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Giftiger Dienstag

Pertussis − ein Überblick

<p class="article-intro">Die Inzidenz des Keuchhustens ist wieder im Ansteigen. Heute sind jedoch einerseits ganz kleine Kinder, andererseits Erwachsene die hauptsächlich betroffenen Gruppen. Sowohl Diagnostik als auch Therapie sollten früh erfolgen, um sinnvoll zu sein. Nach Ablauf von vier Wochen ist der Erreger zumeist auch ohne Therapie nicht mehr vorhanden − die quälende Symptomatik kann aber noch Wochen anhalten.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Altersspezifische Kriterien verwenden!</li> <li>Sinnvolle Diagnostik (PCR) fr&uuml;hzeitig einsetzen!</li> <li>Bei Verdacht auf Pertussis fr&uuml;h behandeln!</li> <li>Nicht jeder Husten ist Pertussis.</li> </ul> </div> <p>Fr&uuml;her war der Keuchhusten ausschlie&szlig;lich eine Erkrankung des Kindesalters&ldquo;, so OA Dr. Holger Flick, Klinische Abteilung f&uuml;r Pulmonologie, Medizinische Universit&auml;t Graz. &bdquo;Heute ist der Gro&szlig;teil der Kinder geimpft, w&auml;hrend der Impfschutz aber bei vielen Erwachsenen, gerade im h&ouml;heren Lebensalter, nicht mehr gew&auml;hrleistet ist. Deshalb sind Erwachsene heute die wichtigste Erkrankungsgruppe.&ldquo; Eine zweite besonders gef&auml;hrdete Gruppe sind Kleinkinder unter einem Jahr, die noch nicht geimpft sind.</p> <h2>Erreger</h2> <p>98 % der Pertussisf&auml;lle werden durch <em>Bordetella pertussis</em> &minus; ein gramnegatives St&auml;bchen &minus; verursacht. Dieser Erreger bildet das Pertussistoxin und l&ouml;st schwere Erkrankungen aus. 2 bis 3 % der F&auml;lle werden durch andere Bordetellen verursacht &minus; hier ist in erster Linie <em>Bordetella parapertussis</em> zu nennen; sehr selten kommen auch <em>B. bronchiseptica</em> und <em>B. holmesii</em> vor. <em>B. parapertussis</em> bildet kein Pertussistoxin und macht eher leichtere Verl&auml;ufe. Bordetellen sind hochkontagi&ouml;s (Kontagionsindex 90 % ).<br /> Bordetellen verursachen keine systemische Infektion; vielmehr handelt es sich um eine lokale, in den Atemwegen lokalisierte Erkrankung. <em>B. pertussis</em> verf&uuml;gt, neben dem Pertussistoxin, noch &uuml;ber eine Reihe anderer Virulenzfaktoren, die unter anderem zu einer Motilit&auml;tsst&ouml;rung der Zilien (Zilien sind auch die prim&auml;re Andockstelle der Bordetellen), zu Inflammation, Zelldestruktion und Immunmodulation f&uuml;hren. Eine Reizung der lokalen Nervenendigungen tr&auml;gt zur Ausbildung des massiven, krankheitstypischen Hustens bei.</p> <h2>Epidemiologie und Impfung</h2> <p>Noch um das Jahr 1900 lag die Mortalit&auml;t an Pertussis bei ca. 20/100 000 Einwohner. Durch die Einf&uuml;hrung der Pertussisimpfung in den 1950er-Jahren ging die Keuchhustenmortalit&auml;t in &Ouml;sterreich auf fast null zur&uuml;ck. Allerdings ist seit Anfang des 21. Jahrhunderts wieder ein Anstieg der Zahl der Pertussiserkrankungen zu sehen, der in einigen Bundesl&auml;ndern, wie z.B. der Steiermark, sehr ausgepr&auml;gt ist. In einigen anderen Bundesl&auml;ndern, wie z.B. Wien, werden hingegen deutlich weniger Keuchhustenerkrankungen gemeldet. Betrachtet man aber den gesamt&ouml;sterreichischen Trend, so gibt es einen Anstieg.