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Ernährung bei Tumorerkrankungen

Der Mythos von Krebsdiäten hält sich hartnäckig

<p class="article-intro">Was nun soll man als Onkologe bei Fragen nach der Ernährung dem Patienten raten? Kein Zucker oder keine Fette, viel Brokkoli und Cranberrys? Krebsdiäten versprechen Wunderheilungen. Doch keine Diät kann Krebs heilen. Trotzdem lohnt es sich für Patienten, sich mit ihren Ernährungsgewohnheiten auseinanderzusetzen; denn mit der richtigen Ernährung können sie ihr Risiko für Rückfälle senken und ihre Lebensqualität erhöhen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Was Krebsdi&auml;ten propagieren, t&ouml;nt auf den ersten Blick vielversprechend, und es ist verst&auml;ndlich, dass sich Krebspatienten an jeden Strohhalm klammern. Man solle keinen Zucker und keine Kohlenhydrate essen, heisst es, denn damit k&ouml;nne man den Krebs &laquo;aushungern&raquo;. Bei der Breuss-Di&auml;t darf man 42 Tage nur Gem&uuml;ses&auml;fte und Tee trinken, bei der Gerson-Di&auml;t kein Fett und kein Salz zu sich nehmen, daf&uuml;r frisch gepresste S&auml;fte: Das soll das angeblich gest&ouml;rte Gleichgewicht von Natrium und Kalium wiederherstellen. Und sowieso soll man viel Brokkoli, Rote Bete und Cranberrys verzehren, weil die angeblich tumorhemmende Stoffe enthalten. Viele Patienten setzen grosse Hoffnungen auf Krebsdi&auml;ten. Diese sollten jedoch kritisch hinterfragt werden.</p> <h2>Krebsdi&auml;ten k&ouml;nnen gef&auml;hrlich sein</h2> <p>Zu versprechen, dass sich Krebs durch die richtige Ern&auml;hrung heilen lasse, h&auml;lt Prof. Dr. med. Hans Hauner f&uuml;r unseri&ouml;s: &laquo;Es ist nicht belegt, dass solche Di&auml;ten wirken, und es ist auch nicht gepr&uuml;ft, dass sie nicht schaden&raquo;, sagt der Chef- Ern&auml;hrungsmediziner der Technischen Universit&auml;t in M&uuml;nchen. Oft wird bei Krebsdi&auml;ten mit entsprechenden Produkten geworben &ndash; etwa Nahrungserg&auml;nzungsmitteln. &laquo;Das grenzt an Betrug&raquo;, erkl&auml;rt Prof. Hauner. &laquo;Im besten Fall bringen die Di&auml;ten nichts, aber sie k&ouml;nnen auch gef&auml;hrlich werden.&raquo; Und das nicht nur, weil den Patienten bestimmte N&auml;hrstoffe fehlen. Die oft als &laquo;Krebs-Waffe&raquo; angepriesenen Antioxidanzien k&ouml;nnen in hohen Dosen sogar krebsf&ouml;rdernd wirken.<br /> Es lohnt sich aber, sein Ern&auml;hrungsverhalten zu reflektieren. Denn mit dem richtigen Essen kann man die Lebensqualit&auml;t erh&ouml;hen und das R&uuml;ckfallrisiko etwas senken. Zun&auml;chst muss man aber unterscheiden zwischen der Phase, in welcher der Patient gerade behandelt wird, und der Zeit nach Abschluss der Therapie. &laquo;W&auml;hrend der Therapie ist erst einmal wichtig, dass der Patient nicht abnimmt, dass ihm das Essen halbwegs schmeckt und er alle notwendigen N&auml;hrstoffe aufnimmt&raquo;, sagt Dr. med. Jann Arends, Onkologe an der Uniklinik Freiburg im Breisgau. &laquo;Sp&auml;ter kann er sich dann darum k&uuml;mmern, wie er einen R&uuml;ckfall am besten vermeidet.