© DavidGoh Digital Vision Vectors

Lipidtherapie 2017 – the lower, the better

<p class="article-intro">Atherosklerose, die im Wesentlichen auf die Ablagerung von LDL- Cholesterin in den Gefäßen zurückzuführen ist, ist Ursache für koronare Herzerkrankung, aber auch für zerebrale Insulte und ischämische Infarkte. Insgesamt stellen kardiovaskuläre Erkrankungen in Europa die Haupttodesursache dar. Die Senkung des Risikofaktors LDL-Cholesterin muss integraler Bestandteil in der Betreuung von Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen sein. Mit den uns zur Verfügung stehenden Substanzen ist es möglich, effektiv und sicher die geforderten Lipidziele zu erreichen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Am aktuellen Leitspruch der Lipidologie &bdquo;the lower, the better&ldquo; ist nicht zu r&uuml;tteln.</li> <li>Die lipidologischen &bdquo;Traumma&szlig;e&ldquo; abh&auml;ngig vom kardiovaskul&auml;ren Risiko lauten: 70 &ndash; 100 &ndash; 115mg/dl</li> <li>Statine und Ezetimib sollten bis zur maximal tolerierbaren Dosis eingesetzt werden, um die Ziele zu erreichen.</li> <li>K&ouml;nnen die Ziele nicht erreicht werden, sollte eine &Uuml;berweisung an eine Spezialambulanz erfolgen.</li> <li>PCSK9-Hemmer erm&ouml;glichen eine starke LDL-Cholesterinsenkung und haben ein ausgezeichnetes Sicherheitsprofil.</li> </ul> </div> <h2>Reduktion des LDL-Cholesterins wichtiges Therapieziel</h2> <p>Die Reduktion des LDL-Cholesterins (LDL-C) hat eine wesentliche Bedeutung in der Pr&auml;vention kardiovaskul&auml;rer und zerebrovaskul&auml;rer Erkrankungen. In den letzten Jahrzehnten konnte anhand recht valider Daten eindrucksvoll der Nutzen einer effektiven LDL-C-Senkung gezeigt werden: Je st&auml;rker die LDL-Absenkung, desto geringer die Zahl der Ereignisse, aber auch desto geringer das atheromat&ouml;se Plaquevolumen, direkt gemessen mittels intravasaler Ultraschalluntersuchungen.<br /><br /> Dem folgend werden in den aktuellen Leitlinien recht engagierte Ziele in der Lipidtherapie gefordert. International haben sich risikoadaptierte Zielwerte etabliert. Bei Patienten mit sehr hohem kardiovaskul&auml;rem Risiko wird eine LDL-C-Reduktion &lt;70mg/dl bzw. eine Reduktion um mindestens 50 % , wenn der Ausgangswert zwischen 70 und 135mg/dl liegt, empfohlen. Bei hohem Risiko liegt das Ziel bei &lt;100mg/dl, bei moderatem Risiko bei &lt;115mg/dl.</p> <h2>Patienten erreichen das LDL-C-Ziel vielfach nicht</h2> <p>Seit gut zwei Jahren werden die lipidsenkenden Medikamente durch die Gruppe der PCSK9-Hemmer erg&auml;nzt. Durch diese neuen Substanzen hat die Lipidtherapie bzw. die Bedeutung einer effektiven LDL-C-Senkung in vielen medizinischen Fachgebieten neue Aktualit&auml;t erlangt &ndash; es k&ouml;nnen Lipidwerte erreicht werden, die bislang beinahe undenkbar waren. Dies darf aber nicht bedeuten, dass die seit Jahrzehnten gut etablierten Statine infrage gestellt werden sollen. Nach wie vor haben Statine die gr&ouml;&szlig;te Bedeutung in der Therapie erh&ouml;hter Lipidwerte und gelten als First-Line-Therapie. Besonders durch die hochpotenten Vertreter Atorvastatin und Rosuvastatin (und gegebenenfalls durch die zus&auml;tzliche Gabe von Ezetimib) gelingt es in den meisten F&auml;llen, die Zielwerte zu erreichen. Besonders erfreulich ist, dass dem Risikofaktor LDL-Cholesterin in diversen Fachgesellschaften wieder vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt wird, und es ist zu hoffen, dass daraus auch mehr Bewusstsein und Motivation zu einer effektiven Lipidtherapie resultieren.