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Das Pankreaskarzinom und seine Vorstufen – Nachlese zur ACO-ASSO-Jahrestagung

<p class="article-intro">Die diesjährige ACO-ASSO-Jahrestagung stand ganz im Zeichen des Pankreaskarzinoms und seiner Vorstufen. In zahlreichen Expertenvorträgen und interaktiven Sessions wurde die Rolle der unterschiedlichen Experten in der Diagnostik und Behandlung dieser Tumorentität – mit Schwerpunkt auf chirurgischen Interventionen – beleuchtet. Univ.-Prof. Dr. Martin Schindl, MUW, fasst die wichtigsten Aspekte im folgenden Bericht zusammen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Zu Beginn der diesj&auml;hrigen Jahrestagung der &Ouml;sterreichischen Gesellschaft f&uuml;r Chirurgische Onkologie (ACO ASSO) zum Thema Pankreaskarzinom, Vorstufen und periampull&auml;res Karzinom berichtete Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Willi Oberaigner vom Dept. of Public Health der UMIT in Innsbruck dar&uuml;ber, dass bis zum Jahr 2030 fast 2350 Neuerkrankungen an Pankreaskarzinom pro Jahr zu erwarten sind (im Jahr 2020 bereits 2000 j&auml;hrliche Neuerkrankungen). Der Anteil fr&uuml;her Stadien steigt von einem Viertel auf ein Drittel, damit einher geht eine Verbesserung der &Uuml;berlebensprognose.</p> <h2>Die Rolle der Pathologie beim Pankreaskarzinom</h2> <p>Priv.-Doz. Dr. Georg Spaun aus dem Ordensklinikum Linz betonte in seinem Update zur Indikation und Abfolge endoskopischer Interventionen bei Pankreaskarzinom, dass die Diagnostik beim Pankreaskarzinom vorrangig mittels Endosonografie (EUS) mit Biopsie erfolgen sollte und die endoskopische retrograde Cholangiopankreatografie (ERCP) einer Ableitung bei Gallestau vor einer geplanten neoadjuvanten Behandlung vorbehalten ist. Durch die Weiterentwicklung und Spezialisierung der EUS-gesteuerten Biopsien kann in der Mehrzahl der Untersuchungen gut beurteilbares Gewebe aus der Bauchspeicheldr&uuml;se gewonnen und die Erkrankung zweifelsfrei nachgewiesen werden. Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Daniel Neureiter von der PMU Salzburg weist auf die Wichtigkeit pathologischer Standards in der Befundung von Biopsien und OP-Pr&auml;paraten bei Bauchspeicheldr&uuml;senkrebs hin. Es handelt sich um anatomisch &bdquo;komplexe&ldquo; Tumorpr&auml;parate, die einer strukturierten histopathologischen Aufarbeitung anhand von Checklisten f&uuml;r Makroskopie und Mikroskopie sowie der Ber&uuml;cksichtigung der Residualtumor(R)-Klassifikation und des zirkumferentiellen Resektionsrandes bed&uuml;rfen. Damit werden vergleichbare Befunde zu Tumorentit&auml;t, Grading, TNM, V-/L-/Pn- und R-Status erstellt. Angesichts der steigenden H&auml;ufigkeit neoadjuvanter Therapiekonzepte ist die standardisierte Beurteilung des Therapieansprechens auf Chemo- und Strahlentherapie im Tumorgewebe (sog. Regressionsgrading nach Le Scodan et al. und Evans et al.) wichtig, um R&uuml;ckschl&uuml;sse auf die individuelle Wirksamkeit der gew&auml;hlten Therapien ziehen zu k&ouml;nnen und die weitere Behandlung darauf abzustimmen.</p> <h2>Bildgebung</h2> <p>Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Helmut Ringl, Medizinische Universit&auml;t Wien, f&uuml;hrte aus, dass die ideale Bildgebung abh&auml;ngig von der vermuteten Tumorart ist. Beim duktalen Adenokarzinom der Bauchspeicheldr&uuml;se ist das Multidetektor-CT (MDCT) die erste Wahl in der Abkl&auml;rung der Verdachtsdiagnose, der Beurteilung der lokalen Resektabilit&auml;t und Detektion von Metastasen. Die Magnetresonanztomografie (MRT) und MR-Cholangiopankreatografie (MRCP) sind speziellen Fragestellungen bei entz&uuml;ndlichen und zystischen Erkrankungen sowie unklaren CTBefunden vorbehalten. Der Stellenwert der hybriden Bildgebung, der Positronenemissionstomografie (PET) in Kombination mit CT oder MRT, in der klinischen Praxis ist noch nicht vollst&auml;ndig gekl&auml;rt.