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Oberösterreichisches Schultermeeting

Die Versorgung der AC-Gelenksluxation – keine endgültige Evidenz

<p class="article-intro">Mit den Techniken der Hakenplatte und der Zuggurtung kann grundsätzlich das Ziel einer horizontalen und vertikalen AC-Gelenksstabilisierung erreicht werden. Für eine verbesserte Frühmobilisierung und um Implantatlockerungen oder eine Zweitoperation zu vermeiden hat sich das TightRope®-Verfahren bewährt.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Verbessern neue Verfahren in der Behandlung der AC-Gelenksluxation die klinischen Ergebnisse, reduzieren sie die Komplikationen und kommt es zu einer schnelleren Rehabilitation und geringeren Kosten? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des &bdquo;Schultermeetings&ldquo; in Puchberg bei Wels, das seit 2012 allj&auml;hrlich unter der Leitung von Dr. Franz Unger, Facharzt f&uuml;r Unfallchirurgie und Sporttraumatologie mit Spezialgebiet Schulterchirurgie, Klinik Diakonissen Linz, stattfindet. &bdquo;Eingeladen sind Unfallchirurgen, Orthop&auml;den, Physiotherapeuten und alle schulterchirurgisch Interessierten aus Ober&ouml;sterreich. &Uuml;ber F&auml;chergrenzen hinweg gibt es aber auch regelm&auml;&szlig;ig Vortr&auml;ge von &uuml;berregionalen und externen Experten&ldquo;, erkl&auml;rte Unger, dessen Veranstaltung mit 80 bis 100 Teilnehmern immer gut besucht ist. Als Gastreferenten f&uuml;r &Uuml;bersichtsvortr&auml;ge konnten diesmal die AC-Gelenk-Spezialisten Prof. Dr. Christian Fialka aus Wien und Prof. Dr. Mark Tauber aus M&uuml;nchen gewonnen werden, die sich beide in ihren wissenschaftlichen Arbeiten intensiv mit Verletzungen des AC-Gelenks auseinandergesetzt haben. Mit Vortr&auml;gen ober&ouml;sterreichischer Kollegen und offener Diskussion wurde die Veranstaltung in traditioneller Weise abgerundet.</p> <h2>H&auml;ufige Sportverletzung</h2> <p>Das Akromioklavikular(AC)-Gelenk ist die gelenkige Verbindung zwischen dem Schulterdach und dem Schl&uuml;sselbein und bildet den h&ouml;chsten Punkt an der Schulter. Das AC-Gelenk unterst&uuml;tzt das Heben des Armes &uuml;ber Kopfh&ouml;he. Ist es verletzt, kann der Arm nicht mehr gehoben werden. AC-Gelenksverletzungen geh&ouml;ren zu den h&auml;ufigen Sportverletzungen und entstehen meistens durch direkten Sturz auf die Schulter (Sturz vom Fahrrad oder Anprall gegen die Bande beim Eishockeyspiel etc.).<br />Abgesehen von der konservativen Therapie wurde historisch betrachtet das AC-Gelenk mit akromialen N&auml;hten, gefolgt von den K-Dr&auml;hten, der Bosworth-Schraube und den Hakenplatten-Systemen, der eher bei chronischen Verletzungen angewandten &bdquo;Weaver-Dunn procedure&ldquo; und schlie&szlig;lich mit den modernen TightRope&reg;-Systemen versorgt. Bei den Dr&auml;hten (mit oder ohne Cerclage) bestanden die Hauptnachteile in der Auslockerung und Migration, der m&ouml;glichen Arthroseentwicklung und in der Notwendigkeit der Entfernung des Metalls.