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Osteoporose in der orthopädischen Praxis

<p class="article-intro">Die Behandlung von Osteoporosepatienten in einer orthopädischen Kassenordination ist tagtägliche Realität und in jedem Fall eine Herausforderung im Spannungsfeld zwischen adäquater Patientenversorgung und vollem Wartezimmer.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Auch in der orthop&auml;dischen Kassenpraxis verl&auml;uft die Betreuung von Osteoporosepatienten leitlinienkonform.</li> <li>Die aufwendigere Betreuung von Osteoporosepatienten wird bei vollem Wartezimmer zum Stressfaktor.</li> <li>Im Hintergrund l&auml;uft bei allen orthop&auml;dischen Patienten ein Screening hinsichtlich Risikofaktoren f&uuml;r Osteoporose ab.</li> <li>Bei komplexen F&auml;llen ist die Zusammenarbeit mit Osteologen nicht unehrenhaft.</li> <li>Zus&auml;tzliches Kerngebiet der Orthop&auml;die sind auch die Sportberatung und der ad&auml;quate Einsatz orthop&auml;dietechnischer Ma&szlig;nahmen.</li> </ul> </div> <p>Ich bin in einer Gruppenpraxis im ersten Wiener Gemeindebezirk mit Vertr&auml;gen mit allen Kassen t&auml;tig. Wir verf&uuml;gen &uuml;ber keine eigene &bdquo;Osteoporosesprechstunde&ldquo;, die Betreuung erfolgt bei dieser Patientengruppe &uuml;ber Terminvergabe w&auml;hrend der gesamten &Ouml;ffnungszeit von Montag bis Freitag ganztags bzw. auch am Samstagvormittag. Prinzipiell stehen unsere T&uuml;ren auch Patienten mit akuten Beschwerden ohne Termin offen. Im Rahmen der Osteoporoseversorgung betreffen diese Akuttermine meist Patienten mit akuten verte&shy;bralen Frakturen mit entsprechender Schmerzsymptomatik, w&auml;hrend Osteoporosepatienten mit vorbestehender Therapie in der Regel nach Terminvereinbarung kommen.<br />Die eigentliche Herausforderung stellt aber das Screening von potenziell osteoporosegef&auml;hrdeten Patienten dar, die wegen ganz anderer Beschwerden die Ordination aufsuchen. Hier ist st&auml;ndige Aufmerksamkeit gefordert, daran zu denken und allen Patienten &ndash; sowohl neuen als auch bekannten &ndash; gezielt Fragen in diese Richtung zu stellen. Beim Kassenarzt orientieren sich die gezielten Fragen nicht nur an den aus Leitlinien bekannten Risikofaktoren, sondern gehen zus&auml;tzlich auch schon in Richtung Verrechnungsvoraussetzungen wie etwa f&uuml;r die Knochendichtemessung. So kann etwa bei der WGKK eine DXA bei Frauen ab dem 65. Lebensjahr und bei M&auml;nnern ab dem 70. Lebensjahr ohne Voraussetzung verordnet werden. Frauen zwischen dem 60. und 65. Lebensjahr m&uuml;ssen 2 von 5 Risikofaktoren erf&uuml;llen (pr&auml;disponierende Erkrankung, Medikation, genetische Disposition, Lebensstil, Sexualanamnese), um diese Untersuchung auf Kassenkosten zu erhalten. Unabh&auml;ngig von Geschlecht und Alter besteht das Recht auf eine Kassen-DXA bei Patienten mit Fragilit&auml;tsfraktur und/oder Vorliegen einer osteoporoseinduzierenden Erkrankung oder Medikation. Alle anderen m&uuml;ssen sich um eine private Knochendichtemessung bem&uuml;hen, z.B. wenn ein medizinisch nicht berechtigter und beratungsresistenter Wunsch nach Kenntnis seines pers&ouml;nlichen T-Werts besteht. Die Bestimmung der Frakturwahrscheinlichkeit &uuml;ber die FRAX-App direkt am Smartphone findet bei mir zunehmend Verwendung.