</p> <h2>Festvortrag zum Thema Multidisziplinarit&auml;t</h2> <p>Der Festvortrag der Jahrestagung 2017 wurde von Prof. John Neoptolemos, Cancer Research UK LCTU, Liverpool, zum Thema &bdquo;Multidisciplinary treatment of pancreatic cancer in Europe: the hunt for evidence (ESPAC 1&ndash;5)&ldquo; gehalten. Zu Beginn betonte Prof. Neoptolemos, dass f&uuml;r die erfolgreiche Therapie des Pankreaskarzinoms die Zusammenarbeit im spezialisierten Team, exzellente Behandlungstechniken und Zentralisierung mit hoher Behandlungsfrequenz essenziell sind. In den ESPAC-Studien wurden &uuml;ber mehr als ein Jahrzehnt die Ergebnisse verschiedener adjuvanter Therapiekonzepte in internationalen randomisierten Studien untersucht. In der aktuell er&ouml;ffneten ESPAC- 5-Studie werden erstmals verschiedene neoadjuvante Behandlungskonzepte, Chemotherapie und Radiochemotherapie bei grenzwertig resektablen Tumoren mit sofortiger Chirurgie verglichen.</p> <h2>Beurteilung der Resektabilit&auml;t</h2> <p>In den letzten Jahren wird die pr&auml;operative Behandlung besonders bei grenzwertig resektablen Tumoren immer wichtiger, um eine radikale Tumorentfernung zu erzielen bzw. Rezidive zu verhindern. Prim. Univ.-Prof. Dr. Reinhold F&uuml;gger vom Ordensklinikum Linz f&uuml;hrte in diesem Zusammenhang aus, dass es zwar mehrere Klassifikationen zur standardisierten und vergleichbaren Beurteilung der Resektabilit&auml;t beim Pankreaskarzinom gibt (resektabel &ndash; borderline-resektabel &ndash; lokal fortgeschritten &ndash; metastasiert), die individuelle Beurteilung und Indikation zur Resektion bzw. neoadjuvanter Therapie aber auf der subjektiven Einsch&auml;tzung des Chirurgen, auf Basis der individuellen Erfahrung, beruht. Prim. Univ.-Doz. Dr. Friedrich L&auml;ngle aus dem Landesklinikum Wiener Neustadt zeigte, dass Downsizing und Downstaging m&ouml;glich sind und dabei die Sequenz systemische Chemotherapie, gefolgt von Radiochemotherapie, gute Ergebnisse in Bezug auf die sekund&auml;re Resektabilit&auml;t bringt.</p> <h2>Neue Medikamente und die Suche nach molekularbiologischen Tumormarkern</h2> <p>Nanotechnologien haben zur Entwicklung neuer und wirksamer Medikamente wie nab-Paclitaxel oder nal-Irinotecan in der Behandlung von PDAC gef&uuml;hrt, die H&auml;ufigkeit von Nebenwirkungen nimmt ab bzw. sind diese besser beherrschbar, so Univ.-Prof. Dr. Gerald Prager von der Medizinischen Universit&auml;t Wien optimistisch. Bei guter Effizienz bleibt die Lebensqualit&auml;t l&auml;nger erhalten. Allerdings ist trotz dieser Fortschritte der gro&szlig;e Durchbruch bisher ausgeblieben, sodass neue Medikamente und weitere klinische Studien notwendig sind, um bessere Ergebnisse f&uuml;r das &Uuml;berleben und die Resektabilit&auml;t zu erzielen.<br /> Die Bestimmung molekularbiologischer Tumormarker wie SMAD 4 k&ouml;nnen f&uuml;r die individuelle Therapieentscheidung hilfreich sein. Besonders grenzwertig resektable und lokal fortgeschrittene Tumoren sind f&uuml;r neoadjuvante Radiochemotherapie im multimodalen Setting geeignet, betonte OA Dr. Carmen D&ouml;ller von der Radioonkologischen Klinik der Medizinischen Universit&auml;t Graz. Die Verf&uuml;gbarkeit effizienter Chemotherapie (z.B. FOLFIRINOX, Gem/Abraxane) k&ouml;nnte zuk&uuml;nftig die Rolle der Bestrahlung in Bezug auf die lokale Kontrolle verbessern. Weiters ist die Evaluierung aktueller moderner Bestrahlungstechniken (IMRT, SBRT, Ionentherapie) notwendig, um die optimale Methode in Abh&auml;ngigkeit vom Therapieziel zu definieren. Priv.