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Jahrestagung der DGHO 2017: das Beste aus der Onkologie

<p class="article-intro">Der diesjährige Kongress der deutschsprachigen Fachgesellschaften für Hämatologie und medizinische Onkologie in Stuttgart vom 29. September bis 3. Oktober 2017 war geprägt von der immer größer werdenden Zahl therapeutischer Optionen in der medikamentösen Therapie. Die Vielfalt zu erfassen und im Kontext des Einzelfalls zu bewerten stellt eine enorme Herausforderung dar.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Bereits in seiner Einladung unter dem Titel &bdquo;Krebspatienten leben l&auml;nger&ldquo; hob Kongresspr&auml;sident Prof. Dr. Lothar Kanz die dramatischen Innovationen in unserem Fachgebiet hervor. So sehen wir heute bei Krankheitsbildern, die noch in der zweiten H&auml;lfte des letzten Jahrhunderts innerhalb kurzer Zeit zum Tod f&uuml;hrten, chronische Verl&auml;ufe mit nahezu normaler Lebenserwartung. Er hatte eine Serie von Pro-und-Kontra-Diskussionen in das Programm aufgenommen, in denen verschiedene Standpunkte und Sichtweisen in Diagnostik und Therapie besonders engagiert er&ouml;rtert wurden.<br /> Aber nicht nur die neuen Arzneimittel standen bei der diesj&auml;hrigen Jahrestagung im Fokus. Wichtige, den Standard ver&auml;ndernde Beitr&auml;ge kamen insbesondere auch aus Studien mit &bdquo;alten&ldquo; Arzneimitteln in neuen Indikationen.<br /> Eine &bdquo;Best of&ldquo;-Auswahl aus mehr als 750 wissenschaftlichen Beitr&auml;gen ist immer subjektiv. Jeder Teilnehmer hat seine eigene Priorit&auml;tenliste, sucht sich entweder die Vortr&auml;ge und Poster aus seiner Spezialisierung aus (Abb. 1) oder geht im Gegenteil genau zu den Themen, bei denen er nicht Spezialist ist.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1707_Weblinks_jatros_onko_1707_s22_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="1013" /></p> <h2>Magenkarzinom</h2> <p>Seit 10 Jahren geh&ouml;rt die perioperative Chemotherapie bei Patienten mit Adenokarzinom des Magens zum Therapiestandard. Die Studie UK MRC MAGIC zeigte eine Verbesserung der 5-Jahres-&Uuml;berlebensrate von 23 % auf 36 % f&uuml;r Patienten mit resektablen Magenkarzinomen der klinischen Stadien II und III durch perioperative Chemotherapie mit ECF (Epirubicin, Cisplatin und 5-FU) gegen&uuml;ber alleiniger Chirurgie. Sp&auml;ter wurden Modifikationen wie Capecitabin und Oxaliplatin integriert. Die von Salah-Eddin Al-Batran koordinierte FLOT-4-Studie der AIO verglich nun das FLOT-Regime (5-FU, Leucovorin, Oxaliplatin, Docetaxel) mit ECF/X und zeigte eine h&ouml;here histopathologische Ansprechrate f&uuml;r FLOT (15,6 vs. 5,8 % ), eine Verl&auml;ngerung des progressionsfreien &Uuml;berlebens (Hazard-Ratio: 0,75; Median 12 Monate) und eine Verl&auml;ngerung der Gesamt&uuml;berlebenszeit (Hazard-Ratio: 0,77; Median 15 Monate).<sup>1</sup> FLOT war wirksamer als ECF/X in allen untersuchten Subgruppen, u.a. proximale und distale Tumorlokalisation, intestinaler und diffuser Subtyp nach Laur&eacute;n, Patienten &lt; und &ge;70 Jahre, sowie &uuml;ber alle inkludierten T- und N-Kategorien.