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Arzt-Patient-Gespräche im Zeitalter von Dr. Google und Fake News

<p class="article-intro">Dr. Google wird häufig konsultiert, hat aber nicht den besten Ruf. Suchbegriffe aus dem Bereich der inneren Medizin stehen auf der Hitliste ganz oben. Wie geht man mit in dieser Form informierten Patienten in der Praxis um? Informationsflut und Fake News können unsere Patienten verunsichern und gefährden. Wie können wir die Digitalisierung zugunsten unserer Patienten nutzen?</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <p><strong>1. Fachliche Kompetenz:</strong></p> <ul> <li>Identifiziere Vorkenntnisse des Patienten aus Internetquellen.</li> <li>Informiere verst&auml;ndlich formuliert und frag nach, ob und wie der Patient das Ausgef&uuml;hrte verstanden hat.</li> <li>Arbeite bei der Patientenedukation mit Dr. Google zusammen.</li> <li>Surfe regelm&auml;&szlig;ig in der Internetszene im fach&auml;rztlichen Bereich.</li> <li>Verweise auf sichere Websites.</li> </ul> <p><strong><span xml:lang="de-DE">2. Emotionale Kompetenz: </span></strong></p> <ul> <li>Baue &Auml;ngste des Patienten aufgrund von verunsichernden Internetseiten bzw. Fake News ab.</li> <li>Verst&auml;rke das menschliche Bonding.</li> </ul> <p><strong><span xml:lang="de-DE">3. G&uuml;nstige Grundhaltung:</span></strong></p> <ul> <li>Ber&uuml;cksichtige Patientenpr&auml;ferenzen und Leitlinienempfehlungen zu &bdquo;integrated care&ldquo;.</li> <li>Wende eine partizipative, aktive Form der Kommunikation an.</li> <li>Entscheide gemeinsam mit dem Patienten (&bdquo;shared decision making&ldquo;), wenn verschiedene evidenzbasierte Behandlungsmethoden zur Wahl stehen.</li> </ul> </div> <h2>Dr. Internet und Dr. Google werden h&auml;ufig konsultiert</h2> <p>Das Internet ist eine wichtige Informationsquelle geworden. Laut Umfragen zu E-Health-Trends holen sich 50 % der Befragten medizinischen Rat im &bdquo;world wide web&ldquo;. Bei Gesundheitsfragen und k&ouml;rperlichen Beschwerden suchen laut Krankheitsbarometer 2009 bereits mehr Menschen Dr. Google im Internet auf als einen &bdquo;leibhaftigen&ldquo; Arzt. Diese Entwicklung ist nicht &uuml;berraschend, weil sie die wachsende Informationsfreiheit widerspiegelt, die wir seit der Einf&uuml;hrung des Internets in den 1970er-Jahren genie&szlig;en. Es ist anzuerkennen, dass die Digitalisierung mittlerweile das Gesundheitssystem ver&auml;ndert hat. Dr. Google geh&ouml;rt unumstritten zu den meistkonsultierten Spezialisten und verf&uuml;gt rund um die Uhr &uuml;ber ein breites Spektrum an Fachwissen, nicht getr&uuml;bt durch menschliches Vergessen. Unter den 10 meistgesuchten Krankheiten im Internet waren 2014 laut Central Krankenversicherung Diabetes und Bluthochdruck &ndash; das Thema &bdquo;Dr. Google&ldquo; ist also f&uuml;r die innere Medizin relevant. Wir &Auml;rzte m&uuml;ssen anerkennen, dass ein wachsender Anteil unserer Patienten zu den h&auml;ufigen Volkskrankheiten sowie zu seltenen Erkrankungen auf elektronischem Weg Vorinformationen einholt.</p> <h2>Dr. Google hat nicht den besten Ruf</h2> <p>Dr. Google spuckt Tausende von Informationen aus. Die Flut an Informationen zu medizinischen Fachinhalten von Dr. Google kann Personen entweder st&auml;rken (&bdquo;empowerment&ldquo;) oder aber, wegen des Fehlens fundierter Vorkenntnisse, &uuml;berfordern und verunsichern. Es besteht ein relevantes Risiko f&uuml;r krankhafte Selbstdiagnosen und die Best&auml;rkung gesundheitlicher Bedenken. Psychologen formulieren es krass: Dr. Google macht krank. Von Dr. B. Fallon, Columbia University, New York City, wurde ein neuer Terminus f&uuml;r den modernen Hypochonder eingef&uuml;hrt: Cyberchonder. Diese &bdquo;Dr. Google&ldquo;-induzierte Verunsicherung f&uuml;hrt zu unn&ouml;tigen Arztkonsultationen.</p> <h2>K&ouml;nnte Dr. Google bald den Arzt ersetzen?