bereich am kr&auml;ftigsten ausgepr&auml;gt. Bei l&auml;ngeren Transplantaten muss die Entnahme bis zur Unterlippe ausgedehnt werden. Besonderes Augenmerk sollte bei der Entnahme auf den Ausf&uuml;hrungsgang der Speicheldr&uuml;sen gelegt werden und ein ausreichender Abstand zur Zahnreihe sollte eingehalten werden. Besonders in unmittelbarer N&auml;he zum Lippenrot und an der Unterlippe sollte die Wunde nicht vern&auml;ht werden, um narbige Einziehungen zu vermeiden. Eine alleinige Koagulation der Wunde ist ausreichend, ohne dass im Langzeitverlauf Nachteile berichtet werden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Hussain A et al.: Outcome of end-to-end urethroplasty in post-traumatic stricture of posterior urethra. J Coll Physicians Surg Pak 2013; 23: 272-5 <strong>2</strong> Eltahawy EA et al.: Long-term followup for excision and primary anastomosis for anterior urethral strictures. J Urol 2007; 177: 1803-6 <strong>3</strong> el-Kasaby AW et al.: The use of buccal mucosa patch graft in the management of anterior urethral strictures. J Urol 1993; 149: 276-8 <strong>4</strong> Morey AF, Kizer WS: Proximal bulbar urethroplasty via extended anastomotic approach-- what are the limits? J Urol 2006; 175: 2145-9 <strong>5</strong> Engel O et al.: Reconstructive management with urethroplasty. Eur Urol Supp 2016; 15: 13-6 <strong>6</strong> Soave A et al.: Histopathological characteristics of buccal mucosa transplants in humans after engraftment to the urethra: a prospective study. J Urol 2014; 192: 1725-9 <strong>7</strong> Asopa HS et al.: Dorsal free graft urethroplasty for urethral stricture by ventral sagittal urethrotomy approach. Urology 2001; 58: 657-9 <strong>8</strong> Pfalzgraf D et al.: Two-staged urethroplasty: buccal mucosa and mesh graft techniques. Aktuel Urol 2010; 41: 5-9</p> </div> </p>
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