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ESC Guidelines 2017

Management von Patienten mit ST-Hebungsinfarkt, Klappenerkrankung oder peripherer arterieller Erkrankung

<p class="article-intro">Eine neue ESC-Leitlinie zum Management des STEMI bringt unter anderem neue Zeitvorgaben sowie wichtige Änderungen und Anpassungen im Hinblick auf die perkutane Koronarintervention. Die neue ESC-Guideline zu Klappenerkrankungen gibt präzise Anweisungen inklusive Algorithmen für die Indikationsstellung zu Eingriffen an den Herzklappen. Für die TAVI wird eine Reihe von Faktoren gelistet, die die Indikationsstellung leiten sollten. Die neue Leitlinie zum Management von peripheren arteriellen Erkrankungen gibt detaillierte Empfehlungen zu Interventionen, zu konservativer Therapie und zum Gerinnungsmanagement.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Die Uhr beginnt mit der STEMI-Diagnose zu ticken</h2> <p>Die neue ESC-Leitlinie zum Management des akuten Myokardinfarkts mit ST-Streckenhebung (STEMI) enth&auml;lt im Vergleich zum Vorg&auml;ngerdokument aus dem Jahr 2012 einige wichtige Neuerungen und Erg&auml;nzungen.<sup>1</sup> Insgesamt umfasst die Guideline 159 Empfehlungen, basierend auf 477 Referenzen. Von diesen Empfehlungen haben 23 Evidenz-Level A und 47 Evidenz-Level B, 92 Empfehlungen haben Klasse 1. &laquo;Das bedeutet, wir sind der Ansicht, dass man das so machen sollte&raquo;, sagt dazu der Vorsitzende der ESC Task Force, Prof. Dr. med. Stefan James.<br /> Eine der wichtigsten neuen Empfehlungen betrifft den Zeitrahmen der Massnahmen (Abb. 1). James erl&auml;uterte: &laquo;Bislang war unklar, ab wann wir die Uhr stellen sollen.&raquo; Diese Frage wurde nun eindeutig beantwortet. Alle Zeitvorgaben beginnen mit der Diagnose einer Hebung der ST-Strecke im EKG. Dies kann im Rettungswagen erfolgen oder, falls es an entsprechender Ausr&uuml;stung oder Personal fehlt, nach dem Eintreffen im Krankenhaus. Damit lautet nun die zentrale Vorgabe: 90 Minuten nach der Diagnose soll eine verschlossene Koronararterie wieder offen sein. Der Zeitpunkt der EKG-Diagnose sei von zentraler Bedeutung, da man &ndash; so James &ndash; zuvor ja nicht wisse, ob es sich um einen STEMI handelt oder nicht. James unterstrich, dass alle unscharfen oder mehrdeutigen Terminologien aus der Leitlinie entfernt wurden. Das betrifft den Zeitpunkt des &laquo;Auftretens der ersten Symptome &raquo; ebenso wie &laquo;Door-to-door&raquo;- oder &laquo;Door-to-balloon&raquo;-Zeiten. Dies sei nicht zuletzt auch dem aktuellen Vorgehen der Not&auml;rzte geschuldet, da heute eine Therapie ja bereits im Krankenwagen beginnen k&ouml;nne. Das betrifft insbesondere die Fibrinolyse, die maximal 10 Minuten nach der STEMI-Diagnose begonnen werden sollte, w&auml;hrend laut der alten Version der Guideline daf&uuml;r 30 Minuten Zeit blieben. Fibrinolyse als Reperfusionsstrategie ist dann indiziert, wenn nicht innerhalb von 120 Minuten ein PCI-Zentrum erreicht werden kann.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1706_Weblinks_s29_abb1.jpg" alt="" width="1418" height="979" /><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1706_Weblinks_s29_abb1_.jpg" alt="" width="1418" height="979" /><br /><br /> <strong>Neue Empfehlung f&uuml;r die komplette Revaskularisierung</strong><br /> Ist es m&ouml;glich, den Patienten innerhalb von 120 Minuten in ein PCI-Zentrum zu bringen, ist der Intervention der Vorzug zu geben. Wichtige &Auml;nderungen gibt es auch bei der Katheterintervention. Die Empfehlung f&uuml;r den radialen Zugang wurde auf Klasse 1 verst&auml;rkt, ebenso die Empfehlung f&uuml;r den Einsatz von &laquo;drug-eluting stents&raquo; statt &laquo;bare