</h2> <p>Schon heute kommt in manchen L&auml;ndern vermittelt &uuml;ber Smartphone-App die Krankenschwester per Taxi zum Impfen. Es klingt verwegen, aber noch vor wenigen Jahren konnten wir uns den Ersatz von Bankbesuchen durch Online-Banking oder von Buchungen im Reiseb&uuml;ro durch Internetsuchmaschinen auch nicht vorstellen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass durch Apps oder das Internet der Arztbesuch &uuml;berfl&uuml;ssig wird. Wir &Auml;rzte haben n&auml;mlich eine gro&szlig;e St&auml;rke aus der Perspektive unserer Patienten: Wir sind Menschen. Wir k&ouml;nnen mit unserer menschlichen Zuwendung punkten, mit unserem Know-how Vorinformationen der Patienten interpretieren und ihre Symptome je nach Relevanz bewerten. Gute Medizin wird immer an &Auml;rzte und direkte Interaktionen gekoppelt bleiben.</p> <h2>&Auml;rzte haben im Umgang mit Dr.&nbsp;Google Nachholbedarf</h2> <p>&Uuml;berraschend ist, dass wir &Auml;rzte uns an die Vorinformationen unserer Patienten noch nicht entsprechend adaptiert haben und dass wir uns Dr. Google noch nicht gezielt als Aufkl&auml;rungshilfe zunutze gemacht haben. In Bezug auf chronische Krankheiten birgt das Internet gro&szlig;es Potenzial. Psychologische Studien best&auml;rken die Vermutung, dass der durch Internet und Arztgespr&auml;ch informierte Patient schneller Partner in der Therapie wird und die Compliance steigt. <br />Wir k&ouml;nnten Dr. Google als Zuweiser nutzen. Wenn Menschen sich f&uuml;r ihre Symptome sch&auml;men und sonst gar nicht zum Arzt gehen w&uuml;rden, ist es wichtig, dass gute Informationen im WWW verf&uuml;gbar sind und der Patient dann hoffentlich doch motiviert wird, sich der erforderlichen Diagnostik und Therapie zu unterziehen.</p> <h2>Fake News</h2> <p>Es gibt nicht nur sichere Websites mit guten Gesundheitsinformationen. Es gibt auch Falschmeldungen, die sich &uuml;ber das Internet und soziale Netzwerke rasant verbreiten k&ouml;nnen. Sie reichen von unabsichtlich und im guten Glauben gehosteten Falschnachrichten &uuml;ber Scharlatanerie bis hin zu kriminell motivierten L&uuml;gen. In der Politik k&ouml;nnen Fake News W&auml;hler beeinflussen, im Finanzmarkt B&ouml;rsenkurse, im Gesundheitsbereich k&ouml;nnen Fake News sogar lebensgef&auml;hrlich sein. Es werden beispielsweise Wundermittel ohne die f&uuml;r Medizinprodukte erforderlichen Zulassungsformalit&auml;ten angepriesen, &uuml;bertriebene Heilsversprechen f&uuml;r Verfahren ohne wissenschaftliche Evidenz verbreitet, notwendige Therapien verhindert. Manche Fake News sind laut Prof. G. Antes, Cochrane-Zentrum des Universit&auml;tsklinikums Freiburg, an typischen Kennzeichen leicht zu erkennen: Pseudokomplexe Formulierung suggeriert Seriosit&auml;t, Angaben zu Dosis und Nebenwirkungen, Quellenangaben und Impressum fehlen, Infotext und Produktwerbung werden miteinander verkn&uuml;pft. Manche Fake News wirken jedoch auf den ersten Blick glaubhaft und Laien k&ouml;nnen ihre Richtigkeit, die Bandbreite von Halb- und Unwahrheiten, niemals &uuml;berpr&uuml;fen. Es braucht fundiertes medizinisches Wissen, um diese Sorte von Fake News zu identifizieren. Gegengift gegen das St&ouml;relement Fake News sind eine geb&uuml;hrende Portion Skepsis und das kritische Lesen von Gesundheitsseiten, als w&auml;re im Internet t&auml;glich ein &bdquo;Aprilscherz&ldquo; zu finden. Auch wenn Fake News nichts Neues sind, so haben sie momentan Hochkonjunktur. Antes vermutet, dass Dr. Google zu &uuml;ber 90 % leere Versprechungen macht und Falschmeldungen bringt. Mehr als 30 % der Websites schnitten mit einem Gesamtergebnis von mangelhaft bis ungen&uuml;gend ab.