<br /><br /> Doch die Realit&auml;t zeigt uns noch ein recht trauriges Bild. So konnte in der DYSIS-Studie gezeigt werden, dass im Durchschnitt nur 28,1 % ihren LDL-C-Zielwert erreichen, sogar nur 21,7 % der Patienten mit einem sehr hohen kardiovaskul&auml;ren Risiko (Ziel &lt;70 mg/dl). Auch &Ouml;sterreichische Patienten waren in diese Studie eingeschlossen mit noch dramatischeren Ergebnissen (nur 12,9 % bei sehr hohem Risiko).</p> <h2>Zus&auml;tzliche M&ouml;glichkeiten durch PCSK9-Hemmer</h2> <p>Seit 2016 ist in &Ouml;sterreich die neue Substanzgruppe der PCSK9-Hemmer verschreibbar, mit zwei Vertretern (Alirocumab 75mg und 150mg, Evolocumab 140mg), die einen v&ouml;llig neuen Wirkmechanismus verfolgen. Es handelt sich dabei um monoklonale vollhumane Antik&ouml;rper, die an die zirkulierende Proproteinconvertase Substilisin/ KexinTyp9 (PCSK9) binden. PCSK9 bildet mit dem LDL-Rezeptor einen Komplex, was den Abbau des LDL-Rezeptors bewirkt bzw. das Recycling des LDL-Rezeptors verhindert. Durch PCSK9 reduziert sich somit die LDL-Rezeptordichte an der Zelloberfl&auml;che, und die Aufnahme von LDL-C wird reduziert (Abb. 1, 2). Die Tatsache, dass es sich um vollhumane Antik&ouml;rper handelt, hat offensichtlich pharmakologisch eine besondere Bedeutung, was man an einem urspr&uuml;nglich dritten Vertreter, einem humanisierten Antik&ouml;rper, beobachtet hat. Durch Bildung neutralisierender Antik&ouml;rper kam es zu einem Wirkverlust, und die Studien mussten abgebrochen werden.<br /> F&uuml;r beide Substanzen konnten in zahlreichen Studienprogrammen bzw. Metaanalysen (ODYSSEY-LONG TERM f&uuml;r Alirocumab bzw. OSLER f&uuml;r Evolocumab) eine beeindruckende Senkung des LDLCholesterins und damit eine Reduktion kardiovaskul&auml;rer Ereignisse nachgewiesen werden. Erw&auml;hnenswert ist auch, dass PCSK9-Hemmer erstmals auch eine Senkung des bislang praktisch unbeeinflussbaren Risikofaktors Lp(a) erm&ouml;glichen. Seit dem Fr&uuml;hjahr 2017 liegt mit der FOURIER- Studie auch f&uuml;r Evolocumab eine Outcome-Studie vor. An &uuml;ber 27 000 ohnehin schon optimal statintherapierten Patienten mit bestehender kardiovaskul&auml;rer Erkrankung konnte eine beeindruckende LDL-C-Senkung demonstriert werden &ndash; 42 % erreichten sogar ein LDL-C =25mg/dl und die erreichten LDL-Werte blieben &uuml;ber die Studiendauer konstant. F&uuml;r den prim&auml;ren Endpunkt (kardiovaskul&auml;rer Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall, Hospitalisation aufgrund instabiler Angina pectoris, koronare Revaskularisation) konnte eine Reduktion des relativen Risikos von 15 % , f&uuml;r den sekund&auml;ren Endpunkt (kardiovaskul&auml;rer Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall) von 20 % erreicht werden. Ein Wermutstropfen war allerdings die fehlende Reduktion der kardiovaskul&auml;ren Mortalit&auml;t bzw. Gesamtmortalit&auml;t. Dieser Punkt wird nach wie vor intensiv diskutiert, es scheint aber doch an der relativ kurzen Studiendauer zu liegen. Wesentliches Ergebnis ist das besondere Sicherheitsprofil dieser Substanz. Das Nebenwirkungsprofil scheint tats&auml;chlich auf Placeboniveau zu liegen. F&uuml;r Alirocumab wird im Fr&uuml;hjahr 2018 mit der ODYSSEY-OUTCOME-Studie eine weitere Endpunktstudie erwartet. Das Studiendesign unterscheidet sich doch in einigen wesentlichen Punkten. So wurden z.B. nur Patienten mit vorangegangenem akutem Koronarsyndrom eingeschlossen und auch in der Definition der Endpunkte gibt es Unterschiede.