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Osteosynthese bei der periprothetischen Oberschenkelfraktur

<p class="article-intro">Die Wahl der richtigen Vorgehensweise bei periprothetischen Oberschenkelfrakturen wird schon seit Jahren kontrovers diskutiert. Essenziell dabei sind – neben der korrekten Bildgebung – die Kenntnis der Frakturklassifikation und davon abgeleitet die entsprechende Therapie. Ob ein Prothesenwechsel oder eine Osteosynthese durchgeführt wird, hängt letztlich von der Erfahrung und Ausbildung des behandelnden Arztes sowie von der Verfügbarkeit der Implantate im jeweiligen Spital ab. </p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Versorgung einer periprothetischen Fraktur erfordert Kompetenz und Sachkenntnis in Frakturheilung, Frakturmanagement und (Revisions-)Endoprothetik.</li> <li>Die Behandlung einer periprothetischen Fraktur ist kein Notfall, sie bedarf aber einer geplanten baldigen operativen Versorgung.</li> <li>Eine konservative Therapie der periprothetischen Fraktur ist aufgrund der gro&szlig;en Risiken nur in Ausnahmef&auml;llen indiziert (Pseudarthrose, Achsenfehlstellung, ...).</li> <li>Ziel der Versorgung: Erm&ouml;glichen einer fr&uuml;hfunktionellen Mobilisation</li> <li>Individualisiert angepasstes Therapieregime</li> <li>Periprothetische Frakturen in Zusammenhang mit gelockerten Implantaten (Vancouver Typ B2, B3) erfordern stets einen Prothesenwechsel.</li> <li>Verplattung ist immer m&ouml;glich, wenn die Prothese nicht gelockert ist (Vancouver B1, C).</li> </ul> </div> <h2>Sozio&ouml;konomische Bedeutung</h2> <p>Weltweit, so auch in Europa, ist eine enorme Zunahme von Gelenksersatzoperationen zu verzeichnen. Eine k&uuml;rzlich in Deutschland ver&ouml;ffentlichte Studie zeigt, dass im OECD-Vergleich &Ouml;sterreich mit einer Inzidenz von 272/100 000 Einwohnern hinter der Schweiz (292) und Deutschland (287) den dritten Platz bei durchgef&uuml;hrten totalendoprothetischen H&uuml;fteingriffen einnimmt. Mit steigender Anzahl endoprothetischer Eingriffe, vorwiegend am H&uuml;ft- und Kniegelenk, bei immer &auml;lter werdenden Patienten sind &ouml;fter Komplikationen nach derartigen Operationen zu sehen. Zu den weit reichenden Folgen hierbei z&auml;hlen zweifelsohne die periprothetischen H&uuml;ftfrakturen, f&uuml;r deren korrekte Therapie Kenntnisse einerseits &uuml;ber richtig angelegte Osteosynthesen, andererseits &uuml;ber M&ouml;glichkeiten und Techniken der Revisionsendoprothetik erforderlich sind.<br />In der aktuellen Fachliteratur gibt es kontroverse Angaben zur Inzidenz s&auml;mtlicher periprothetischer Frakturen betreffend den ganzen K&ouml;rper, wobei Raten zwischen 0,045 % und 27,8 % publiziert wurden. Betrachtet man periprothetische Frakturen an der unteren Extremit&auml;t, so werden diese in der Literatur mit Inzidenzraten zwischen 0,6 % und 2,4 % beschrieben. W&auml;hrend in 17,3 % der F&auml;lle periprothetische Frakturen den Grund f&uuml;r einen Revisionseingriff bei H&uuml;ft-TEP (H&uuml;fttotalendoprothesen) darstellen, sind es bei Knie-TEP (Knietotalendoprothesen) lediglich 3,1 % . <br />Periprothetische Frakturen werden anhand der Entstehungsursache prinzipiell in zwei Arten eingeteilt, n&auml;mlich in die intra- und die postoperativ verursachten Frakturen. Eine Sonderform ist die sogenannte intraprothetische Fraktur, die gekennzeichnet ist durch das Auftreten einer Fraktur an der Extremit&auml;t bei liegender H&uuml;ft- und Knieprothese. Die Ursachen f&uuml;r das Entstehen einer periprothetischen Fraktur sind breit gef&auml;chert, neben osteoporotischen Zust&auml;nden werden in diesem Zusammenhang oftmals rheumatoide Ereignisse angegeben. Diese Umst&auml;nde f&uuml;hren nicht selten unweigerlich zu Erm&uuml;dungsbr&uuml;chen, die durch eine Sch&auml;digung der Kortikalis verursacht werden. Echte Sturzereignisse k&ouml;nnen durch postoperative Paresen, Beinl&auml;ngendifferenzen oder Gehunsicherheiten hervorgerufen werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1801_Weblinks_s28_1.jpg" alt="" width="2151" height="288" /></p> <h2>Diagnostik</h2> <p>Neben einer detaillierten