<br /> <strong>Fazit:</strong> FLOT ist der neue Therapiestandard in der perioperativen Therapie des operablen Adenokarzinoms des Magens (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1707_Weblinks_jatros_onko_1707_s23_abb2.jpg" alt="" width="1458" height="1096" /></p> <h2>Chirurgische Resektion beim metastasierten kolorektalen Karzinom</h2> <p>In der FIRE-3-Studie der AIO wurde FOLFIRI + Cetuximab gegen FOLFIRI + Bevacizumab in der Erstlinientherapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms bei Patienten mit RAS-Wildtyp (KRAS und NRAS Exon 2, 3 und 4) verglichen. Zu Studienbeginn und im Therapieverlauf war bei allen Patienten der Status der chirurgischen Resektabilit&auml;t der Metastasen dokumentiert worden. Dominik Modest erl&auml;uterte, dass bei 238 Patienten eine Resektabilit&auml;t erreicht worden war, dem standen 210 Patienten mit weiterhin nicht resektablen Metastasen gegen&uuml;ber.<sup>2</sup> Von diesen 238 Patienten war bei 55 (23,1 % ) eine Resektion durchgef&uuml;hrt worden, bei 12 (5,0 % ) eine lokoregionale Therapie und bei 14 (5,9 % ) eine kombinierte Resektion + lokoregionale Therapie. Die resezierten Patienten &uuml;berlebten deutlich l&auml;nger, im Median 51,3 Monate. In der weiteren Auswertung zeigte sich ein deutlicher Unterschied zwischen den behandelnden Institutionen. In Universit&auml;tskliniken waren 25,6 % der Patienten reseziert worden, gegen&uuml;ber 16,9 % in nicht universit&auml;ren Krankenh&auml;usern und 10,4 % in onkologischen Praxen.<br /> <strong>Fazit:</strong> Patienten mit resektablen und de facto resezierten Metastasen nach systemischer Therapie eines metastasierten kolorektalen Karzinoms haben eine bessere Prognose. Die Resektionsrate von Metastasen ist h&ouml;her bei Patienten, die in Universit&auml;tskliniken behandelt werden.</p> <h2>Immuncheckpoint-Inhibitoren beim metastasierten Nierenzellkarzinom</h2> <p>Beim diesj&auml;hrigen ESMO-Kongress im September 2017 waren Daten der Check- Mate214-Studie zum Vergleich der Kombination Nivolumab + Ipilimumab versus Sunitinib vorgestellt worden.<sup>3</sup> Patienten mit intermedi&auml;rem oder hohem Risiko erreichten unter der Therapie mit den Immuncheckpoint- Inhibitoren eine Verl&auml;ngerung des progressionsfreien &Uuml;berlebens. Bei der Jahrestagung in Stuttgart stellte Viktor Gr&uuml;nwald die Ergebnisse einer randomisierten Phase-II-Studie zum Vergleich der Kombination Atezolizumab + Bevacizumab versus Sunitinib und versus Atezolizumab- Monotherapie bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Nierenzellkarzinom vor.<sup>4</sup> Dabei deutet sich eine Verl&auml;ngerung des progressionsfreien &Uuml;berlebens unter der Kombination Atezolizumab + Bevacizumab an. Einschlusskriterium war eine PD-L1-Expression &ge;1 % .<br /> <strong>Fazit:</strong> In der Erstlinientherapie des fortgeschrittenen/metastasierten Nierenzellkarzinoms sind Kombinationstherapien mit Immuncheckpoint-Inhibitoren m&ouml;glicherweise wirksamer als Monotherapien.</p> <h2>Immuncheckpoint-Inhibitoren beim lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Urothelkarzinom</h2> <p>Das Urothelkarzinom hat in den letzten Jahren nicht von der Welle der neuen Arzneimittel profitiert, das &auml;ndert sich jetzt rasch. Im Jahr 2017 hat die FDA bereits 5 neue Arzneimittel bei dieser Tumorentit&auml;t zugelassen, zwei PD-1-Inhibitoren und drei PD-L1-Inhibitoren.