<br />Jeder Patient wird einer gr&uuml;ndlichen orthop&auml;disch-klinischen Untersuchung unterzogen. Das Wartezimmer kann gar nicht so voll sein, dass auf diese wertvolle Manualdiagnostik verzichtet werden w&uuml;rde. Neben der Untersuchung der Wirbels&auml;ule mit Neurostatus werden auch die angrenzenden Gelenke miteinbezogen. Bei entsprechendem Verdacht erfolgt im Anschluss auch die &Uuml;berweisung zum R&ouml;ntgen der Region zum Ausschluss einer Fraktur. Im Rahmen der Erstbegutachtung bzw. -untersuchung auf Osteoporose wird auch eine Labordiagnostik eingeleitet. Das Standardbasislabor beinhaltet folgende Parameter: Blutbild, Senkung, CRP, TSH, Serum-Kalzium, Serum-Phosphat, Kreatinin, BUN, GGT, Eiwei&szlig;elektrophorese, alkalische Phosphatase und ggf. Parathormon, Testosteron sowie 25-OH-Vitamin-D3. <br />Anhand der Anamnese und der Laborbefunde werden sekund&auml;re Osteoporoseformen herausgefiltert und die Patienten entsprechend an die internistischen Fachdisziplinen weitergeschickt. <br />Akutpatienten mit starken, frakturverd&auml;chtigen Schmerzen erhalten noch am selben Tag ein R&ouml;ntgen. Eine Schmerztherapie wird sofort eingeleitet. Je nach Komorbidit&auml;t erfolgt die analgetische Therapie nach dem WHO-Schema, zus&auml;tzlich auch eine lokale, gezielte Infiltrationstherapie. Best&auml;tigt sich im R&ouml;ntgen der Verdacht auf eine Wirbelk&ouml;rperfraktur, wird der entsprechende Wirbels&auml;ulenabschnitt mittels Mieder ruhiggestellt und Physiotherapie verordnet. Von Bettruhe wird abgeraten. Dar&uuml;ber hinaus wird als weiterer diagnostischer Schritt eine Magnetresonanztomografie (MRT) verordnet. Die haupts&auml;chlichen Fragestellungen an die MRT sind das Vorliegen einer rezenten Fraktur oder auch einer kn&ouml;chernen Kompression im Bereich der Fraktur. Besteht bei Patienten mit Wirbelk&ouml;rperfrakturen bereits bei der Erstbegutachtung eine akute neurologische Auff&auml;lligkeit (motorisch und/oder Caudasymptomatik), wird ohnehin ohne Verz&ouml;gerung in ein wirbels&auml;ulenchirurgisches Zentrum (AKH Wien, Orthop&auml;die) &uuml;berwiesen und in diesen F&auml;llen keine weitere verz&ouml;gernde Diagnostik veranlasst. In den meisten F&auml;llen lassen sich jedoch sowohl akute als auch Langzeit-Osteoporosepatienten ad&auml;quat konservativ therapieren. In wenigen therapieresistenten F&auml;llen erfolgt sekund&auml;r nach Best&auml;tigung des Vorliegens einer rezenten Wirbelk&ouml;rperfraktur in der MRT die Zuweisung ins Spital zur eventuellen Frakturstabilisierung mittels Kyphoplastik. <br />Alle Patienten werden gebeten, mit ihrem Allgemeinmediziner die sonstige laufende medikament&ouml;se Therapie auf ihr knochendichtereduzierendes Risiko zu pr&uuml;fen (z. B. Protonenpumpenhemmer, Neuroleptika, Antidepressiva, Glukokortikoide). Ebenso werden Patienten auf die Reduktion des Sturzrisikos (Stichwort: Teppich) und die Therapie von Sturzursachen (Stichwort: Fehlsichtigkeit) aufmerksam gemacht. Jeder Betroffene wird entsprechend seiner physischen M&ouml;glichkeit hinsichtlich Sportoptimierung beraten oder es wird eine Physiotherapie eingeleitet, wobei bei j&uuml;ngeren Patienten mit verringerter Knochendichte ohne Frakturen eine sportorthop&auml;dische Beratung ausreichend erscheint (Krafttraining, Crosstrainer, prinzipiell kaum Einschr&auml;nkungen in der Sportaus&uuml;bung). Bei Bedarf steht in der Ordination auch ein Sporttrainer zur Verf&uuml;gung. &Auml;ltere Patienten oder Patienten mit einer Fraktur werden routinem&auml;&szlig;ig zur Physiotherapie zugewiesen. Auch hierbei stehen Physiotherapeutinnen direkt in der Ordination zur Verf&uuml;gung, die als Wahltherapeutinnen mit den Patienten privat abrechnen; eine teilweise R&uuml;ckerstattung der Kosten durch die Versicherungen ist m&ouml;glich. Patienten, die eine vollst&auml;ndige Verg&uuml;tung &uuml;ber die Krankenkasse bevorzugen, werden in ein physikalisches Institut &uuml;berwiesen. Obwohl viele Institute bei dieser Indikation ein ad&auml;quates Rehabilitationsprogramm mit Anleitung zum Selbst&uuml;ben anbieten, wird leider doch noch oft von den Instituten die Physiotherapie gestrichen und stattdessen auf rein passive Konzepte gesetzt. Hier w&auml;re allerdings auch das Kassensystem gefragt, entsprechende personalintensivere Programme ad&auml;quat zu verg&uuml;ten.