klinischen Untersuchung, wobei besonderes Augenmerk auf die Beweglichkeit der verletzten und der angrenzenden Gelenke gerichtet werden soll, ist die Erhebung einer Anamnese zur Bestimmung des pr&auml;operativen Mobilit&auml;tsniveaus wesentlich. Dies ist insofern wichtig, als bei Bettl&auml;gerigkeit in der Ausgangssituation oftmals eine gro&szlig;e Operation mit Prothesenwechsel nicht mehr durchgef&uuml;hrt wird. Die zur&uuml;ckhaltende Vorgehensweise beruht darauf, dass ohnehin kein belastendes Mobilisieren des Patienten erwartet wird und somit der &bdquo;kleinere Eingriff&ldquo; mittels Osteosynthese anzustreben ist.<br />Entscheidend f&uuml;r das geplante Vorgehen ist ohne Zweifel die detaillierte Bildgebung, wobei als Erstes ein Nativr&ouml;ntgen der verletzten Extremit&auml;t in beiden Ebenen mit Becken&uuml;bersichtsaufnahme durchgef&uuml;hrt werden sollte. Sind die R&ouml;ntgenbilder nicht ausreichend, um Aussagen hinsichtlich der Festigkeit des Prothesensitzes im Schaft treffen zu k&ouml;nnen, sollte in weiterer Folge eine Computertomografie (CT) des gebrochenen Oberschenkels bei liegender H&uuml;ftprothese durchgef&uuml;hrt werden. Die CT-Untersuchung erlaubt Aussagen &uuml;ber die genaue Beurteilung des Frakturverlaufes sowie &uuml;ber eine m&ouml;gliche Schaftlockerung. In Bezug auf die Operationsplanung ist es au&szlig;erordentlich wichtig zu wissen, um welche Situation es sich bei dem jeweiligen Patienten handelt, wobei die gebr&auml;uchliche Vancouver-Klassifikation sehr aufschlussreich und hilfreich sein kann.</p> <h2>Die Vancouver-Klassifikation</h2> <p>W&auml;hrend die Vancouver-Typ-A-Frakturen im Bereich der Trochanter-minor- und -major-Region vorkommen und somit immer ein fester Prothesensitz zu erwarten ist, sieht die Sache bei den Typ-B-Verletzungen etwas anders aus. Vancouver-B1-Frakturen weisen definitionsgem&auml;&szlig; einen festen Prothesensitz auf, w&auml;hrend B2-Frakturen durch Lockerung bei guter Knochenqualit&auml;t gekennzeichnet sind und B3-Frakturen durch Lockerung bei schlechter Knochenqualit&auml;t. Die Situationen, die einen Frakturverlauf distal der Prothesenspitze am Oberschenkelschaft aufweisen, werden als Vancouver-Typ-C-Verletzungen bezeichnet, sie gehen in der Regel mit einem stabilen Prothesenschaft einher (Abb. 1).<br />Diese Beschreibungen der vorliegenden periprothetischen Frakturen und die Einteilung in die entsprechende Vancouver-Klassifikation sind einfach durchzuf&uuml;hren. In der Praxis sieht die Realit&auml;t jedoch anders aus, und nicht selten passiert es, dass der Operateur im Femur intraoperativ einen komplett gelockerten Prothesenschaft vorfindet, obwohl anhand der Vancouver-Klassifikation eine stabile Situation zu erwarten war. Dieser Umstand zeigt, dass die derzeit &uuml;blichen Untersuchungsmethoden nicht ausreichend ausgereift sind, dass valide Angaben &uuml;ber Stabilit&auml;tsverh&auml;ltnisse des Prothesenschaftes getroffen werden k&ouml;nnen. Erwartet sich der Chirurg eine stabile Situation und plant somit die Anlage einer langen Platte am frakturierten Oberschenkel, kann er pl&ouml;tzlich intraoperativ eine instabile Verankerung vorfinden und somit gezwungen sein, den weitaus gr&ouml;&szlig;eren Eingriff mit Schaftausbau und Implantation eines Revisionsschaftes in Kombination mit einer Osteosynthese des frakturierten Schaftes durchzuf&uuml;hren.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1801_Weblinks_s28_2.jpg" alt="" width="684" height="1489" /></p> <h2>Wahl der Therapie</h2> <p>Die Wahl der anzustrebenden Therapie richtet sich in erster Linie nach der Verf&uuml;gbarkeit von Implantaten. Da periprothetische Frakturen mit unterschiedlichen Strategien und Techniken versorgt werden k&ouml;nnen, ist die Lagerung entsprechender Implantate ma&szlig;geblich (Revisionssch&auml;fte, diverse Prothesenkomponenten, Platten, Schrauben etc.). Dar&uuml;ber hinaus spielt die Erfahrung des Operateurs eine gro&szlig;e Rolle, der einerseits in der Lage sein sollte, die Vancouver-Klassifikation und davon abgeleitet die korrekte Therapie anzuwenden, und andererseits den Umgang mit den Implantaten und die jeweiligen Techniken beherrschen sollte. Wichtig ist auch, den Allgemeinzustand sowie die k&ouml;rperliche Fitness des zu operierenden Patienten in die Entscheidung mit einflie&szlig;en zu lassen, wobei auch abgewogen werden sollte, ob eine chirurgische Therapie mit anschlie&szlig;ender Rehabilitation f&uuml;r die Patienten zumutbar ist.