</p> <h2>Qualit&auml;t von Gesundheitsseiten: die Spreu vom Weizen trennen</h2> <p>Mittlerweile pr&uuml;fen Fakten-Checker das Internet auf unseri&ouml;se, gef&auml;hrliche Heilsversprechen. Es wurden Watchblogs eingerichtet, wie z.B. Med-Watch. Stellungnahmen von Beh&ouml;rden sollen Falschmeldungen korrigieren. <br />Eine proaktive Gegenma&szlig;nahme gegen irref&uuml;hrende Internetseiten ist das Hosten von qualitativ einwandfreien Gesundheitsnews durch wissenschaftliche Fachgesellschaften und gepr&uuml;fte beh&ouml;rdliche Gesundheitsportale, z.B. auf www.gesundheit.gv.at, kliniksuche.at, im Patientenforum mit Informationen auf www.oegari.at, verfasst in barrierefreier Sprache. Es liegt an uns &Auml;rzten, Wissenschaftlern und Standesvertretern, sichere Informationen ins Netz zu stellen und damit positiv auf die Kompetenzen von Dr. Google einzuwirken. Wir m&uuml;ssen dies als unsere Aufgabe und als Herausforderung zur Innovation wahrnehmen und gute, nachhaltige Informationsmaterialien gestalten, hosten und pflegen. Wir m&uuml;ssen aber auch eine angemessene Honorierung f&uuml;r die Gespr&auml;chsleistung erwirken, weil deren Mehrwert f&uuml;r das Gesundheitssystem messbar ist.</p> <h2>Das Arzt-Patient-Gespr&auml;ch: konkret</h2> <p><strong>Internetinformation als Gespr&auml;chsinhalt</strong></p> <p>Wenn ein Patient unter dem Suchbegriff &bdquo;Blutverd&uuml;nnung&ldquo; auf www.google.at die Empfehlung gelesen hat, dass man nicht immer gleich Tabletten schlucken muss, sondern dass es auch auf nat&uuml;rliche Art geht, z.B. mit frei verk&auml;uflichen L-Arginin-Kapseln, dann kann das auf die NOAK-Einnahme einen hindernden Einfluss haben, wenn es nicht im Arzt-Patient-Gespr&auml;ch gekl&auml;rt wird. &Uuml;ber 50 % der Patienten entwickeln nach einer derartigen Kl&auml;rung sogar gr&ouml;&szlig;eres Vertrauen zum Arzt (siehe &bdquo;The Telegraph&ldquo;, Linkliste). <br />Andererseits k&ouml;nnen gute Informationen aus dem Internet einen Denkprozess in Gang setzen und damit die Interaktion zwischen Arzt und Patient ergiebiger und effizienter machen. Die Bindung wird verst&auml;rkt. Wir sollten daher Wissensintegration &uuml;ber verschiedene Quellen inklusive professioneller Internetseiten empfehlen (siehe &bdquo;TZ&ldquo;, Linkliste).</p> <p><strong>Patientenpr&auml;ferenzen und Partizipation im Zentrum</strong></p> <p>Laut Online-Umfrage unter antikoagulierten Patienten werden Information und Alternativaufkl&auml;rung, etwa &uuml;ber die Verf&uuml;gbarkeit eines Antidots im Notfall, gew&uuml;nscht, ebenso wie die Einbeziehung des Patienten in die Alternativentscheidung bez&uuml;glich des Antikoagulans. Leitlinien der European Society of Cardiology, ESC, empfehlen die Einbindung der Patienten als &bdquo;integrated care&ldquo; (Grad IIa C) und zur Patientenedukation (Grad I C) (Kirchhof P et al. Euro Heart J 2016; doi 10.1093/eurheartj/ehw210). Diese Patientenedukation k&ouml;nnen wir uns vielleicht hink&uuml;nftig noch besser mit Dr. Google teilen, insbesondere bei komplexen Inhalten. Als Arzt kann man damit schneller auf eine h&ouml;here Ebene der Interaktion, Diagnostik und Behandlung kommen (siehe &bdquo;ACP Internist&ldquo;, Linkliste).</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>&bull; The Telegraph: &bdquo;Dr Google&ldquo; can help patient-doctor rela&shy;tionship, study finds <a href="http://www.telegraph.co.uk/news/ % 202017/05/16/dr-google-can-help-patient-doctor-relationship-study-finds/">http://www.telegraph.co.uk/news/ 2017/05/16/dr-google-can-help-patient-doctor-relationship-study-finds/</a> &bull; TZ: Was kann Dr. Google, wenn ich ihn nach meinen Symptomen frage? <a href="https://www.tz.de/leben/&shy;gesundheit/was-kann-dr-google-sollten-sie-bei-gesundheits-websites-beachten-7700973.html">https://www.tz.de/leben/&shy;gesundheit/was-kann-dr-google-sollten-sie-bei-gesundheits-websites-beachten-7700973.html</a> &bull; ACP Internist: Patients increasingly checking &bdquo;Dr Google&ldquo; <a href="https://&shy;acpinternist.org/archives/2013/11/dr-google.htm">https://&shy;acpinternist.org/archives/2013/11/dr-google.htm</a></p> </div> </p>
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