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Acetabuläre Revision in der Hüftendoprothetik: eins für alles?

<p class="article-intro">Ein neuartiges „Augment and modular cage“-System (MRS-TITAN® Comfort) ermöglicht die intraoperative zementfreie Rekonstruktion selbst größter Knochendefekte unter Zuhilfenahme der biologischen Augmentation.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die acetabul&auml;re Revision einer einliegenden H&uuml;fttotalendoprothese kann sehr anspruchsvoll sein. H&auml;ufige Gr&uuml;nde hierf&uuml;r sind eine unvorteilhafte Anatomie, gro&szlig;e Knochendefekte sowie ein schlechter Knochenstock, was intraoperativ die Verankerung der neuen Pfanne stark erschwert.<sup>1</sup> Auch die Anzahl der vorangegangenen Revisionsoperationen spielt eine erhebliche Rolle, erschwert doch ein ausgepr&auml;gtes chirurgisches D&eacute;bridement die Situation oft noch zus&auml;tzlich.</p> <p>Ferner sind die intraoperativ tats&auml;chlich vorhandenen anatomischen Verh&auml;ltnisse nach definitiver Pfannenpr&auml;paration oft anders als zun&auml;chst erwartet (sog. &bdquo;mismatch&ldquo;), was eine sehr flexible intraoperative Entscheidungsfindung verlangt. H&auml;ufige Gr&uuml;nde hierf&uuml;r sind abriebinduzierte Osteolysen, avitale oder sklerotische Bereiche oder das chirurgische D&eacute;bridement selbst.<sup>2</sup> Die Summe all dieser Probleme und Herausforderungen hat in den vergangenen zwanzig Jahren zu einem Umdenken in der Revisionschirurgie und zur Entwicklung neuartiger Techniken und angepasster hochmodularer Implantate gef&uuml;hrt, die es erm&ouml;glichen, pr&auml;- und intraoperativ auf alle m&ouml;glichen Situationen angemessen zu reagieren.</p> <p>Obgleich dies eine deutlich erh&ouml;hte intraoperative Flexibilit&auml;t zur Folge hatte, spielt die pr&auml;operative Diagnostik in der Vorbereitung auf die Revision weiterhin eine entscheidende Rolle. So darf, neben den konventionellen R&ouml;ntgenaufnahmen, auch die Durchf&uuml;hrung eines d&uuml;nnschichtigen nativen Planungs-CTs heute als Standard angesehen werden. Nur so gelingt eine m&ouml;glichst pr&auml;zise erste Einteilung der vorhandenen Defektsituation; beispielsweise nach Paprosky.<sup>3</sup></p> <p>Die Ziele der Revision bemessen sich an den bereits geschilderten Problemstellungen: bestm&ouml;gliche Wiederherstellung der Gelenkgeometrie, des anatomischen Drehzentrums und des femoralen Offsets unter Beibehaltung einer physiologischen Beinl&auml;nge. Hierbei muss jedoch auch eine anschlie&szlig;ende Luxationsstabilit&auml;t gew&auml;hrleistet sein, was unter Umst&auml;nden zur Aufgabe eines oder mehrerer der zuvor genannten Ziele f&uuml;hren kann.</p> <p>Die prim&auml;re Stabilit&auml;t wird durch das verwendete Implantat und seine Fixation gew&auml;hrleistet. Die sekund&auml;re Stabilit&auml;t &ndash; und somit Langzeitstabilit&auml;t &ndash; soll mittels eines sogenannten &bdquo;downsizing&ldquo; des Knochendefektes durch Augmentation und optimale Osseointegration erreicht werden. Hier stehen dem Operateur verschiedene Verfahren zur Verf&uuml;gung: vom metallischen Augment &uuml;ber die Spongiosaplastik bis hin zum kortikospongi&ouml;sen Span.<sup>4</sup> Mit der bestm&ouml;glichen pr&auml;operativen Defektklassifikation gelingt also auch eine erste Entscheidungsfindung in der Wahl der OP-Technik, der ben&ouml;tigten Implantate und der Begleitma&szlig;nahmen zur Defektf&uuml;llung.<sup>5</sup></p> <p>Das Design und die Technik moderner Implantate haben sich &ndash; gemessen an den Herausforderungen &ndash; in den letzten 10&ndash;20 Jahren sehr stark gewandelt, sodass wir heute &uuml;ber hochmodulare Revisionsimplantate verf&uuml;gen, die es erm&ouml;glichen, auf alle genannten Probleme ad&auml;quat zu reagieren. Das hier vorgestellte neuartige &bdquo;Augment and modular cage&ldquo;-System aus Titan (MRS-TITAN&reg; Comfort, Peter Brehm GmbH, Weisendorf, Deutschland) macht es dem Operateur m&ouml;glich, dank einer Vielzahl an multiaxialen Schrauben und optionalen Augmenten selbst gro&szlig;e Knochendefekte ohne zus&auml;tzliche Zementfixation zu versorgen, um eine optimale Sekund&auml;rstabilit&auml;t durch Osseointegration zu erreichen. Die Indikationen umfassen neben den einfacheren Defektsituationen nach Paprosky I&ndash;II auch die ausgepr&auml;gten Defektsituationen nach Paprosky IIIa bei ausreichend vorhandenem dorsalem Pfeiler. Grenzen des Implantates sind ein komplett ausgeh&ouml;hlter dorsaler Pfeiler oder die Beckendiskontinuit&auml;t. Ersteres muss mit einem Implantat mit rein kranialer Krafteinleitung (z.B. Kranialsockelpfanne) und Letzteres mit einem sogenannten Beckenteilersatz (&bdquo;off the shelf&ldquo; oder individuell gefertigt) versorgt werden.