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Giftiger Dienstag

Geschichte der Antibiotika

<p class="article-intro">Die Entwicklung von Antibiotika für die moderne Medizin begann eigentlich schon vor dem Ersten Weltkrieg, doch erst nach 1945 setzten eine intensivere Forschung und Entwicklung ein. In den letzten Jahrzehnten wurden wiederum eher wenige neue Substanzen und Substanzklassen auf den Markt gebracht. Neue Therapieansätze gegen bakterielle Infektionen stehen aber vor der Tür.</p> <hr /> <p class="article-quelle">Quelle: „Geschichte der Antibiotika“, Giftiger Dienstag mit Univ.- Prof. Dr. Florian Thalhammer, 21. Februar 2017, Wien </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Ausreichend hohe Dosierungen schon von Fleming eingefordert</li> <li>Resistenzentwicklung ein stetes Problem</li> <li>Antibiotic Stewardship immer notwendig</li> <li>Neue Antibiotika mit sehr eingeschr&auml;nktem Indikationsspektrum &ndash; &bdquo;Off-label&ldquo;-Problem</li> <li>Zuk&uuml;nftig neue Ansatzpunkte wie z.B. Antik&ouml;rper</li> </ul> </div> <p>Die erste Antibiotikaanwendung fand wahrscheinlich schon 3000 vor unserer Zeitrechnung in China statt &minus; es handelte sich um die Verabreichung verschimmelter Sojabohnen&ldquo;, erl&auml;uterte Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer, Klinische Abteilung f&uuml;r Infektionen und Tropenmedizin, MedUni Wien, bei einem &bdquo;Giftigen Dienstag&ldquo;. Die heilende Wirkung von Schimmelpilzen bei Geschw&uuml;ren und Hautinfektionen wurde in der Folge in verschiedenen Regionen und Kulturen erkannt. Erw&auml;hnt wurde sie z.B. im alten &Auml;gypten (2500 v. Chr.), im Talmud (100 n. Chr.) oder im &bdquo;Lorscher Arzneibuch&ldquo; (800 n. Chr.).<br /> Die Verwendung von Schimmel als Heilmittel zieht sich durch die gesamte Geschichte der Medizin. Erste experimentelle Beweise zur antibakteriellen Wirkung von Pinselschimmel (Penicillium) wurden seit der zweiten H&auml;lfte des 19. Jahrhunderts gesammelt.</p> <h2>Natur vs. Chemie</h2> <p>Dass auch bei modernen Antibiotika die Abstammung vieler Substanzen aus dem Reich der Pilze nicht zu leugnen ist, zeigt Tabelle 1. Selbst das Antimykotikum Amphotericin B wird von einem Pilz erzeugt. Nun lassen sich drei Ans&auml;tze unterscheiden: die Verwendung der unter kontrollierten biosynthetischen Bedingungen hergestellten, im Prinzip unver&auml;nderten Substanzen (z.B. Penicillin, Bacitracin oder Polymyxin), die halbsynthetische Herstellung (d.h. Substitution einer biosynthetischen Grundstruktur, wie etwa des Betalaktamrings, was verschiedene Penicilline oder Cephalosporine ergibt) oder die vollsynthetische Herstellung einer antimikrobiellen Substanz (z.B. Sulfonamide oder Chinolone).</p> <h2>Substanzklassen und ihre Entwicklung</h2> <p>Derzeit existieren zw&ouml;lf Substanzklassen von Antibiotika, von denen f&uuml;nf (Sulfonamide, Tetrazykline, Makrolide, Oxazolidinone und Chloramphenicol) bakteriostatisch und sieben (Betalaktame, Aminoglykoside, Glykopeptide, Ansamycine, Streptogramine, Chinolone und Lipopeptide) bakterizid wirken. Einige davon (Chloramphenicol, Sulfonamide) werden kaum noch oder gar nicht mehr eingesetzt.<br /> Auf der Zeitachse betrachtet, waren die Betalaktame die erste, die Lipopeptide die bisher letzte eingef&uuml;hrte Substanzklasse. In den letzten Jahrzehnten sind so gut wie keine neuen Substanzklassen dazugekommen. &bdquo;Wir leiden hier an einer Entwicklungsl&uuml;cke&ldquo;, mahnte Thalhammer. &bdquo;Es sind einige neue Substanzen und Substanzklassen in der Pipeline, aber man wird erst sehen m&uuml;ssen, was davon wirklich auf den Markt kommt.