<br /> 2015 wurden in &Ouml;sterreich 569 Pertussisf&auml;lle gemeldet, im Jahr darauf bereits 1208 (davon 1112 best&auml;tigt &minus; Quelle: &Ouml;sterreichischer Impfplan 2017). &bdquo;Der Grund f&uuml;r diese deutlichen Anstiege ist derzeit noch nicht restlos gekl&auml;rt&ldquo;, sagte der Pulmonologe.<br /> M&ouml;glicherweise hat der Wiederanstieg der Zahl der Pertussisf&auml;lle etwas mit der Entwicklung auf dem Impfstoffsektor zu tun. Bis in die Neunzigerjahre wurde ein Pertussisganzzellimpfstoff verwendet, der eine gute Immunogenit&auml;t aufwies, jedoch auch reich an Nebenwirkungen war. Deshalb wurde dann eine azellul&auml;re Vakzine entwickelt, die nur noch bestimmte, f&uuml;r die Entwicklung einer protektiven Immunit&auml;t entscheidende Teile des Bakteriums, wie Pertussistoxoid, filament&ouml;ses H&auml;magglutinin und Pertactin, enth&auml;lt. Eine Hypothese besagt nun, dass der neue, azellul&auml;re Impfstoff vielleicht doch weniger immunogen und effektiv ist als die alte Ganzzellvakzine. &bdquo;Dagegen spricht allerdings, dass der Wiederanstieg von Pertussis eigentlich schon vor der Einf&uuml;hrung des azellul&auml;ren Impfstoffs begonnen hat&ldquo;, wandte Flick ein.<br /> Jedenfalls hat sich der Altersdurchschnitt der Keuchhustenpatienten in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich verlagert. W&auml;hrend er im Jahr 1995 noch bei 15 Jahren lag, war er 2002 schon auf 33 Jahre, 2008 sogar auf 42 Jahre angestiegen (Abb. 1).<br /> &bdquo;Es ist jedoch genauso gut m&ouml;glich, dass der Anstieg an den mangelhaften Durchimpfungsraten in &Ouml;sterreich liegt&ldquo;, mahnte der Lungenfacharzt.<br /> Es sollte nicht vergessen werden, dass die Pertussisimpfung nicht nur f&uuml;r Kinder und Jugendliche wichtig ist. Ab dem 18. Lebensjahr sollte alle zehn Jahre, ab dem 60. Lebensjahr (laut &ouml;sterreichischer Empfehlung) sogar alle f&uuml;nf Jahre aufgefrischt werden.<br /> Zwar ist die Pertussisimpfung eine allgemein empfohlene Impfung &minus; es gibt jedoch eine Reihe von Personengruppen, denen sie laut &ouml;sterreichischem Impfplan besonders ans Herz gelegt wird. Dazu geh&ouml;ren u.a. medizinisches Personal, Personen, die in Kinderbetreuungseinrichtungen, Alters- und Pflegeheimen sowie nat&uuml;rlich in Spit&auml;lern arbeiten, chronisch Kranke und nicht zuletzt auch Schwangere. Konkret hei&szlig;t dies: Wenn die letzte Pertussisauffrischung l&auml;nger als zwei Jahre vor dem Geburtstermin stattgefunden hat, sollte die Schwangere ab dem zweiten Trimenon geimpft werden, damit das Kind m&uuml;tterliche Antik&ouml;rper gegen Pertussis erh&auml;lt. &bdquo;Zahlreiche Studien belegen, dass die Impfung in der Schwangerschaft sicher und wirksam ist&ldquo;, betonte Flick.<br /> Einer der Versuche, dem Problem der ansteigenden Pertussisinzidenz zu begegnen, ist die Entwicklung neuer Impfstoffe. &bdquo;Es wird an einem Lebendimpfstoff gearbeitet, der eine bessere Immunogenit&auml;t hervorruft und auch &minus; analog zur Wildtypinfektion &minus; zu einer IgA-Bildung an den Schleimh&auml;uten f&uuml;hrt&ldquo;, sagte Flick.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Infekt_1704_Weblinks_jatros_infekt_1704_s15_abb1.jpg" alt="" width="1416" height="854" /></p> <h2>Klinik</h2> <p>Klassischerweise verl&auml;uft Pertussis in drei Phasen.<br /> Die <em>katarrhalische Phase</em> dauert ein bis zwei Wochen und ist von Schnupfen und beginnendem Husten gepr&auml;gt.