<sup>6</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1801_Weblinks_s18_1.jpg" alt="" width="966" height="1062" /></p> <p>Das Implantat MRS-TITAN&reg; Comfort besteht aus einer Titanschale (&bdquo;cage&ldquo;) in verschiedenen Varianten, ohne Laschen oder mit unterschiedlich langen Laschen. Der modular einsetzbare Pfannenteil ist in seiner Version frei einstellbar, die Schrauben sind s&auml;mtlich multiaxial besetzbar. Drei verschiedene Augmenttypen erm&ouml;glichen au&szlig;erhalb der Titanschale eine m&ouml;glichst perfekte Einpassung in die vorhandenen Defektzonen, um ein konsekutives Versagen zu gro&szlig;er biologischer Augmente zu verhindern. In Abh&auml;ngigkeit vom zuvor vorhandenen Implantat k&ouml;nnen Inlays (&bdquo;liner&ldquo;) aus Polyethylen und Keramik verwendet werden.</p> <h2>Ergebnisse</h2> <p>Im Rahmen einer retrospektiven Analyse wurden 42 Patienten mit einem durchschnittlichen Alter von 68 (34&ndash;86) Jahren und einem mittleren BMI von 28,3kg/m<sup>3</sup> (&Uuml;bergewicht) erfasst, die zwischen 2013 und 2015 an der Klinik f&uuml;r Orthop&auml;die und Unfallchirurgie des Universit&auml;tsklinikums Bonn mit der MRS-TITAN&reg; Comfort versorgt worden waren. Komorbidit&auml;ten und epidemiologische Daten wurden pr&auml;- und perioperativ erhoben. Das klinische Outcome wurde anhand des Bewegungsausma&szlig;es (ROM), des Harris-Hip-Scores (HHS) und der dokumentierten postoperativen Komplikationen gemessen. Au&szlig;erdem erfolgte zus&auml;tzlich eine radiologische Auswertung der Pfannenposition pr&auml;- und postoperativ, um die erreichte Rekonstruktion zu dokumentieren.</p> <p>Der mediane Charlson Comorbidity Index der eingeschlossenen Patienten lag bei 0, wobei die h&auml;ufigste Nebenerkrankung die arterielle Hypertonie war. Der h&auml;ufigste versorgte Defekttyp war Paprosky IIIa (56 % ). Die durchschnittliche OP-Zeit betrug 212 (93&ndash;477) Minuten und die durchschnittliche Verweildauer 14 (9&ndash;60) Tage. Zum Einjahres-Follow-up konnten signifikante Verbesserungen der Flexion (p&lt;0,05) sowie hochsignifikante Verbesserungen des Harris-Hip-Scores (p&lt;0,0001) gezeigt werden (Abb. 3). Extension, Au&szlig;en- und Innenrotation und Abduktion sowie Adduktion blieben ohne signifikante Ver&auml;nderungen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1801_Weblinks_s18_2.jpg" alt="" width="1417" height="1579" /></p> <p>Die h&auml;ufigsten perioperativen Komplikationen waren Fehlplatzierung einzelner Schrauben (4), prolongierte Femoralgie (4) und rezidivierende Luxationsereignisse (2). Es wurden keine implantatassoziierten schwerwiegenden Komplikationen verzeichnet. Die radiologische Analyse zeigte in nahezu allen F&auml;llen eine gute bis exzellente Rekonstruktion des physiologischen Rotationszentrums, unabh&auml;ngig von der vorbestehenden Defektgr&ouml;&szlig;e und Morphologie nach Paprosky. In der Horizontalebene kam es durchschnittlich zu einer Lateralisierung, in der Vertikalebene zu einer dezenten Kranialisierung. Die Eingangsebene zeigte keine relevanten Ver&auml;nderungen.</p> <h2>Conclusio</h2> <p>Die hier erstmals klinisch nachuntersuchte hochmodulare Revisionspfanne MRS-TITAN&reg; Comfort eignet sich nach den Erfahrungen der Autoren und den hier vorgestellten Ergebnissen hervorragend zur Rekonstruktion gro&szlig;er acetabul&auml;rer Knochendefekte, nicht nur im Falle einer Revision, sondern auch prim&auml;r, in Abh&auml;ngigkeit von den vorliegenden anatomischen Verh&auml;ltnissen. Das Implantat kann aufgrund dieser ermutigenden Ergebnisse als sicher und effektiv angesehen werden. Prospektive randomisiert-kontrollierte Studien zum Einsatz in einem differenzierten Patientenkollektiv befinden sich bereits in Vorbereitung.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Gravius S et al.: [Acetabular defect reconstruction in revision surgery of the hip. Autologous, homologous or metal?]. Orthopade 2009; 38(8): 729-40 <strong>2</strong> Gravius S, Randau T, Wirtz DC: [What can be done when hip prostheses fail?: New trends in revision endoprosthetics]. Orthopade 2011; 40(12): 1084-94 <strong>3</strong> Paprosky WG, Perona PG, Lawrence JM: Acetabular defect classification and surgical reconstruction in revision arthroplasty. A 6-year follow-up evaluation. J Arthroplasty 1994; 9(1): 33-44 <strong>4</strong> Koob S et al.: [Biological downsizing: Acetabular defect reconstruction in revision total hip arthroplasty]. Orthopade 2017; 46(2): 158-67 <strong>5</strong> Wirtz DC, Rader C, Reichel H (eds.): Revisionsendoprothetik der H&uuml;ftpfanne. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg: 2007 <strong>6</strong> Friedrich MJ et al.: [Biological acetabular defect reconstruction in revision hip arthroplasty using impaction bone grafting and an acetabular reconstruction ring]. Operative Orthop&auml;die und Traumatologie 2014; 26(2): 126-40</p> </div> </p>
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