</p> <h2>Zuggurtung und Hakenplatte</h2> <p>Die AC-Gelenk-Zuggurtung war in der Vergangenheit die g&auml;ngigste Technik in der Behandlung der h&ouml;hergradigen AC-Instabilit&auml;t. &bdquo;Sie hat die Vorteile eines minimalintensiven Eingriffs und den Nachteil, dass es sich um ein sehr aufwendiges und schwieriges Verfahren handelt, das viel Erfahrung erfordert&ldquo;, erkl&auml;rte Dr. J&uuml;rgen Kleinrath, Unfallchirurgische Abteilung, LKH Kirchdorf. Da man die Patienten dabei im Schulterbereich f&uuml;r mindestens 6 Wochen ruhig stellen muss, spielt die Patienten-Compliance eine wichtige Rolle. Sobald jemand innerhalb dieser Frist den Arm &uuml;ber 90&deg; hebt, kann es zu Torquierungen, Wanderungen und auch Implantatlockerungen kommen. Gute Ergebnisse brachte die Hakenplatte, die jedoch zur Osteolyseentwicklung, zur Notwendigkeit der Entfernung des Metalls sowie zu einem Schaden an der Rotatorenmanschette f&uuml;hren kann. Auch beim &auml;lteren und etablierten Bosworth-Verfahren kann sich die Schraube lockern. Gute Ergebnisse bringt die Kombination der Bosworth-Schraube mit der K-Draht-Fixierung, wie ein rezenter Research-Artikel zeigen konnte.<sup>1</sup> Bei der Hakenplatte wird ein Haken im Akromion implementiert und mit Schrauben fixiert. Der gr&ouml;&szlig;te Nachteil besteht in den durch den Haken verursachten Osteolysen. &bdquo;Wird das Implantat sp&auml;testens nach drei bis vier Monaten entfernt, bekommt man aber gute Ergebnisse&ldquo;, so Kleinrath. <br />Zuggurtung und Hakenplatte sind also keineswegs risikolos. Die Behandlungsergebnisse nach unterschiedlichen Operationsverfahren zur Versorgung der AC-Sprengung Grad Tossy III brachten eine Gesamtkomplikationsrate bei der Zuggurtung von bis zu 47 % und bei der Hakenplatte von bis zu 59 % .<sup>2</sup> Ein Vergleich der Hakenplatte mit der PDS-Augmentationsplastik bei Rockwood V zeigte f&uuml;r beide Verfahren gute Ergebnisse. Es gab keinen Unterschied im funktionellen Outcome und es kam bei beiden Verfahren gleich h&auml;ufig zu einem Repositionsverlust. Die Hakenplatte erfordert einen Zweiteingriff und die Wahrscheinlichkeit f&uuml;r Osteolysen steigt an.<sup>3</sup></p> <h2>Moderne Verfahren</h2> <p>&bdquo;Moderne&ldquo; Versorgungsmethoden (Tight&shy;Rope&reg;, Minar&reg;, ZipTight&reg;) beruhen alle auf der Augmentation der CC-B&auml;nder. Das biomechanisch beste Outcome erzielt man mit dem TightRope&reg;, das nur noch vom Double TightRope&reg; &uuml;bertroffen wird. Bei operativ versorgten Patienten mit horizontaler Residualinstabilit&auml;t zeigen sich klinisch schlechtere Ergebnisse, wobei man mit Double TightRope&reg; auch die horizontale Residual&shy;instabilit&auml;t sehr gut adressieren kann. &bdquo;Bez&uuml;glich der anatomischen im Vergleich mit der nicht anatomischen Rekonstruktion wirken sich anatomische Verfahren tendenziell g&uuml;nstiger aus&ldquo;, sagte Kleinrath.