</p> <p><strong>Atezolizumab</strong><br /> Gunhild von Amsberg stellte die Auswertung einer Studie zum PD-L1-Inhibitor Atezolizumab beim fortgeschrittenen oder metastasierten Urothelkarzinom in Abh&auml;ngigkeit von der Zahl der Vortherapien bei 310 Platin-vorbehandelten Patienten vor.<sup>5</sup> Die 18-Monats-&Uuml;berlebensrate lag insgesamt bei 27 % und variierte zwischen 34 % nach neoadjuvanter Chemotherapie und 20 % bei Patienten mit &ge;4 zytostatischen Vorbehandlungen. Die Unterschiede waren statistisch nicht signifikant, auch nicht bei der medianen &Uuml;berlebenszeit.<br /> <strong>Fazit:</strong> Die Chance eines Ansprechens und einer Verl&auml;ngerung der &Uuml;berlebenszeit durch Atezolizumab beim fortgeschrittenen oder metastasierten Blasenkarzinom ist unabh&auml;ngig von der Zahl der Vortherapien.</p> <p><strong>Nivolumab</strong><br /> Jens Bedke pr&auml;sentierte ein Update der CheckMate275-Studie zur Wirksamkeit des PD-1-Inhibitors Nivolumab beim fortgeschrittenen oder metastasierten Urothelkarzinom nach platinhaltiger Vortherapie.<sup>6</sup> Das mediane progressionsfreie &Uuml;berleben liegt je nach Risikogruppe zwischen 2 und 4 Monaten, die 12-Monats&Uuml;berlebensrate liegt aber bei 41 % . Patienten mit einer PD-L1-Expression &ge;1 bzw. &ge;5 % haben eine bessere Prognose.<br /> <strong>Fazit:</strong> Auch der PD-1-Inbihitor Nivolumab f&uuml;hrt gegen&uuml;ber historischen Kontrollen zu einer deutlichen Steigerung der Rate des l&auml;ngerfristigen &Uuml;berlebens.</p> <h2>Resistenzmechanismen gegen Drittgenerations-TKI beim T790M-positiven NSCLC</h2> <p>Das metastasierte, nicht kleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC) bleibt das Paradebeispiel f&uuml;r den Paradigmenwechsel von der histologisch zur molekulargenetisch gesteuerten Diagnostik. Bei Patienten mit aktivierenden <em>EGFR</em>-Mutationen ist nach den Erstgenerations-Tyrosinkinase- Inhibitoren(TKI) Erlotinib und Gefitinib sowie nach dem Zweitgenerations- TKI Afatinib bereits der erste Drittgenerations- TKI Osimertinib zugelassen. Sebastian Michels stellte die Ergebnisse einer Analyse von Patienten mit der <em>EGFR</em>-Mutation T790M vor, die nicht auf Osimertinib ansprachen.<sup>7</sup> Als entscheidender Parameter wurde die <em>MET</em>-Amplifikation identifiziert. Patienten mit <em>MET</em>-Amplifikation hatten unter Osimertinib nur eine mediane progressionsfreie &Uuml;berlebenszeit von 1 Monat gegen&uuml;ber 9,2 Monaten bei Patienten ohne diese Aberration.<br /> <strong>Fazit:</strong> Patienten mit <em>EGFR</em> T790M und einer <em>MET</em>-Amplifikation profitieren nicht von einer Therapie mit Osimertinib. Die Ergebnisse m&uuml;ssen an einem gr&ouml;&szlig;eren Patientenkollektiv best&auml;tigt werden.</p> <h2>Methadon</h2> <p>Eine der bestbesuchten Veranstaltungen war die Pro-Kontra-Debatte zum Wert von Methadon in der Krebstherapie. Die DGHO hatte sich dazu schon fr&uuml;her ge&auml;u&szlig;ert. Claudia Friesen aus Ulm stellte ihre experimentellen Ergebnisse zur Wirkverst&auml;rkung von Zytostatika in Zellkulturen bei Pr&auml;- oder Koinkubation mit Methadon vor. Ebenso pr&auml;sentierte sie die Ergebnisse einer Fallstudie bei Glioblastompatienten und einzelne Fallbeispiele unterschiedlicher Krankheitsbilder, die ihr von Externen zur Verf&uuml;gung gestellt worden waren. Ulrich Schuler vertrat die Kontra-Position, zeigte Unklarheiten und Ungenauigkeiten in der Darstellung der experimentellen Ergebnisse auf, stellte die Nebenwirkungen und das Risiko erh&ouml;hter Mortalit&auml;t dar und wies vor allem auf das Fehlen kontrollierter klinischer Studien hin. In der Diskussion kam aus dem Auditorium vor allem der &Auml;rger &uuml;ber die sehr hohen Erwartungen zum Ausdruck, die durch den Medien-Hype bei Patienten geweckt wurden.