</p> <h2>Extramedull&auml;re Osteosynthese mittels Verplattung</h2> <p>Prinzipiell k&ouml;nnen jede Art und Situation einer periprothetischen Fraktur mittels Verplattungsosteosynthese versorgt werden. Im Vordergrund stehen definitionsgem&auml;&szlig; jedoch Patienten, die sich eine Vancouver-Typ-B1- oder -Typ-C-Fraktur zugezogen haben; bei diesen ist eine stabile Verankerung des Schaftes im Oberschenkelknochen zu erwarten. Aber auch andere Typen der Vancouver-Klassifikation k&ouml;nnen mittlerweile mit einer Verplattung stabilisiert werden, insbesondere Patienten, die k&ouml;rperlich deutlich eingeschr&auml;nkt sind, da ohne Operation in vielen F&auml;llen ihre Situation mit dem Leben nicht zu vereinbaren w&auml;re. Ein wesentlicher Vorteil gegen&uuml;ber der Anwendung einer Revisionsprothese ist der Umstand, dass eine Platte elegant &uuml;ber einen oder mehrere kleinere Zug&auml;nge eingeschoben werden kann und somit eine stabile Osteosynthese mit guter Stabilit&auml;t in wesentlich k&uuml;rzerer Operationszeit und mit geringerem Weichteiltrauma und Blutverlust durchgef&uuml;hrt werden kann. Klarerweise sind mit der Verplattungstechnik auch Kombinationen m&ouml;glich, wobei z.B. der gebrochene Schaft zun&auml;chst mit einer Revisionsprothese aufgef&auml;delt und im Anschluss mit einer au&szlig;en angelegten Platte eine zus&auml;tzliche Stabilisierung erreicht wird. Oft werden auch Cerclagen als weitere Stabilisatoren verwendet.</p> <h2>Indikationen f&uuml;r die Osteosynthese mittels Verplattung</h2> <p>M&ouml;chte der Operateur eine periprothetische Fraktur mittels Verplattung behandeln, sollte eine Situation vorherrschen, bei welcher der H&uuml;ftprothesenschaft fest integriert, also stabil verankert ist &ndash; idealerweise eine Vancouver-Typ-B1- oder -Typ-C-Fraktur. Von Vorteil f&uuml;r die effiziente Behandlung ist, wenn die Fraktur prothesenfern lokalisiert ist bzw. wenn der zu versorgende Patient biologisch j&uuml;nger ist und somit eine gute Knochenqualit&auml;t hat, die eine bessere Fixation erlaubt. Dar&uuml;ber hinaus eignet sich die Verplattung hervorragend bei Frakturen, die einen unkomplizierten Verlauf zeigen und durch einen guten und ausreichenden medialen Fragmentkontakt charakterisiert sind.</p> <h2>H&auml;ufige Fehler bei Osteosynthese mittels Verplattung</h2> <p>Da die Technik der Verplattung praktisch eine Dom&auml;ne der Unfallchirurgen darstellt, wird diese Art der Versorgungstechnik eher von dieser Berufsgruppe angewendet und favorisiert. Um nicht Schiffbruch im Sinne einer Fehlverheilung bzw. m&ouml;glichen Pseudarthrose zu erleiden, sollten einige wichtige Operationsschritte ber&uuml;cksichtigt werden. <br />Voraussetzung f&uuml;r einen raschen Frakturheilungsverlauf sind korrekte Reposition, Retention und ausreichende Blutversorgung. Kommt es jedoch im Rahmen des operativen Verfahrens zu einer Denudierung der Fragmente bzw. zu einem fehlenden Fragmentkontakt, so erh&ouml;ht sich das Risiko f&uuml;r eine Fehlverheilung dramatisch. Weitere Fehlerquellen sind die Verwendung einer unzureichend langen Platte bzw. eine unpassende Schraubenverankerung und das Nichtverwenden einer Spongiosaplastik bei gr&ouml;&szlig;erer Dislokation der Frakturanteile.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1801_Weblinks_s28_3.jpg" alt="" width="2150" height="1613" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>&bull; Berry DJ: Epidemiology: hip and knee. Orthop Clin North Am 1999; 30: 183-90 &bull; Bethea JS et al.: Proximal femoral fractures following total hip arthroplasty. Clin Orthop Relat Res 1982; (170): 95-106 &bull; Dehghan N et al.: Surgical fixation of Vancouver type B1 periprosthetic femur fractures: a system&shy;atic review. 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