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IPF oder chronische exogene allergische Alveolitis?

<p class="article-intro">Die medikamentöse Behandlung der interstitiellen Lungenerkrankungen (ILE) erfordert nach der Zulassung der antifibrotischen Medikamente Pirfenidon und Nintedanib eine endgültige Diagnosestellung. Wir sind deswegen im klinischen Alltag oft mit der Herausforderung konfrontiert, uns für die eine oder andere Diagnose entscheiden zu müssen, und liegen offensichtlich auch oft genug falsch.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die exakte Diagnosestellung im fortgeschrittenen Stadium einer ILE wird h&auml;ufig erschwert durch schleichenden, symptomarmen Krankheitsbeginn, langsame Progression, unklare und diskutable Befunde sowie hohes Patientenalter.</li> <li>Die Unterscheidung zwischen einer IPF, einer atypisch verlaufenden Autoimmunerkrankung und einer cEAA ist oft nicht eindeutig.</li> <li>Es ist enorm wichtig, die vorliegenden Befunde multidisziplin&auml;r zu diskutieren und den Therapieverlauf zu kontrollieren.</li> </ul> </div> <p>Eine Studie aus dem Jahr 2013 zeigte, dass in mehr als 40 % der F&auml;lle eine idiopathische Lungenfibrose (IPF) anstatt einer exogenen allergischen Alveolitis (EAA) diagnostiziert wurde.<sup>1</sup> Aufgrund der Fehldiagnose bleibt die f&uuml;r den weiteren Krankheitsverlauf entscheidende Allergenkarenz wahrscheinlich aus. Der folgende Patientenfall musste aufgrund der progredienten Erkrankung und Unsicherheit der Diagnosestellung in unserem ILEBoard wiederholt diskutiert werden.</p> <h2>Anamnese</h2> <p>Ein 79-j&auml;hriger Patient wurde von der niedergelassenen Pneumologin zur Diagnostik vorgestellt. Eine &bdquo;Lungenfibrose&ldquo; sei seit Jahren bekannt. Herr P. gab in der ILE-Ambulanz an, im letzten Jahr eine langsame Zunahme der Belastungsatemnot versp&uuml;rt zu haben. Er hustete anfangs produktiv, zuletzt nur trocken. Eine Computertomografie (CT) des Thorax (Juni 2016) zeigte eine zunehmende usual interstitial Pneumonia (UIP) bzw. IPF-Ver&auml;nderungen in den basalen Lungenabschnitten dorsal und ein zentrilobul&auml;res Lungenemphysem. Die eigene Anamnese ergab bez&uuml;glich der Krankheitsursache zun&auml;chst keine weiterf&uuml;hrenden Angaben, keine lungensch&auml;digenden Medikamente, keine Schadstoffexposition. Herr P. war bis 2001 Raucher mit insgesamt 30 Packyears.</p> <h2>K&ouml;rperliche Untersuchung</h2> <p>Entfaltungsknisterger&auml;usche in den beiden Lungen basal, Sauerstoffs&auml;ttigung in Ruhe 94 % .</p> <h2>Befunde</h2> <p>Die Lungenfunktion zeigte keine Ventilationsst&ouml;rung. Eine Einschr&auml;nkung der Diffusion war durch den pO2-Abfall in der Belastungsuntersuchung erkennbar. Die Autoimmunserologie fiel unauff&auml;llig aus. Die Bestimmung der spezifischen IgG ergab mit 189mg/l signifikant erh&ouml;hte Antik&ouml;rper gegen den Schimmelpilz Aspergillus fumigatus (Normbereich =30mg/l). Die Ergebnisse der Pr&auml;zipitinbestimmung fallen selten so eindeutig aus, in ca. 60 % der F&auml;lle bleibt die Allergenquelle sogar unerkannt.<sup>2</sup> Nach Eintreffen dieses Befundes gab der Patient an, einem Schimmelbefall in der Wohnung exponiert zu sein.<br /><br /> Das CT des Thorax (Abb. 1) stellte, wie oben erw&auml;hnt, ein retikul&auml;res Muster mit dorsobasaler Pr&auml;dominanz, Traktionsbronchiektasen sowie Honeycombing und damit ein UIP-Muster dar. Die Zellzahl der durchgef&uuml;hrten bronchoalveol&auml;ren Lavage (BAL) war mit 108 Zellen/&micro;l (Normbereich &lt;100) nicht erh&ouml;ht, in der Zellverteilung fiel eine Neutrophilie (14 % ) auf, soweit bei der niedrigen Zellzahl &uuml;berhaupt beurteilbar. Die Alveolarmakrophagen zeigten sich weitgehend regelrecht, zum Teil speichernd, das Verh&auml;ltnis von CD4/CD8-Zellen war mit 0,8 invers. Auf eine Lungenbiopsie wurde aufgrund des UIP-Musters verzichtet. Wir sahen (nur) f&uuml;nf der sechs von der deutschen Arbeitsgruppe EAA<sup>3</sup> geforderten Kriterien f&uuml;r die Diagnose der exogenen allergischen Alveolitis erf&uuml;llt (Tab. 1) und stellten den Fall im ILE-Board vor.<br /><br /> In der multidisziplin&auml;ren Diskussion wurde angesichts des langj&auml;hrigen Verlaufes, der positiven Anamnese und des erh&ouml;hten Serumspiegels an Antik&ouml;rpern gegen den Schimmelpilz Aspergillus fumigatus eine chronische EAA diagnostiziert (Tab. 2). Die fehlende Lymphozytose wurde auf den langj&auml;hrigen Verlauf mit einem subklinischen Erscheinungsbild zur&uuml;ckgef&uuml;hrt. Von einer chirurgischen Lungenbiopsie wurde bei dem mittlerweile 80-j&auml;hrigen Patienten mit UIP-Muster im CT des Thorax erneut abgesehen.