metal stents&raquo;. W&auml;hrend in der Guideline von 2012 lediglich empfohlen wurde, das vom Infarkt direkt betroffene Areal zu revaskularisieren, er&ouml;ffnet die Leitlinie 2017 auch die Option der kompletten Revaskularisation. Die Basis daf&uuml;r bilden, so James, mehrere Studien, die einen Benefit durch vollst&auml;ndige Revaskularisierung zeigen. Auf Basis neuerer Daten gibt es auch eine &Auml;nderung in Bezug auf die Thrombusaspiration: Sie wird nicht mehr empfohlen. Auch ein verz&ouml;gertes Stenting nach &Ouml;ffnung des Koronargef&auml;sses sollte unterbleiben. Die Sauerstofftherapie wird auf Basis der DETO2X-Studie<sup>2</sup> nicht empfohlen, falls die Sauerstoffs&auml;ttigung des Patienten &uuml;ber 90 % liegt.<br /> Eine Verl&auml;ngerung der dualen Antipl&auml;ttchentherapie kann bei ausgew&auml;hlten Patienten sinnvoll sein. Der Myokardinfarkt ohne Obstruktion von Koronargef&auml;ssen (&laquo;myocardial infarction with non-obstructive coronary arteries&raquo;, MINOCA) wird in einem eigenen Kapitel ber&uuml;cksichtigt. Aufgrund der unterschiedlichen Genese dieser F&auml;lle ist hier eine individualisierte Therapie indiziert, die von den generellen STEMI- Empfehlungen abweichen kann.</p> <h2>Upgrade f&uuml;r die TAVI</h2> <p>Die neue ESC-Leitlinie zu den Klappenerkrankungen ist nach einem neuartigen Konzept strukturiert und relativ kurz gehalten.<sup>3</sup> Sie ist mit den entsprechenden Abschnitten im ESC Textbook verlinkt, wo sehr viel detailliertere Informationen abgerufen werden k&ouml;nnen.<br /> Besonderes Augenmerk wurde auf die Rolle des Heart-Teams gelegt. Die Autoren unterstreichen, dass es eine klare Assoziation zwischen der Frequenz, mit der bestimmte Eingriffe an einem bestimmten Zentrum durchgef&uuml;hrt werden, und der Qualit&auml;t dieser Eingriffe gibt. Aber es werden keine Zahlen als &laquo;Untergrenze&raquo; angegeben, da daf&uuml;r die Evidenz fehlt. Stattdessen werden &laquo;Heart Valve Centers&raquo; gefordert, also Zentren, an denen die entsprechende personelle Expertise sowie technische Ausstattung in Chirurgie, Bildgebung und interventioneller Kardiologie vorhanden sind. CT, MRT und nach M&ouml;glichkeit auch PET sollten zur Verf&uuml;gung stehen. Ein gr&uuml;ndlicher innerer Audit-Prozess sowie die Teilnahme an &uuml;berregionalen Registern werden gefordert.<br /> Eine entscheidende Neuerung stellen die Empfehlungen f&uuml;r die Transkatheter- Aortenklappen-Implantation (TAVI) dar. TAVI kann nun bei sehr unterschiedlichen Patienten mit mittlerem bis hohem Operationsrisiko als Alternative zum chirurgischen Klappenersatz erwogen werden. Dabei h&auml;lt die Leitlinie fest, dass Risiko- Scores alleine nicht ausreichen, um die Indikation f&uuml;r eine TAVI zu stellen. Die Guideline enth&auml;lt Tabellenmaterial, das die Entscheidung f&uuml;r oder gegen eine TAVI erleichtern soll. Als Faustregel gilt, dass die TAVI vor allem bei Patienten jenseits des 75. Lebensjahrs zum Einsatz kommen soll. Dies hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die Datenlage bei dieser Patientenpopulation besser ist. Auch die Datenlage zur langfristigen Haltbarkeit von TAVI ist nach wie vor begrenzt. Grunds&auml;tzlich sollen auch interventionelle Klappenimplantationen immer an einem Heart Valve Center durchgef&uuml;hrt werden, an dem s&auml;mtliche chirurgischen und kardiologischen Optionen verf&uuml;gbar sind.<br /> Auch Empfehlungen f&uuml;r die Antikoagulation werden gegeben. Sie best&auml;tigen die Rolle von DOAK bei Patienten mit Klappenerkrankungen bzw. einer Aortenklappenbioprothese und Vorhofflimmern. Keine Empfehlung besteht f&uuml;r DOAK bei moderater bis schwerer Mitralstenose in Kombination mit Vorhofflimmern. Die Kontraindikation von DOAK bei Patienten mit mechanischen Klappen bleibt aufrecht.