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1705_Weblinks_s12_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="1104" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1705_Weblinks_s12_abb2.jpg" alt="" width="1417" height="1100" /></p> <h2>Auch sehr niedrige LDL-Cholesterinwerte sind sicher</h2> <p>Die massive Senkung des LDL-Cholesterins wirft immer wieder die Frage auf, ob denn dem Organismus nicht Cholesterin fehle, schlie&szlig;lich wird dieses f&uuml;r vielerlei integrale K&ouml;rperfunktionen ben&ouml;tigt (Aufbau von Zellmembranen, Produktion der Steroidhormone, . . .). Man wei&szlig; aber mittlerweile recht genau, dass s&auml;mtliche Zellen unseres K&ouml;rpers das ben&ouml;tigte Cholesterin auch selbst generieren k&ouml;nnen. Des Weiteren liefert uns die Natur selbst gute Beispiele, schlie&szlig;lich misst man bei Kleinkindern auch sehr niedrige LDL-Cholesterinwerte und es gibt gewisserma&szlig;en genetisch bevorzugte Menschen mit sehr niedrigen LDL-C-Spiegeln, die aus diesem Grund auch ein &auml;u&szlig;erst geringes Risiko f&uuml;r kardiovaskul&auml;re Erkrankungen haben. Eine Subgruppenanalyse aus der FOURIERStudie konnte das g&uuml;nstige Sicherheitsrisiko untermauern. So teilte man je nach erreichter LDL-C-Senkung die Patienten in f&uuml;nf Gruppen ein und analysierte das Auftreten von zehn verschiedenen unerw&uuml;nschten Ereignissen. Wiederum konnte das ausgezeichnete Sicherheitsprofil demonstriert werden, insbesondere gibt es keine Hinweise auf ein vermehrtes Auftreten von Nebenwirkungen bei extrem starker LDL-C-Senkung (Abb. 3). Auch auf neurokognitive Ereignisse scheint es keinen Einfluss zu geben, so das Ergebnis der EBBINGHAUS-Studie. Da den Statinen gewisse negative Effekte auf den Glukosehaushalt nachgesagt werden, ist die im Herbst 2017 ver&ouml;ffentlichte ODYSSEE-DMINSULIN- Studie von Interesse. Hier konnte gut dargestellt werden, dass der Einsatz von Alirocumab bei insulinpflichtigen Typ-1- und Typ-2-Diabetikern eine diabetische Stoffwechsellage nicht beeinflusst &ndash; s&auml;mtliche diabetesrelevanten Parameter (HbA<sub>1c</sub>, N&uuml;chternglukose, Insulinverbrauch, Anzahl antidiabetischer Substanzen) blieben trotz starker LDL-C-Senkung unbeeinflusst.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1705_Weblinks_s12_abb3_neu.jpg" alt="" width="1417" height="1207" /></p> <h2>Bewertung der aktuellen Situation</h2> <p>Alle diese recht validen vorliegenden Daten demonstrieren die Notwendigkeit und Sicherheit einer effektiven Lipidtherapie und rechtfertigen die in den Leitlinien vorgegebenen strengen Zielwerte sowie den aktuellen Leitspruch der Lipidologie &bdquo;the lower, the better&ldquo;. Verschiedene Fachgesellschaften gehen bereits einen Schritt weiter: So hat die amerikanische Gesellschaft f&uuml;r Endokrinologie j&uuml;ngst in ihrer Leitlinie eine zus&auml;tzliche Gruppe mit &bdquo;extremem&ldquo; Risiko definiert, f&uuml;r die ein LDL-Ziel von &lt;50mg/dl gilt. Dank der zur Verf&uuml;gung stehenden Substanzen sind diese Ziele durchaus realistisch. Auch neue Substanzen werden uns m&ouml;glicherweise in den n&auml;chsten Jahren zur Verf&uuml;gung stehen. Ein neuer RNAi- PCSK9-Inhibitor, der nur mehr zweimal pro Jahr injiziert werden muss, ist derzeit in Pr&uuml;fung. Erschwerend ist leider die in &Ouml;sterreich bestehende Situation der Erstattung von PCSK9-Hemmern, die m&ouml;glicherweise der Grund daf&uuml;r ist, dass hierzulande viele Patienten mit hohem kardiovaskul&auml;rem Risiko noch nicht mit einer effektiven Lipidtherapie versorgt sind.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
Back to top