<br />Ein arthroskopischer Eingriff beim TightRope&reg; erm&ouml;glicht die Adressierung von Begleitverletzungen und eine bessere Visualisierung des Bohrkanals. Gerade bei der Double-TightRope&reg;-Technik ist es wichtig, die Bohrl&ouml;cher m&ouml;glichst exakt zu setzen. Ein weiterer Vorteil beim arthroskopischen Verfahren ist das kleinere Bohrloch (3mm), w&auml;hrend man bei der offenen Technik mit einem 4mm-Bohrloch arbeiten muss. Die Indikation f&uuml;r arthroskopische Technik liegt vor allem in der Rockwood-Klasse III und IV. <br />Die konservative Therapie ist bei Tossy-Verletzungen Grad I&ndash;III das Verfahren der Wahl, da sie &ouml;konomischer und der operativen Therapie mindestens gleichwertig ist. Verletzungen vom Typ Rockwood IV&ndash;VI stellen aber eine Operationsindikation dar. &bdquo;Die tats&auml;chliche Therapieentscheidung und deren Auswirkungen sollten stets mit dem Patienten besprochen werden, insbesondere bei Tossy III ist die Diskrepanz zwischen Operation und Nichtoperation am gr&ouml;&szlig;ten&ldquo;, erkl&auml;rte Dr. Georg Mattiassich, Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Linz. Was die Mobilisation und die Kosmetik betrifft, bringt die konservative Therapie meist bessere Ergebnisse als die operative Versorgung, wohingegen man bei der operativen Behandlung eine fr&uuml;here Schmerzfreiheit erreicht.<br />Die Langzeitergebnisse nach Rockwood-V-Verletzungen scheinen anhaltend gut zu sein, sodass wenig Seitendifferenz im CS (&bdquo;Constant Shoulder Score&ldquo;) besteht. Aber es gibt bei den &bdquo;neuen&ldquo; Verfahren leider auch Komplikationen, wie eine Studie mit 59 Patienten zeigte, die sofort versorgt wurden: Es ergab sich eine Gesamtkomplikationsrate von 27,1 % . Die Komplikationen umfassen &bdquo;loss of reduction&ldquo;, Repositionsverlust, manchmal verbunden mit einer Klavikulafraktur, Korakoidfraktur oder Materialproblemen.<sup>4</sup> &bdquo;Eine grundlegende Erkenntnis aus dieser Studie von namhaften Schulterchirurgen ist, dass gute und exzellente Ergebnisse eigentlich nur bei Patienten ohne Komplikationen erzielt werden k&ouml;nnen&ldquo;, so Mattiassich.<br />Was die Ursachen f&uuml;r Komplikationen betrifft, gibt eine weitere Untersuchung an 63 Patienten, CS 95,2 operierte Seite vs. 97 kontralaterale Seite, Auskunft. Bei 14,3 % der Patienten war eine chirurgische Revision erforderlich (davon 9,5 % aufgrund einer Fehlpositionierung). Je j&uuml;nger der Patient, desto besser das Ergebnis.<sup>5</sup><br />&bdquo;Meistens kommt es aufgrund von Fehlpositionierungen des TightRopes zu Komplikationen&ldquo;, so Mattiassich. Die Analyse einer Multicenterstudie (n=116) zeigte, dass intraoperativ in Bezug auf das Verfahren keine spezifischen Komplikationen durch das Implantat selbst gegeben sind. Vielmehr entstehen die Komplikationen durch das chirurgische Verfahren als solches: Druckprobleme durch Endo-Button und Knopf, Korakoidfraktur und Repositionsverlust. Allgemeine Komplikationen sind Infektion, Algodystrophie und CRPS, Erosionen und heterotope Ossifikationen.<sup>6</sup> Eine 2x4mm-Bohrung durch das Korakoid f&uuml;hrt biomechanisch gezwungenerma&szlig;en zu einer Sollbruchstelle. Technische Weiterentwicklungen mit kleineren Bohrkanaldurchmessern sind letztlich nur arthroskopisch m&ouml;glich und f&uuml;hren zu einer gewissen Verringerung des Risikos eines Korakoidbruchs.