<br />Dar&uuml;ber hinaus bieten wir in der Ordination auch unseren Osteoporosepatienten ein gezieltes Trainingsprogramm mit Dr.-Wolff-R&uuml;ckentherapieger&auml;ten an (RTC nach Dr. Wolff, Fa. Domitner). Dabei wird nach entsprechender Physiotherapie mit fach&auml;rztlicher Begleitung und direkter Betreuung durch einen erfahrenen Trainer an 5 speziellen Ger&auml;ten vor allem die tiefe LWS-stabilisierende Muskulatur (M. multifidus lumbalis, M. transversus abdominis) adressiert (Abb. 1). In einem 1-Jahres-Programm erfolgt dann zunehmend auch der &Uuml;bergang zum Training der globalen Muskulatur mittels freier Gewichte und anderer &Uuml;bungen (siehe auch JATROS Orthop&auml;die &amp; Traumatologie 4/17, Seite 70f.).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1802_Weblinks_s9_1.jpg" alt="" width="684" height="1031" /><br />Nach Ma&szlig;gabe der Ern&auml;hrungsgewohnheiten bzw. Zusatzfaktoren wie Sonnenexposition erfolgt die Verordnung von Vitamin D3 und &ndash; bei geringer Kalziumaufnahme &uuml;ber die Nahrung &ndash; 1000mg Kalzium t&auml;glich.<br />Nach der Kl&auml;rung von Kontraindikationen wird prinzipiell mit Alendronat einmal w&ouml;chentlich begonnen, eine Aufkl&auml;rung &uuml;ber den Einnahmemodus ist essenziell. Bei fehlender Compliance oder Gegenanzeigen f&uuml;r die perorale Einnahme wird auf parenterales Ibandronat oder Zoledronat gewechselt. Bei Vorliegen von Nierenfunktionsst&ouml;rungen oder sonstigen Kontraindikationen bez&uuml;glich der Bisphosphonattherapie wird mit Denosumab begonnen, wof&uuml;r im Gegensatz zu den oben genannten Substanzen eine vorherige chef&auml;rztliche Bewilligung notwendig ist. Entweder holen sich die Patienten pers&ouml;nlich bei ihrer Krankenkasse diese Bewilligung oder die Genehmigung erfolgt direkt &uuml;ber den chef&auml;rztlichen Dienst per Online-Anfrage (ABS). W&auml;hrend vor einigen Jahren noch ein teils komplexer Schriftverkehr vorkommen konnte, zeigt die pers&ouml;nliche Erfahrung der letzten Jahre, dass hier sehr wohl bei entsprechender Formulierung der Begr&uuml;ndung rasche Genehmigungen in der Mehrzahl der F&auml;lle m&ouml;glich sind (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1802_Weblinks_s9_2.jpg" alt="" width="1417" height="2137" /><br />Ebenso genehmigungspflichtig ist Teriparatid, das bei Frakturen trotz ad&auml;quater antiresorptiver Therapie zur Verf&uuml;gung steht. Die Organisation der aufwendigen t&auml;glichen Verabreichung des Medikaments ist auf den ersten Blick im kassen&auml;rztlichen Setting schwer durchf&uuml;hrbar, wird aber von der herstellenden Firma durch Bereitstellung von geschulten Pflegepersonen f&uuml;r die direkte Patientenbetreuung deutlich erleichtert. <br />Bei unklaren Osteoporoseursachen bzw. Vorliegen mehrerer internistischer Erkrankungen sollte man sich nicht scheuen, auch internistisch-osteologische Hilfe &uuml;ber Osteoporoseambulanzen in Anspruch zu nehmen. Trotz aller Fortschritte bei der medikament&ouml;sen Therapie darf aus orthop&auml;discher Sicht keinesfalls auf Begleitma&szlig;nahmen, wie Sporttherapie bzw. -optimierung, Sturzprophylaxe, R&uuml;ckenrehabilitation, und bei akuten Patienten auf die orthop&auml;dietechnische Versorgung inkl. operativer Ma&szlig;nahmen vergessen werden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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