<br /><br /> Unsere Empfehlung, eine Sanierung der Wohnr&auml;ume und eine medikament&ouml;se Therapie mit Prednisolon durchzuf&uuml;hren, setzte der Patient konsequent um. Diese Ma&szlig;nahmen brachten jedoch keine Stabilisierung der Erkrankung. In den folgenden drei Monaten kam es zu einem Verlust der forcierten Vitalkapazit&auml;t (FVC) von 8 % und der Fall wurde erneut im ILE-Board diskutiert.<br /><br /> Die Medikation und die Allergenkarenz konnten das Fortschreiten der Lungenerkrankung nicht beeinflussen und die IPF schien die wahrscheinlichste Diagnose zu sein. Aus diesem Grund wurde eine antifibrotische Therapie empfohlen. Die Behandlung mit Pirfenidon brachte eine Stabilisierung der Lungenerkrankung. Wir beobachteten nicht nur keinen Verlust, sondern sogar eine Zunahme der FVC (Abb. 2). Diese Verbesserung der Lungenfunktion war angesichts der fibrosierenden und nicht reversiblen Natur der Erkrankung &uuml;berraschend.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1801_Weblinks_s20_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="670" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1801_Weblinks_s20_tab1.jpg" alt="" width="1420" height="1287" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1801_Weblinks_s20_tab2.jpg" alt="" width="1420" height="554" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1801_Weblinks_s20_abb2.jpg" alt="" width="1458" height="923" /></p> <h2>Diskussion</h2> <p>Wir bevorzugten die Diagnose EAA gegen&uuml;ber IPF, um der vorliegenden und m&ouml;glicherweise behandelbaren Ursache Vorrang zu geben. Die Feststellung einer IPF k&ouml;nnte benachteiligt werden, da der Name &bdquo;idiopathische Lungenfibrose&ldquo; wie eine Ausschlussdiagnose anmutet. Angesichts der in den letzten Jahren gesammelten pathophysiologischen Erkenntnisse ist die Bezeichnung &bdquo;idiopathisch&ldquo; eher nicht mehr korrekt.<br /><br /> Uns f&auml;llt es leicht, die vorliegenden Befunde retrospektiv anders zu interpretieren. Durch den Therapieerfolg mit Pirfenidon glaubt man, mit IPF am Ende die richtige Diagnose gestellt zu haben. Das erh&ouml;hte IgG stellte in diesem Fall nur eine Sensibilisierung gegen den Schimmelpilz Aspergillus fumigatus und keinen Krankheitsprozess dar. Die fehlende Lymphozytose in der BAL h&auml;tte ein st&auml;rkeres Argument gegen das Vorliegen einer cEAA sein sollen.<br /><br /> Andersherum betrachtet: Hat man am Ende doch eine EAA mit Pirfenidon erfolgreich behandelt? Die Wirkung der antifibrotischen Medikamente bei anderen interstitiellen Erkrankungen als IPF, z.B. EAA, wird zurzeit in Studien untersucht.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Im diagnostischen Prozess der ILE werden die Anamnese, die bildgebende Diagnostik sowie die serologischen und pathologischen Befunde in Betracht gezogen. Die Ergebnisse der durchgef&uuml;hrten Untersuchungen sind h&auml;ufig nicht eindeutig, im fortgeschrittenen Stadium zeigen die radiologischen und histologischen Befunde oft das Endstadium eines interstitiellen Umbaus und k&ouml;nnen nicht mehr einem einzigen pathophysiologischen Prozess zugeordnet werden. In unseren klinischen &Uuml;berlegungen spricht manches f&uuml;r die eine oder f&uuml;r die andere Diagnose. Umso wichtiger ist es, die vorliegenden Befunde in einem multidisziplin&auml;ren ILE-Board zu diskutieren und den Therapieerfolg sowie den Krankheitsverlauf in einer spezialisierten Ambulanz zu kontrollieren. Mit der zunehmenden Patientenzahl und gesammelten Erfahrung steigt auch die Kompetenz der jeweiligen Zentren bei diesen seltenen Erkrankungen an.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Morell F et al.: Chronic hypersensitivity pneumonitis in patients diagnosed with idiopathic pulmonary fibrosis: a prospective case-cohort study. Lancet Respir Med 2013; 1: 685-94 <strong>2</strong> Vasakova M et al.: Hypersensitivity pneumonitis: perspectives in diagnosis and management. Am J Respir Crit Care 2017; 6: 680-89 <strong>3</strong> Sennekamp J et al.: Empfehlungen zur Diagnostik der exogen-allergischen Alveolitis. Allergologie 2006; 11: 431-8</p> </div> </p>
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