-Doz. Dr. Dietmar Tamandl von der Medizinischen Universit&auml;t Wien f&uuml;hrte aus, dass das Restaging nach neoadjuvanter Therapie nach wie vor eine Herausforderung in der Radiologie ist, weil die Beurteilung des Therapieansprechens bzw. der Vitalit&auml;t des sichtbaren Tumorgewebes durch desmoplastische Reaktion, Fibrose und lokale Pankreatitis erschwert wird und eine signifikante Gr&ouml;&szlig;enreduktion und Downstaging (RECIST) nach neoadjuvanter Therapie nach wie vor selten sind, au&szlig;er nach FOLFIRINOX. Am besten geeignet zur Beurteilung des Therapieansprechens sind CT und MRT. Eine chirurgische Exploration mit dem Versuch der kompletten Resektion sollte jedenfalls angestrebt werden, wenn keine evidente Tumorprogression unter neoadjuvanter Behandlung vorliegt, d.h., selbst bei unver&auml;nderter Tumorausdehnung in den bildgebenden Untersuchungen ist eine Exploration zu empfehlen.</p> <h2>Moderne chirurgische Resektionstechniken</h2> <p>Prof. Dr. Thilo Hackert von der Universit&auml;tsklinik Heidelberg gab einen &Uuml;berblick &uuml;ber moderne chirurgische Resektionstechniken wie &bdquo;Artery first&ldquo;- und &bdquo;Uncinate first&ldquo;-Zug&auml;nge zur Beurteilung der lokalen Resektabilit&auml;t an der Mesenterialachse und zeigte, dass die &bdquo;Triangle- Operation&ldquo; der neue Standard der totalen mesopankreatischen Exzision werden k&ouml;nnte. Damit ist die Entfernung des gesamten lymphatischen und perineuralen Bindegewebes um die Blutgef&auml;&szlig;e und die Bauchspeicheldr&uuml;se gemeint, bis die Blutgef&auml;&szlig;e, Pfortader/Mesenterialvene, Mesenterialarterie und Leberarterie, als Begrenzung des dazwischenliegenden Raumes frei pr&auml;pariert sichtbar sind.<br /> Prim. Univ.-Prof. Dr. Hans-J&ouml;rg Mischinger von der Medizinischen Universit&auml;t in Graz betonte in seinem Vortrag &uuml;ber Techniken zur Pankreasanastomose, dass es bis heute keine ausreichende Evidenz f&uuml;r die eindeutige &Uuml;berlegenheit einer Technik gibt und die richtige Wahl von der Erfahrung des Chirurgen abh&auml;ngig ist. Die &bdquo;ideale Pankreasanastomose&ldquo; ist derzeit diejenige, mit welcher der jeweilige Pankreaschirurg die meiste Erfahrung hat und die er daher sicher durchf&uuml;hren kann. Bei der Pankreaslinksresektion ist der Verschluss des Pankreasstumpfes durch Stapler oder h&auml;ndische Naht als gleichwertig anzusehen.<br /> In dem Videovortrag von Prof. Dr. David Fuks, Institut Mutualiste Montsouris, Paris, wurde eindrucksvoll dargestellt, dass heute bereits Pankreaskopfresektionen mit laparoskopischer Technik bzw. mit Roboterchirurgie m&ouml;glich sind und welches Potenzial f&uuml;r zuk&uuml;nftige Entwicklungen darin steckt. Minimal invasive Techniken k&ouml;nnen mit einer Reihe von pr&auml;-, intra- und postoperativen Ma&szlig;nahmen zur Unterst&uuml;tzung des Heilungsverlaufs, einem sogenannten &bdquo;Early recovery after surgery&ldquo;(ERAS)-Programm, kombiniert werden, um damit den Krankenhausaufenthalt zu verk&uuml;rzen und die postoperative Morbidit&auml;t zu reduzieren, wie Prof. Dr. J&ouml;rg Kleef aus Halle ausf&uuml;hrte.<br /> Komplikationen im postoperativen Verlauf, typischerweise Abszesse und Blutungen, werden heute h&auml;ufig interventionell (perkutane Drainagen bzw. transarterielles Coiling) oder endoskopisch (transgastrische Drainage) versorgt. Dabei ist es wichtig, in komplexen Situationen und bei Versagen der interventionellen Ma&szlig;nahmen die M&ouml;glichkeit des Umstieges auf eine chirurgische Versorgung im Auge zu haben, betonte Univ.-Prof. Dr. Werner Jaschke von der Medizinischen Universit&auml;t Innsbruck.</p> <h2>Die gegenw&auml;rtige Situation der Pankreaschirurgie und Ausblicke in die Zukunft</h2> <p>Univ.