<sup>7</sup></p> <h2>Untersuchung UKH Linz</h2> <p>In eine klinische und radiologische Nachuntersuchung unter der Leitung von Dr. Werner Litzlbauer und Dr. Georg Mattiassich an Patienten des Unfallkrankenhauses Linz mit einem Mindest-Follow-up von 12 Monaten, die in den Jahren 2007 bis 2011 einer AC-Gelenksoperation unterzogen worden waren, waren 46 Patienten eingeschlossen. In diesem Zeitraum wurden im Wesentlichen drei Verfahren angewendet: Zuggurtung (n=7), LARS-Band (n=5) und TightRope&reg; (n=34). Das Follow-up betrug im Durchschnitt 37,1 Monate und der durchschnittliche CS 87,2. &bdquo;Wir kamen unter anderem zu der Erkenntnis, dass die Patienten l&auml;nger ruhig gestellt werden m&uuml;ssen&ldquo;, so Mattiassich. <br />Vergleicht man die Einzelergebnisse der unterschiedlichen Verfahren, dann war weder ein statistischer (p&gt;0,05) noch ein klinisch signifikanter Unterschied zu verzeichnen. TightRope&reg; f&uuml;hrte zu einem Constant-Score von 88,6, das LARS-Band zu 83,3 und die Zuggurtung zu 79,9. Insgesamt waren 14 Folgeoperationen notwendig: bei Zuggurtung 6 geplante Eingriffe, einmal ungeplant wegen Drahtdislokation; beim TightRope&reg; gab es 7 ungeplante Sekund&auml;reingriffe (einmal Implantatriss, einmal wegen Infekts, f&uuml;nfmal wegen Schmerzen), die eine ACG-Resektion und eine TightRope&reg;-Entfernung in zwei F&auml;llen notwendig machten. <br />Wie bei jedem chirurgischen Eingriff k&ouml;nnen Infektionen auftreten, die sich beim TightRope&reg;-Verfahren besonders unangenehm auswirken, weil sich die Keime am Fadenmaterial festsetzen und nur durch die Entfernung des kompletten Materials beseitigt werden k&ouml;nnen. &bdquo;Eine heterotope Ossifikation hat meistens keine klinischen Auswirkungen, ihr sollte aber dennoch Beachtung geschenkt werden&ldquo;, so Mattiassich.<br />Die Entwicklung der Verfahren zur AC-Gelenk-Versorgung ging zwar in den letzten 15 Jahren steil bergauf, und im Jahr 2013 konnten in der Literatur bereits 120 Studien, in denen insgesamt 162 isolierte oder kombinierte Operationsmethoden analysiert wurden, gefunden werden. &bdquo;Was die Antworten auf die klinisch relevanten Fragestellungen in diesen Studien betrifft, also ob eine operative oder konservative, eine anatomische oder nicht anatomische oder eine fr&uuml;he versus sp&auml;te Versorgung erfolgen soll, kann aber noch von keiner abschlie&szlig;enden Evidenz gesprochen werden&ldquo;, so Mattiassich.<sup>8</sup></p> <p>Das n&auml;chste O&Ouml; Schultermeeting wird am 18. Oktober 2018 stattfinden und sich dem Thema &bdquo;Schulter und Sport&ldquo; widmen.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 6. Oberösterreichisches Schultermeeting, 19. Oktober 2017, Wels </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Tiefenb&ouml;ck T et al.: BMC Musculoskelet Disord 2017; 18: 339 <strong>2</strong> G&ouml;hring U et al.: Chirurg 1993; 64: 565-71 <strong>3</strong> Eschler A et al.: Arch Orthop Trauma Surg 2012; 132(1): 33-9 <strong>4</strong> Martetschl&auml;ger F et al.: AJSM 2013; 41(12): 2896-903 <strong>5</strong> Schliemann B et al.: KSSTA 2015; 23(5): 1419-25 <strong>6</strong> Clavert P et al.: Orthop Traumatol: Surg Res 2015; 101(8 Suppl): 313-6 <strong>7</strong> Martetschl&auml;ger F et al.: Arthroscopy 2016; 32(6): 982-7 <strong>8</strong> Beitzel K et al.: Arthroscopy 2013; 19(2): 387-97</p> </div> </p>
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