</p> <h2>Aus einer PAD werden viele PADs</h2> <p>Die neue Leitlinie gibt detaillierte Empfehlungen zu Interventionen, zu konservativer Therapie und zum Gerinnungsmanagement.<br /> Die aktuelle ESC-Leitlinie 2017 zum Management peripherer arterieller Erkrankungen wurde erstmals gemeinsam mit der European Society for Vascular Surgery (ESVS) erstellt.<sup>4</sup> Neu ist auch ein Detail im Titel. Statt wie bisher &laquo;peripheral artery disease&raquo; heisst es nun &laquo;peripheral arterial diseases&raquo;, denn die Guideline deckt, so Prof. Dr. med. Petr Widimsky von der Karls- Universit&auml;t Prag, &laquo;alle Arterien mit Ausnahme der Koronarien&raquo; ab. Dementsprechend werden detaillierte Empfehlungen zu den einzelnen Gef&auml;sssystemen gegeben. Dabei gibt es einige wichtige &Auml;nderungen.<br /> Ist in der vorigen Leitlinie bei asymptomatischer Karotisstenose grunds&auml;tzlich eine Revaskularisierung gefordert worden, so empfiehlt die aktualisierte Guideline eine Revaskularisierung nur noch bei hohem Schlaganfallrisiko oder bei Symptomen. Im Falle der Nierenarterien besteht nun auf Basis aktueller Evidenz eine starke Empfehlung gegen eine Revaskularisierung und gegen ein Stenting.<br /> Ausf&uuml;hrlich geht die neue Guideline auch auf die medikament&ouml;sen Therapieoptionen ein. So ist ein eigenes Kapitel der Antipl&auml;ttchentherapie und der Antikoagulation gewidmet. Darin finden sich detaillierte und spezifische Empfehlungen zu den unterschiedlichen Erkrankungen und den verf&uuml;gbaren Substanzen. Eine einfache antithrombotische Therapie ist der neuen Guideline zufolge f&uuml;r alle Patienten mit relevanter Karotisstenose, unabh&auml;ngig von klinischen Symptomen oder einer m&ouml;glichen Revaskularisierung, indiziert. Auch beim Management der symptomatischen arteriellen Erkrankung der Extremit&auml;ten spielt die antithrombotische Therapie eine wichtige Rolle. Die duale Antipl&auml;ttchentherapie f&uuml;r einen Zeitraum von mindestens einem Monat ist nach einer Intervention an der Karotis indiziert. Im Gegensatz dazu wird eine Antikoagulation nur dann empfohlen, wenn daf&uuml;r Gr&uuml;nde abseits einer PAD bestehen. Auch eine Kombination von Antikoagulation und Antipl&auml;ttchentherapie ist m&ouml;glich.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Ibanez B et al.; ESC Scientific Document Group; 2017 ESC Guidelines for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation: The Task Force for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J 2017 [epub ahead of print] <strong>2</strong> Hofmann R et al.; DETO2X&ndash;SWEDEHEART Investigators: Oxygen therapy in suspected acute myocardial infarction. N Engl J Med 2017; 377: 1240-9 <strong>3</strong> Baumgartner H et al.; ESC Scientific Document Group: 2017 ESC/EACTS Guidelines for the management of valvular heart disease. Eur Heart J 2017; 38: 2739-91 <strong>4</strong> Aboyans V et al.; ESC Scientific Document Group: 2017 ESC Guidelines on the Diagnosis and Treatment of Peripheral Arterial Diseases, in collaboration with the European Society for Vascular Surgery (ESVS): Document covering atherosclerotic disease of extracranial carotid and vertebral, mesenteric, renal, upper and lower extremity arteries. Endorsed by: the European Stroke Organization (ESO), The Task Force for the Diagnosis and Treatment of Peripheral Arterial Diseases of the European Society of Cardiology (ESC) and of the European Society for Vascular Surgery (ESVS). Eur Heart J 2017 [epub ahead of print]</p> </div> </p>
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