&raquo;<br /> Patienten mit akuter Tumorerkrankung haben oft wenig Appetit und eine Aversion gegen bestimmtes Essen, ausserdem verbrauchen sie mehr Energie und die Krebserkrankung erzeugt den Zustand einer st&auml;ndigen leichten Entz&uuml;ndung. All dies f&uuml;hrt dazu, dass viele der Patienten Gewicht verlieren, weil Muskulatur abgebaut und mehr Fett verbrannt wird. Das kann sich nachteilig auf den Krankheitsverlauf auswirken. Auch sprechen die Patienten auf die Medikamente nicht so gut an, das Risiko f&uuml;r Nebenwirkungen steigt, die Patienten sind k&ouml;rperlich nicht so fit und sterben eher. &laquo;Die Breuss-Di&auml;t ist unverantwortlich&raquo;, warnt Prof. Hauner. &laquo;Damit verst&auml;rkt man Untergewicht und Muskelabbau und der K&ouml;rper wird geschw&auml;cht.&raquo; Bei Diagnosestellung einer prim&auml;r fortgeschrittenen Erkrankung liegt abh&auml;ngig von der Tumorentit&auml;t bei 31&ndash;87 % der Patienten ein Gewichtsverlust vor.<sup>1, 2</sup> In 15 % der F&auml;lle haben die Betroffenen bereits mehr als 10 % ihres &uuml;blichen K&ouml;rpergewichts verloren.<sup>3</sup> Der Gewichtsverlust ist mit einer eingeschr&auml;nkten Lebensqualit&auml;t und mit einer schlechteren Prognose verbunden.<sup>4</sup><br /> &Auml;rzte sollten das Thema Ern&auml;hrung ansprechen. Die Patienten m&uuml;ssen aber f&uuml;r solche Informationen auch offen sein, sie aufnehmen und verarbeiten k&ouml;nnen. Das geht erst, wenn der Schock &uuml;ber die Diagnose nachgelassen hat.<br /> Dr. Arends ist Erstautor der S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft f&uuml;r Ern&auml;hrungsmedizin zur Klinischen Ern&auml;hrung in der Onkologie.<sup>5</sup> Gem&auml;ss dieser Leitlinie soll man beginnend mit dem Erstkontakt in ausreichend kurzen Abst&auml;nden, also zumindest alle 4&ndash;8 Wochen, Ern&auml;hrungszustand, Nahrungsaufnahme, k&ouml;rperliche Leistungsf&auml;higkeit und den Schweregrad der Erkrankung erfassen. F&uuml;r ein Screening auf Mangelern&auml;hrung sollten validierte Instrumente verwendet werden wie der Nutrition Risk Score (NRS-2002) oder das Malnutrition Universal Screening Tool (MUST). Im Screening auff&auml;llige Patienten werden einer weiteren Diagnostik zugef&uuml;hrt &ndash; mit Erfassung von Nahrungsaufnahme, ern&auml;hrungsrelevanten Symptomen, K&ouml;rper- und Muskelmasse, Leistungsf&auml;higkeit und systemischer Inflammation. Die Zufuhr an Energie und essenziellen N&auml;hrstoffen orientiert sich am individuellen Bedarf und sollte m&ouml;glichst nicht &uuml;beroder unterschritten werden. In der Leitlinie ist detailliert aufgef&uuml;hrt, wie man den Energiebedarf berechnet und wie viel Fett, Proteine, Vitamine und Spurenelemente Tumorpatienten in der akuten Krankheitsphase brauchen.</p> <h2>N&uuml;sse, Schokolade und Sahnejoghurt als Snacks</h2> <p>Man soll das essen, was einem schmeckt, so die Ansicht von Dr. Arends. Gerne die Speisen mit Sahne oder Butter anreichern und N&uuml;sse, Schokolade oder Sahnejoghurt als Snacks zwischendurch essen, denn viele vertragen mehrere kleine Mahlzeiten &uuml;ber den Tag verteilt besser als drei grosse. Ist einem Patienten infolge der Chemotherapie st&auml;ndig &uuml;bel, sei es hilfreich, viel zu l&uuml;ften, um Kochger&uuml;che zu beseitigen, sehr S&uuml;sses und Scharfes zu meiden oder, wenn den Patienten ein Metallgeschmack vom verwendeten Besteck st&ouml;rt, es durch eines aus Kunststoff zu ersetzen. Gegen Appetitlosigkeit hilft essen in Gesellschaft, ein sch&ouml;n gedeckter Tisch &ndash; und auch ein Aperitif ist erlaubt. &laquo;Das Beste ist, sich von qualifizierten Ern&auml;hrungsexperten beraten zu lassen&raquo;, so Arends.