-Prof. Dr. Michael Gnant von der Medizinischen Universit&auml;t Wien gab einen &Uuml;berblick &uuml;ber die gegenw&auml;rtige Situation der Pankreaschirurgie und einen Ausblick auf zuk&uuml;nftige Entwicklungen. Die Zentralisierung der Pankreaschirurgie in Zentren mit hohen j&auml;hrlichen Fallzahlen ist eine Notwendigkeit, um die Behandlung des individuellen Patienten zu optimieren, die Komplikationsfrequenz zu senken und die Gesamtprognose zu verbessern. Die Definition und konkrete Umsetzung der Mindestanforderungen f&uuml;r ein Pankreaszentrum sind bereits internationaler Standard. Wissensgewinn, der letztlich zur Verbesserung der Behandlungsergebnisse der individuellen Patienten beitr&auml;gt, wird durch klinische Studien erreicht, wie sie von der Task Force Pankreas in &Ouml;sterreich vor einigen Jahren begonnen wurden (Studien P00 und P02), aber auch durch die Zusammenarbeit im klinischen Bereich mit Grundlagenforschung in translationalen Projekten, zum Beispiel um die Gef&auml;hrlichkeit von Bauchspeicheldr&uuml;senzysten verl&auml;sslich vorherzusagen oder das Bindegewebe beim Pankreaskarzinom dahingehend zu ver&auml;ndern, dass die Tumorzellen besser von Chemotherapie erreicht werden (Chemo- + Anti-PD-1-Kombinationstherapie).</p> <h2>Zystische Ver&auml;nderungen des Pankreas</h2> <p>In der Diagnose und Behandlung zystischer Tumoren der Bauchspeicheldr&uuml;se gab es in den vergangenen Jahren wesentliche Fortschritte, welche heute eine auf das individuelle Risiko abgestimmte Behandlung erm&ouml;glichen. Die Pathologin Univ.-Prof. Dr. Irene Esposito von der Universit&auml;t D&uuml;sseldorf f&uuml;hrte aus, dass zystische Ver&auml;nderungen in der Bauchspeicheldr&uuml;se sehr unterschiedlich in ihrer Entstehung und im Verhalten in Bezug auf Malignit&auml;t sind und die intraduktale papill&auml;rmuzin&ouml;se Neoplasie (IPMN) und die muzin&ouml;s- zystische Neoplasie (MCN) die h&auml;ufigsten Vorstufen des Pankreaskarzinoms sind. Eine fr&uuml;he, verl&auml;ssliche Diagnose ist entscheidend f&uuml;r die weitere Behandlung. Gegenw&auml;rtig werden auch molekularpathologische Marker, wie Mutationen von KRAS, GNAS und TP53, neben immunhistochemischen und radiomorphologischen Faktoren zur Diagnose bei zystischen Ver&auml;nderungen herangezogen. Prof. Hackert wies aber darauf hin, dass es immer noch relevante interdisziplin&auml;re Unterschiede in der Einsch&auml;tzung und im Management von zystischen Ver&auml;nderungen der Bauchspeicheldr&uuml;se gibt. Er ortet Verbesserungsbedarf in der Beurteilung des Malignit&auml;tspotentials von Pankreaszysten und weist auf den Bedarf von verl&auml;sslichen Markern hin. In den europ&auml;ischen Leitlinien f&uuml;r 2018 wird festgehalten, dass die chirurgische Behandlungsstrategie individuell auf das Malignit&auml;tsrisiko der Zysten, die Lokalisation in der Bauchspeicheldr&uuml;se und damit auf das Ausma&szlig; der Resektion sowie Alter, Allgemeinzustand und Meinung des Patienten ausgerichtet sein muss.<br /> OA Dr. Hartmut Steinle, Universit&auml;tsklinik Innsbruck, wies darauf hin, dass es bislang schwierig war, sich ein Gesamtbild &uuml;ber den Verlauf und die Gef&auml;hrlichkeit von Zysten in der Bauchspeicheldr&uuml;se zu machen, weil ihre Inzidenz insgesamt nicht genau bekannt ist und somit der Anteil von klinisch unauff&auml;llig bleibenden Zysten ebenfalls nicht abgesch&auml;tzt werden kann. Andererseits m&uuml;ssen Pankreaszysten, die verd&auml;chtige Zeichen aufweisen, im Detail abgekl&auml;rt und operativ entfernt werden.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgische Onkologie (ACO ASSO) zum Thema Pankreaskarzinom, Vorstufen und periampulläres Karzinom, 5.–7. Oktober 2017, St. Wolfgang </p>
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