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Kein Aussageverweigerungsrecht im Prozess über die Testierfähigkeit eines Erblassers

<p class="article-intro">Nach § 54 Abs. 1 des Ärztegesetzes sind bekanntlich der Arzt und seine Hilfspersonen zur Verschwiegenheit über alle ihnen in Ausübung ihres Berufes anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet. Die Verschwiegenheitspflicht besteht unter anderem dann nicht, wenn eine Meldung über den Gesundheitszustand einer Person gesetzlich vorgeschrieben ist, wenn die Offenbarung des Geheimnisses nach Art und Inhalt zum Schutz höherwertiger Interessen, nämlich etwa der öffentlichen Gesundheitspflege oder der Rechtspflege, geboten ist, in Abrechnungsstreitigkeiten oder wenn der Patient den Arzt von der Verschwiegenheitsverpflichtung entbunden hat.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Der Sinn dieser und anderer Verschwiegenheitsverpflichtungen, etwa von Rechtsanw&auml;lten oder Notaren, beruht darauf, dass die Aus&uuml;bung bestimmter, zumeist freier Berufe faktisch unm&ouml;glich w&auml;re, wenn die solche Dienste in Anspruch nehmenden Personen nicht darauf vertrauen k&ouml;nnten, dass dem Gegen&uuml;ber erteilte Informationen vertraulich bleiben. Dieses Vertrauen ist n&auml;mlich Voraussetzung daf&uuml;r, dass ohne Hintergedanken und Berechnung s&auml;mtliche Informationen preisgegeben werden k&ouml;nnen, was f&uuml;r eine sinnvolle und kunstgerechte Aus&uuml;bung dieser Berufe erforderlich ist.<br /> Zuletzt hatte der Oberste Gerichtshof einen Fall zu beurteilen, in welchem die gesetzlichen Erben behandelnde &Auml;rzte und Pflegepersonal als Zeugen f&uuml;r die Testierunf&auml;higkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments aufgeboten hatten, diese sich aber allesamt auf ihre gesetzliche Verschwiegenheitsverpflichtung berufen und nicht ausgesagt hatten. In einer richtungsweisenden Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof k&uuml;rzlich ausgesprochen, dass sich &Auml;rzte im Erbschaftsstreit grunds&auml;tzlich nicht auf die &auml;rztliche Verschwiegenheitsverpflichtung berufen k&ouml;nnen, was den Gesundheitszustand des Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments betrifft (OGH 2 Ob 162/16m vom 27. 7. 2017).<br /> In seiner Begr&uuml;ndung verweist das H&ouml;chstgericht zun&auml;chst auf seine st&auml;ndige Judikatur und die Lehre, wonach anerkannt sei, dass aus &sect; 16 ABGB und einer Reihe anderer gesetzlicher Grundwertungen, darunter auch den gesetzlich normierten Verschwiegenheitsverpflichtungen, das jedermann angeborene Pers&ouml;nlichkeitsrecht auf Achtung seines Privatbereichs abzuleiten sei. Der h&ouml;chstpers&ouml;nliche Lebensbereich stelle den Kernbereich der gesch&uuml;tzten Privatsph&auml;re dar, wozu jedenfalls auch die Gesundheit (der Gesundheitszustand) einer Person z&auml;hlt. Es sei ferner anerkannt, dass die Privatsph&auml;re &uuml;ber den Tod hinaus Schutz genie&szlig;e. Wo aber die Verschwiegenheitsverpflichtung h&ouml;chstpers&ouml;nliche Umst&auml;nde oder Rechte betreffe, sei auch die Entbindungserkl&auml;rung h&ouml;chstpers&ouml;nlich. Sie k&ouml;nne daher weder vom Gericht ersetzt noch durch Vertreter, Erben oder einen Nachlasskurator des Verstorbenen erteilt werden.<br /> Auf Grundlage dieser Judikatur war &Auml;rzten bisher empfohlen worden, auch in Streitigkeiten &uuml;ber die Testierf&auml;higkeit eines Erblassers nur dann auszusagen, wenn sie bereits zu Lebzeiten vom Erblasser ausdr&uuml;cklich von der Verschwiegenheitspflicht entbunden worden sind.<br /> Dem h&auml;lt das H&ouml;chstgericht nunmehr entgegen, <em>&bdquo;dass sich die Aussage(-verweigerungs) pflicht des Arztes in einem Verfahren, in welchem die Testierf&auml;higkeit des Erblassers gekl&auml;rt werden muss, nach dem feststellbaren oder mutma&szlig;lichen Willen des Erblassers, den Arzt von Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, richtet. Hat der Erblasser zu Lebzeiten seinen diesbez&uuml;glichen Willen nicht ausdr&uuml;cklich oder konkludent erkl&auml;rt (&hellip;) und verf&uuml;gt der Arzt auch sonst &uuml;ber keine Anhaltspunkte, dass der Erblasser die Entbindung gegen&uuml;ber den Verfahrensparteien verweigern wollte, so ist (&hellip;) auf die Ma&szlig;figur des verst&auml;ndigen und einsichtigen Menschen abzustellen. Ein solcher w&uuml;rde typischerweise in die Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht einwilligen, wenn es um die Aufkl&auml;rung von Zweifeln an seiner Testierf&auml;higkeit geht. (&hellip;) Es liegt im grunds&auml;tzlichen Interesse des Erblassers, mag er testierf&auml;hig oder testierunf&auml;hig gewesen sein, dass sich jene Personen &auml;u&szlig;ern, die am ehesten Aufschluss &uuml;ber seinen wahren letzten Willen geben k&ouml;nnen.&ldquo;</em><br /> Damit stellt das H&ouml;chstgericht klar, dass &Auml;rzte grunds&auml;tzlich in Gerichtsprozessen &uuml;ber die Testierf&auml;higkeit eines Erblassers Auskunft &uuml;ber dessen Gesundheitszustand geben m&uuml;ssen und die Aussage nicht mehr wie bisher &uuml;blich verweigern d&uuml;rfen. Allerdings l&auml;sst der Oberste Gerichtshof auch hievon eine Ausnahme zu: wenn der Erblasser noch zu Lebzeiten den Arzt ausdr&uuml;cklich oder konkludent an die Verschwiegenheit gemahnt hat.</p></p>
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