</p> <h2>Vitamine nur bei Mangel substituieren</h2> <p>Immer wieder werden Krebspatienten die Vitamine C und D, Selen oder andere Nahrungserg&auml;nzungsmittel angeboten. &laquo;Nat&uuml;rlich liegt die Annahme nahe, man br&auml;uchte jetzt besonders viele Vitamine oder Mineralien&raquo;, erkl&auml;rt Dr. Arends. &laquo;Kann man ganz normal essen, rate ich aber von hoch dosierten Vitaminsupplementen ab, denn die k&ouml;nnten das Krebsrisiko sogar etwas erh&ouml;hen.&raquo; Habe ein Patient Sorge, nicht gen&uuml;gend Vitamine oder Mineralstoffe aufzunehmen, k&ouml;nne man die jeweiligen bestimmen lassen und nur bei einem Mangel ersetzen.<br /> Ist erst einmal das Gr&ouml;bste &uuml;berstanden, fragen sich Patienten, wie sie verhindern k&ouml;nnen, dass die Krebserkrankung erneut auftritt. Der World Cancer Research Fund und das American Institute for Cancer Research haben Empfehlungen herausgegeben, durch deren Befolgung Krebs vermieden werden kann.<sup>6</sup> Diese richten sich an die allgemeine Bev&ouml;lkerung, aber auch an Patienten, die sich einer Tumorbehandlung unterzogen haben: nicht zu fettig essen, nicht mehr als 500g rotes Fleisch pro Woche, viel Obst und Gem&uuml;se; &Uuml;bergewicht vermeiden; Nahrungserg&auml;nzungsmittel nur dann, wenn ein Mangel vorliegt. &laquo;Wichtiger als das Gewicht zu kontrollieren scheint aber die Kombination aus gesunder Ern&auml;hrung und Bewegung zu sein&raquo;, berichtet Dr. med. Matthias Rostock, Onkologe am Institut f&uuml;r integrative Medizin am Universit&auml;tsspital Z&uuml;rich. So erreichten Frauen nach Brustkrebs, die t&auml;glich f&uuml;nf oder mehr Portionen Obst und Gem&uuml;se gegessen und sich regelm&auml;ssig bewegt hatten, ein h&ouml;heres Alter als diejenigen, die diesem Programm nicht gefolgt waren, und zwar unabh&auml;ngig davon, ob &uuml;bergewichtig oder nicht. &laquo;Die ung&uuml;nstige Auswirkung von &Uuml;bergewicht auf die Prognose von Brustkrebs l&auml;sst sich also mit diesen zwei einfachen Massnahmen g&uuml;nstig beeinflussen.&raquo;<br /> Es schade keinem Krebspatienten, sich mit seinen Ern&auml;hrungsgewohnheiten auseinanderzusetzen und &uuml;ber Alternativen zu Schweinshaxe, Pizza und Pommes nachzudenken, so eine Krebspatientin. &laquo;Allerdings nicht mit dem Ziel, dass man mit den gewonnenen Erkenntnissen den Krebs heilt, sondern um sich besser zu f&uuml;hlen: Das muss man den Betroffenen klar sagen.&raquo; Und es habe keinen Sinn, einem Patienten zu gesunden Lebensmitteln zu raten, welche ihm nicht schmecken. &laquo;Aus einem Fleischesser wird eben nicht von heute auf morgen ein M&uuml;sliesser &ndash; Krebs hin oder her.&raquo;</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Arends J et al.: Aktuel Ern&auml;hrungsmed 2003; 28: 61-68 <strong>2</strong> Bozzetti F et al.: Clin Nutr 2009; 28: 445-454 <strong>3</strong> Dewys WD et al.: Am J Med 1980; 69: 491-497 <strong>4</strong> Bozzetti F: Support Care Cancer 2010; 18(Suppl 2): S41-S50 <strong>5</strong> Arends J et al.: Aktuel Ernahrungsmed 2015; 40: e1-e74 <strong>6</strong> World Cancer Research Fund, American Institute for Cancer Research: Food, Nutrition, Physical Activity, and the Prevention of Cancer: a Global Perspective. Washington DC: AICR, 2007</p> </div> </p>
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