<p class="article-intro">Atherosklerose, die im Wesentlichen auf die Ablagerung von LDL- Cholesterin in den Gefäßen zurückzuführen ist, ist Ursache für koronare Herzerkrankung, aber auch für zerebrale Insulte und ischämische Infarkte. Insgesamt stellen kardiovaskuläre Erkrankungen in Europa die Haupttodesursache dar. Die Senkung des Risikofaktors LDL-Cholesterin muss integraler Bestandteil in der Betreuung von Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen sein. Mit den uns zur Verfügung stehenden Substanzen ist es möglich, effektiv und sicher die geforderten Lipidziele zu erreichen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Am aktuellen Leitspruch der Lipidologie „the lower, the better“ ist nicht zu rütteln.</li> <li>Die lipidologischen „Traummaße“ abhängig vom kardiovaskulären Risiko lauten: 70 – 100 – 115mg/dl</li> <li>Statine und Ezetimib sollten bis zur maximal tolerierbaren Dosis eingesetzt werden, um die Ziele zu erreichen.</li> <li>Können die Ziele nicht erreicht werden, sollte eine Überweisung an eine Spezialambulanz erfolgen.</li> <li>PCSK9-Hemmer ermöglichen eine starke LDL-Cholesterinsenkung und haben ein ausgezeichnetes Sicherheitsprofil.</li> </ul> </div> <h2>Reduktion des LDL-Cholesterins wichtiges Therapieziel</h2> <p>Die Reduktion des LDL-Cholesterins (LDL-C) hat eine wesentliche Bedeutung in der Prävention kardiovaskulärer und zerebrovaskulärer Erkrankungen. In den letzten Jahrzehnten konnte anhand recht valider Daten eindrucksvoll der Nutzen einer effektiven LDL-C-Senkung gezeigt werden: Je stärker die LDL-Absenkung, desto geringer die Zahl der Ereignisse, aber auch desto geringer das atheromatöse Plaquevolumen, direkt gemessen mittels intravasaler Ultraschalluntersuchungen.<br /><br /> Dem folgend werden in den aktuellen Leitlinien recht engagierte Ziele in der Lipidtherapie gefordert. International haben sich risikoadaptierte Zielwerte etabliert. Bei Patienten mit sehr hohem kardiovaskulärem Risiko wird eine LDL-C-Reduktion <70mg/dl bzw. eine Reduktion um mindestens 50 % , wenn der Ausgangswert zwischen 70 und 135mg/dl liegt, empfohlen. Bei hohem Risiko liegt das Ziel bei <100mg/dl, bei moderatem Risiko bei <115mg/dl.</p> <h2>Patienten erreichen das LDL-C-Ziel vielfach nicht</h2> <p>Seit gut zwei Jahren werden die lipidsenkenden Medikamente durch die Gruppe der PCSK9-Hemmer ergänzt. Durch diese neuen Substanzen hat die Lipidtherapie bzw. die Bedeutung einer effektiven LDL-C-Senkung in vielen medizinischen Fachgebieten neue Aktualität erlangt – es können Lipidwerte erreicht werden, die bislang beinahe undenkbar waren. Dies darf aber nicht bedeuten, dass die seit Jahrzehnten gut etablierten Statine infrage gestellt werden sollen. Nach wie vor haben Statine die größte Bedeutung in der Therapie erhöhter Lipidwerte und gelten als First-Line-Therapie. Besonders durch die hochpotenten Vertreter Atorvastatin und Rosuvastatin (und gegebenenfalls durch die zusätzliche Gabe von Ezetimib) gelingt es in den meisten Fällen, die Zielwerte zu erreichen. Besonders erfreulich ist, dass dem Risikofaktor LDL-Cholesterin in diversen Fachgesellschaften wieder vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt wird, und es ist zu hoffen, dass daraus auch mehr Bewusstsein und Motivation zu einer effektiven Lipidtherapie resultieren.<br /><br /> Doch die Realität zeigt uns noch ein recht trauriges Bild. So konnte in der DYSIS-Studie gezeigt werden, dass im Durchschnitt nur 28,1 % ihren LDL-C-Zielwert erreichen, sogar nur 21,7 % der Patienten mit einem sehr hohen kardiovaskulären Risiko (Ziel <70 mg/dl). Auch Österreichische Patienten waren in diese Studie eingeschlossen mit noch dramatischeren Ergebnissen (nur 12,9 % bei sehr hohem Risiko).</p> <h2>Zusätzliche Möglichkeiten durch PCSK9-Hemmer</h2> <p>Seit 2016 ist in Österreich die neue Substanzgruppe der PCSK9-Hemmer verschreibbar, mit zwei Vertretern (Alirocumab 75mg und 150mg, Evolocumab 140mg), die einen völlig neuen Wirkmechanismus verfolgen. Es handelt sich dabei um monoklonale vollhumane Antikörper, die an die zirkulierende Proproteinconvertase Substilisin/ KexinTyp9 (PCSK9) binden. PCSK9 bildet mit dem LDL-Rezeptor einen Komplex, was den Abbau des LDL-Rezeptors bewirkt bzw. das Recycling des LDL-Rezeptors verhindert. Durch PCSK9 reduziert sich somit die LDL-Rezeptordichte an der Zelloberfläche, und die Aufnahme von LDL-C wird reduziert (Abb. 1, 2). Die Tatsache, dass es sich um vollhumane Antikörper handelt, hat offensichtlich pharmakologisch eine besondere Bedeutung, was man an einem ursprünglich dritten Vertreter, einem humanisierten Antikörper, beobachtet hat. Durch Bildung neutralisierender Antikörper kam es zu einem Wirkverlust, und die Studien mussten abgebrochen werden.