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Betreuung der Herzinsuffizienz in der Praxis
Jatros
Autor:
Dr. Raphael Wurm
Univ.-Klinik für Innere Medizin II,<br>Abteilung für KardiologieMedizinische Universität Wien<br>E-Mail: raphael.wurm@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
01.03.2018
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<p class="article-intro">Herzinsuffizienz ist auf dem besten Weg, zur Volkskrankheit zu werden. Die Hausärztin und der Hausarzt<sup>*</sup> werden eine zentrale Rolle in der Betreuung einnehmen: von der oft schwierigen Diagnosestellung bis zur akuten Behandlung bei Verschlechterung.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li><span xml:lang="de-DE">Herzinsuffizienz entwickelt sich zur Volkskrankheit und wird eine immer häufigere Diagnose in allgemeinmedizinischen ­Ordinationen werden.</span></li> <li><span xml:lang="de-DE">Der Hausarzt stellt häufig die </span><span xml:lang="de-DE">Erstdiagnose der Herzinsuffizienz.</span><span xml:lang="de-DE">Diese ist insbesondere bei älteren</span><span xml:lang="de-DE"> Menschen häufig schwierig.</span></li> <li><span xml:lang="de-DE">Der Hausarzt ist oft erste Anlaufstelle bei Dekompensation. Eine rasche Behandlung kann oft eine Spitalsaufnahme verhindern.</span></li> <li><span xml:lang="de-DE">Dem Hausarzt fallen die Aufgaben</span><span xml:lang="de-DE"> der Weiterverschreibung von Medi­kamenten und der Über­prüfung der Verträglichkeit und Compliance zu. Diese haben ­große Auswirkungen auf die ­Prognose des Patienten.</span></li> </ul> </div> <h2>Herausforderung für das Gesundheitssystem</h2> <p>Die Anzahl der Patientinnen und Patienten* mit Herzinsuffizienz wird in Österreich auf rund 250 000 geschätzt und ist damit prozentuell gleichauf mit Deutschland (1,6 Mio.) und der Schweiz (200 000). Es wird damit gerechnet, dass diese Zahlen in den nächsten Jahren um rund 25 % steigen. Bemerkenswerterweise sollen sich die Kosten im selben Zeitraum überproportio­nal um mehr als das Doppelte erhöhen. Für die USA rechnet man für 2030 mit direkten Aufwendungen von 80 Mrd. Dollar.</p> <h2>Wichtige Rolle der Hausärzte bei Herzinsuffizienz</h2> <p>Diesen beeindruckenden Zahlen stehen in Österreich rund 4000 Allgemeinmediziner und 400 Internisten gegenüber. Rechnet man Wahlärzte sowie die kardiologischen und internistischen Ambulanzen großzügig ein, müsste jeder Internist mehr als 200 Menschen mit Herzinsuffizienz betreuen. Daraus wird schnell ersichtlich, dass den Hausärzten eine zentrale und immens wichtige Rolle in der Betreuung der Herzinsuffizienz zufällt. Diese umfasst insbesondere:<br />Sie stellen häufig die Erstdiagnose<br />Besonders bei älteren Patienten kann sich eine Herzinsuffizienz mit subtilen Zeichen, beispielsweise nur leichten Beinödemen und einer geringen Einschränkung der Leistungsfähigkeit, äußern. Nur wer die Patienten gut und lange kennt, wird bemerken, dass es sich hier nicht um einen normalen Alterungsprozess handelt.<br />Sie sind häufig erste Anlaufstelle bei einer Dekompensation<br />Viele Dekompensationen bei chronischer Herzinsuffizienz kündigen sich mit einer raschen Erhöhung des Körpergewichts an, oft noch bevor es zu offensichtlichen Stauungszeichen kommt. Eine rasche Reaktion durch eine Erhöhung der Diuretika oder eine Anpassung der spezifischen Therapie kann Spitalsaufenthalte oft verhindern.<br />Sie sind häufig für die Weiterverschreibung der Therapie zuständig<br />Die Herzinsuffizienztherapie ist nur so gut wie die Compliance des Behandelten. Die Hausärzte trifft hier die ausgesprochen wichtige Aufgabe, sicherzustellen, dass die Medikamente wie verschrieben eingenommen werden.