&ldquo;<br /> Schon vor dem Ersten Weltkrieg wurde die Arsenverbindung <em>Salvarsan</em> von Paul Ehrlich synthetisiert &minus; im Jahr 1910 waren schon mehr als 10 000 Syphiliskranke damit behandelt worden.<br /> &bdquo;Immerhin galten Salvarsan und Neosalvarsan bis 1940 als Therapiestandard und waren damit das erste moderne Chemotherapeutikum&ldquo;, erg&auml;nzte der Infektiologe.<br /> Auch <em>Sulfonamide</em> wurden bereits vor 1910 synthetisiert &minus; allerdings zun&auml;chst f&uuml;r die Tuchf&auml;rbung. Ihre antimikrobielle Wirkung wurde erst in den Drei&szlig;igerjahren erkannt &minus; wof&uuml;r der Entdecker, Gerhard Domagk, den Nobelpreis erhielt. Sulfonamide werden (in der Regel in Kombination mit Trimethoprim) in einzelnen Indikationen heute noch verwendet.<br /> Die Entdeckung von <em>Penicillin</em> durch Alexander Fleming erfolgte 1928 eher zuf&auml;llig. Erst ein Jahrzehnt sp&auml;ter gelang es, chemisch stabile Penicillinsalze herzustellen. Die erste Behandlung eines Patienten (mit einer S.-aureus-Infektion) mit Penicillin erfolgte 1941. Schon 1942 wurden erste penicillinresistente St&auml;mme von <em>Staphylococcus</em> aureus beschrieben. Erst 1952 konnte &minus; in &Ouml;sterreich &minus; erstmals erfolgreich ein orales Penicillin hergestellt werden, das noch heute wie damals &bdquo;Ospen<sup>&reg;</sup>&ldquo; hei&szlig;t.<br /> Karl Hermann Spitzy f&uuml;hrte in Wien im Jahr 1962 die hoch dosierte Penicillintherapie ein. Die M&ouml;glichkeit, ab 1941 Wundund andere Infektionen mit Penicillin zu therapieren &minus; bis zum Kriegsende nur auf alliierter Seite &minus;, d&uuml;rfte den Ausgang des Zweiten Weltkrieges mitbeeinflusst haben. Heute steht innerhalb der Penicilline eine Reihe von unterschiedlich substituierten Subgruppen zur Verf&uuml;gung.<br /> 1943 wurde das <em>Aminoglykosid</em> Streptomycin aus <em>Streptomyces griseus</em> isoliert &minus; es wird bis heute als Reservemittel bei Tuberkulose eingesetzt. Neuere Aminoglykoside sind bis heute (als Teil von Kombinationstherapien) in manchen Indikationen im Einsatz.<br /> Als erster Vertreter der <em>Makrolide</em> wurde Erythromycin aus Bodenproben isoliert und ab 1952 vermarktet. Erst 1981 gelang die Totalsynthese von Erythromycin.<br /> <em>Cephalosporin C</em> wurde 1945 entdeckt, seine chemische Struktur aber erst 1954 entschl&uuml;sselt. Und noch ein Jahrzehnt sp&auml;ter, 1964, wurde Cephaloridin als erster Vertreter der Cephalosporin-Antibiotika (definitionsgem&auml;&szlig; ein Cephalosporin der ersten Generation) eingef&uuml;hrt.<br /> Inzwischen sind f&uuml;nf Cephalosporin- Generationen auf dem Markt, wobei die Substanzen der f&uuml;nften Generation auch gegen <em>S. aureus</em> wirken.<br /> In der Folge wurden weitere wichtige Substanzklassen wie <em>Chinolone, Carbapeneme, Oxazolidinone</em> und <em>Lipopeptide</em> eingef&uuml;hrt.<br /> &bdquo;Ein Problem, das wir mit den Zulassungen neuer Substanzen haben, besteht in der oft sehr eingeschr&auml;nkten Indikation &minus; z.B. nur f&uuml;r Haut- und Weichteilinfektionen&ldquo;, kritisierte Thalhammer.<br /> Auch in der Infektiologie gibt es neue Ans&auml;tze, wie z.B. die Entwicklung monoklonaler Antik&ouml;rper gegen Bakterientoxine oder auch den Einsatz von Phagen (eigentlich ein alter, in Vergessenheit geratener Ansatz).<br /> &bdquo;Abschlie&szlig;end sei noch auf gro&szlig;artige Erfolge in der antiviralen Therapie verwiesen, n&auml;mlich die Entwicklung einer Vielzahl sehr wirksamer Medikamente gegen Hepatitis C und HIV&ldquo;, schloss Thalhammer.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Infekt_1704_Weblinks_jatros_infekt_1704_s10_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="688" /></p> </div> </p>
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