<br /> Für beide Substanzen konnten in zahlreichen Studienprogrammen bzw. Metaanalysen (ODYSSEY-LONG TERM für Alirocumab bzw. OSLER für Evolocumab) eine beeindruckende Senkung des LDLCholesterins und damit eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse nachgewiesen werden. Erwähnenswert ist auch, dass PCSK9-Hemmer erstmals auch eine Senkung des bislang praktisch unbeeinflussbaren Risikofaktors Lp(a) ermöglichen. Seit dem Frühjahr 2017 liegt mit der FOURIER- Studie auch für Evolocumab eine Outcome-Studie vor. An über 27 000 ohnehin schon optimal statintherapierten Patienten mit bestehender kardiovaskulärer Erkrankung konnte eine beeindruckende LDL-C-Senkung demonstriert werden – 42 % erreichten sogar ein LDL-C =25mg/dl und die erreichten LDL-Werte blieben über die Studiendauer konstant. Für den primären Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall, Hospitalisation aufgrund instabiler Angina pectoris, koronare Revaskularisation) konnte eine Reduktion des relativen Risikos von 15 % , für den sekundären Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall) von 20 % erreicht werden. Ein Wermutstropfen war allerdings die fehlende Reduktion der kardiovaskulären Mortalität bzw. Gesamtmortalität. Dieser Punkt wird nach wie vor intensiv diskutiert, es scheint aber doch an der relativ kurzen Studiendauer zu liegen. Wesentliches Ergebnis ist das besondere Sicherheitsprofil dieser Substanz. Das Nebenwirkungsprofil scheint tatsächlich auf Placeboniveau zu liegen. Für Alirocumab wird im Frühjahr 2018 mit der ODYSSEY-OUTCOME-Studie eine weitere Endpunktstudie erwartet. Das Studiendesign unterscheidet sich doch in einigen wesentlichen Punkten. So wurden z.B. nur Patienten mit vorangegangenem akutem Koronarsyndrom eingeschlossen und auch in der Definition der Endpunkte gibt es Unterschiede.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1705_Weblinks_s12_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="1104" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1705_Weblinks_s12_abb2.jpg" alt="" width="1417" height="1100" /></p> <h2>Auch sehr niedrige LDL-Cholesterinwerte sind sicher</h2> <p>Die massive Senkung des LDL-Cholesterins wirft immer wieder die Frage auf, ob denn dem Organismus nicht Cholesterin fehle, schließlich wird dieses für vielerlei integrale Körperfunktionen benötigt (Aufbau von Zellmembranen, Produktion der Steroidhormone, . . .). Man weiß aber mittlerweile recht genau, dass sämtliche Zellen unseres Körpers das benötigte Cholesterin auch selbst generieren können. Des Weiteren liefert uns die Natur selbst gute Beispiele, schließlich misst man bei Kleinkindern auch sehr niedrige LDL-Cholesterinwerte und es gibt gewissermaßen genetisch bevorzugte Menschen mit sehr niedrigen LDL-C-Spiegeln, die aus diesem Grund auch ein äußerst geringes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen haben. Eine Subgruppenanalyse aus der FOURIERStudie konnte das günstige Sicherheitsrisiko untermauern. So teilte man je nach erreichter LDL-C-Senkung die Patienten in fünf Gruppen ein und analysierte das Auftreten von zehn verschiedenen unerwünschten Ereignissen. Wiederum konnte das ausgezeichnete Sicherheitsprofil demonstriert werden, insbesondere gibt es keine Hinweise auf ein vermehrtes Auftreten von Nebenwirkungen bei extrem starker LDL-C-Senkung (Abb. 3). Auch auf neurokognitive Ereignisse scheint es keinen Einfluss zu geben, so das Ergebnis der EBBINGHAUS-Studie. Da den Statinen gewisse negative Effekte auf den Glukosehaushalt nachgesagt werden, ist die im Herbst 2017 veröffentlichte ODYSSEE-DMINSULIN- Studie von Interesse. Hier konnte gut dargestellt werden, dass der Einsatz von Alirocumab bei insulinpflichtigen Typ-1- und Typ-2-Diabetikern eine diabetische Stoffwechsellage nicht beeinflusst – sämtliche diabetesrelevanten Parameter (HbA<sub>1c</sub>, Nüchternglukose, Insulinverbrauch, Anzahl antidiabetischer Substanzen) blieben trotz starker LDL-C-Senkung unbeeinflusst.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1705_Weblinks_s12_abb3_neu.jpg" alt="" width="1417" height="1207" /></p> <h2>Bewertung der aktuellen Situation</h2> <p>Alle diese recht validen vorliegenden Daten demonstrieren die Notwendigkeit und Sicherheit einer effektiven Lipidtherapie und rechtfertigen die in den Leitlinien vorgegebenen strengen Zielwerte sowie den aktuellen Leitspruch der Lipidologie „the lower, the better“. Verschiedene Fachgesellschaften gehen bereits einen Schritt weiter: So hat die amerikanische Gesellschaft für Endokrinologie jüngst in ihrer Leitlinie eine zusätzliche Gruppe mit „extremem“ Risiko definiert, für die ein LDL-Ziel von <50mg/dl gilt. Dank der zur Verfügung stehenden Substanzen sind diese Ziele durchaus realistisch. Auch neue Substanzen werden uns möglicherweise in den nächsten Jahren zur Verfügung stehen. Ein neuer RNAi- PCSK9-Inhibitor, der nur mehr zweimal pro Jahr injiziert werden muss, ist derzeit in Prüfung. Erschwerend ist leider die in Österreich bestehende Situation der Erstattung von PCSK9-Hemmern, die möglicherweise der Grund dafür ist, dass hierzulande viele Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko noch nicht mit einer effektiven Lipidtherapie versorgt sind.</p></p>
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