<br /> Die <em>paroxysmale Phase</em> ist vom typischen Husten &minus; unkontrollierbarer Hustenreiz bis hin zu Zyanose und Apnoe, schlie&szlig;lich ziehende Einatmung, evtl. posttussives Erbrechen &minus; gekennzeichnet und dauert etwa von der dritten bis zur sechsten Krankheitswoche.<br /> Darauf folgt die <em>konvaleszente Phase</em> mit Abnahme der Symptome und schlie&szlig;lich Abheilung.<br /> Tabelle 1 zeigt die klinischen ECDCKriterien f&uuml;r die Pertussisdiagnose.<br /> Diese Kriterien gelten allerdings erst ab dem 10. Lebensjahr. Bei S&auml;uglingen von 0&minus;3 Monaten gilt jeglicher Husten jeglicher Dauer als verd&auml;chtig, bei Kindern von vier Monaten bis neun Jahre ist das Kriterium ein paroxysmaler Husten, der mehr als eine Woche dauert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Infekt_1704_Weblinks_jatros_infekt_1704_s15_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="611" /></p> <h2>Diagnostik</h2> <p>Bis vor einigen Jahren war die serologische Untersuchung auf Pertussis deshalb sehr unspezifisch, weil sie unter anderem auf Antik&ouml;rper gegen Filament-H&auml;magglutinin (FHA) abstellte, welche auch bei vielen anderen Atemwegserregern &minus; wie Chlamydien, Mykoplasmen, Haemophilus, Legionellen etc. &minus; vorkommen. Inzwischen wurde in &Ouml;sterreich aber weitgehend auf die wesentlich spezifischeren Pertussistoxin-Antik&ouml;rper-Tests umgestellt. Da bei einem Gro&szlig;teil der Bev&ouml;lkerung jedoch zumindest geringe Antik&ouml;rpertiter vorhanden sind, erfordert die Beurteilung serologischer Ergebnisse eine entsprechende Expertise.<br /> Ein direkter Erregernachweis kann mittels Kultur oder durch PCR erfolgen. Wichtig ist: Das Material f&uuml;r die PCR-Diagnostik muss aus Regionen mit Flimmerepithel stammen, da nur dort Bordetellen zu finden sind (nasopharyngeale Sekrete oder tiefe nasopharyngeale Abstriche). Die Sensitivit&auml;t der PCR ist allerdings nur in den ersten Erkrankungswochen hoch und nimmt mit zunehmender Krankheitsdauer rasch ab (PCR meist vier Wochen nach Krankheitsbeginn wieder negativ).<br /> &bdquo;Wesentlich zu wissen ist, dass mit dem Negativwerden der PCR der Patient auch nicht mehr ansteckend ist. Da kann die Hustensymptomatik noch voll ausgepr&auml;gt sein, aber der Erreger ist tot&ldquo;, so Flick.<br /> Die Serologie bleibt hingegen auch noch in der Konvaleszenzphase positiv.</p> <h2>Therapie</h2> <p>Eine antimikrobielle Therapie ist zwar wirksam gegen den Erreger (und verhindert so die weitere &Uuml;bertragung), beeinflusst aber den Krankheitsverlauf kaum. F&uuml;r eine antitussive supportive Therapie gibt es keine &uuml;berzeugende Evidenz.<br /> Wenn bei Kindern Antibiotika gegeben werden, dann sollte dies schon bei klinischem Verdacht erfolgen, weil es meist nur in den ersten zwei Wochen sinnvoll ist.<br /> &bdquo;Antibiotika in Woche 5&minus;8 sollten nur Healthcare Workers, schwangeren Frauen sowie Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in Kindereinrichtungen gegeben werden&ldquo;, so Flick abschlie&szlig;end.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: „Pertussis − Klinik, Diagnostik und Therapie“, Giftiger Dienstag mit Dr. Holger Flick, 23. Mai 2017, Wien </p>
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