<br /> <strong>Fazit:</strong> Die klinischen Daten zur Wirkverst&auml;rkung zytostatischer Therapie durch Methadon sind d&uuml;nn, ein Einsatz als Krebstherapeutikum ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht gerechtfertigt.</p> <h2>Neue Arzneimittel in der Onkologie</h2> <p>Im letzten Jahr habe ich an dergleichen Stelle grafisch dargestellt, bei wie vielen Krankheitsbildern seit 2011 mindestens ein, oft aber mehrere neue Arzneimittel von der European Medicines Agency (EMA) zugelassen und auf dem deutschen Markt eingef&uuml;hrt worden sind. Diese Darstellung ist hier aktualisiert (Abb. 3) und verdeutlicht den weiteren Fortschritt auf dem Gebiet der medikament&ouml;sen Tumortherapie.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1707_Weblinks_jatros_onko_1707_s24_abb3.jpg" alt="" width="1459" height="1720" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Al-Batran SE et al.: Perioperative Chemotherapie mit Docetaxel, Oxaliplatin und Fluorouracil/Leucovorin (FLOT) versus Epirubicin, Cisplatin und Fluorouracil oder Capecitabine (ECF/ECX) bei resektablem Adenokarzinom des Magens oder &ouml;sophagogastralen &Uuml;berganges (FLOT4- AIO): Eine randomisierte, multizentrische Phase-3-Studie. DGHO 2017; Abstr. V683: DOI; 10.1159/000479566 <strong>2</strong> Modest D et al.: Chirurgische Therapieoptionen bei metastasiertem Darmkrebs: Update des zentralen Review der FIRE-3 (AIOKRK0306)-Studie. DGHO 2017; Abstr. 458; DOI: 10.1159/000479566 <strong>3</strong> Escudier B et al.: CheckMate 214: Efficacy and safety of nivolumab + ipilimumab (N+I) v sunitinib (S) for treatment-na&iuml;ve advanced or metastatic renal cell carcinoma (mRCC), including IMDC risk and PDL1 expression subgroups. ESMO 2017; Abstr. LBA5 <strong>4</strong> Gr&uuml;nwald V et al.: Eine Phase-ll-Studie mit Atezolizumab mit bzw. ohne Bevacizumab gegen Sunitinib bei Patienten mit nicht vorbehandeltem metastasiertem Nierenzellkarzinom. DGHO 2017; Abstr. V419; DOI: 10.1159/000479566 <strong>5</strong> Von Amsberg G et al.: Wirksamkeit der Therapie von Atezolizumab in Abh&auml;ngigkeit von den vorangegangenen Therapielinien bei Platin-vorbehandelten Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom. DGHO 2017; Abstr. 422; DOI: 10.1159/000479566 <strong>6</strong> Bedke J et al.: CheckMate 275 &ndash; Phase-II-Studie: Update zur Wirksamkeit einer Nivolumab-Monotherapie bei Patienten mit einem metastasierenden oder inoperablen Urothelkarzinom nach cisplatinhaltiger Vortherapie. DGHO 2017; Abstr. 421; DOI: 10.1159/000479566 <strong>7</strong> Michels S et al.: Identifikation von prim&auml;ren Resistenzmechanismen auf die Therapie mit 3.-Generations-EGFR-TKIs in EGFR T790M-positiven NSCLC-Patienten mittels molekularer Panel-Analysen. DGHO 2017; Abstr. V506; DOI: 10.1159/000479566</p> </div> </p>
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