<br />So bedeutsam also die Rolle des Hausarztes ist, so wenig wurde sie bisher wissenschaftlich beleuchtet. Das britische NICE-Komitee empfiehlt denn auch recht allgemein eine gute Kommunikation zwischen den Behandelnden, eine patientenzentrierte Betreuung und eine Überweisung zum Spezialisten bei Unsicherheit. So weit, so offensichtlich.</p> <h2>Einschätzung der Situation und Verbesserungsmöglichkeiten</h2> <p>Dass dies jedoch nicht trivial ist, wissen wir alle aus der täglichen Erfahrung. Dennoch – multidisziplinäre Ansätze, sowohl intramural als auch im niedergelassenen Bereich, zeigten in einigen Studien eine deutliche Verbesserung des Überlebens, die vergleichbar ist mit jener, die durch neueste Medikamente erreicht werden kann. <br />Zusätzlich gibt es gute Beweise dafür, dass die Weiterverschreibungsrate der wichtigsten Medikamente eng mit dem Überleben zusammenhängt. Daten aus Österreich zeigen uns, dass beinahe die Hälfte der Patienten mit einer neuen Herzinsuffizienzdiagnose im Folgejahr keinen Betablocker bezogen haben. Das kann daran liegen, dass das Medikament nicht in der Apotheke abgeholt wurde oder dass es nicht verschrieben wurde. In jedem Fall liegt es hier an den betreuenden Ärzten, also in der Regel am Hausarzt, diese Medikamente und deren Einnahme zu überwachen.<br />So viel also zur akademischen Beschäftigung mit dem Thema. Doch was sagen die Betroffenen? Eine repräsentative Erhebung unter Hausärzten zeichnet ein klares Bild:<br />• Es ist schwierig, den Stellenwert der Leitlinien einzuschätzen, und es ist unmöglich, alle Leitlinien aller wichtigen Erkrankungen zeitgemäß zu überblicken. <br />• Die Diagnose der Herzinsuffizienz ist insbesondere bei älteren Menschen schwierig und eine Zweitmeinung ist oft mit langer Wartezeit verbunden. <br />• Multidisziplinäre Zusammenarbeit wird begrüßt, vor der Gefahr einer einseitigen Beziehung aber gewarnt. Die Allgemeinmediziner wollen ihre Patienten in ihrer Betreuung behalten. <br />Daraus ergeben sich mehrere Möglichkeiten zur Verbesserung. <br />Leitlinien werden von Gremien bestehend aus mehreren Dutzend Experten geschrieben und kondensieren oft Hunderte größere Studien. Nicht selten entsteht der Eindruck, dass hier aus dem Elfenbeinturm heraus für den Elfenbeinturm geschrieben wird. Es besteht ein großer Bedarf an pragmatischen, den nationalen Gegebenheiten angepassten Leitlinien. Hier sind die lokalen wissenschaftlichen Gesellschaften gefragt.<br />Informationstechnologie hat schon lange Einzug in die klinische Routine gehalten, gleichzeitig werden die Behandlungsabläufe immer strukturierter. Die ärztliche Kunst täte hier gut daran, sich durch un­kreative Algorithmen unterstützen zu ­lassen. Die Möglichkeiten gibt es, die Verpflichtung zur Dokumentation könnte hier synergistisch genutzt werden und die vorhandenen Daten zur Hilfe herangezogen werden. Letztlich liegt es an den Kostenträgern, hier tatsächlich intelligente Systeme zu implementieren. <br />Schließlich brauchen wir einen besseren Austausch zwischen Allgemeinmedizinern und Spezialisten. Die Kommunikation muss unmittelbarer werden und von einem gegenseitigen Verständnis getragen sein. Denn es ist klar, dass die Volkskrankheit Herzinsuffizienz nur durch einen gemeinsamen Einsatz aller behandelnden Ärzte auch in Zukunft gut versorgt werden kann.</p> <p><sub>* Im Folgenden sind ausdrücklich immer die weibliche und die männliche Form gemeint.</sub></p></p>
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<p>beim Verfasser</p>
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